Urteil des LG Köln vom 19.11.2010

LG Köln (anlage, bank, provision, höhe, prospekt, lebensversicherung, aufklärung, fonds, risiko, protokoll)

Landgericht Köln, 25 O 562/09
Datum:
19.11.2010
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
25. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
25 O 562/09
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 115% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
T A T B E S T A N D:
1
Die Klägerin macht Ansprüche wegen fehlerhafter Anlageberatung geltend.
2
Die Klägerin war Postbankkundin. Die Beklagte zu 2) ist die Rechtsnachfolgerin der T
GmbH, die Beklagte zu 1) Beraterin der Beklagten zu 2).
3
Die Klägerin hatte ihr Vermögen ungefähr zur Hälfte konservativ (Sparbuch,
Lebensversicherung) und in spekulativen Aktienfonds angelegt. Mit diesen Fonds hatte
sie teils erhebliche Verluste erlitten. Das Aktiendepot hatte einen Wert von ungefähr
300.000,00 €. Im Zusammenhang mit dem Erwerb der Fonds war ihr bekannt, dass
hierfür Ausgabeaufschläge von 3 % bis 7 % angefallen waren und davon Kosten und
Provisionen bezahlt wurden.
4
Zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1) fanden ab dem Spätsommer 2004
mehrere Beratungsgespräche statt.
5
Am 16.11.2004 sandte die Beklagte zu 1) der Klägerin drei Angebote über jeweils
50.000,00 € als Anlage in eine Rentenversicherung. Die Klägerin teilte der Beklagten zu
1) daraufhin mit, dass die dort ausgewiesenen Renditen nicht günstiger seien als
diejenigen bei bereits abgeschlossenen Lebensversicherungen. Daraufhin wies die
Beklagte zu 1) sie auf die Möglichkeit zur Anlage in englische
Lebensversicherungsfonds hin. Am 3.12.2004 sandte die Beklagte zu 1) der Klägerin
Informationsmaterial zu einer fondsgebundenen Lebensversicherung bei der M AG.
Dabei war jedenfalls die Anlage Bl. 15 ff. d.A.
6
Wegen der gegenüber deutschen Lebensversicherungen höheren Renditeerwartung
schloss die Klägerin den Vertrag mit der AG über eine fondsgebundene
Lebensversicherung A Life Invest. Die Antragsunterlagen wurden am 20.12.2004 im
Haus der Klägerin ausgefüllt. Die Klägerin erhielt spätestens zu diesem Zeitpunkt auch
den als Anlage B1 zur Akte gereichten Prospekt. Im Protokoll über das Kundengespräch
wurde "mittleres Risiko: Für die höheren Ertragschancen werden höhere Verlustrisiken
in Kauf genommen …" angekreuzt. Das Protokoll schließt mit dem Hinweis: "Risiken
eines Investmentfonds …" Am 29.12.2004 übermittelte die M AG die
Versicherungspolice samt der Versicherungsbedingungen. Für die Vermittlung dieses
Vertrages erhielt die Beklagte zu 2) eine Provision in der Klägerin nicht bekannter Höhe.
7
Die Klägerin zahlte 4 Raten á 10.000,00 €. Auf Aufforderung erhielt sie von der AG eine
Fondswertmitteilung zum 23.10.2008, die mit einem Betrag von 33.216,10 € endete. Es
folgte der Hinweis, dass in den ersten Jahren der Fondswert unter der Summe der
bezahlten Prämien liege, weil die Abschlusskosten im Lauf der ersten Vertragsjahre
durch entnahmen aus dem Abschluss- und Einrichtungskostenfonds finanziert werde.
Die Fondswertmitteilung vom 11.11.2008 wies einen Fondswert von 33.133,05 € aus.
Am 13.11.2008 forderte die Klägerin die AG zur Aufklärung der Verluste auf. Am
14.11.2008 teilte die AG mit, dass der Wert der Anteile jederzeit steigen oder fallen
könne. Es könne nicht garantiert werden, dass der Anleger sein investiertes Kapital
zurück erhalte. Am 2.12.2008 teilte die AG mit, dass die Steuervorteile nur genutzt
werden könnten, wenn eine Mindestbeitragsdauer von 5 Jahren und eine
Mindestversicherungsdauer von 12 Jahren bestünde, weshalb eine Beitragsfreistellung
zum jetzigen Zeitpunkt zu steuerlichen Nachteilen führen könne. Deshalb ließ die
Klägerin auch die letzte fällige Rate einziehen. Sie bat um Aufschlüsselung der
Abschlusskosten. Die Klägerin beauftragte sodann ihre Prozessbevollmächtigten, die
die MAG aufforderten, bis zum 13.3.2009 mitzuteilen, an wen Abschlusskosten erbracht
worden seien. Diese teilte mit, dass zum 31.12.2004 Abschlusskosten in Höhe von
3.710,00 € angefallen seien. Die Klägerin forderte daraufhin die Beklagte zu 2) auf,
mitzuteilen, ob es sich bei diesem Betrag um eine Provision an diese oder die Beklagte
zu 1) gehandelt habe. Diese teilte mit, dass keine gesetzliche Verpflichtung zur
Offenlegung der Vermittlungsprovision bestehe und sie daher keine Angabe machen
werde. Daraufhin forderte die Klägerin die Beklagte zu 2) auf, ihre Haftung dem Grunde
nach anzuerkennen. Mit Fristsetzung zum 30.4.2010 forderte die Klägerin die Beklagte
zu 2) zur Erstattung der Versicherungsprämien gegen Abtretung der Ansprüche aus dem
Vertrag auf
8
Die Klägerin behauptet, sie habe vor dem Termin zur Unterzeichnung des
Versicherungsantrages nur die Anlage K2 "Intelligent investieren mit Zweitmarkt-
Policen" erhalten. Sie habe die Beklagte zu 1) gefragt, ob das von ihr investierte Kapital
zum Ende der Vertragslaufzeit in jedem Fall ungeschmälert zurückgezahlt werde, was
diese bejaht habe. Tatsächlich bestehe aber ein Totalverlustrisiko, auf das hinzuweisen
gewesen wäre.
9
Der Betrag von 3.710,00 € sei als Vermittlungsprovision an die Beklagten geflossen. Sie
ist der Ansicht, die Beklagte zu 1) habe sie bei Vertragsschluss hierauf hinweisen
müssen, weil es sich um eine aufklärungspflichtige Rückvergütung an eine beratende
Bank handele. Hätte sie dies gewusst, hätte sie die Anlage nicht abgeschlossen. Sie
habe darauf vertraut, dass die Vermittlung der Kapitalanlage nur zur Pflege der
bestehenden Geschäftsbeziehung zur Postbank erfolgen würde.
10
Zunächst hat die Klägerin eine Feststellungsklage erhoben.
11
Die Klägerin beantragt nun,
12
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 50.000,00 € nebst 4 %
Zinsen jeweils aus 10.000,00 € in der Zeit vom 31.12.2004, 31.12.2005,
31.12.2006, 31.12.2007 und 31.12.2008 bis jeweils zum 28.4.2010 sowie iHv 5 %
über Basiszinssatz aus 50.000,00 € ab 29.4.2010 zu zahlen, und zwar Zug-um-
Zug gegen Abgabe der Angebote der Klägerin gegenüber der Beklagten zu 2) auf
Abtretung aller Ansprüche und Rechte der fondsgebundenen Lebensversicherung
der Klägerin bei der M AG, J-Straße, FL-####Z, Nr. ### im Gesamtnennwert von
50.000,00 €;
2. Festzustellen, dass sich die Beklagten mit der Annahme der Angebote auf
Übertragung der Ansprüche und Rechte aus der zu Klageantrag zu 1) genannten
fondsgebundenen Lebensversicherung in Verzug befindet;
3. Festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr
sämtliche Schäden einschließlich entgangenen Gewinns einer anderweitigen
Kapitalanlage auf Grund Abschlusses des zu Klageantrag zu 1) genannten
fondsgebundenen Lebensversicherungsvertrages und der Einzahlung von
Versicherungsprämien i.H.v. 50.000,00 € zu erstatten und sie von allen
steuerlichen und wirtschaftlichen Nachteilen aus dem entsprechenden Abschluss
des Versicherungsvertrages und der Einzahlung der Versicherungsprämien
freizustellen.
13
14
Die Beklagten beantragen,
15
die Klage abzuweisen.
16
Die Beklagte zu 2) erhebt den Einwand der Verjährung.
17
Die Beklagten behaupten, bereits im ersten Gespräch habe die Beklagte zu 1) die
Arbeitsweise der Postbank Vermögensberatung erläutert und erklärt, dass man
entweder auf Honorarbasis zu einem festgelegten Stundensatz beraten könne oder aber
herkömmlich durch Erhalt einer Provision im Abschlussfalle. Die Klägerin habe sich für
letzteres entschieden. Ein Totalverlust sei unrealistisch.
18
Die Kammer hat Beweis erhoben gemäß dem Beweisbeschluss vom 27.7.2010, Bl. 157
f. d.A. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen
Verhandlung vom 29.10.2010, Bl. 291 ff. d.A., Bezug genommen.
19
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
wechselseitigen Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
20
E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
21
Die Klage ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Schadensersatz
wegen der Pflichtverletzung im Rahmen eines Beratungsvertrages bzw. wegen der
Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens gem. § 280 BGB.
22
I.
23
Die Klägerin hat nicht bewiesen, dass die Beklagte zu 1) ihr abweichend von der
Risikobelehrung auf dem Gesprächsprotokoll zugesichert habe, dass ihr eingezahltes
Kapital in jedem Fall sicher sei. Zutreffende schriftliche Risikohinweise stellen keinen
Freibrief für den Berater oder Vermittler dar, Risiken abweichend hiervon darzustellen
und mit seinen Erklärungen ein Bild zu zeichnen, das die Hinweise im Prospekt
entwertet oder für die Entscheidung des Anlegers mindert (BGH NJW-RR 2007, 1690).
Auch nach Beweiserhebung durch Vernehmung des Zeugen G ist die Kammer aber
nicht überzeugt, dass die Beklagte zu 1) die Risiken der Anlage verharmlost hat. Seine
Schilderung des Beratungsgesprächs ist unglaubhaft gewesen. Er hat sich an keinerlei
Detail des Gesprächs zwischen den Parteien erinnern können. Einzig hat er sich daran
erinnern können, auf jeden Fall gehört zu haben, dass die Klägerin nach der Sicherheit
der Anlage gefragt habe und die Beklagte dies bejaht habe. Weiteren Nachfragen nach
sonstigen Umständen der Gesprächssituation ist er ausgewichen, hat mit Gegenfragen
reagiert oder hat zu erkennen gegeben, dass er nicht meine, dass solche Fragen in der
Sache zielführend seien. Auch die Angaben der Klägerin persönlich waren
widersprüchlich. Zum einen hat sie mehrfach betont, dass sie wegen eines kürzlich
höheren Verlusts auf der Suche nach einer sicheren Anlage war und deshalb nach der
Sicherheit besonders fragte. Sie hat aber nicht erklären können, weshalb sie, wenn es
ihr um Sicherheit für ihr Vermögen ging, weiter 300.000,00 € in ihrem Aktiendepot
angelegt ließ.
24
II.
25
Die Beklagten haften auch nicht deshalb, weil die Beklagte zu 1) die Klägerin nicht auf
ein Totalverlustrisiko hingewiesen hat. Dass ein solches Risiko tatsächlich in
nennenswertem Umfang besteht und der Beklagten zu 1) hätte bekannt sein müssen,
hat die Klägerin nicht ausreichend dargelegt. Sie hätte substantiiert darlegen müssen,
aufgrund welcher konkreten Umstände die hier erfolgte Einstufung in die Risikoklasse
mittleres Risiko falsch und inwieweit dies den Beklagten bekannt gewesen sein soll
bzw. müsste.
26
Soweit die Klägerin auf den "Vereinfachten Prospekt" (Bl. 297 ff. d.A.), ersetzt dies
keinen substantiierten Sachvortrag. Abgesehen davon, dass sie nicht unter Beweis
gestellt hat, dass es sich der vereinfachte Prospekt auf die streitgegenständliche Anlage
bezieht, ist dieser vereinfachte Prospekt auch im März 2008 erstellt worden. Die
Bewertung des Risikos eines Fonds unterliegt aber Veränderungen im Laufe der Zeit,
weil nach einer Beobachtungszeit nach längerer Laufzeit Risiken anders eingeschätzt
werden können als vor Beginn der Laufzeit.
27
II.
28
Die Klägerin hat auch nicht bewiesen, dass die Beklagte zu 1) sie nicht darüber
aufgeklärt hat, für die Vermittlung eine Provision erhalten zu haben. Zwar hat der Zeuge
N erklärt, die Beklagte habe mitgeteilt, dass es sich um einen Service der Postbank
handele. Demgegenüber hat aber die Beklagte zu 1) in ihrer persönlichen Anhörung
29
glaubhaft geschildert, dass sie der Klägerin die Arbeitsweise der Postbank mitgeteilt
habe und dass es zwei verschiedene Arten der Vergütung gebe. Die Beklagte zu 1) hat
zudem nachvollziehbar erklärt, in dem Zeitraum samstags keine Beratungsgespräche
durchgeführt zu haben, weil sie am Wochenende Zeit für ihre Familie haben wollte.
Diese Angaben waren glaubhaft. Anhaltspunkte dafür, dem Zeugen N mehr zu glauben
als der Beklagten persönlich liegen nicht vor. Dass sich der Sachverhalt nicht mehr
zweifelsfrei feststellen lässt, geht zu Lasten der Klägerin, weil diese als
Anspruchsstellerin für die Pflichtverletzung der Beklagten die Beweislast trägt. In der
von ihr zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (NJW 2009, 2298, 2299) wird
dem Berater nicht die Beweislast für die Aufklärung über die Provision, sondern bei
Feststehen der Pflichtverletzung für das fehlende Verschulden auferlegt.
III.
30
Dass die Beklagte zu 1) die Klägerin unstreitig nicht über die Höhe der Provision
aufgeklärt hat, führt nicht zu einer Haftung der Beklagten. Denn die Rechtsprechung zur
Pflicht zur Aufklärung über die Höhe von Rückvergütungen oder Innenprovisionen bei
Anlagevermittlung durch Banken ist nicht einschlägig.
31
Die Aufklärung über die Rückvergütung bei der Anlagevermittlung durch eine Bank ist
notwendig, um dem Kunden einen insofern bestehenden Interessenkonflikt der Bank (§
31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG) offen zu legen. Erst durch die Aufklärung wird der Kunde in die
Lage versetzt, das Umsatzinteresse der Bank selbst einzuschätzen und zu beurteilen,
ob die Bank ihm einen bestimmten Titel nur deswegen empfiehlt, weil sie selbst daran
verdient. Wenn eine Bank einen Kunden ohne Zwischenschaltung eines
Vermögensverwalters berät, Anlageempfehlungen abgibt und dabei an den
empfohlenen Fonds durch Rückvergütungen verdient, sind die Kundeninteressen durch
die von der Bank erhaltenen Rückvergütungen gefährdet. Es besteht die konkrete
Gefahr, dass die Bank Anlageempfehlungen nicht allein im Kundeninteresse nach den
Kriterien anleger- und objektgerechter Beratung abgibt, sondern zumindest auch in
ihrem eigenen Interesse, möglichst hohe Rückvergütungen zu erhalten (BGHZ 170,
226).
32
Diese für die Beratung einer Bank gegenüber ihren Kunden geltenden Grundsätze sind
auf den Beratungsvertrag des Klägers mit der Beklagten zu 2) als einer freien und nicht
bankgebundenen Anlageberaterin nicht übertragbar. Denn in diesem Fall liegt es für
den Anleger auf der Hand, dass der Anlageberater von der Anlagegesellschaft
Vertriebsprovisionen erhält. Dann ist es ihm möglich und zuzumuten, die Höhe der
Provision von seinem Anlageberater zu erfragen (BGH MDR 2010, 691).
33
Dass die Beklagte zu 2) zum Postbankkonzern gehört und die Klägerin Kundin der
Postbank ist, führt nicht dazu, dass für sie die Grundsätze über die Beratung durch die
Bank des Kunden anzuwenden sind. Denn dass es sich bei der Beklagten zu 1) nicht
um die für die Klägerin zuständige Kundenberaterin ihrer Filiale handelte, war der
Klägerin bekannt. Auch auf den Briefbögen der Beklagten ist ersichtlich, dass es sich
um ein selbständiges Unternehmen handelt. So wurde die Beklagte zu 1) der Klägerin
auch als unabhängige Beraterin vorgestellt, die nicht nur Produkte der Postbank
vermitteln könne.
34
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.
35
Streitwert:
36
50.000,00 €
37