Urteil des LG Köln vom 27.07.2006

LG Köln: fahrzeug, persönliche anhörung, entwendung, wahrscheinlichkeit, leasingvertrag, polizei, versicherungsnehmer, diebstahl, wagen, gewerbe

Landgericht Köln, 24 O 93/04
Datum:
27.07.2006
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
24. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
24 O 93/04
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu Händen der Firma M
GmbH in München € 24.916,45 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 31.1.2004 sowie
weitere € 614,40 an den Kläger zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils
zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Für das Leasingfahrzeug BMW 730 d des Klägers mit dem amtlichen Kennzeichen
####1 bestand bei der Beklagten eine Teilkaskoversicherung mit einer
Selbstbeteiligung von € 150,--. Versicherungsnehmer war der Kläger. Dem
Versicherungsvertrag liegen die AKB 10/99 zugrunde. Das Fahrzeug war mit einer
Wegfahrsperre ausgerüstet. Eigentümer des Pkw ist die Firma M GmbH, mit der der
Kläger einen Leasingvertrag mit einer Laufzeit von drei Jahren (21.5.2001 bis
20.5.2004) abgeschlossen hatte. Vereinbart war eine jährliche Laufleistung von 20.000
km. Das Fahrzeug wies ausweislich des Leasingantrags (Bl. 43 GA) zu Beginn des
Leasingzeitraums einen Kilometerstand von knapp 12.000 km auf.
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Am 4.9.2003 meldete der Kläger den BMW bei der Polizei als gestohlen. In dem am
14.9.2003 vom Kläger unterschriebenen Fragebogen zum Diebstahlschaden
beantwortete der Kläger die Frage, ob es Zeugen für das Abstellen des Fahrzeuges
gebe, mit "nein" (Bl. 70 GA).
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Die M GmbH rechnete den Leasingvertrag mit Schreiben vom 10.12.2003 (Bl. 50 GA)
ab. Dabei wurde der Restwert des Fahrzeuges auf € 25.066,45 kalkuliert. Sie forderte
den Kläger zur Zahlung von € 30.750,19 auf. Der Mehrbetrag über den Restwert des
Fahrzeugs hinaus (€ 5.683,74) ergibt sich dadurch, dass der Kläger eine höhere
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Fahrzeugs hinaus (€ 5.683,74) ergibt sich dadurch, dass der Kläger eine höhere
Laufleistung mit dem Fahrzeug erreicht hatte, als der Leasingvertrag vorgesehen hatte,
da das Fahrzeug zum Zeitpunkt der behaupteten Entwendung eine Laufleistung von
112.000 km aufwies.
Die Beklagte beauftragte den Zeugen M2 mit Ermittlungen zum Schadensereignis.
Dieser führte gemeinsam mit dem Kläger am 22.12.2003 eine Ortsbesichtigung durch, in
deren Rahmen sich der Kläger nicht mehr an den exakten Abstellort zu erinnern
vermochte, sondern eine Parkreihe in der Länge von ca. 70 bis 80 m angab. Die
Begutachtung der Fahrzeugschlüssel ergab, dass keine Nachschlüssel von den
Originalfahrzeugschlüsseln gefertigt wurden. Mit Schreiben vom 26.1.2004 forderte der
Kläger die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 30.1.2004 zur Zahlung eines Betrages
von € 25.066,45 auf. Der Kläger gab am 13.1.2004 beim AG Erkelenz die eidesstattliche
Versicherung ab.
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Der Kläger
25.066,45 sowie einen Betrag in Höhe von € 614,40 für vorgerichtliche Kosten.
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Der Kläger behauptet, er habe das Fahrzeug am 4.9.2003 gegen 10.30 Uhr auf der
Königsallee in Düsseldorf zwischen WAZ und der Dresdner Bank auf dem linken
Parkstreifen ordnungsgemäß in einer Parkbox abgestellt und verschlossen. Im
Schriftsatz vom 5.8.2004 hat der Kläger dazu erstmals vorgetragen, dass das Abstellen
des Fahrzeugs von dem ihm geschäftlich bekannten Zeugen C beobachtet worden sei.
Wie der Kläger erst im Frühsommer 2004 erfahren habe, sei der Zeuge an diesem Tag
hinter dem BMW des Klägers gefahren und habe mitbekommen, dass der Kläger auf der
Königsallee eingeparkt habe und ausgestiegen sei. Bei der Rückkehr des Klägers
gegen 11.40 Uhr sei das Fahrzeug entwendet gewesen. Wegfahrsperren bedeuteten
heutzutage für einen Täter kein Hindernis mehr. Zudem benützten professionelle
Banden Transpondercodes, um Nachschlüssel zu fertigen. Der Kläger trägt weiter vor,
dass er die Absicht gehabt habe, das Fahrzeug nach Ablauf des Leasingvertrages in
sein Privateigentum zu übernehmen. Er sei stets problemlos finanziell in der Lage
gewesen, die Leistungen aus dem Leasingvertrag zu erfüllen. Auch nach der Abgabe
der eidesstattlichen Versicherung habe der Kläger über die finanziellen Mittel verfügt,
damit seine Lebensgefährtin, die Zeugin O, auf die das Gewerbe des Klägers seit 2004
laufe, die Anzahlung für einen Leasingvertrag über ein Neufahrzeug VW Touareg in
Höhe von € 12.180,-- bestreiten konnte.
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Nachdem die Klage zunächst im Namen der Zeugin O aus abgetretenem Recht erhoben
worden ist und die Beklagte deren Aktivlegitimation gerügt hat, ist der Kläger statt der
Zeugin O mit Schriftsatz vom 28.7.2004 als klagende Partei in den Rechtsstreit
eingetreten. Er beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu Händen der Firma M GmbH in
München € 25.066,45 nebst 8% Zinsen über Basiszins nach DÜG ab 31.1.2004
sowie weitere € 614,40 an den Kläger zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte
vorgetäuscht. Die fraglichen Parkbuchten seien so eng gestaltet, dass eine Entwendung
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des Fahrzeuges durch Abschleppen kaum möglich sei. Ein Abschleppen sei aufwendig
und auffällig. Aufgrund der Belebtheit der Königsallee sei nicht davon auszugehen, dass
ein Dieb sich die Zeit nehme, die Wegfahrsperre zu durchbrechen. Der Kläger habe
massive finanzielle Schwierigkeiten gehabt. Er sei wirtschaftlich nicht in der Lage
gewesen, die Abrechnung des Leasingvertrages zu verkraften und insbesondere die
nicht durch die monatlichen Leasingraten abgedeckte höhere Laufleistung des
Fahrzeuges zu bezahlen. Der Kläger sei nicht mehr in der Lage gewesen, das
versicherte Fahrzeug zu unterhalten und sei deshalb bestrebt gewesen, das Fahrzeug
verschwinden zu lassen. Die Beklagte beruft sich außerdem auf eine Verletzung der
Aufklärungsobliegenheit, weil der Kläger den Zeugen C nicht im Schadensfragebogen
vom 14.9.2003 (Bl. 34 ff. GA) angegeben hat.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze der
Parteien nebst Anlagen Bezug genommen. Die Kammer hat Beweis erhoben durch
Anhörung des Klägers als Partei und Vernehmung der Zeugen C, V und B. Wegen des
Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 10.11.2005
(Bl. 127 ff. GA) und 1.6.2006 (Bl. 147 ff. GA).
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet.
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Der erfolgte Parteiwechsel auf Klägerseite war analog §§ 263, 267 ZPO zulässig. Die
Beklagte hat dem Parteiwechsel nicht widersprochen, so dass analog § 267 ZPO von
ihrer Einwilligung auszugehen ist. Im Übrigen war der Parteiwechsel auch sachdienlich,
weil der Rechtsstreit unter Verwendung des bisherigen Prozessstoffes zwischen den
Parteien fortgeführt und ein neuer Prozess vermieden werden konnte.
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Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Entschädigung wegen der
Entwendung seines Leasingfahrzeugs gemäß §§ 1, 49 VVG i.V.m. §§ 12 Abs. 1 I lit. b)
Satz 1, 13 AKB in Höhe von € 24.916,45.
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Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat der Kläger einen Sachverhalt bewiesen,
der mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf eine Fahrzeugentwendung
zulässt. Hingegen ist der Beklagten zur Überzeugung der Kammer nicht der ihr
demgegenüber obliegende Nachweis der erheblichen Wahrscheinlichkeit einer
Vortäuschung des Versicherungsfalls durch den Kläger gelungen.
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Grundsätzlich muss der Versicherungsnehmer, der einen Diebstahl seines
kaskoversicherten Fahrzeugs geltend macht, lediglich einen solchen Sachverhalt
darlegen und beweisen, der mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf die
Fahrzeugentwendung zulässt (BGH VersR 1984, 29). Dazu reicht in der Regel der
Nachweis, dass das versicherte Fahrzeug zu einer bestimmten Zeit an einem
bestimmten Ort abgestellt und dort später nicht wieder aufgefunden worden ist (BGH
VersR 1995, 288). Hinsichtlich dieses Minimalsachverhalts trifft den
Versicherungsnehmer jedoch die Last des Vollbeweises (BGH VersR 1993, 571). Dabei
kommt als weitere Beweiserleichterung für den Versicherungsnehmer in Betracht, dass
er den Nachweis dieses Minimalsachverhalts auch durch seine eigenen Angaben im
Rahmen einer Anhörung nach § 141 ZPO führen kann, wenn ihm für das Abstellen
und/oder das Nichtwiederauffinden des Fahrzeugs keine Zeugen zur Verfügung stehen
und er uneingeschränkt glaubwürdig ist. Diese Beweiserleichterungen sind zwischen
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den Parteien eines Versicherungsvertrages für den Fall einer Entwendung der
hiergegen versicherten Sache stillschweigend vertraglich vereinbart (BGH, st. Rspr.,
siehe VersR 1984, 29; VersR 1998, 488, NVersZ 2000, 87; dazu etwa Prölss/Martin,
a.a.O., § 49 Rn. 45 m.w.N.).
Die Kammer hat nach Anhörung des Klägers und Vernehmung des Zeugen C die
Überzeugung gewonnen, dass das versicherte Fahrzeug am 4.9.2003 gegen 10.30 Uhr
an dem vom Kläger angegebenen Parkstreifen auf der Königsallee in Düsseldorf
geparkt und dort bei seiner Rückkehr gegen 11.40 Uhr nicht wieder aufgefunden worden
ist.
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Der Zeuge C hat glaubhaft bekundet, dass er den Kläger am Tattag beim Abstellen des
Fahrzeugs gesehen hat, als er selbst auf der Suche nach einem Parkplatz war, ohne
dass der Kläger selbst Kenntnis von ihm genommen habe. Erst anlässlich einer
Unterhaltung im Sommer 2004 sei zwischen ihm und dem Kläger die Rede darauf
gekommen, als der Kläger ihm im Zusammenhang mit seiner Nachfrage zu dessen
neuen Wagen von der Entwendung und seinen Schwierigkeiten mit der Versicherung
berichtet habe. Er – der Zeuge – habe dann anhand seiner Erinnerung zum zeitlichen
Kontext und eines Termins, den er am fraglichen Tag, einem Donnerstag, in Düsseldorf
gehabt habe, rekonstruiert, dass er den Kläger tatsächlich am Diebstahlstag gesehen
haben müsse. Diese Aussage des Zeugen C ist in sich schlüssig und nachvollziehbar
und deckt sich im Wesentlichen mit den Angaben des Klägers zum Sachverhalt in
dessen Anhörung. Soweit sich kleinere Abweichungen finden, beruhen diese erkennbar
auf normalen Erinnerungslücken und Wahrnehmungsunterschieden. Es erscheint der
Kammer unter Berücksichtigung der von dem Zeugen geschilderten Situation und des
markanten Kennzeichens des entwendeten Fahrzeugs des Klägers entgegen der
Auffassung der Beklagten durchaus glaubhaft und lebensnah, dass der Zeuge C den
Kläger an dem fraglichen Tag erkannt hat und sich daran auch ein Dreivierteljahr noch
erinnern konnte, als zwischen ihm und dem Kläger die Sprache auf den Diebstahl kam.
Auch das Aussageverhalten des Zeugen C hat der Kammer keinen Anlass zu Zweifeln
daran gegeben, dass er hier wirklich Erlebtes bekundet hat. Schließlich ist auch kein
Grund erkennbar, der gegen die persönliche Glaubwürdigkeit des Zeugen spricht. Der
Zeuge ist mit dem Kläger im geschäftlichen Kontext zwar bekannt, hat aber keinerlei
erkennbares eigenes Interesse am Ausgang dieses Rechtsstreits. Es ist unter diesen
Umständen nicht ersichtlich, warum der Zeuge hier eine falsche Gefälligkeitsaussage
für den Kläger gemacht haben sollte.
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Zum Nichtwiederauffinden des Fahrzeugs hat der Kläger glaubhaft bekundet, dass er
bei seiner Rückkehr zum Abstellort den Wagen nicht wieder vorgefunden und sich nach
Ablaufen des Parkstreifens in der Annahme, sich über den genauen Abstellort geirrt zu
haben, schließlich zur Polizei begeben zu haben.
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Der Kläger konnte den Nachweis des Nichtwiederauffindens des Fahrzeugs in
Ermangelung diesbezüglicher Zeugen auch durch seine eigene Anhörung gemäß § 141
ZPO führen. Denn es liegen keine Gründe vor, die seine Redlichkeit von vornherein in
Zweifeln ziehen. Grundsätzlich gilt die Vermutung des redlichen
Versicherungsnehmers. Liegen aber konkrete Tatsachen vor, die schwerwiegende
Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers und der Richtigkeit seiner
Behauptungen aufdrängen, kommt eine persönliche Anhörung des
Versicherungsnehmers zum Nachweis des äußeren Bildes nicht in Betracht. Indes sind
diese Voraussetzungen hier nicht gegeben. Es stehen weder Unredlichkeiten des
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Klägers im Zusammenhang mit dem aktuellen Versicherungsfall noch mit früheren
Vorfällen fest. Der Kläger ist unstreitig nicht vorbestraft, und es gibt auch keine weiteren
relevanten Kaskoschadensfälle. Soweit die Beklagte als Verletzung der
Aufklärungsobliegenheit gerügt hat, dass der Kläger den Zeugen C im
Schadensfragebogen vom 14.9.2003 nicht als Zeugen für das Abstellen des Fahrzeugs
angegeben hat, ist dieser Vorwurf durch die Bekundungen des Zeugen C ausgeräumt
worden. Denn danach steht fest, dass der Kläger erst im Frühsommer 2004 überhaupt
davon Kenntnis erlangt hat, dass der Zeuge C ihn am Schadenstag beim Abstellen des
Fahrzeugs gesehen hatte. Aus diesem Grund liegt auch die von der Beklagten gerügte
Verletzung der Aufklärungsobliegenheit nicht vor. Schließlich stehen auch die Angaben
des Klägers im Prozesskostenhilfeverfahren der Beweisführung zum äußeren Bild durch
seine persönliche Anhörung nicht entgegen. Zwar basieren die Angaben des Klägers zu
seinem Einkommen auf einer angeblichen Anstellung in seinem früheren Gewerbe,
dass mittlerweile wohl formal auf seine Lebensgefährtin angemeldet ist. Die Angaben
mögen insoweit nicht die tatsächliche finanzielle Situation des Klägers adäquat
wiedergeben. Indes hat der Kläger die näheren Umstände im Verfahren nicht
verschwiegen, sondern bereits im Schriftsatz vom 5.8.2004 über die Übertragung des
Gewerbes auf die Zeugin O informiert und im Zusammenhang mit seinem Vortrag zum
Abschluss eines Leasingvertrages durch seine Lebensgefährtin auch keinen Hehl
daraus gemacht, dass die dazu erforderlichen wirtschaftlichen Mittel letztlich von ihm
selbst bestritten wurden. Diesen Vortrag hat die Kammer indes bei ihrer ursprünglichen
Bewilligung des im Verfahren gestellten Prozesskostenhilfeantrags vom 2.12.2005
versehentlich nicht berücksichtigt.
Hat der Kläger danach den ihm obliegenden Vollbeweis für das äußere Bild einer
versicherten Entwendung geführt, so oblag der Beklagten gegenbeweislich der
Nachweis von Tatsachen, die die erhebliche Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung
eines Fahrzeugdiebstahls begründen. Dieser Nachweis ist ihr jedoch zur Überzeugung
der Kammer bei einer Gesamtschau der vorliegenden Umstände und nach dem
Ergebnis der weiteren Beweisaufnahme nicht gelungen.
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Zwar hatte der Kläger im zeitlichen Umfeld des Diebstahlsereignisses größere
wirtschaftliche Schwierigkeiten, wie die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung im
Januar 2004 offenbart, und hätte im Falle der Rückgabe des Fahrzeugs nach Ablauf des
Leasingvertrags im Mai 2004 wegen der Überschreitung der vereinbarten
Kilometerleistung erhebliche Nachzahlungen leisten müssen. Diese wirtschaftlichen
Aspekte vermögen indes noch nicht die erhebliche Wahrscheinlichkeit eines
vorgetäuschten Schadensfalls zu begründen. Gleiches gilt auch unter Berücksichtigung
des Umstandes, dass es sich gerade bei hochwertigen Leasingfahrzeugen um typische
Objekte in Vortäuschungsfällen handelt.
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Soweit die Beklagte sich außerdem darauf stützt, dass auch die behauptete
Entwendung des mit einer modernen Wegfahrsperre ausgerüsteten Fahrzeugs ohne
Fahrzeugschlüssel am helllichten Tag von seinem Abstellort in einer engen Parktasche
auf der Düsseldorfer Königsallee insgesamt so unwahrscheinlich sei, dass auch die
Umstände der Entwendung für die erhebliche Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung
begründe, sieht die Kammer dies nach dem weiteren Ergebnis der Beweisaufnahme als
im Wesentlichen widerlegt an.
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Denn nach der Vernehmung des Zeugen V und insbesondere des Zeugen B steht zur
Überzeugung der Kammer fest, dass es professionellen Tätern mit Hilfe
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hochtechnisierter Ausrüstung möglich ist, auch Fahrzeuge mit modernsten
Wegfahrsperren im einstelligen Minutenbereich fahrbereit zu machen. So hat der Zeuge
B, der Leiter der für die Entwendung hochwertiger Fahrzeuge zuständigen Abteilung
453 beim LKA C2 ist, überzeugend dargelegt, dass hochspezialisierte, überwiegend
osteuropäische Täterkreise sich ständig auf dem neuesten Niveau halten und auch
modernste Wegfahrsperren neuer Fahrzeugtypen überwinden können. Nach seinen
Erkenntnissen hätten die Täter in früheren Jahren ihr jeweiliges Zielfahrzeug mit
Komponenten, die sie aus baugleichen Fahrzeugen entnommen hätten, angegangen.
Seit den Jahren 2004/2005 sei aber selbst dies nicht mehr erforderlich, da die Täter
heute über technische Geräte verfügten, mit deren Hilfe sie vorhandene
Sicherheitseinrichtungen gezielt überwinden könnten. Insbesondere seien ihm auch
sichergestellte Geräte bekannt, die nach kriminaltechnischen Feststellungen auf BMW-
Fahrzeuge konfiguriert gewesen seien. Demgemäß erscheint es auch nicht
unwahrscheinlich, dass das klägerische Fahrzeug auf eine der beschriebenen Arten
von hochspezialisierten Tätern entwendet worden ist. Zwar weist die Beklagte
zutreffend darauf hin, dass sich der streitgegenständliche Diebstahl bereits im Jahr 2003
ereignet habe, das entwendete Fahrzeug ein älteres Modell der BMW 7er Reihe mit
Alarmanlage und ohne konkrete Typmarkierung auf dem Chassis gewesen sei und sich
die Tat zur Geschäftszeit auf einer belebten Einkaufsstraße abgespielt haben solle.
Auch diese Gesichtspunkte führen jedoch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zu
keiner anderen Gesamtwürdigung.
Nach der Aussage des Zeugen B ist eine direkte Überwindung von Wegfahrsperren
mithilfe von typengerecht konfigurierten elektronischen Geräten bezogen auf den
Bereich C2 seit den Jahren 2004/2005 bekannt. Zuvor existierte jedoch nach Aussage
des Zeugen bereits die – wenn auch aufwändigere - Methode des
Komponentenaustausches. Die Demonstration eines solchen Komponentenaustausch
hat der Zeuge V, der Sachverständiger für Fahrzeugtechnik ist, im Auftrag des
Fernsehsenders Sat 1 beobachtet. Insoweit konnte er bestätigen, dass die in diesem
Rahmen handelnden Personen, die intensive Kenntnisse von dem dort angegangenen
Fahrzeug hatten, mithilfe von ausgebauten Komponenten – nämlich jeweils ein
Steuergerät für Motorsteuerung und Wegfahrsperre – aus einem baugleichen Fahrzeug
den angegangen Wagen in zweieinhalb Minuten fahrbereit gemacht hätten. Es ist daher
möglich, dass zumindest diese Methode der Überwindung von Wegfahrsperren bei der
streitgegenständlichen Entwendung im September 2003 angewendet worden ist.
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Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass das Risiko einer derartigen
Fahrzeugentwendung am helllichten Tag auf einer belebten Geschäftsstraße wie der
Düsseldorfer Königsallee beachtlich ist. Indes hat der Zeuge B gleichwohl bestätigt,
dass ihm aus seiner Praxis Fälle von Fahrzeugdiebstählen unter Überwindung der
Wegfahrsperre auf belebten Geschäftsstraßen bekannt seien, wenn dies auch nicht der
Regelfall sein mag. Der Aussage des Zeugen V ist außerdem zu entnehmen, dass das
Herangehen an Motorraum und Fahrgastinnenraum für den Komponententausch auch
nicht zwangsläufig auffällig sein muss, wenn die Täter sich mehr Zeit lassen und ein nur
auf Schnelligkeit ausgelegtes aggressives Vorgehen nicht im Vordergrund steht. Auch
lasse sich eine Fahrzeugalarmanlage durch Überdrehen des Türschlosses mit einem
sog. "Polenschlüssel" ausschalten. Schließlich lässt sich aus der Bekundung des
Zeugen B, dass es sich bei dem hier interessierenden Fahrzeugtyp BMW 730 d nach
den Statistiken nicht um ein Lieblingsmodell der einschlägigen Täterkreise handele,
nicht der Umkehrschluss ziehen, dass es keine auf diesen Fahrzeugtyp spezialisierten
Täter gibt, die Kenntnis von anderen Erkennungszeichen für einen bestimmten Typ
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verfügen als die Typmarkierung auf dem Fahrzeug selbst.
Nach Auffassung der Kammer spricht vielmehr gerade auch die Örtlichkeit der
Tatbegehung gegen die Vortäuschung eines Diebstahls. Denn es erscheint wenig
wahrscheinlich, dass ein Täter, der eine Fahrzeugentwendung vortäuschen will, sich
hierzu ausgerechnet eine belebte Geschäftsstraße in einer Großstadt aussuchen würde;
dies zumal, wenn er nähere Kenntnis von der Problematik der Überwindung der
Wegfahrsperre hat und gleichwohl auf Schlüsselverhältnisse ohne Kopierspuren oder
fehlende Originalschlüssel – wie im vorliegenden Fall – Wert legt.
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Nach alledem vermochte sich die Kammer durch die anzustellende Gesamtwürdigung
aller Umstände im vorliegenden Fall nicht vom Bestehen einer erheblichen
Wahrscheinlichkeit für eine vorgetäuschte Fahrzeugentwendung zu überzeugen.
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Im Übrigen hat der Zeuge B anschaulich geschildert, dass die neuesten
Ermittlungsergebnisse der Polizei in Arbeitskreisen mit Vertretern der
Automobilhersteller und der Versicherungswirtschaft erörtert worden sind. Es ist daher
davon auszugehen, dass die Versicherer, was die Überwindung von Wegfahrsperren
betrifft, zeitnah über den neuesten Erkenntnisstand der Polizei informiert waren. Vor
diesem Hintergrund erscheint es befremdlich, wenn Versicherer bis in jüngste Zeit zum
Beleg eines vorgetäuschten Diebstahls offenbar wider besseren Wissens behaupteten,
dass ein solcher Diebstahl neben speziellen Kenntnissen von der Wegfahrsperre einen
Zeitaufwand von mehr als 20 Minuten erfordere.
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Die Höhe des Wiederbeschaffungswertes für das entwendete Fahrzeug in Höhe von €
25.066,45 ist zwischen den Parteien unstreitig. Davon in Abzug bringen war jedoch die
vereinbarte Selbstbeteiligung in Höhe von € 150,--, so dass die geltend gemachte
Hauptforderung insoweit unbegründet ist. Im Übrigen sind auch die vom Kläger unter
dem Gesichtspunkt des Verzugsschadens geltend gemachten vorgerichtlichen Kosten
in Höhe von € 614,40 zwischen den Parteien unstreitig.
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Die Zinsentscheidung ergibt sich unter dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäß §§ 286
Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Soweit der Kläger einen höheren Zinssatz gemäß § 288 Abs. 2
BGB beansprucht, war die Klage abzuweisen. Denn § 288 Abs. 2 BGB ist auf
Entschädigungsleistungen aus Versicherungsvertrag nicht anwendbar, dass es sich
dabei um keine Entgeltforderung, sondern nur um eine Geldforderung handelt (vgl.
Palandt/Heinrichs, BGB, 65 Aufl., § 288 Rn. 8 mit Verweis auf § 286 Rn. 27. Nach
seinem eigenen Vortrag war der Kläger außerdem zum Zeitpunkt des Verzugseintritts
am 31.1.2004 kein Unternehmer im Sinne von § 14 BGB mehr, weil sein Gewerbe zu
dieser Zeit bereits auf die Zeugin O übergegangen war.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 ZPO.
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Streitwert: € 25.680,85
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