Urteil des LG Köln vom 05.01.2005

LG Köln: satzung, altersrente, altersgrenze, mindestrente, vollstreckung, berechtigung, datum, minderung, sicherheitsleistung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Landgericht Köln, 20 O 47/04
05.01.2005
Landgericht Köln
20. Zivilkammer
Urteil
20 O 47/04
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine monatliche Mindestrente
von 276,33 € brutto seit dem 01.03.2003 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreit trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung
des Klägers gegen sich durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des
zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d :
Der am 18.02.1943 geborene Kläger ist schwerbehindert. Er war im öffentlichen Dienst
beschäftigt und bei der Beklagten zusatzversichert. Er bezieht seit dem 01.03.2003 von der
Bundesknappschaft eine Altersrente für schwer behinderte Menschen ohne Abzug. Zuvor
hatte er bis zum 28.02.2003 von dieser eine Rente wegen voller Erwerbsminderung
bezogen, deren Zugangsfaktor für jeden Kalendermonat nach dem 31.03.2004 bis zum
Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres um 0,003 gemindert war,
das heißt für 23 Monate um 0,069.
Der Kläger beantragte bei der Beklagten die Zusatzversorgung. Die Beklagte gewährte
dem Kläger zuletzt mit Bescheid vom 26.08.2003 (Bl. 9 AH) eine monatliche
Erwerbsminderungsrente in Höhe von 259,83 €, wobei sie wegen vorzeitiger
Inanspruchnahme eine Minderung von 0,3 % je Monat vornahm, insgesamt von 6,9 %.
Der Kläger ist der Auffassung, diese Kürzung sei zu Unrecht erfolgt. Mit Beginn des
Bezuges der Altersrente für Schwerbehinderte von der Bundesknappschaft am 01.03.2003
sei auch die Beklagte verpflichtet, ihm eine ungekürzte Rente zu gewähren.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine monatliche Mindestrente in
Höhe von 276,33 € brutto seit dem 01.02.2003 zu zahlen;
hilfsweise beantragt er,
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die Beklagte zu verurteilen, eine Neuberechnung der Rente
vorzunehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die Kürzung der vom Kläger bezogenen Erwerbsminderungsrente
entspreche den §§ 30 lit. b, 33 IV ihrer Satzung i.V.m. § 77 Abs. 2 Nr. 3 SGB VI. Der in § 33
ihrer Satzung in Bezug genommene § 77 SGB VI gelte im Übrigen für sämtliche Arten der
Rente, somit auf für die Altersrente. Die Bezugnahme beschränke sich auf die
Kürzungsberechnung, nicht jedoch auf die Sätze 2 und 3; insoweit stellten die §§ 34 und 38
ihrer Satzung eine abweichende, vorrangige Regelung dar.
Eine Neuberechnung der Rente nach § 38 der Satzung sei ebenfalls nicht vorzunehmen,
da es an der kumulativen Voraussetzung fehle, dass seit dem Beginn der Rente zusätzlich
zu berücksichtigende Versorgungspunkte angefallen seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen
Schriftsätze nebst Anlagen, die Protokolle der Sitzungen sowie den sonstigen Akteninhalt
Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
Die Beklagte ist gemäß § 38 ihrer Satzung verpflichtet, eine Neuberechnung der Rente des
Klägers vorzunehmen, nachdem dieser das 60. Lebensjahr erreicht hat und ihm seitens der
Bundesknappschaft eine ungekürzte Rente für schwerbehinderte Menschen gemäß § 236
a SGB VI gewährt wird. Da die Parteien vorliegend lediglich um die Frage streiten, ob die
Beklagte zur Kürzung der Rente wegen vorzeitiger Inanspruchnahme berechtigt ist oder
nicht und im Fall einer Neuberechnung diese Kürzung entfällt, ist die Klage hinsichtlich des
Antrages zu 1) begründet, der nach der Klagebegründung dahingehend zu verstehen ist,
dass der Kläger von der Beklagten lediglich die monatliche Zahlung des Differenzbetrages
zwischen der derzeit gezahlten Rente und der beanspruchten Rente begehrt.
Wie die Beklagte selbst einräumt, stellt das Erreichen der Altersgrenze von 60 Jahren
grundsätzlich einen neuen Versicherungsfall im Sinne des § 38 I ihrer Satzung dar. Zwar ist
der Beklagten zuzugeben, dass es vom Wortlaut her an der zweiten Voraussetzung einer
Neuberechnung der Rente gemäß § 38 ihrer Satzung fehlt, weil zugunsten des Klägers
keine weiteren Versorgungspunkte zu berücksichtigen sind.
Es ist jedoch zu beachten, dass der Kläger seitens der Bundesknappschaft seit dem
01.03.2003 eine Altersrente für Schwerbehinderte ohne Kürzung gemäß § 236 a SGB VI
bezieht, wie er zur Überzeugung der Kammer hinreichend mit dem Bescheid vom
09.01.2003 (Bl. 56 f. AH), der Bescheinigung über die Rentenhöhe (Bl. 58 AH) und der
"Mitteilung des frühestmöglichen Rentenbeginns ohne Rentenminderung" (Bl. 55 AH)
dargetan hat. Damit hat er den Versicherungsfall im Sinne des § 31 der Satzung der
Beklagten belegt. Nach Auffassung der Kammer ist der Wegfall der Kürzung, die der Kläger
während des Bezugs der Erwerbsminderungsrente durch die Bundesknappschaft
hinnehmen musste, dem Anfall neuer Versorgungspunkte gemäß § 38 der Satzung
gleichzustellen. Die Satzung enthält insoweit eine Lücke, die durch entsprechende
Anwendung des § 38 zu schließen ist. Dies gebietet nach Auffassung der Kammer zum
einen die Tatsache, dass der Bescheid des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung
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für die Beklagte verbindlich ist, sowie die Tatsache, dass in § 33 der Satzung der
Beklagten, der die Höhe der Betriebsrente regelt, ausdrücklich auf § 77 SGB VI Bezug
genommen worden ist.– und zwar entgegen der Auffassung der Beklagten in seiner
Gesamtheit und nicht nur in Bezug auf die Kürzungsberechnung. Damit ist aber auch § 77 II
S. 3 SGB VI in Bezug genommen, wonach die "Zeit des Bezuges einer Rente vor
Vollendung des 60. Lebensjahres nicht als Zeit einer vorzeitigen Inanspruchnahme gilt".
Die Beklagte kann daher nicht mit ihrer Argumentation durchdringen, die zum Zeitpunkt des
Bezuges der Erwerbsminderungsrente zu Recht vorgenommene Kürzung wirke nach dem
Erreichen der Altersgrenze von 60 Jahren und der damit einhergehenden Berechtigung,
eine ungekürzte Altersrente wegen Schwerbehinderung zu beziehen, fort. Damit setzt sich
die Beklagte in einen nicht hinnehmbaren Widerspruch zu Bestimmungen ihrer eigenen
Satzung und zum für sie verbindlichen Bescheid der Bundesknappschaft, weshalb sie eine
Neuberechnung der Rente nach § 38 ihrer Satzung verpflichtet ist, die im vorliegenden
Sonderfall nur dazu führen kann, dass die vorgenommene Kürzung entfällt.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 708, 711 ZPO.
Die Berufung war nicht nach § 522 ZPO gesondert zuzulassen, da die Beschwer der
Beklagten gemäß § 9 ZPO bei 693 € liegt, das ist der 3,5 fache Jahresbetrag der Differenz
zwischen der von der Beklagten gezahlten Rente von 259,83 zu der eingeklagten von
276,33 (3,5 x 12 x 16,50 €).
Streitwert nach § 17 GKG: 9.947,88 €