Urteil des LG Köln vom 22.12.2004

LG Köln: eintritt des versicherungsfalls, doppelversicherung, fahrzeug, versicherungsnehmer, versicherungsvertrag, verkehr, verzicht, unfall, versicherungsschutz, gemeingebrauch

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Schlagworte:
Normen:
Leitsätze:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Landgericht Köln, 20 O 360/04
22.12.2004
Landgericht Köln
20. Zivilkammer
Urteil
20 O 360/04
Gesamtschuldnerausgleich bei Doppelversicherung / Unfall auf
Verkehrsübungsplatz
§ 59 VVG, § 2 b I c AKB
Bei einem Verkehrsübungsplatz handelt es sich nicht um öffentlichen
Verkehrsraum, so dass der Versicherer nicht nach § 2 b I c AKB
leistungsfrei ist
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von
5.168,36 EUR nebst 5 % Zinsen über den Basiszinssatz seit dem
24.03.2004 zu
zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von
120 % des zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand:
Die Klägerin macht gegen die Beklagte einen Ausgleich wegen Doppelversicherung
geltend.
Die Klägerin gewährt Versicherungsschutz über den Verkehrsübungsplatz des P e.V. im C.
Grundlage des Versicherungsvertrages sind die allgemeinen Bedingungen für
Kraftfahrtversicherungen (AKB) Stand 01.10.2002.
Die Benutzer des Verkehrsübungsplatzes müssen eine Nutzungsgebühr entrichten. Darin
enthalten ist eine Tageshaftpflichtversicherung bei der Klägerin für Fremdschäden.
Am 24.08.2003 verursachte Herr C auf dem Übungsgelände mit dem bei der Beklagten
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haftpflichtversicherten Pkw VW Passat, amtliches Kennzeichen ##-# ####, schuldhaft
einen Unfall, weil er das an der Stoppstraße stehende Fahrzeug des Unfallgegners
Matthias Q zu spät erkannte. Herr C war zu diesem Zeitpunkt ohne gültige Fahrerlaubnis.
Die Klägerin regulierte den Schaden des Herrn Q in Höhe von 10.336,71 EUR. Mit der
Klage begehrt sie von der Beklagten als Regreß den hälftigen Betrag in Höhe von 5.168,36
EUR.
Die Klägerin ist der Ansicht, es liege eine Doppelversicherung im Sinne des § 59 Abs. 2
VVG vor. Entscheidend hierfür sei die Identität des mit den mehreren Verträgen
versicherten Interesses.
Auf einen Verstoß gegen die Führerscheinklausel gemäß § 2 b I 1 c AKB könne sich die
Beklagte nicht berufen, weil es sich bei dem Verkehrsübungsplatz nicht um öffentlichen
Verkehrsraum handele, sondern um einen privaten Verkehrsübungsplatz.
Ihre Versicherung mache Sinn, weil sie den Schaden des mitversicherten Fahrers abdecke.
Auf Gefahrerhöhung könne sich die Beklagte nicht berufen, weil diese eine gewisse Dauer
erfordere, an der es vorliegend fehle.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von
5.168,36 EUR nebst 5 % Zinsen über den Basiszinssatz seit dem 24.03.2004 zu
zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, sie sei gemäß § 2 b Abs. 1 c AKB wegen Fahrens ohne
Fahrerlaubnis von ihrer Leistungspflicht befreit. Bei dem Verkehrsübungsplatz handele es
sich um öffentlichen Verkehrsraum, weil jede Person diesen Platz befahren könne.
Die Leistungsfreiheit ergebe sich ferner aus § 25 Abs. 1 VVG. Dadurch, daß der
Versicherungsnehmer einer Person ohne Fahrerlaubnis das Fahrzeug übergeben habe,
habe er eine erhebliche Gefahrerhöhung vorgenommen.
Darüber hinaus bestehe Leistungsfreiheit gemäß § 2 b Abs. 1 a AKB. Die Überlassung des
Fahrzeugs an eine Person ohne Fahrerlaubnis zum Zwecke der Unterrichtung zum Führen
eines Kraftfahrzeugs stelle eine Verwendung des Fahrzeugs zu einem anderen als in dem
im Antrag angegebenen Zweck dar.
Würde keine Leistungsfreiheit der Beklagten bestehen, hätte die
Tageshaftpflichtversicherung der Klägerin überhaupt keinen Sinn.
Es sei zudem von einem Verzicht der Klägerin auf Regreß anderer Versicherer
auszugehen. Dies deshalb, weil sie mit dem Betreiber des Verkehrsübungsplatzes einen
Vertrag abgeschlossen habe, der allen Benutzern des Platzes Versicherungsschutz bietet
in Kenntnis des Umstandes, daß sich auf diesem Platz grundsätzlich nur versicherte
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Fahrzeuge bewegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf
die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den gesamten
übrigen Akteninhalt.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung der Hälfte des regulierten
Schadens, d.h. in Höhe von 5.168,36 EUR aus § 59 Abs. 2 VVG.
Gemäß § 59 Abs. 1 VVG liegt eine Doppelversicherung vor, wenn dieselbe Gefahr bei
mehreren Versicherern versichert ist und die Versicherungssummen den
Versicherungswert übersteigen oder aus anderen Gründen die Summe der
Entschädigungen, die von jedem einzelnen Versicherer ohne Bestehen der anderen
Versicherung zu zahlen wären, den Gesamtschaden übersteigt. Ein Fall der
Doppelversicherung ist vorliegend gegeben. Sowohl der Versicherungsvertrag der Klägerin
als auch der Versicherungsvertrag der Beklagten decken den streitgegenständlichen
Unfallschaden in vollem Umfang ab. Die Doppelversicherung hat zur Folge, daß die
Versicherer im Zeitpunkt des Versicherungsfalls kraft Gesetzes Gesamtschuldner werden
(Prölss/Martin § 59 VVG Rn 12). Mit dem Versicherungsfall entsteht auch der
Ausgleichsanspruch der Versicherer untereinander (Prölss/Martin § 59 VVG Rn 13).
Die Beklagte ist nicht gemäß § 2 b Abs. 1 c) AKB leistungsfrei. Leistungsfreiheit gemäß § 2
b Abs. 1 c) AKB setzt voraus, daß der Fahrer des Fahrzeugs bei Eintritt des
Versicherungsfalls auf öffentlichen Wegen oder Plätzen nicht die erforderliche
Fahrerlaubnis hat. Dem öffentlichen Verkehr dienen alle Flächen, die der Allgemeinheit zu
Verkehrszwecken offen stehen, bei straßenrechtlicher Widmung oder bei Gemeingebrauch
mit Zustimmung des Berechtigten, ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse.
Voraussetzung ist ausdrückliche oder stillschweigende Freigabe durch den Berechtigten
zur allgemeinen Verkehrsbenutzung und Benutzung in dieser Weise. Dabei kommt es nicht
auf den inneren Willen, sondern auf die für die Verkehrsteilnehmer erkennbaren äußeren
Umstände an (Jagusch/Hentschel § 1 StVO Rn 13). Das Merkmal der Öffentlichkeit einer
Verkehrsfläche ist zu verneinen, wenn der Verfügungsberechtigte den Zutritt zu ihr
ausdrücklich oder erkennbar ausschließlich solchen Personen gestatten will, die entweder
bereits vorher in engeren persönlichen Beziehungen zu ihm stehen oder gerade anläßlich
dieses Gebrauchs in solche Beziehung zu ihm treten (BayObLG NJW 1980, 715 f). Nach
diesen Kriterien ist bei einem Verkehrsübungsplatz nicht von öffentlichem Verkehrsraum
auszugehen. Dieser Platz ist, wie sich aus dem vorgelegten Flugblatt (Bl. 1 AH) und dem
Sinn solcher Übungsplätze ergibt, gerade nicht dem allgemeinen Verkehr zugänglich,
sondern richtet sich an Personen, die (noch) keine Fahrerlaubnis haben und/oder (noch)
ungeeignet sind zur Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr, z.B. wegen fehlender
Fahrpraxis. Eben diesem Zweck sind die Verkehrsübungsplätze gewidmet, um diesem
Personenkreis die Möglichkeit zum Üben zu geben. Demgemäß sind solche
Verkehrsübungsplätze eingegrenzte und abgegrenzte Bereiche außerhalb des öffentlichen
Verkehrsraums.
Die Beklagte ist auch nicht gemäß § 2 b Abs. 1 a) AKB leistungsfrei. Ein Verstoß gegen
diese Bestimmung ist nicht gegeben. Leistungsfreiheit gemäß § 2 b Abs. 1 a) AKB setzt
voraus, daß das Fahrzeug zu einem anderen als zu dem im Antrag angegebenen Zweck
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verwendet wird. Keine abredewidrige Verwendung ist das vorübergehende Verleihen
seines Fahrzeugs an einen anderen (Prölss/Martin § 2 b AKB Rn 12). Der
Versicherungsnehmer der Beklagten hat sein Fahrzeug lediglich vorübergehend Herrn C
für die Fahrt auf dem Verkehrsübungsplatz überlassen.
Die Beklagte ist ferner nicht gemäß § 25 Abs. 1 VVG von ihrer Leistungspflicht frei. Eine
Gefahrerhöhung unterstellt fehlt es dieser an der gewissen Dauer. Der
Versicherungsnehmer der Beklagten hat sein Fahrzeug dem Unfallverursacher C lediglich
für den Zeitraum des Aufenthalts auf dem Verkehrsübungsplatz überlassen.
Ein - konkludenter - genereller Verzicht der Klägerin, den eigentlichen
Haftpflichtversicherer des Fahrzeugs nach § 59 Abs. 2 VVG in Regreß zu nehmen, ist nicht
anzunehmen. Dafür gibt es keinen Anhaltspunkt, zumal nach dem Vortrag der Klägerin ihre
Versicherung für Schäden mitversicherter Fahrer weiter geht als die der Beklagten.
Es fehlt zudem an einer entsprechenden Annahmeerklärung der jeweiligen Versicherung.
Der Zinsanspruch ist wie beantragt aus dem Gesichtspunkt des Verzugs begründet.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.
Streitwert: 5.168,36 EUR