Urteil des LG Kleve vom 21.01.2009

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Landgericht Kleve, 2 O 229/07
Datum:
21.01.2009
Gericht:
Landgericht Kleve
Spruchkörper:
2. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 O 229/07
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 15.000 Euro (in Buchstaben:
fünfzehntausend Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz seit dem 12.10.2008 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 % des beizutreibenden Betrages.
Tatbestand
1
Der Kläger verlangt von der Beklagten die Zahlung einer Geldentschädigung wegen
Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts.
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Der Kläger ist xx geboren und von Beruf Heizungs- und Installateurmeister. Er ist
strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten. Am 08.12.2004 war er mit dem auf die
Heizungs- und Sanitärfirma seines Sohnes Daniel X zugelassenen Peugeot, amtliches
Kennzeichen xyz, unterwegs. Er beabsichtigte, seine Lebensgefährtin zu besuchen. Zur
gleichen Zeit waren die Zollbeamten xx und pp zu Routinekontrollen im Kreis
unterwegs. Sie wurden dabei von einem Kamerateam der Beklagten begleitet, die einen
Fernsehbericht über die Bekämpfung der Drogenkriminalität an der deutsch-
niederländischen Grenze planten.
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In dd fiel den Zollbeamten das vom Kläger gesteuerte Fahrzeug auf. Sie erinnerten sich
daran, dass am 05.11.2004 bei der Leitstelle der Zollfahndung L ein anonymer Hinweis
eingegangen war. Der anonyme Anrufer hatte mitgeteilt, dass aus diesem Wagen
heraus vor einem weißen Haus in dd abends zwischen 18.00 und 20.00 Uhr Rauschgift
verkauft werde. Die Beamten verfolgten den vom Kläger gesteuerten PKW und hielten
ihn letztlich in dd an. Einer der beiden Beamten fragte den Kläger, ob er Drogen, Waffen
oder "illegale Ausländer" im Wagen habe, was der Kläger verneinte. Daraufhin wurde
sein Fahrzeug kontrolliert. Tatsächlich fanden die Beamten unter dem Fahrersitz des
PKW eine Tüte mit mehr als 60 g Marihuana. Auf Befragen gab der Kläger an, das
Marihuana gehöre ihm nicht. Auf Drängen des Klägers wurde ein Drug-Wipe-Test
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gemacht, der negativ verlief, also keine Drogenanhaftungen an den Händen des
Klägers zeigte.
Während der gesamten Zeit wurden von den Beamten, dem Kläger und dem PKW Film-
und Tonaufnahmen gemacht.
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Am 21.12.2004 gegen 22.00 Uhr sendete die Beklagte den Bericht über die
Drogenbekämpfung im grenznahen Gebiet in der Sendung EXTRA, moderiert von xxx.
Dabei wurde u.a. die von der Kontrolle des klägerischen Fahrzeugs gefertigte
Filmsequenz gezeigt. Der Filmbeitrag beginnt mit einer Szene, in welcher zwei Beamte
in einem PKW zu sehen sind. Die Kommentatorenstimme erläutert, dass ein weißer
Lieferwagen "auftaucht". Sie führt fort, dass die Beamten aber "ein Näschen für
Kriminalität" haben und merken, dass "hier etwas nicht stimmt". Sodann ist der
bezeichnete PKW zu sehen. Einer der Beamten fragt den noch nicht erkennbaren
Fahrer, was er geladen habe: "Drogen, Waffen, illegale Ausländer?" Nachdem der
Kläger zum Aussteigen aufgefordert wurde, bemerkt die Kommentatorenstimme:
"Eigentlich sieht der Mann ganz seriös aus". Der Kläger wird aufgefordert, den
Kofferraum zu öffnen, was er auch tut. Während er mit einem Beamten sich am
Kofferraum aufhält, kommt der andere Beamte hinzu und hält eine mit einem Kraut
gefüllte Plastiktüte hoch. Auf die Frage des Klägers, was das sei, erwidert der Beamte:
"Ich würde sagen Marihuana". Der Kläger reagiert mit: "Aber nicht von mir!" Der Beamte
erwidert: "War in Ihrem Auto". Eine kurze Zeit später erklärt einer der Beamten: "Da
haben Sie jetzt ein Problem, Herr X, gegen Sie müssen wir ein Strafverfahren einleiten".
In der folgenden Sequenz ist zu sehen und zu hören, dass der Kläger über seine Rechte
belehrt wird. Sodann ist wieder die Kommentatorenstimme zu hören: "Ein Päckchen
Marihuana unter dem Fahrersitz. Der Mann behauptet weiter, dass ihm jemand das
Rauschgift in den Wagen gesteckt hat". Eine weibliche Stimme fragt sodann den
Zollbeamten xxxx: "Glauben Sie ihm erst mal die Opferrolle nicht?" Er antwortet: "Nö,
wer macht sich die Mühe und schmeißt ihm das ins Auto rein?". Sodann erläutert die
Kommentatorenstimme weiter, dass bei Kontrollen aufgefundenes Rauschgift verbrannt
wird und nicht mehr in den Verkehr gelangen kann. In dem gesamten Filmbeitrag ist der
Kläger deutlich zu erkennen, das Kennzeichen des PKW ist unkenntlich gemacht, der
Firmenname "Daniel X L" allerdings deutlich zu sehen. Auch der von einem der beiden
Beamten erwähnte Familienname des Klägers ist nicht durch einen Piepton überdeckt.
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Die Staatsanwaltschaft L erhob gegen den Kläger Anklage wegen unerlaubten
Drogenbesitzes. Durch inzwischen rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts L vom
30.01.2006 (12 Ds 105/05(780/05)) ist der Kläger freigesprochen worden. Das
Amtsgericht führt zur Begründung aus, Beweise für die Kenntnis des Klägers von dem
vorgefundenen Rauschgift gebe es angesichts des Umstands, dass das Firmenfahrzeug
auch anderen Personen zur Verfügung gestanden habe, nicht. Wegen der weiteren
Einzelheiten des Urteils wird auf Bl. 71 ff der beigezogenen Strafakte verwiesen.
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Der Kläger macht geltend, er sei durch den Fernsehbericht schwerwiegend in seinem
allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt worden, weil er in dem Fernsehbericht
identifizierbar zu sehen ist; eine Einwilligung zur Veröffentlichung des Berichts habe er
nicht erteilt; der Bericht sei zudem tendenziös und erwecke den Eindruck, als stünde
seine Verurteilung bereits fest; er habe durch den Bericht im familiären, privaten und im
geschäftlichen Umkreis Anfeindungen erdulden müssen; man habe ihm nicht geglaubt,
dass er unschuldig sei; dadurch sei er depressiv und mutlos geworden. Er hält eine
Geldentschädigung von mindestens 15.000 Euro für angemessen.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 15.000 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte macht geltend, es sei nicht von einer schwerwiegenden
Persönlichkeitsrechtsverletzung auszugehen, welche die Zubilligung einer
Geldentschädigung recht-fertige; zudem stehe Betroffenen nur dann ein Anspruch auf
Zahlung einer Geldentschädigung zu, wenn sie zuvor andere Mittel zur Abwehr der
Beeinträchtigung, etwa Unterlassungs-, Berichtigungs- oder
Gegendarstellungsansprüche geltend gemacht hätten, was der Kläger nicht versucht
habe; auch habe er sich mit der Geltendmachung des Anspruchs viel Zeit gelassen, was
dafür spreche, dass sich der Kläger nicht sehr beeinträchtigt gefühlt haben könne;
zudem habe der Kläger konkludent in die Veröffentlichung eingewilligt; er sei über
längere Zeit aus nächster Nähe gefilmt worden und habe genügend Möglichkeiten
gehabt, kundzutun, dass er mit einer Veröffentlichung nicht einverstanden sei; das habe
er jedoch nicht getan. Sie bestreitet, dass der Kläger in der Folgezeit angefeindet
worden sein soll und hierunter gelitten habe. Sie hält die verlangte Entschädigung für
übersetzt.
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Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien
nebst Anlagen Bezug genommen.
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Die Akten 105 Js 48/05 Staatsanwaltschaft L waren beigezogen und Gegenstand der
mündlichen Verhandlung.
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Entscheidungsgründe
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Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung einer
Geldentschädigung aus § 823 Abs. 1 BGB, Art. 1 und Art. 2 GG, 253 Abs. 2 BGB i.V.m. §
22 S. 1 KUG in Höhe von 15.000 Euro.
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Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH (s. BGH GRUR 2005, 179 ff m.w.N.) steht
dem Opfer einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ein Anspruch auf
eine Geldentschädigung zu, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt
und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden
kann. Ob eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, welche
die Zahlung einer Geldentschädigung erfordert, hängt von der Bedeutung und Tragweite
des Eingriffs, ferner von Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie von dem Grad
seines Verschuldens ab. Die Zubilligung einer Geldentschädigung im Falle einer
schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung beruht auf dem Gedanken, dass ohne einen
solchen Anspruch Verletzungen der Würde und der Ehre des Menschen häufig ohne
Sanktion bleiben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern
würde. Bei dieser Entschädigung steht – anders als beim Schmerzensgeld –
regelmäßig der Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers im Vordergrund. Außerdem
soll sie der Prävention dienen. Ein solcher Entschädigungsanspruch kommt
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insbesondere bei einer Verletzung des Rechts am eigenen Bild in Betracht. Denn bei
einer Verletzung des Rechts am eigenen Bild werden dem Verletzten – anders als in
anderen Fällen, in denen er etwa den Widerruf oder die Richtigstellung einer sein
Persönlichkeitsrecht beeinträchtigenden Äußerung verlangen kann – gegen eine solche
Rechtsverletzung keine anderen Abwehrmöglichkeiten als ein Anspruch auf eine
Geldentschädigung zur Verfügung stehen (BGH GRUR 1995, 224 ff). In derartigen
Fällen sind an die Zubilligung eines Entschädigungsanspruchs geringere
Anforderungen als in anderen Fällen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung zu stellen
(BGH GRUR 2005, 179 ff).
Zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht eines Betroffenen, insbesondere einer nicht in
der Öffentlichkeit stehenden Person, gehört das Recht auf Anonymität. Dieses Recht
folgt aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung und gibt einen Anspruch
dagegen, persönliche Lebenssachverhalte zu offenbaren und seine Person so einer
breiten Öffentlichkeit insbesondere durch Identifizierung und Namensnennung verfügbar
zu machen. Danach kann der Einzelne grundsätzlich selbst darüber entscheiden, ob,
wann und innerhalb welcher Grenzen seine persönlichen Daten in die Öffentlichkeit
gebracht werden. Die namentliche Herausstellung einer Person im Rahmen einer
Berichterstattung in den Medien setzt, weil der Betroffene für die Öffentlichkeit
identifizierbar wird und er dadurch betonter und nachhaltiger der Kritik ausgesetzt wird,
voraus, dass auch unter Berücksichtigung des Geheimhaltungsinteresses des
Betroffenen das Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiegt. Die Nennung des
Namens einer Person (ohne deren Einwilligung) ist dann zulässig, wenn für die
Mitteilung über die Person ein berechtigtes, in der Sache begründetes Interesse besteht.
Bildnisse einer Person dürfen grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet
werden (§ 22 KUG). Das Recht am eigenen Bild ist eine besondere Ausprägung des
allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Daraus ergibt sich, dass grundsätzlich allein dem
Abgebildeten die Befugnis zusteht, darüber zu befinden, ob und in welcher Weise er der
Öffentlichkeit im Bild vorgestellt wird (BGH Z 131, 332 ff). Der Ausnahmetatbestand des
§ 23 Abs. 1 KUG, wonach Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte ohne
Einwilligung des Abgebildeten veröffentlicht werden dürfen, ist im vorliegenden Fall
nicht erfüllt. Dass der Kläger zu einem Kreis von Personen gehört, deren Bildnisse allein
schon der Person wegen grundsätzlich einwilligungsfrei verbreitet werden dürften,
behauptet die Beklagte selbst nicht.
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Die Beklagte hat vielmehr durch Veröffentlichung der Filmaufnahmen von der
Fahrzeugkontrolle und dem Rauschgiftfund das Recht des Klägers am eigenen Bild und
damit zugleich sein allgemeines Persönlichkeitsrecht schwerwiegend und zumindest
grob fahrlässig verletzt. Zwar stellt nicht jede Berichterstattung über die Einleitung eines
strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens eine Verletzung des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts dar, die zu einer Geldentschädigung führt. Ein
Schadensersatzanspruch ist jedoch dann gegeben, wenn der Eingriff in das
Persönlichkeitsrecht rechtswidrig und schuldhaft ist (BGH Z 143, 199 ff).
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An die sogenannte Verdachtsberichterstattung über laufende strafrechtliche
Ermittlungsverfahren sind wegen der Gefahr, dass die Öffentlichkeit die bloße Einleitung
eines Ermittlungsverfahrens mit dem Nachweis der Schuld gleichsetzt, und deshalb
auch im Fall einer späteren Einstellung des Ermittlungsverfahrens oder selbst eines
Freispruchs nicht ausgeschlossen ist, dass vom Schuldvorwurf "etwas hängen bleibt",
erhöhte Anforderungen an die publizistische Sorgfalt zu stellen. Insbesondere hat sich
die Berichterstattung der namentlichen Erwähnung des Beschuldigten in der Regel zu
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enthalten. Bei der gebotenen Abwägung des Informationsinteresses der Öffentlichkeit zu
dem Geheinhaltungsinteresse des Betroffenen kommt eine Namensnennung
grundsätzlich nur in Fällen schwerer Kriminalität oder bei Straftaten in Betracht, welche
die Öffentlichkeit besonders berühren. Die Darstellung darf keine Vorverurteilung des
Betroffenen enthalten, also durch eine präjudizierende Darstellung den unzutreffenden
Eindruck erwecken, der Betroffene sei der ihm vorgeworfenen strafbaren Handlung
bereits überführt (BGH Z 143, 199 ff).
Im vorliegenden Fall sind keine Gründe ersichtlich und werden von der Beklagten auch
nicht behauptet, welche die Annahme rechtfertigen könnten, es bestehe – etwa wegen
der Schwere des Tatvorwurfs – ein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit an der
konkreten Person des Klägers. Dem von der Beklagten für die Berichterstattung offenbar
gesehenen Interesse der Öffentlichkeit an der Polizeiarbeit im grenznahen Gebiet hätte
auch ohne Namensnennung genügt werden können.
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Eine Einwilligung in die Veröffentlichung der ihn bei der polizeilichen Maßnahme
zeigenden Filmaufnahmen hat der Kläger nicht erteilt. Die Beklagte kann sich auch nicht
auf eine konkludente Einwilligung des Klägers berufen. Zwar ist eine konkludente
Einwilligung in die Veröffentlichung von Filmaufnahmen dann anzunehmen, wenn das
Verhalten des Betroffenen aus der Sicht der Beklagten als Einwilligung aufzufassen
war, und wenn ihm Zweck und Umfang der geplanten Veröffentlichung bekannt war.
Zweifel bestehen hier bereits daran, ob der Kläger überhaupt ein Verhalten gezeigt hat,
welches aus objektiver Sicht als Einwilligungserklärung zu bewerten ist. Voraussetzung
hierfür ist nämlich, dass dem Betroffenen bekannt war, dass er die Aufnahmen und
deren Ausstrahlung nicht hinnehmen musste, d.h. dass eine Einwilligung für die
Veröffentlichung überhaupt erforderlich war (Hanseatisches OLG NJW-RR 2005, 479 ff).
Im Übrigen gilt, dass selbst der Betroffene, der erkennt, dass er fotografiert oder gefilmt
wird und dagegen nicht einschreitet, dadurch noch kein konkludentes Einverständnis
mit der Veröffentlichung der Aufnahmen erklärt (OLG I, AfP 1991, 626). Für die Annahme
einer konkludenten Einwilligung in solchen Fällen müssen deutliche, konkrete
Anhaltspunkte vorliegen.
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Derartige Anhaltspunkte sind nicht ersichtlich. Im vorliegenden Fall befand sich der
Kläger auf einer privaten Autofahrt und wurde von Zollbeamten angehalten. Die
Beamten befanden sich in Begleitung des Kamerateams der Beklagten. In dieser
Konstellation erscheint es zweifelhaft, ob dem Kläger überhaupt klar war, dass er die
Filmaufnahmen an sich und vor allem deren Veröffentlichung verhindern konnte oder ob
er nicht vielmehr annahm, die Aufnahmen seien vom Zoll genehmigt und daher –
ebenso wie die spätere Ausstrahlung – von ihm zu dulden. Es ist auch nicht ersichtlich,
dass seitens der Mitarbeiter der Beklagten dem Kläger mitgeteilt worden ist, dass eine
Veröffentlichung der Filmaufnahmen geplant ist. Eine Bekanntmachung der
beabsichtigten Verwendung ist Voraussetzung für die Wirksamkeit einer
stillschweigenden Einwilligung des Betroffenen jedenfalls dann, wenn dieser im
Umgang mit Medien unerfahren ist und wenn der Beitrag Vorgänge betrifft, deren
Veröffentlichung für den Betroffenen unangenehm ist. Je weitergehend die geplante
Veröffentlichung die Privatsphäre des Betroffenen betrifft, desto klarer muss er über die
Verwendung und Art des Beitrags aufgeklärt worden sein, wenn seine Duldung der
Aufnahmen als wirksame stillschweigende Einwilligung bewertet werden soll. Dass die
Darstellung einer Fahrzeugkontrolle, bei welcher im PKW des Betroffenen Drogen
aufgefunden werden, dessen Ansehen in der Öffentlichkeit erheblich herabzusetzen
geeignet ist, liegt auf der Hand, insbesondere dann, wenn er in der Filmsequenz
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identifizierbar zu erkennen ist, er auch noch namentlich angesprochen wird und seine
Angaben als unglaubhaft dargestellt werden. Damit, dass die Beklagte trotz der ihr zur
Verfügung stehenden technischen Mittel seine Identifikation nicht verhindern würde,
musste der Kläger nicht rechnen. Er konnte darauf vertrauen, dass eine Identifizierung
seiner Person nur dann möglich sein würde, wenn er hierin einwilligt. Dass seitens der
von der Beklagten vor Ort anwesenden Mitarbeiter dem Kläger gegenüber überhaupt
Angaben zum Zweck der Filmaufnahmen gemacht wurden, ist dem Vorbringen der
Beklagten nicht zu entnehmen. Erst recht ist nicht dargetan, dass dem Kläger eröffnet
worden wäre, dass er in dem auszustrahlenden Filmbeitrag auf den Aufnahmen
identifizierbar zu erkennen sein würde. Allein aus seinem fehlenden Widerspruch
konnte die Beklagte folglich eine Einwilligung in die Veröffentlichung nicht herleiten.
Gegen die Annahme einer schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzung spricht
entgegen der Auffassung der Beklagten nicht der Umstand, dass der Kläger nicht sofort,
sondern erst geraume Zeit nach der Rechtskraft des freisprechenden Urteils von der
Beklagten eine Entschädigung verlangt hat. Immerhin hat der Kläger noch im laufenden
gegen ihn gerichteten Strafverfahren mit Schriftsatz vom 08.04.2005 (Bl. 13 ff BA)
seinerseits Strafanzeige gegen die Beklagte und deren verantwortliche Redakteure
gestellt.
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Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dem Kläger hätten vorrangige
presserechtliche Möglichkeiten wie ein Unterlassungsbegehren, Gegendarstellung oder
Richtigstellungsansprüche zur Seite gestanden, die er nicht genutzt habe. Zwar ist der
Beklagten zuzubilligen, dass nach der obergerichtlichen Rechtsprechung eine
Geldentschädigung nur dann zu gewähren ist, wenn die Beeinträchtigung nicht in
anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann (BGH GRUR 2006, 252 ff). So
liegt der Fall hier. Zum einen handelt es sich hier um eine Verletzung des Rechts am
eigenen Bild, deren Besonderheit darin besteht, dass dem Verletzten gegen eine solche
Rechtsverletzung keine anderen Abwehrmöglichkeiten als ein Anspruch auf eine
Geldentschädigung zur Verfügung stehen. Daraus folgt, dass in einem solchen Fall an
die Zubilligung eines Entschädigungsanspruchs geringere Anforderungen als in
anderen Fällen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung zu stellen sind (BGH GRUR 2005,
179 ff). Zwar hätte der Kläger zunächst der Ausstrahlung des Beitrags widersprechen
können. Wie bereits ausgeführt durfte der Kläger allerdings darauf vertrauen, dass die
Beklagte seine Person unkenntlich machen würde, so dass ihm Nachteile durch die
Berichterstattung nicht entstanden wären. Die Geltendmachung eines Anspruchs auf
Gegendarstellung oder Richtigstellung hätte die einmal eingetretene
Persönlichkeitsverletzung nicht mehr beseitigen können, da in dem gesendeten Beitrag
keine unwahren Tatsachen behauptet wurden, sondern subtil nur der Eindruck erweckt
wurde, es stehe bereits fest, dass der Kläger mit Drogen zu tun hat und wegen der im
Fahrzeug entdecken Drogen auch verurteilt werden würde.
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Die Beklagte hat bei der Veröffentlichung der Aufnahmen auch mindestens grob
fahrlässig gehandelt. Erfahrenen Medienunternehmen, zu denen auch die Beklagte zu
zählen sein dürfte, ist bekannt, dass es für die Veröffentlichung von Filmaufnahmen der
Einwilligung der betroffenen Personen bedarf. Sie hätte sich daher vor der
Veröffentlichung vergewissern müssen, dass der Kläger in die Veröffentlichung
eingewilligt hat. Dabei hat die Beklagte für das Verschulden der zuständigen
Redakteurin einzustehen.
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Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 15.000
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Euro. Es handelt sich um eine ganz erhebliche Verletzung seines allgemeinen
Persönlichkeitsrechts, die anders als durch Zahlung eines entsprechenden
Geldbetrages nicht ausgeglichen werden kann. Bei der Bemessung der
Geldentschädigung ist zu berücksichtigen, dass der Kläger durch den gesendeten
Fernsehbeitrag in nahezu allen Lebensbereichen betroffen ist. Dabei kommt es nicht
darauf an, ob und mit welcher Tendenz der Kläger von Verwandten und Bekannten auf
den Fernsehbericht und den sich daraus ergebenden Verdacht angesprochen worden
ist. Einer Beweisaufnahme zu den vom Kläger behaupteten und von der Beklagten
bestrittenen einzelnen Vorgängen bedarf es daher nicht. Da der hier in Rede stehende
Filmbeitrag in einem Magazin der Beklagten gesendet wurde, das von der breiten
Masse der Fernsehzuschauer gesehen wird, ist davon auszugehen, dass der Beitrag
auch von Verwandten, Freunden und Geschäftspartnern des Klägers gesehen wurde. In
diesem Kreis war er demnach der Verdächtigung preis gegeben, Drogen zu
konsumieren oder gar mit Drogen zu handeln. Zu beachten ist auch, dass derartige
Nachrichten sich gerade im ländlichen Bereich schnell herumzusprechen pflegen und
durchaus zur Verbreitung weiterer Gerüchte führen können. Es erscheint auch nicht
lebensfremd, dass sich dieser Personenkreis aufgrund der Berichterstattung vom Kläger
abgewandt hat. Dass sich eine derartige Entwicklung der Lebensumstände beim
Betroffenen auch physisch und psychisch auswirkt, liegt ebenfalls auf der Hand. In
diesem Zusammenhang muss auch berücksichtigt werden, dass die Beklagte im
Rahmen der Berichterstattung auch den ermittelnden Zollbeamten eine Plattform dafür
gegeben hat, ihre eigene Einschätzung der Glaubwürdigkeit des Klägers einer breiten
Öffentlichkeit preiszugeben, und die Zollbeamten den Kläger als unglaubwürdig
hingestellt haben. Entlastende Umstände wie der noch vor Ort durchgeführte und
negativ, d.h. zugunsten des Klägers ausgegangene Drogen-Wisch-Test fanden in dem
Filmbericht erst gar keine Erwähnung. Daraus folgt, dass die Beklagte ihr
wirtschaftliches Interesse an einer sensationsheischenden Berichterstattung über die
schutzwürdigen Rechte des Klägers gestellt hat. Bei der Bemessung der
Geldentschädigung auf 15.000 Euro ist der Genugtuungsfunktion und dem
Präventionsgedanken in ausreichendem Maße Rechnung getragen.
Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus § 291 BGB. Die Klage ist der Beklagten am
12.10.2007 zugestellt worden (EB Bl. 66 GA).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
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Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 709, 108 ZPO.
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Streitwert: 15.000 Euro
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