Urteil des LG Köln vom 25.11.2002

LG Köln: ablauf der frist, deklaratorische wirkung, anfechtung, anfechtbarkeit, verfügung, rücknahme, form, ergänzung, auflage, analogie

Landgericht Köln, 19 T 168/02
Datum:
25.11.2002
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
19. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
19 T 168/02
Vorinstanz:
Amtsgericht Köln, 71 IK 103/02
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Schuldners vom 21.10.2002 gegen den
Beschluß des Amtsgerichts Köln vom 15.10.2002, Az.:
71 IK 103/02, wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
G r ü n d e :
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Der Schuldner hat unter dem 27.08.2002 unter Beifügung eines
Schuldenbereinigungsplans unter Verwendung des Computerprogramms "InsOsoft"
beantragt, das Verbraucherinsolvenzverfahren über sein Vermögen zu eröffnen und ihm
Restschuldbefreiung zu erteilen. Mit Verfügung vom 30.08.2002 hat das Amtsgericht
diesen
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Antrag als nicht ordnungsgemäß beanstandet, weil der Schuldner nicht den vor-
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gesehenen amtlichen Vordruck, sondern das vorbezeichnete Computerprogramm,
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für seinen Insolvenzantrag verwendet habe. Gleichzeitig hat es dem Schuldner unter
Beifügung des amtlichen Antragsformulars Gelegenheit gegeben, das Fehlende
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binnen eines Monats zu ergänzen und ihn darauf hingewiesen, daß der Eröffnungs-
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antrag kraft Gesetzes als zurückgenommen gelte, falls die Ergänzung nicht fristgerecht
erfolge.
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Der Schuldner hat daraufhin unter dem 06.09.2002 mitgeteilt, daß er eine Verwendung
des amtlichen Formulars nicht für geboten halte, da der Antrag in der gestellten Form
inhaltlich den Anforderungen des amtlichen Vordrucks jedenfalls entspreche.
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Nachdem eine weitere Ergänzung des gestellten Antrags nicht zu den Akten gelangt
war, hat das Amtsgericht mit Beschluß vom 15.10.2002 festgestellt, daß der
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Eröffnungsantrag vom 27.08.2002 kraft Gesetzes als zurückgenommen gelte, weil
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er unvollständig, nämlich nicht in der gesetzlich vorgesehenen Form, gestellt worden
und trotz gerichtlicher Aufforderung nicht fristgerecht ergänzt worden sei. Ob der von
dem Schuldner verwendete Vordruck des Computerprogramms "InsOsoft" inhaltlich den
amtlichen Formularen entspreche, könne keine Rolle spielen, weil anderenfalls das
Insolvenzgericht jedes verwendete Formular zunächst auf seine Übereinstimmung mit
dem amtlichen Vordruck zu überprüfen hätte.
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Hiergegen richtet sich die am 22.10.2002 eingegangene sofortige Beschwerde des
Schuldners vom 21.10.2002. Der Schuldner vertritt die Auffassung, ein umfassender
Formularzwang bestehe nicht, er habe demgemäß alle Auflagen erfüllt. Entscheidend
sei allein die inhaltliche Übereinstimmung des verwendeten Vordrucks mit dem
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amtlichen Vordruck. Er sieht die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des
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Amtsgerichts vom 15.10.2002 als zulässig an, weil die Feststellung der Rücknahme-
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fiktion faktisch auf eine Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hinauslaufe,
gegen die gemäß § 34 InsO jedenfalls die sofortige Beschwerde eröffnet sei; jedenfalls
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müßten die allgemeinen Beschwerdemöglichkeiten nach der ZPO entsprechend auf die
nach der InsO gegebene Rücknahmefiktion angewendet werden.
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Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde des Schuldners nicht abgeholfen und
die Akten mit Beschluß vom 04.11.2002 der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.
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Die sofortige Beschwerde des Schuldners ist unzulässig, weil sie nicht statthaft ist.
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Es bestehen bereits Bedenken, ob es sich bei dem angefochtenen Beschluß des
Amtsgerichts Köln überhaupt um eine gerichtliche Entscheidung i. S. von § 6 InsO
handelt. Aufgrund des nach § 305 Abs. 3 S. 2 InsO zwingenden Eintritts der
Rücknahmewirkung kommt dem Beschluß keine eigene materiellrechtliche, sondern
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allenfalls deklaratorische Wirkung zu (vgl. OLG Köln, OLGR 2000, 380 ff.; OLG Köln,
OLGR 2000, 432 ff.). Die Rücknahme des Antrags wird nach fruchtlosem Ablauf der Frist
durch das Gesetz fingiert, wobei die Insolvenzordnung nicht einmal eine
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ausdrückliche Mitteilung an den Schuldner von dem Eintritt der Rücknahmewirkung
fordert (vgl. OLG Köln, a.a.O.). Ist aber nicht einmal die Benachrichtigung des
Schuldners vom Eintritt der Wirkungen der Rücknahmefiktion erforderlich, so kann in
den Fällen, in denen eine entsprechende Mitteilung durch Beschluß gleichwohl erfolgt,
kein Rechtsbehelf hiergegen eröffnet sein, weil insoweit eine Ungleichbehandlung im
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Vergleich zu denjenigen Schuldnern, die eine entsprechende Mitteilung des
Insolvenzgerichts nicht erhalten, gegeben wäre.
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Dies kann aber im Ergebnis dahinstehen, nachdem gemäß § 6 Abs. 1 InsO
Entscheidungen des Insolvenzgerichts nur in solchen Fällen einem Rechtsmittel
unterliegen,
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in denen die Insolvenzordnung ausdrücklich eine derartige Anfechtbarkeit vorsieht.
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Die ansonsten gebräuchliche Eröffnung des Rechtsmittelzugs aufgrund einer
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allgemeinen Zulässigkeitsregel scheidet nach der Systematik der Insolvenzordnung
aus. Der Gesetzgeber hat die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde auf einzelne
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im Gesetz enumerativ aufgezeigte Fälle beschränkt. Gegen den die Antragsrücknahme
feststellenden Beschluß des Insolvenzgerichts vom 15.10.2002 ist nach der
Insolvenzordnung ausdrücklich kein Rechtsmittel gegeben (vgl. insoweit OLG Köln,
OLGR 2000, 380 ff.; OLG Köln, OLGR 2000, 432 ff.; Grote in: Frankfurter Kommentar zur
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Insolvenzordnung, 3. Auflage, § 305 Rdnr. 50 b; so auch die ständige Rechtsprechung
der Kammer, vgl. Beschlüsse vom 05.12.2000, 19 T 141/00, vom 21.06.2002,
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19 T 62/02 und vom 31.10.2002, 19 T 148/02).
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Eine Anfechtungsmöglichkeit ist ebensowenig entsprechend § 34 Abs. 1 InsO eröffnet.
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Die Voraussetzungen einer Gesetzesanalogie liegen nicht vor.
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Die Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist der bloßen Feststellung des
Eintritts der Rücknahmewirkungen nicht vergleichbar, weil im letzteren Fall nicht das
Vorliegen der Voraussetzungen der Verfahrenseröffnung zu prüfen ist, sondern sich die
Prüfung des Insolvenzgerichts lediglich auf die Vollständigkeit und Ordnungsgemäßheit
der eingereichten Unterlagen beschränkt. Weitere Voraussetzung für eine analoge
Anwendung des § 34 Abs. 1 InsO wäre überdies das Vorliegen einer Regelungslücke.
Diese ist hier bereits deshalb nicht gegeben, weil der Gesetzgeber die Frage einer
umfassenden Anfechtung im Insolvenzrecht gesehen, indessen im Hinblick auf sein
erklärtes Ziel, den zügigen Ablauf des Insolvenzverfahrens zu gewährleisten,
entschieden hat, eine Beschwerde nur in den ausdrücklich gesetzlich geregelten Fällen
zuzulassen (OLG Köln, OLGR 2000, 380 ff.).
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Der in der Rechtsprechung teilweise vertretenen entgegenstehenden Auffassung, die
eine Anfechtung der Mitteilung über den Eintritt der Rücknahmewirkungen in Analogie
zu § 34 Abs. 1 InsO zulassen will (vgl. OLG Frankfurt, ZVI 2002, 165 ff.), schließt sich die
Kammer aus den vorstehenden Erwägungen nicht an.
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Letztendlich kommt auch eine Anfechtung der Rücknahmefiktion nicht, wie der
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Schuldner meint, in Folge einer entsprechenden Anwendung der Rechtsbehelfe der
ZPO in Betracht. Die analoge Anwendung der nach der ZPO gegebenen
Beschwerdemöglichkeiten auf das Insolvenzverfahren liefe dem in der InsO
ausdrücklich vorgesehenen Enumerationsprinzip in Bezug auf die Anfechtbarkeit im
Insolvenzverfahren getroffener Entscheidungen zuwider. Soweit der Schuldner zur
Untermauerung seiner anderweitigen Rechtsauffassung eine angebliche Entscheidung
des OLG Naumburg vom 15.03.2000 zitiert, derzufolge die allgemeine Beschwerde
nach der ZPO auf die Rücknahmefiktion des § 305 Abs. 3 S. 2 InsO Anwendung finden
solle, für die er indessen eine Fundstelle oder aber ein Aktenzeichen nicht angibt,
vermochte die Kammer eine solche Entscheidung in keiner der zur Verfügung
stehenden Datenbanken zu finden. Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, daß
das OLG Naumburg im Gegenteil unter dem 24.02.2000, Az. 5 W 13/00, entschieden
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hat, daß die Rücknahmefiktion des § 305 Abs. 3 S. 2 InsO unter keinem denkbaren
Gesichtspunkt der Anfechtung unterliege (ZInsO 2000, 218).
Die sofortige Beschwerde des Schuldners war demgemäß mit der Kostenfolge aus §§ 4
InsO, 97 Abs. 1 ZPO zu verwerfen.
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Beschwerdewert: bis 300 EUR
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