Urteil des LG Köln vom 13.05.2009

LG Köln: operation, brille, rechtshängigkeit, versorgung, krankheit, heilbehandlung, belastung, versicherungsvertrag, avb, geeignetheit

Landgericht Köln, 23 S 53/08
Datum:
13.05.2009
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
23. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
23 S 53/08
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Köln vom
03.09.2008 (Az.: 118 C 3/08) wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstre-ckung
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden
Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen, weil der Rechtsstreit grundsätzliche
Bedeutung hat und sowohl die Fortbildung des Rechts als auch die
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dies erfordert
Tatbestand
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Der Kläger unterhielt während des streitgegenständlichen Zeitraums eine private
Krankheitskostenversicherung nach dem Tarif AM0 bei der Beklagten. Dem
Versicherungsvertrag lagen die aus der Akte ersichtlichen Versicherungs- und
Tarifbedingungen zugrunde.
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Die Parteien streiten um die Leistungspflicht der Beklagten für eine bei dem Kläger
durchgeführte und ihm mit Rechnung vom 12.12.2006 über 3.606,62 € in Rechnung
gestellte Lasik-Operation sowie die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten des
Klägers.
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Der Kläger hat in erster Instanz behauptet, die durchgeführte Operation sei medizinisch
notwendig gewesen.
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Er hat in erster Instanz beantragt,
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1) die Beklagte zur Zahlung von 3.606,62 € nebst 5 % Zinsen über dem
Basiszins seit Rechtshängigkeit zu verurteilen.
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Basiszins seit Rechtshängigkeit zu verurteilen.
2) die Beklage zur Zahlung von 189,50 € nebst 5 % Zinsen über dem
Basiszins seit Rechtshängigkeit zu verurteilen.
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Die Beklagte hat in erster Instanz beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hat die medizinische Notwendigkeit der durchgeführten Lasik-Operation
bestritten und sich darauf berufen, eine Ausnahmeindikation für die Operation habe
nicht vorgelegen. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, da eine Brillenversorgung
des Klägers vorgelegen habe, fehle es bereits an einem behandlungsbedürftigen
Befund. Bei der Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit gelte das Prinzip der
Nachrangigkeit. Die Beklagte hat zudem auf die mit der Operation verbundenen Risiken
verwiesen und hilfsweise gebührenrechtliche Einwendungen erhoben. Wegen der
diesbezüglichen Einzelheiten wird auf die Klageerwiderung Bezug genommen.
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Das Amtsgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines
Sachverständigengutachtens. Es hat die Klage sodann mit dem Kläger am 19.09.2008
zugestellten Urteil vom 03.09.2008 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die
medizinische Notwendigkeit der Lasik-Operation sei nach dem Ergebnis der
Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung des Gerichts bewiesen. Hiergegen richtet sich
die am 29.09.2008 bei Gericht eingegangene und am 17.10.2008 begründete Berufung
des Klägers.
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Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Er nimmt Bezug auf
sein erstinstanzliches Vorbringen und moniert, das Amtsgericht habe es pflichtwidrig
verabsäumt, den Sachverständigen ergänzend anzuhören. Der Kläger ist der
Auffassung, die Lasik-Behandlung sei auch im Falle des Nichtvorliegens von
Ausnahmeindikationen medizinisch notwendig. Ein Prinzip der Nachrangigkeit existiere
nicht.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Amtsgerichtes Köln vom03.09.2008 , 118 C 3/08, aufzuheben und
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.606,62 € nebst 5 % Zinsen über
dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen, sowie zur Zahlung weiterer
189,50 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit
Rechtshängigkeit.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Beklagte nimmt Bezug auf ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie hält das
amtsgerichtliche Urteil für richtig und frei von Rechts- und Verfahrensfehlern.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen
den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die zu den Akten gereichten Urkunden
Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und
begründet worden. Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das amtsgerichtliche Urteil
beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zugrunde
zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung. Das Amtsgericht hat die Klage zu
Recht abgewiesen, da sie zulässig, aber nicht begründet ist. Der Kläger hat keinen
Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der streitgegenständlichen Kosten aus dem
zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrag in Verbindung mit §§ 1, 49
VVG a.F., 1 II AVB. Insoweit kann dahinstehen, ob bei einer einfachen Fehlsichtigkeit
bereits das Vorliegen eines Krankheitsfalles verneint werden kann (so LG Mannheim
VersR 2008, 1200). Denn jedenfalls war die vorgenommene Lasik-Behandlung nicht
medizinisch notwendig.
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Nach § 1 Abs. 2 AVB besteht Versicherungsschutz für eine medizinisch notwendige
Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit. Darunter ist nach ständiger
Rechtsprechung zu verstehen, dass es nach den objektiven medizinischen Befunden
und wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Behandlung vertretbar war,
die Maßnahme des Arztes als medizinisch notwendig anzusehen. Vertretbar ist eine
Heilbehandlung dann, wenn sie in fundierter und nachvollziehbarer Weise das
zugrunde liegende Leiden diagnostisch hinreichend erfasst und eine ihm adäquate,
geeignete Therapie anwendet (vgl. BGH VersR 1979, 221; BGH VersR 1987, 287; BGH
VersR 1991, 987; BGH VersR 2006, 535; OLG Köln r+s 1995, 431; OLG Köln r+s 1998,
34). Davon ist dann auszugehen, wenn eine Behandlungsmethode zur Verfügung steht
und angewendet wird, die geeignet ist, die Krankheit zu heilen, zu lindern oder ihrer
Verschlimmerung entgegenzuwirken. Bei der Lasik-Behandlung, die mittlerweile eine
anerkannte Methode zur Verbesserung der Sehfähigkeit darstellt, ist die bloße
Geeignetheit zur Linderung der Krankheit allerdings nach Auffassung der Kammer nicht
gleichbedeutend mit der medizinischen Notwendigkeit (vgl. LG Mannheim VersR 2008,
1200; Hütt VersR 2007, 1402; anders LG Dortmund VersR 2007, 1401). Nach
höchstrichterlicher Rechtsprechung kann für Behandlungen, deren Erfolg nicht sicher
vorhersehbar ist, die medizinische Notwendigkeit nur anhand der im Einzelfall
maßgeblichen objektiven Gesichtspunkte mit Rücksicht auf die Besonderheiten der
jeweiligen Erkrankung und der auf sie bezogenen Heilbehandlung bestimmt werden
(BGH VersR 1996, 1224; BGH VersR 2005, 1673). Ähnliche Überlegungen und
Abwägungen sind bei der Prüfung der medizinischen Notwendigkeit der Lasik-
Behandlung anzustellen. Aufgrund der Ungewissheit des tatsächlich vollständigen
Ausgleichs der Fehlsichtigkeit durch die Operation sowie der damit verbundenen
Risiken sind erhöhte Anforderungen zu stellen. Erforderlich für die Annahme der
medizinischen Notwendigkeit ist, dass die Sehfähigkeit im gesamten Lebensbereich
nicht mehr in ausreichendem Maße durch das Tragen einer Brille oder Kontaktlinsen
gewährleistet ist (LG Köln VersR 2007,1402).
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Dem widerspricht auch nicht der vom Bundesgerichtshof aufgestellte Grundsatz, dass
Kostengesichtspunkte bei der Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit nicht zu
berücksichtigen sind, letztere vielmehr allein aus medizinischer Sicht zu beurteilen ist
(BGH VersR 2003, 581). Denn zu den medizinischen Gesichtspunkten sind auch die
Risiken und Erfolgsaussichten zu zählen, die mit der jeweiligen Behandlung verbunden
sind. Es sind die im Einzelfall bestehenden Risiken und Erfolgsaussichten einer
Behandlung mit dem Grad der Belastung durch die Erkrankung abzuwägen (LG
Mannheim VersR 2008, 1200; vgl. LG München VersR 2007, 1073). Die Risiken einer
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Lasik-Operation, bei der ein Teil der Hornhaut mittels eines Lasers abgenommen wird,
um eine Brechkraftveränderung der Hornhaut zu erzielen und so die Sehkraft zu
verbessern, reichen von einer Verschlechterung des Sehvermögens bis zu einem
vollständigen Verlust der Sehkraft. Es kommt hinzu, dass auch bei erfolgreichem Verlauf
ein vollständiges und insbesondere dauerhaftes Ausgleichen der Fehlsichtigkeit nicht
sicher erwartet werden kann, sondern vielfach lediglich eine Verbesserung der
Sehfähigkeit eintritt, die weiterhin das Tragen einer Brille erforderlich macht. Zugleich ist
zweifelhaft, ob mittels einer Lasik-Behandlung – soweit die Behandlung zum
vollständigen Ausgleich der Fehlsichtigkeit führt – eine Heilung der Erkrankung erreicht
werden kann (so LG Dortmund VersR 2007, 1401; Gedigk/Zach VersR 2008, 993) oder
ob die Behandlung lediglich – ähnlich einer Brille – eine Korrektur der Fehlsichtigkeit
durch einen operativen Eingriff in die Hornhaut bedeutet, ohne die Ursache der
Fehlsichtigkeit zu beheben (LG Mannheim VersR 2008, 1200). In Anbetracht der relativ
hohen, mit der Lasik-Behandlung einhergehenden Risiken und der Unsicherheiten in
Bezug auf den Behandlungserfolg muss auch die aufgrund der Fehlsichtigkeit
vorliegende Belastung des Versicherungsnehmers entsprechend hoch sein. Dies ist
nach Auffassung der Kammer nur dann der Fall, wenn die Fehlsichtigkeit nicht durch die
Versorgung mit einer Brille oder Kontaktlinsen ausgeglichen werden kann oder eine
solche Versorgung nicht zumutbar ist. Erst dann ist eine Lasik-Behandlung medizinisch
notwendig. Das ist beim Kläger aber unstreitig nicht der Fall. Der Kläger hat zu keinem
Zeitpunkt behauptet, dass in seiner Person eine Ausnahmeindikation vorliege, die es
bedinge, dass seine Fehlsichtigkeit nicht durch die Versorgung mit einer Brille oder
einer Kontaktlinse ausgeglichen werden könne oder eine solche Versorgung ihm nicht
zumutbar sei. Der Sachverständige hat diese Frage dennoch in seinem Gutachten
geprüft und das Bestehen einer solchen Indikation eindeutig in Abrede gestellt. In
diesem für die Kammer allein entscheidungsrelevanten Punkt hat der Kläger das
Gutachten auch nicht angegriffen, sondern lediglich die Auffassung vertreten, der
Sachverständige habe seiner Beurteilung einen fehlerhaften Begriff der medizinischen
Notwendigkeit zugrunde gelegt. Er hat zudem lediglich solche Fragen an den
Sachverständigen formuliert, die vor dem Hintergrund der vorskizzierten
Rechtsauffassung der Kammer unerheblich sind. Vor diesem Hintergrund ist eine
Fortsetzung der Beweisaufnahme nicht veranlasst.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1, 709 S. 2 ZPO.
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Die Zulassung der Revision beruht auf § 543 II 1 Nr. 1, 2 ZPO. Die Rechtssache hat
grundsätzliche Bedeutung. Zudem erfordert die Fortbildung des Rechts und die
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Revisionsgerichts, da diese für eine Vielzahl weiterer Verfahren von Bedeutung sein
kann.
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Streitwert für das Berufungsverfahren: 3.606,62 €
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