Urteil des LG Köln vom 27.01.2009

LG Köln: treu und glauben, erfüllung, genehmigung, valutaverhältnis, agb, sparkasse, veröffentlichung, internet, bindungswirkung, belastung

Landgericht Köln, 5 O 283/08
Datum:
27.01.2009
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
5. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 O 283/08
Tenor:
Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 37.550,30 € nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
01.06.2007 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt das beklagte Land
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu
vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
1
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma J
2
Die Insolvenzschuldnerin stellte mit Schreiben vom 02.05.2007, beim Amtsgericht Köln
eingegangen am 03.05.2007, Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Mit
Beschluss vom 03.05.2007 wurde der Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit
Zustimmungsvorbehalt bestellt. Die Veröffentlichung dieses Beschlusses im Internet
erfolgte am 04.05.2007.
3
Die Insolvenzschuldnerin unterhielt ein Kontokorrentkonto bei der Stadtsparkasse X.
Ziffer 7.4 der AGB enthält Regelungen zur Genehmigung von Belastungen aus
Lastschriften. Danach gelten die im Rechnungsabschluss enthaltenen
Belastungsbuchungen dann als genehmigt, wenn der Belastung nicht vor Abschluss
nach 6 Wochen nach dem Zahlungsabschluss widersprochen wird.
4
Die Sparkasse errechnete für das Konto der Insolvenzschuldnerin für das 1. Quartal
2007 mit Abrechnung vom 30.03.2007 einen Saldo von 92.614,60 €. Der Kontovertrag
der Insolvenzschuldnerin gewährte einen Kredit von 100.000,00 €.
5
Die Insolvenzschuldnerin hatte dem Finanzamt M eine Lastschrift-Einzugsermächtigung
erteilt. In der Zeit zwischen dem 12.01.2007 und dem 12.04.2007 zog das Finanzamt
Zahlungen in Höhe von insgesamt 37.750,30 € ein. Im Einzelnen handelt es sich hierbei
um folgende Zahlungsvorgänge:
6
2007. 8.619,87 €
2008. 239,36 €
2009. 1.203,00 €
2010. 189,24 €
2011. 15.047,20 €
2012. 12.251,63 €
7
8
Gesamt 37.550,30 €
9
Der Kläger forderte das beklagte Land mit Schreiben vom 03.08.2007 zur Rückzahlung
der Beträge auf. Dies lehnte das beklagte Land mit Schreiben vom 24.07.2007 ab,
woraufhin der Kläger mit Schreiben vom 12.02.2008 nochmals mahnte und das beklagte
Land mit Schreiben vom 15.02.2008 wiederum ablehnte.
10
Der Kläger ist der Ansicht, dass das beklagte Land die ausgekehrten Zahlungen
zurückzuerstatten habe, da die konkludente Genehmigung der Lastschriften in den
anfechtbaren Zeitraum falle. Der zusammengesetzte Zahlungsvorgang sei erst mit der
Genehmigung abgeschlossen, so dass auch im Hinblick auf die insolvenzrechtliche
Anfechtung auf die Genehmigung als anfechtbare Rechtshandlung abzustellen sei. Die
Genehmigungsfiktion von Ziffer 7.4 der AGB der Sparkasse sei hinsichtlich des
Rechnungsabschlusses vom 30.03.2007 zum 11.05.2007 eingetreten. Zu diesem
Zeitpunkt sei der Kläger jedoch bereits als vorläufiger Insolvenzverwalter mit
Zustimmungsvorbehalt bestellt worden, so dass die Genehmigung der Zustimmung des
Klägers bedurft hätte.
11
Der Kläger beantragt,
12
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 37.550,30 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2007 zu zahlen.
13
Das beklagte Land beantragt,
14
die Klage abzuweisen.
15
Das beklagte Land ist der Ansicht, dass der Kläger sich die Regelung von Ziffer 7.4 der
AGB gegen sich gelten lassen müsse und beruft sich zur Begründung dieser Auffassung
auf ein Urteil des BGH vom 10.06.2008 – XI ZR 283/07 -. Auch der Kläger müsse Ziffer
7.4 der AGB der Sparkasse X gegen sich gelten lassen und innerhalb der Frist
widersprechen, um ein Eintreten einer Genehmigungsfunktion zu verhindern. Erfüllung
sei daher spätestens am 11.05.2007 infolge der Genehmigungsfiktion des
Lastschrifteneinzugs erfolgt. Nach Auffassung des beklagten Landes sei Erfüllung
bereits mit Gutschrift auf dem Konto der Beklagten eingetreten, da im Valutaverhältnis
die Erfüllungstheorie anzuwenden sei; die AGB der Banken seien in diesem Verhältnis
ohne Belang.
16
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt
Bezug genommen.
17
Entscheidungsgründe:
18
Die Klage ist begründet.
19
Der Kläger hat einen Anspruch gegen das beklagte Land auf Zahlung von 37.550,00 €
nach §§ 130 Abs. 1 Nr. 2, 143 Abs.1 InsO. Die an das beklagte Land im Wege der
Einzugsermächtigung ausgekehrten Beträge sind nach § 143 Abs.1 InsO zur
Insolvenzmasse zurückzugewähren, da der Kläger diese Zahlungen wirksam nach §
129 Abs. 1 Nr. 2 InsO angefochten hat. Das Insolvenzverfahren wurde am 01.06.2007
eröffnet.
20
Der Kläger hat sowohl die Zahlungsvorgänge an das beklagte Land in der Zeit vom
12.01.2007 bis 14.03.2007, die Gegenstand des Rechnungsabschlusses vom
30.03.2007 waren, als auch die weitere Zahlung vom 12.04.2007 genehmigt. Hierbei ist
unerheblich, ob dies ihm Hinblick auf den Rechnungsabschluss vom 30.03.2007 durch
Eintreten der Genehmigungsfiktion gemäß Ziffer 7.4 der AGB der Sparkasse X oder
konkludent durch das Schreiben des Klägers an das beklagte Land vom 19.07.2007
erfolgt ist. In beiden Fällen liegen die Zeitpunkte nach der Antragstellung der
Insolvenzschuldnerin auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und nach Veröffentlichung
der Anordnung der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit
Zustimmungsvorbehalt im Internet am 04.05.2007. An dieser Stelle bedarf es daher
keiner Entscheidung, ob mit der Rechtsprechung des XI. Zivilsenates des BGH in dem
Urteil vom 10.06.2008 – XI ZR 283/07 – davon auszugehen ist, dass Ziffer 7.4 der AGB
der Sparkasse auch für den Kläger als vorläufigen Insolvenzverwalter mit
Zustimmungsvorbehalt Bindungswirkung entfaltet oder ob diese Bindungswirkung nach
der Rechtsprechung des IX. Zivilsenates (vgl. BGH, Urteil vom 25.10.2007 – IX ZR
217/06 -) nur bei dem endgültigen Insolvenzverwalter oder den vorläufigen starken
Insolvenzverwalter eintritt.
21
Gleichwohl kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits darauf an, zu welchem
Zeitpunkt beim Einzugsermächtigungsverfahren Erfüllung eintritt, d.h. ob im
Valutaverhältnis die Genehmigungs- oder Erfüllungstheorie Anwendung findet. Die
streitgegenständlichen Zahlungen liegen im Zeitraum vom 12.01.2007 bis 12.04.2007
und somit vor Antragstellung auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 03.05.2007. Nur
bei Anwendbarkeit der Genehmigungstheorie ist der Anwendungsbereich des § 130
Abs. 1 Nr. 2 InsO eröffnet, da nur in diesem Fall die Belastung des Schuldnerkontos erst
durch die Genehmigung des Insolvenzverwalters und damit nach Antragstellung auf
Eröffnung des Insolvenzverfahrens wirksam geworden ist. Anderenfalls wäre Erfüllung
zum Zeitpunkt der jeweiligen Belastung des Schuldnerkontos eingetreten, so dass
insolvenzrechtliche Anfechtungsrechte nur nach den strengeren Anforderungen des §
130 Abs. 1 Nr. 1 InsO in Betracht kommen würden.
22
Entgegen der Ansicht des beklagten Landes hat der XI. Zivilsenat in dem Urteil vom
10.06.2008 – XI ZR 283/07 – nicht entschieden, dass beim
Einzugsermächtigungsverfahren im Valutaverhältnis die Erfüllungstheorie anzuwenden
sei. Der XI. Zivilsenat hat die Frage, ob für das Valutaverhältnis an der
Genehmigungstheorie auch in Zukunft noch festgehalten werden könne oder unter
teilweise Aufgabe der Genehmigungstheorie von einer Erfüllung im Valutaverhältnis
23
auszugehen sei, ausdrücklich offen gelassen (Rn. 25 des Urteils vom 10.06.2008), hat
diese jedoch seinen weiteren Entscheidungsgründen zugrunde gelegt.
Die Anwendung der Genehmigungstheorie auf das Valutaverhältnis im
Einzugsermächtigungsverfahren ist seit Jahrzehnten ständige Rechtsprechung des
BGH (BGH, Urteil vom 25.10.2007 – IX ZR 217/06 – , Rn. 12 m. w. N.), die insbesondere
auch von dem für Banksachen zuständigen XI. Zivilsenat zumindest bis zu der
Entscheidung vom 10.06.2008 vertreten worden ist.
24
Der XI. Zivilsenat begründet seine geänderte Auffassung damit, dass der
Rechtsprechung des IX. Senats deshalb nicht gefolgt werden könne, weil dessen
Rechtsprechung seit der Entscheidung vom 22.01.2004 – IX ZR 39/03 – ungeachtet
lasse, dass die Regelung des § 826 BGB als spezielle Ausprägung des die gesamte
Zivilrechtsordnung beherrschenden Grundsatzes von Treu und Glauben
uneingeschränkt auch für vorläufige Insolvenzverwalter gelte, da diesem nicht mehr und
keine anderen Rechte zustünden als dem Schuldner und daher auch der vorläufige
Insolvenzverwalter berechtigten Lastschrifteneinzügen nicht widersprechen dürfe. Es
komme maßgeblich auf den Parteiwillen an, wann im Valutaverhältnis Erfüllung eintrete.
Mit der Erteilung der Lastschriftabrede habe der Schuldner nach seiner Sicht alles zur
Erfüllung Erforderliche getan, wenn er den Leistungsgegenstand zur Abholung bereit
halte. In dem Moment, indem die Gutschrift auf dem Konto des Gläubigers erfolge, trete
daher Erfüllung ein.
25
Diese Auffassung ist jedoch nicht überzeugend und wird insbesondere auch den
Interessen des Gläubigers nicht gerecht. Wenn im Valutaverhältnis bereits im Zeitpunkt
der Gutschrift auf dem Gläubigerkonto Erfüllung eintreten würde und nicht erst mit
Genehmigung der Lastschrift durch den Schuldner, hätte dies zur Folge, dass der
Schuldner die Lastschrift im Innenverhältnis zur Bank noch zurückrufen kann, solange
diese noch nicht genehmigt ist oder die Genehmigung fingiert ist, im Valutaverhältnis in
diesem Fall aber gleichwohl die Erfüllungswirkung bestehen bleibt.
26
Der Lastschriftwiderspruch eines Insolvenzverwalters ist auch nicht sittenwidrig i.S.d. §
826 BGB. Vielmehr handelt es sich hierbei um die Erfüllung der gesetzlich
zugewiesenen Aufgaben des vorläufigen Insolvenzverwalters zur Sicherung und
Erhaltung der Insolvenzmasse. Die sich ergebende unterschiedliche Beurteilung der
Bindungswirkung von Nr. 7. 3 der AGB der Banken bzw. Nr. 7.4 der AGB der
Sparkassen trägt dem Umstand Rechnung, dass die Insolvenzordnung den starken und
schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter mit unterschiedlichen Befugnissen und
Rechten ausgestattet hat. Diese Unterschiede berücksichtigt der XI. Zivilsenat in seiner
Entscheidung vom 11.06.2008 nicht ausreichend.
27
Es liegt daher eine anfechtbare Rechtshandlung vor, da dem beklagten Land mit
Erteilung der Genehmigung der Lastschriften nach dem Eröffnungsantrag eine
Befriedigung gewährt worden ist. Dabei handelt es sich auch um eine kongruente
Deckung, da die Insolvenzschuldnerin aufgrund gesetzlicher Anordnung
Steuerzahlungen zu erbringen hatte.
28
Das beklagte Land hatte auch Kenntnis von dem Eröffnungsantrag, da der Beschluss
des Amtsgericht Köln vom 03.05.2007, mit dem der Kläger zum vorläufigen
Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt worden ist, im Internet am
04.05.2007 veröffentlicht worden ist und die Bekanntmachung nach § 9 Abs. 3 InsO
29
zwei Tage nach der Veröffentlichung gegenüber den Beteiligten als bewirkt gilt
(Schmidt, Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 130 Rn. 30). Auch die nach §
129 InsO erforderliche Gläubigerbenachteiligung ist gegeben.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 143 Abs. 1 Satz 2 InsO i.V.m. §§ 819, 291, 288
BGB, da der Rückgewähranspruch mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig wird
und die Insolvenzanfechtung keiner gesonderten Erklärung bedarf (BGHZ 171, 38-45).
30
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §, ZPO.
31
Streitwert: 37.550,30 €
32