Urteil des LG Köln vom 24.10.2002

LG Köln: einstweilige verfügung, unrichtige angabe, produkt, rückruf, mehrwertdienst, inkasso, internet, nummer, gespräch, sicherheit

Landgericht Köln, 81 O (Kart) 183/02
Datum:
24.10.2002
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
1. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
81 O (Kart) 183/02
Tenor:
Die einstweilige Verfügung vom 27.September 2002 wird aufgehoben
und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag abgelehnt. Die Antragstellerin
trägt die Kosten des Verfahren. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die
Antragstellerin kann die Vollstreckung abwenden, wenn sie Sicherheit
leistet in Höhe von desjenigen Betrages, dessentwegen vollstreckt wird
es sei denn, die Antragsgegnerin leistet vor der Vollstreckung Sicherheit
in gleicher Höhe.
T A T B E S T A N D:
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Die Antragstellerin ist Verbindungsnetzbetreiberin und Inhaberin von
Sprachtelefondienstlizenzen. U.a. bietet sie Mehrwertdienste an in der Form, dass sie
dritten Unternehmen (Inhalteanbietern) die technischen Voraussetzungen dafür schafft,
dass diese Dritten gegenüber den Endkunden Mehrwertdienste anbieten und erbringen
können, d.h. Dienste, für die der Kunde Kosten zu tragen hat, die über die Engelte für
die bloßen Verbindung hinausgehen, weil sie noch weitere Leistungen des
Gesprächspartners des Kunden abdecken.
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Die Antragsgegnerin ist Deutschlands größtes Telekommunikationsunternehmen und
(u.a.) als Teilnehmernetzbetreiberin mit einem Anteil von rund 97% marktbeherrschend.
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Die Parteien haben unter dem 21.6.2001 miteinander einen seit dem 1.7.2001 auch
praktizierten Fakturierungs- und Inkassovertrag geschlossen, durch den sich die
Antragsgegnerin verpflichtete, für die Antragstellerin von ihr im eingangs geschilderten
Sinn erbrachte Mehrwertdienstleistungen gegenüber dem Endkunden in Rechnung zu
stellen und daraufhin eingehende Beträge für die Antragstellerin zu inkassieren; es wird
Bezug genommen auf den Wortlaut des Vertrages, den ihm zu Grunde liegenden AGB
sowie das Schreiben der Antragstellerin, mit der sie den Auftrag erteilt hat.
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Auf der Grundlage dieses Vertrages sind zwischen den Parteien abgewickelt worden
u.a. Telefonate, die der Endkunde über die Rufnummerngassen 0190x sowie 0180x
aufgebaut hat.
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Gegenstand des vorliegenden Streites zwischen den Parteien ist ein von der
Antragstellerin als "innovative Eigenentwicklung" bezeichnetes Produkt mit dem Namen
TeleInternetService, bei dem der Endkunde entweder über das Internet oder aber auch
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über das Telefon - dort über die für den Endkunden unentgeltliche Rufnummerngasse
0800x - den Auftrag erteilen kann, ihn zurückzurufen, wobei dann - wenn er bei dem
Rückruf sein Einverständnis erklärt - je nach Einzelfall unterschiedlich Kosten für ihn
entstehen können, wie sie auch entstünden, wenn er unmittelbar z.B. eine mit 0190
beginnende Nummer gewählt hätte (R-Gespräch).
Obwohl die Verbindung in dem vorstehend skizzierten Modell nicht vom Endkunden
aufgebaut wird, hat die Antragstellerin die Verbindungen gegenüber der
Antragsgegnerin zum Zwecke der Fakturierung und des Inkasso als "Zielrufnummer" mit
Nummern gekennzeichnet, die identisch sind mit denen, die auch bei den bislang
üblichen Mehrwertdienst - Verbindungen gebräuchlich waren ("0190xy...").
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Diese objektiv unrichtige Angabe beruht nach dem Vortrag der Antragstellerin darauf,
dass sich die Antragsgegnerin aus sachlich nicht gebotenen oder auch nur
nachvollziehbaren Gründen weigere, als Angabe z.B. eine inhaltlich zutreffende verbale
Beschreibung des vom Kunden in Anspruch genommenen Dienstes oder auch ein
Freilassen des Feldes zu akzeptieren. Die 0190xy - Nummer sei als eine Art Platzhalter
gewählt worden, weil der in dieser Form üblicher Weise bezeichnete Dienst dem
Produkt TeleInternetService ähnlich sei. Insbesondere handele es sich bei dem Produkt
um einen Mehrwertdienst, sodass er unter den Vertrag falle und die Antragsgegnerin
verpflichtet sei, für dieses Produkt die Fakturierung und das Inkasso durchzuführen.
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Durch Beschwerden aus dem Kundenkreis habe man gemerkt, dass durch den Rückruf
vom Kunden eingerichtete 0190er-Sperren umgangen werden können. Der Bitte der
Antragstellerin, ihr die entsprechenden Anschlüsse mitzuteilen, sei die Antragstellerin
aber unter Berufung auf den Datenschutz nicht nachgekommen.
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Statt dessen habe sie ihrerseits die Auffassung vertreten, die Angabe der 0190er-
Nummern als Zielrufnummern stelle eine Täuschung dar; sie - die Antragsgegnerin - sei
deshalb nicht verpflichtet, den TeleInternetService zu fakturieren und inkassieren. Sie
hat die Antragstellerin aufgefordert, die Anlieferung solcher Verbindungsdaten zu
unterlassen, und angedroht, andernfalls zum 26.9.2002 die sofortige Kündigung des
gesamten Vertrages auszusprechen.
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Die Antragstellerin hält ein solches Vorgehen aus den oben dargestellten Gründen für
ungerechtfertigt und macht geltend, sie sei zur Vermeidung nicht wieder gut zu
machender Nachteile auf eine vorläufige Fortsetzung des Vertrages angewiesen; auf
die Einzelheiten ihres diesbezüglichen Vortrages wird Bezug genommen.
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Sie hat am 27.9.2002 im Beschlusswege eine einstweilige Verfügung erwirkt, durch die
der Antragsgegnerin aufgegeben worden ist,
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gegenüber der Antragstellerin über den 26.September 2002 hinaus Fakturierungs- und
Inkassoleistungen zu erbringen, insbesondere auch für das Produkt "TeleInternet
Service". Die Leistungen sind entsprechend den Modalitäten des zwischen den
Parteien am 21.Juni 2001 abgeschlossenen Vertrages über Fakturierung und Inkasso
zu erbringen.
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Nach Widerspruch
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beantragt sie,
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die einstweilige Verfügung vom 27.September 2002 zu bestätigen.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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die einstweilige Verfügung aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag
abzulehnen.
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Sie leugnet das Bestehen eines Verfügungsgrundes und ist in der Sache der
Auffassung, unabhängig von allen Bedenken hinsichtlich eines nicht nur theoretisch
möglichen Missbrauches dieses Dienstes sei der Antrag schon deshalb unbegründet,
weil der TeleInternetService kein Mehrwertdienst im Sinne des Vertrages sei und sie
von daher nicht verpflichtet sei, ihn gemäß dem Vertrag zu behandeln.
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Diese rechtliche Einordnung ergebe sich jedenfalls daraus, dass der Vertragsabschluss
ausdrücklich unter den Regulierungsvorbehalt gestellt worden sei und in den
Beschlüssen der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP)
Anwahlen über die 0800er-Nummern ausdrücklich ausgenommen worden seien; wegen
der Einzelheiten ihres Vortrages wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt
verwiesen.
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E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
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Der Antrag ist unbegründet.
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Nach dem Ergebnis der Widerspruchsverhandlung erweist sich die einstweilige
Verfügung als nicht mehr gerechtfertigt, denn nach dem Ergebnis der
Widerspruchsverhandlung ist keine rechtliche Grundlage mehr erkennbar, aus der
heraus die Antragstellerin von der Antragsgegnerin verlangen könnte, die begehrten
Leistungen zu erbringen.
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Insbesondere ergibt sich eine solche Verpflichtung nicht aus dem von der
Antragstellerin zu Recht als einzige Anspruchsgrundlage angeführten Vertrag vom
21.Juni 2002, denn Fakturierungs- und Inkassoleistungen für das Produkt
"TeleInternetService" fallen nicht hierunter.
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Ausgangspunkt dieser Erwägung ist der Umstand, dass der Vertrag zwischen den
Parteien unmittelbar verknüpft worden ist mit dem Inhalt des Beschlusses der RegTP
vom 14.3.200, der die Verpflichtung der Antragsgegnerin begründet hat.
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Diese Verknüpfung ist sowohl durch das Auftragsschreiben der Antragstellerin vom
21.6.2002 (Anlage AS 2: "Die Annahme und die Beauftragung erfolgen unter
Regulierungsvorbehalt") als auch durch den in den Vorbemerkungen zu den
einschlägigen AGB nochmals ausdrücklich erwähnten Beschluss und den Zusatz "Die
Verpflichtung zum Abschluss von Verträgen ist auf diese Leistungen beschränkt".
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Das bedeutet: es ist unerheblich, ob es sich bei dem Dienst "TeleInternetService" um
einen Mehrwertdienst im Sinne einer allgemeinen Definition handelt; entscheidend ist,
ob es sich um einen Mehrwertdienst handelt, wie ihn die RegTP verstanden hat, oder ob
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es sich zumindest um einen Dienst handelt, der so zu behandeln ist als fiele er darunter.
Dies ist nicht der Fall.
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In Bezug auf Mehrwertdienste hat sich die RegTP wie folgt geäußert (Seite 43 des
Beschlusses vom 21.2.2000, den die Antragsgegnerin kraft Anordnung durch Beschluss
vom 14.3.2000 hat umsetzen müssen):
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"Hierunter [= unter Mehrwertdiensten] sind für den vorliegenden Fall insbesondere
solche Dienste zu verstehen, die über die Rufnummern 0190-/0900- sowie 0180-
erbracht werden, d.h. so genannte Premium-Rate- und Shared-Cost-Dienste. ...
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Nicht enthalten sind in der vorliegenden Abgrenzung die für den Anrufenden
unentgeltlich erbrachten Dienste. Bei diesen 0130er-/0800er-Rufnummern ... bezahlt der
Angerufene die Verbindung. Auf der Telefonrechnung des Anrufers erscheint ein
solches Gespräch daher nicht. ..."
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Mag es in dem einleitenden Satz mit "insbesondere" noch Ansätze für eine Auslegung
im Sinne der Antragstellerin geben dahin gehend, dass die Aufzählung eben nicht
abschließend sei, ist mit den zweiten Absatz eindeutig klar gestellt, dass 0800er-
Nummern wegen ihrer Unentgeltlichkeit nicht unter den Beschluss fallen.
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Dies ist auch nicht etwa nur eine Förmelei (etwa - so argumentiert die Antragstellerin -
weil der Endverbraucher den 0190er-Rückruf ja ausdrücklich bestellt habe und deshalb
inhaltlich dasselbe vorliege wie beim aktiven Aufbau einer solchen Verbindung durch
den Endkunden); das wird eindrucksvoll belegt durch die Umgehung der Sperre gerade
solcher Nummern, deren Nutzung die Antragstellerin von der Antragsgegnerin
Rechnung stellen lassen will. Es macht eben nicht nur technisch, sondern auch
materiell einen Unterschied, vom wem eine Verbindung aufgebaut wird: bei dem
Rückruf kann es - hierauf weist die Antragsgegnerin zu Recht hin - ein beliebiger Dritter
sein, mit dem die Antragsgegnerin keinen Vertrag hat.
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Es gibt auch keinerlei Grund, das Produkt TeleInternetService so zu behandeln wie
einen der Mehrwertdienste, die von der RegTP bei ihrer Beschlussfassung bedacht
worden sind.
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Im Ansatz ist es zwar richtig, dass die Berücksichtigung wirklich neuer Produkte -
Produkte, an die seinerzeit niemand hat denken können und die deshalb nicht haben
Gegenstand der Entschließung sein können - nicht von vornherein ausgeschlossen sein
darf; es kann aber dahin stehen, wo die Grenzen einer solchen Analogie zu ziehen sind,
wenn es - wie vorliegend - um die Auslegung eines Vertrages geht, der (statisch) an das
damalige Verständnis von dem Beschluss anknüpft: es gibt auch aktuell nicht den
geringsten Grund, den TeleInternetService der Antragstellerin als unter die Anordnung
der RegTP fallend anzusehen.
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In der mündlichen Verhandlung nämlich ist die Antragstellerin intensiv danach befragt
worden, worin denn - außer der Senkung der Hemmschwelle, sich näher mit Diensten
der von der Antragstellerin vermittelten Art zu befassen, weil sie vermeintlich kostenlos
angeboten werden - die Notwendigkeit begründet liegt, die Verbindung über einen
Rückruf aufzubauen; eine die Kammer zufrieden stellende Antwort hat sie aber nicht
geben können. Sie hat vielmehr darauf verwiesen, dass man eine Situation analog
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derjenigen im Internet habe schaffen wollen, in der der Interessierte sich über alle
Möglichkeiten unverbindlich informieren könne, bevor er sich dann für einen
entgeltpflichtigen Dienst entscheidet; bei dem 0800er-Service mit anschließenden
Rückruf sei die Situation für den Anrufer sogar noch günstiger, denn bis er sich aus der
Vielzahl der Möglichkeiten das für ihn Interessante heruas gesucht hat, sei die gesamte
Aktion für ihn kostenlos.
Diese Antwort begründet nicht den Sinn der Rückrufe, denn die zum Internet analoge
Telefon-Welt bleibt genau dieselbe, wenn der Interessent seinen Wunsch (z.B.) durch
eine Weiterwahl von der kostenlosen Auswahlplattform aus bekundet; der Unterschied
bestünde lediglich darin, dass z.B. die bei der Antragsgegnerin in Auftrag gegebenen
und mit EUR 2,-/Monat zu bezahlenden Anwahlsperren wirksam bleiben, weil es sich
dann um abgehende Gespräche handelt.
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Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr.6, 711 ZPO.
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Streitwert: EUR 100.000,-.
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