Urteil des LG Köln vom 21.05.2008

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Landgericht Köln, 20 O 373/07
Datum:
21.05.2008
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
20. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
20 O 373/07
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig gegen Sicherheitsleistung von 120 % des zu
vollstreckenden Betrages vollstreckbar.
T a t b e s t a n d :
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Der Kläger ist seit dem 05.03.2007 Eigentümer der Immobilie W-Straße 6-10 in I2. Die
Voreigentümerin unterhielt für dieses Gebäude bei der Beklagten eine
Wohngebäudeversicherung auf der Grundlage der VGB 2002, die gemäß § 69 VVG a.F.
(im Folgenden: VVG) auf den Kläger übergegangen ist. Der Kläger kündigte diese
Versicherung zum 18.05.2007.
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Nach dem Erwerb der Immobilie führte der Kläger daran Umbauarbeiten durch. In deren
Folge standen 2 der drei Häuser leer, im Haus Nr. 10 waren nur noch 4 von 7
Wohnungen bewohnt; das Erdgeschoss war gewerblich vermietet. Die Außenhaut war
nicht geschlossen; so waren im Treppenhaus alle Fensteröffnungen noch ohne Fenster,
außen stand ein Gerüst.
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Am 15.05.2007 kam es im Treppenhaus der 1. Etage zu einem Brand, der zu
erheblichem Schaden führte.
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Die Beklagte lehnte in der Folge die Schadenregulierung mit der Begründung ab, ihr sei
die vorgenommene Gefahrerhöhung nicht angezeigt worden.
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Abweichend davon behauptet der Kläger, der Beklagten sei die Gefahrerhöhung mit am
selben Tag bei ihrer Filiale in E eingeworfenem Schreiben vom 13.12.2006 angezeigt
worden. Hintergrund dieser Aktion sei gewesen, dass am 13.06.2006 gegen 16.00 Uhr
im Essener Büro der Zeugin Q, seiner Hausverwalterin, ein Gespräch stattgefunden
habe, an dem er sowie der Zeuge T, sein Berater in versicherungsrechtlichen
Angelegenheiten, teilgenommen hätten. Bei dieser Gelegenheit sei die
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Versicherungslage seiner Immobilien besprochen worden. Herr T habe in diesem
Zusammenhang nachgefragt, ob die Absicht der Kernsanierung der Immobilie W-Straße
6-10 in I2 bereits dem Gebäudeversicherer mitgeteilt worden sei. Dies sei, da die
Sanierungsarbeiten erst im Januar beginnen sollten, verneint worden, woraufhin der
Zeuge T den Rat gegeben habe, den Versicherer umgehend, noch am selben Tag, zu
informieren. Das entsprechende Schreiben sei daraufhin unmittelbar durch ihn, Kläger,
und die Zeugin Q angefertigt worden. Der Zeuge T habe sich bereit erklärt, das
Schreiben direkt bei der Y-Filiale in E einzuwerfen. Die Zeugin Q habe daraufhin die
genaue Postanschrift der Y in E ermittelt und dem Zeugen das Schreiben mitgegeben,
das dieser dann persönlich in den Briefkasten der Y-Versicherung in E eingeworfen
habe. Nachfolgend sei das Schreiben mit normaler Post an die Y-Versicherung in I
versandt worden.
Unter Berufung auf ein von ihm eingeholtes Gutachten beziffert der Kläger die Kosten für
die Beseitigung des Brandschadens auf 278.047,90 €. Eine Unterversicherung sei nicht
gegeben; sofern eine solche bestehe, beruhe sie jedenfalls auf einem
Beratungsverschulden des Zeugen C3, des Versicherungsagenten der Beklagten.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, auf das bei der X-bank geführte Konto Nr.
#######, BLZ ###, einen Betrag von 278.947,90 € nebst Zinsen in Höhe von
4 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.05.2007 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie beruft sich auf Leistungsfreiheit wegen einer ihr nicht angezeigten Gefahrerhöhung,
die sich auch in Form einer Brandstiftung realisiert habe.
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Das Schreiben vom 13.12.2006 mit der angeblichen Anzeige der Gefahrerhöhung habe
sie nie erhalten. Es sei offenbar nachträglich gefertigt worden, worin zugleich eine
Verletzung der Aufklärungsobliegenheit nach § 26 VGB 2002 liege. Ein weiterer
Verstoß sei darin zu sehen, dass der Kläger eine weit überhöhte Kostenermittlung
vorgelegt habe. Es sei eine Unterversicherung in Höhe von 49 % gegeben.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen, das Protokoll der Sitzung sowie den
sonstigen Akteninhalt Bezug genommen. Das Gericht hat Beweis erhoben durch die
Vernehmung von Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das
Protokoll der Sitzung vom 23.04.2008 verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist unbegründet.
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Die Beklagte ist nicht aufgrund der bei ihr unterhaltenen Gebäudeversicherung zur
Regulierung des streitgegenständlichen Brandereignisses verpflichtet. Sie kann sich
nämlich auf Leistungsfreiheit nach den §§ 25 I, III, 23 I VVG berufen, weil der Kläger
nicht bewiesen hat, dass die von ihm unstreitig vorgenommene Gefahrerhöhung in Form
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der Kernsanierung mit zeitweiligem freien Zugang zu den überwiegend leergezogenen
Gebäuden der Beklagten so rechtzeitig angezeigt worden ist, dass diese noch die
Möglichkeit gehabt hätte, innerhalb der Frist des § 24 VVG den Versicherungsvertrag zu
kündigen.
Die Kammer ist aufgrund der Beweisaufnahme nicht davon überzeugt, dass die zum
damaligen Zeitpunkt beabsichtigte Kernsanierung des Gebäudekomplexes der
Beklagten mit am selben Tag in der Filiale in E eingeworfenem Schreiben vom
13.12.2006 mitgeteilt worden ist. Diese Überzeugung - § 286 ZPO – konnte die Kammer
insbesondere vor dem Hintergrund nicht gewinnen, dass die Aussagen der beiden vom
Kläger benannten Zeugen nicht übereinstimmen und z.T. auch vom Sachvortrag des
Klägers abweichen.
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Der Zeuge T, der nach den Ausführungen in der Klageschrift das im Büro der Zeugin Q
gefertigte Schreiben mitgenommen und eingeworfen haben soll, hat diesen Vortrag
gerade nicht bestätigt. Im Gegenteil: Weder hat er das streitige Schreiben vom
13.12.2006 jemals gesehen noch hat er es mitgenommen und bei der Filiale in E
eingeworfen. Seiner Schilderung nach war es vielmehr so, dass der Kläger ihn
nachmittags in E angerufen und gefragt habe, ob er, Zeuge, in E eine Stelle wüsste, wo
er das Schreiben einwerfen könne. Der Kläger sei dann nach E gekommen, man sei
gemeinsam zur Filiale der Beklagten in der H-Straße gefahren, wo er im Fahrzeug
sitzen geblieben sei; der Kläger sei aus dem Pkw ausgestiegen und sei ins Gebäude
gegangen. Dies widerspricht insgesamt der Schilderung des Klägers im Prozess und ist
insbesondere auch nicht mit seinem Vortrag in Einklang zu bringen, die Zeugin Q habe
bei dem Gespräch in ihrem Büro eigens noch die Anschrift der Beklagten in E
recherchiert und ihm das Schreiben dann mitgegeben. Die Aussage des Zeugen steht
auch in Widerspruch zu der des Zeugen T2, der nachvollziehbar und glaubhaft
bekundet hat, der Briefkasten der Filiale in E befinde sich außen am Gebäude neben
der Eingangstür und nicht wie vom Zeugen T behauptet, innen im Gebäude hinter der
Glastür. Nicht nachvollziehbar ist auch, wieso der Kläger den Brief nachmittags selbst in
der Filiale in E einwerfen wollte. Abgesehen davon, dass es Filialen der Beklagten
sowohl in F – dem Bürositz der Zeugin Q - als auch in I2 – dem Wohnsitz des Klägers –
gibt (siehe Internet) und ein Einwurf des Briefes dort sicher mit weniger Aufwand
verbunden gewesen wäre, hätte der Einwurf in E nur Sinn gemacht, wenn sich der
Kläger für diesen Vorgang einen Zeugen sichern wollte. Diese Intention wurde aber mit
dem vom Zeugen T geschilderten Ablauf des Geschehens gerade nicht erreicht. Wie der
Zeuge T ferner bekundet hat, sollte das Schreiben zudem auch der Filiale der Beklagten
in I durch die Zeugin Q gefaxt werden und habe der Kläger ihm bei dem Anruf erklärt,
das Faxen dieses Schreibens genüge ihm nicht. Mit dieser Aussage ist indes nicht die
der Zeugin Q in Einklang zu bringen, dass ihr Faxgerät nachmittags nicht funktioniert
habe, wohl aber vormittags, als sie die anderen Schreiben vom 13.12.2006 an die
Beklagte gefaxt habe.
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Die Zeugin Q hat zwar den Sachvortrag des Klägers im vorliegenden Verfahren im
wesentlichen bestätigt, hat bei ihrer Aussage aber insgesamt einen unsicheren Eindruck
gemacht, konnte sich an Einzelheiten erst auf Nachfragen erinnern. Sie widerspricht mit
ihrer Aussage nicht nur der Aussage des Zeugen T, sondern auch der eigenen
Einlassung des Klägers im Termin, wonach die Zeugin die Adresse der Beklagten in E
erst recherchiert hatte, nachdem der Zeuge T schon vorgefahren war. Nicht plausibel ist
auch, warum die Zeugin, die eigenen Angaben zufolge Schreiben immer gerne faxt, die
Anzeige der Gefahrerhöhung per Post nach I gesandt haben will und nicht zusätzlich
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auch nach dem Wieder-Funktionieren des Faxgerätes gefaxt hat. Nicht nachvollziehbar
ist ferner die Aussage der Zeugin, wonach der Zeuge T einerseits erklärt haben soll, er
kenne eine Filiale in E, sie andererseits aber gleichwohl die Anschrift im Internet
ermittelt, für ihn aufgeschrieben und den Zettel an das Schreiben geheftet haben will.
Unplausibel ist die Darstellung des Geschehens durch die Zeugin auch insoweit, als
nicht nachvollziehbar ist, wieso, wenn der Zugang dieses wichtigen Schreibens
sichergestellt werden sollte, sie nicht selbst das Schreiben bei einer Filiale in F
eingeworfen hat. Nicht nachvollziehbar ist auch, warum der Kläger und die Zeugin am
13.12.2006 solchen Wert auf den Nachweis des Zugangs des Schreibens vom selben
Tag gelegt haben wollen, wo doch die Arbeiten erst im Januar 2007 beginnen sollten.
Angaben dazu, ob das Schreiben auch tatsächlich und von wem bei der Filiale in E
eingeworfen wurde, konnte die Zeugin naturgemäß nicht machen.
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Den Aussagen der Zeugen T und Q steht zudem die Aussage des Zeugen N entgegen,
der bei der Kammer einen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen hat. Dieser hat
angegeben, die Zeugin Q habe, als er sie nach dem Schadenfall gefragt habe, ob die
Gefahrerhöhung gemeldet worden sei, einen überraschten und erschrockenen Eindruck
gemacht und dann erklärt, sie habe das nicht melden müssen, da die Gewerbeeinheiten
ja noch betrieben würden. Sie habe definitiv nicht erklärt, die Gefahrerhöhung habe sie
gemeldet. Die Aussage des Zeugen N ist insoweit plausibel, als er angegeben hat, vor
diesem Hintergrund das betreffende Schreiben erst gar nicht für seine Akte angefordert
zu haben.
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Der Kläger hat auch nicht bewiesen, dass die von ihm herbeigeführte Gefahrerhöhung
nicht kausal für den Schadeneintritt war. Im Gegenteil: Aus dem von der Beklagten
z.d.A. gereichten Auszug der Akte des PP C ergibt sich, dass vor Ort ein ausgeglühter 5-
Liter-Stahlblechkanister gefunden wurde und sowohl im Kanister als auch im
Brandschutt gutachterlich Spuren brennbarer Flüssigkeiten, bestehend aus variierenden
Kohlenwasserstoffgemischen festgestellt wurden.
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Die Klage ist daher unbegründet.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 709 ZPO.
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