Urteil des LG Köln vom 11.09.2003

LG Köln (unterbrechung der verjährung, rechnung, ausführung, verjährung, preis, höhe, vertrag, vergleichsrechnung, verjährungsfrist, zpo)

Landgericht Köln, 86 O 136/02
Datum:
11.09.2003
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
6. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
86 O 136/02
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu
vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T A T B E S T A N D:
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Die Klägerin ist Betreiberin eines Telekommunikationsnetzes. Mit der Beklagten hat sie
eine Zusammenschaltungsvereinbarung; die letzte datiert vom 24. 2. 1998. Im
Zusammenhang hiermit richtete die Beklagte Interconnection-Anschlüsse (ICA) ein,
damit der Übergang vom Netz der Klägerin in dasjenige der Beklagten und umgekehrt
realisiert werden kann.
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Interconnection-Anschlüsse können in zwei Varianten realisiert werden, entweder als
ICAs "customer sited" oder als ICAs "physical co-location". Bei den ICAs "customer
sited" wird die Zusammenschaltung in den Räumen des Zusammenschaltungspartners
der Beklagten realisiert, wobei beide Teile des Interconnection-Anschlusses, der
sogenannte Inter-Building-Abschnitt sowie der sogenannte Intra-Building-Abschnitt
durch die Beklagte hergestellt werden; bei den ICAs "physical co-location" wird die
Zusammenschaltung in den Räumen der Beklagten realisiert, wobei der Inter-Building-
Abschnitt vom Zusammenschaltungspartner und der Intra-Building-Abschnitt von der
Beklagten hergestellt werden. Vorliegend hat die Klägerin den Inter-Building-Abschnitt
realisiert.
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Gemäß der Zusammenschaltungsvereinbarung hatte die Klägerin für den
Interconnection-Anschluß einen Bereitstellungspreis zu zahlen sowie jährlich einen
Überlassungspreis. In Ziff. 2.6.1.4 (bzw. Ziff. 2.2.1.4 der Vereinbarung vom 24. 2. 1998)
heißt es:
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"Nach Ablauf des Jahres erstattet die E an D einen Anteil des Überlassungspreises
(Intra-Building-Abschnitt und Überlassung eines ZZK7) entsprechend dem
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Verhältnis der jeweils von den Vertragspartnern im Erstattungsjahr zu zahlenden
generierten Minuten. Diese Regelung gilt auch für den von D realisierten Inter-
Building-Abschnitt, wenn D die entsprechenden Preisinformationen zur Verfügung
stellt, jedoch maximal bis zur Höhe der Preise der E für diesen Inter-Building-
Abschnitt..."
Die Klägerin erteilte der Beklagten bezüglich dieser anteiligen Kosten für das Jahr 1998
am 30. 11. 1999 eine Rechnung über DM 1.761.361,13. Die Beklagte erkannte einen
Betrag von DM 1.720.215,75 an, der zwischen den Parteien ausgeglichen wurde. Die
Parteien streiten über die Differenz von DM 41.145,38, wobei diese Differenz darauf
beruht, daß die Klägerin die Kollokationszuführung (hierbei handelt es sich um das
Teilstück zwischen dem Verteiler der Beklagten und dem Kollokationsraum des
Interconnectionpartners, in dem der Übergabeverteiler installiert ist) als zusätzliche
Preisposition berücksichtigt hat.
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Die Klägerin führt aus, daß sie für den von ihr realisierten Inter-Building-Abschnitt
zunächst den Überlassungspreis angesetzt habe, den sie einem Kunden berechnet
hätte, wenn sie den Inter-Building-Abschnitt für diesen Kunden angelegt hätte. Diese
Kosten seien verglichen worden mit den Preisen, die die Beklagte einem Kunden für
eine entsprechende Leistung in Rechnung gestellt hätte, wobei neben den Preisen für
den bloßen Inter-Building-Abschnitt zusätzlich die dem Produkt D (CFV) entnommene
Preisposition für eine Kollokationszuführung zugrundegelegt worden sei. Da diese
Preise der Beklagten niedriger gewesen seien als die Preise, die die Klägerin für die
Überlassung von einem Kunden gefordert hätte, seien in der Rechnung diese
niedrigeren Preise der Beklagten zugrundegelegt worden.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 21.037,30 (DM 41.145,38) nebst 4 %
Zinsen hieraus seit dem 30. 12. 1999 bis Rechtshängigkeit und 7,47 % Zinsen seit
Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte sieht die Klageforderung im Hinblick darauf, daß die Parteien vertraglich
die Verjährung wechselseitiger Zahlungsansprüche innerhalb von zwei Jahren
vereinbart haben, als verjährt an.
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Im übrigen sei der Anspruch aber auch nicht begründet. Die Beklagte ihrerseits habe bei
der von ihr angestellten Vergleichsrechnung nur den bloßen Preis für die Überlassung
des Inter-Building-Abschnitts aus der zwischen den Parteien abgeschlossenen
Zusammenschaltungsvereinbarung, und zwar dort für die Ausführung ICA customer
sited, zugrundegelegt. Es handele sich hierbei um ein Verbundprodukt, bei dem Kosten
für die Kollokationszuführung nicht gesondert in Rechnung gestellt würden. Es sei nicht
zulässig, neben dem Preis für den Inter-Building-Abschnitt aus einem ganz anderen
Vertragswerk der Beklagten die Preisposition für die Kollokationszuführung zu
entnehmen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
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zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die von ihnen überreichten
Unterlagen verwiesen.
E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
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Die Klage ist nicht begründet.
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Ein Anspruch der Klägerin wäre allerdings nicht verjährt. Die Parteien haben im Vertrag
für wechselseitige Zahlungsansprüche eine Verjährungsfrist von zwei Jahren vereinbart,
wobei die Verjährungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem der Anspruch
entstanden ist. Der vorliegend geltend gemachte Erstattungsanspruch kann erst nach
Abschluß des Jahres 1998 entstanden sein, weil erst dann feststand, in welchem
Verhältnis der Interconnectionanschluß von den Parteien genutzt worden ist. Eine
Verjährung wäre hiernach also erst zum 31. 12. 2001 eingetreten. Der Mahnbescheid
vom 27. 3. 2002 ist der Beklagten allerdings erst am 3. 4. 2002 zugestellt worden; der
Antrag auf Erlaß des Mahnbescheids war jedoch schon am 21. 12. 2001 beim
Amtsgericht Hünfeld eingegangen, was gemäß §§ 209 Abs. 2 Nr. 1 BGB a.F., 693 ZPO
a.F. die Unterbrechung der Verjährung bewirkte. Im Hinblick darauf, daß seitens des AG
Hünfeld das Mahnverfahren nur sehr verzögerlich bearbeitet worden ist, ist die
Unterbrechungswirkung gleichwohl mit der Einreichung des Antrags eingetreten, weil
die Verzögerung der Klägerin, die alles getan hatte, damit der Mahnbescheid erlassen
und zugestellt werden konnte, der Klägerin nicht zugerechnet werden kann. Ein
Verschulden an der verspäteten Zustellung ist der Klägerin auch nicht deshalb
anzulasten, weil eine Nachfrage der Klägerin an das AG Hünfeld erst am 6. 3. 2002
erfolgt ist; denn die Klägerin hatte zunächst von sich aus keinen Anlaß gehabt, sich bei
dem Mahngericht nach dem Stand der Sache zu erkundigen, sondern durfte darauf
vertrauen, daß ihr Antrag auf Erlaß des Mahnbescheids ohne Verzögerung bearbeitet
und der Mahnbescheid der Beklagten zugestellt würde.
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Der von der Klägerin erhobene Zahlungsanspruch besteht jedoch deshalb nicht, weil
die Klägerin ihrer Vergleichsrechnung unzulässigerweise zusätzlich eine Preisposition
für die Kollokationszuführung zugrundegelgt hat, die es in dem Vertragswerk im
Zusammenhang mit dem hier betroffenen Interconnection-Anschluß gar nicht gibt.
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Die Klägerin fordert von der Beklagten einen Anteil am Überlassungspreis für den von
der Klägerin selbst realisierten Inter-Building-Abschnitt. Gemäß dem Vertrag bemißt sich
dieser Überlassungspreis für den Inter-Building-Abschnitt maximal bis zur Höhe der
Preise der Beklagten für diesen Inter-Building-Abschnitt; es sind also die Preise der
Beklagten zugrundezulegen, die diese im Zusammenhang mit der Schaffung eines
Interconnection-Anschlusses bei eigener Realisierung des Inter-Building-Abschnitts
ihren Kunden für die Überlassung pro Jahr hätte berechnen können. Die Beklagte
verweist zutreffend darauf, daß es für diesen Fall in ihrem Vertragswerk einen
ausgewiesenen Preis nur für die Ausführung des ICAs "customer sited" gibt, weil die
Beklagte nur für diese Ausführung den Inter-Building-Abschnitt erstellt; bei der
Ausführung eines ICAs "physical co-location" wird der Inter-Building-Abschnitt ja vom
Interconnection-Partner der Beklagten erstellt, so daß es in dem dortigen Tarifwerk
keine entsprechende Position gibt.
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Nicht zulässig ist es, für den anzustellenden Vergleich Preispositionen aus einem ganz
anderen Tarifwerk der Beklagten zu entnehmen, das gar nicht die Erstellung von
Interconnection-Anschlüssen betrifft, sondern eine Carrier-Festverbindung. Da es sich
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hierbei nicht mehr um den Gegenstand des vorliegenden Vertrages handelt, sondern um
etwas ganz anderes, für das die Beklagte eine abweichende Tarifstruktur gewählt hat,
verbietet sich ein Vergleich hiermit: Denn ein Vertrag über eine Carrier-Festverbindung
enthält eben nicht die Preispositionen, die die Beklagte für die Überlassung eines von
ihr realisierten Inter-Building-Abschnitts im Rahmen einer
Zusammenschaltungsvereinbarung berechnen würde; diese Preispositionen können
allein aus der Preisliste für einen ICA customer sited entnommen werden.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.
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