Urteil des LG Kleve vom 22.04.2010

LG Kleve (zpo, forderung, gläubiger, versicherung, vollstreckung, schuldner, abgabe, höhe, zwangsvollstreckung, betrag)

Landgericht Kleve, 4 T 82/10
Datum:
22.04.2010
Gericht:
Landgericht Kleve
Spruchkörper:
4. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
4 T 82/10
Leitsätze:
Bei vorangegangener erfolgloser Vollstreckung nur wegen eines
Teilbetrages der titulierten Zahlungsforderung ist der Gläubiger nicht
gehindert, das Offenbarungsverfahren wegen der gesamten titulierten
Forderung zu betreiben.
Tenor:
Der Beschluss des Amtsgerichts F am p vom 25. März 2010 wird
aufgehoben.
Der Gerichtsvollzieher wird angewiesen, den Antrag der Gläubigerin
vom 17. Februar 2010 auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung
durch die Schuldnerin nicht mit der Begründung zurückzuweisen, die
eidesstattliche Versicherung beziehe sich auf einen Betrag von 468,93 €
zuzüglich näher bezeichneter Nebenforderungen, während die
zugunsten der Gläubigerin am 3. Februar 2010 durchgeführte
Zwangsvollstreckungsmaßnahme lediglich in Höhe eines Teilbetrages
von 100,00 € zuzüglich näher bezeichneter Nebenforderungen erfolgt
sei.
Die Kosten beider Rechtszüge werden dem Schuldner auferlegt.
G r ü n d e
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Die Gläubigerin ist Inhaberin eines Vollstreckungstitels über einen Betrag in Höhe von
468,93 € nebst Nebenforderungen. Sie hat gegen die Schuldnerin die
Fahrnisvollstreckung betrieben, allerdings lediglich wegen eines Teilbetrages in Höhe
von 100,00 € zuzüglich 12,00 € Rechtsanwaltsgebühren. Diese Vollstreckung blieb
ausweislich des Protokolls des zuständigen Gerichtsvollziehers vom 3. Februar 2010
erfolglos. Mit Anwaltsschriftsatz vom 17. Februar 2010 beantragte die Gläubigerin bei
dem Gerichtsvollzieher die Durchführung des Verfahrens zur Abgabe der
eidesstattlichen Versicherung durch die Schuldnerin. Mit Schreiben vom 19. Februar
2010 stellte der Gerichtsvollzieher das Verfahren zur Abgabe der eidesstattlichen
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Versicherung ein. Zur Begründung berief er sich darauf, die eidesstattliche Versicherung
solle über einen Betrag von 468,93 € zuzüglich 16,20 € Rechtsanwaltsgebühren
erfolgen, während die von ihm am 3. Februar 2010 durchgeführte
Zwangsvollstreckungsmaßnahme lediglich wegen eines Teilbetrages in Höhe von
100,00 € zuzüglich 12,00 € Rechtsanwaltsgebühren erfolgt sei. Gegen die Ablehnung
der Vollstreckungsmaßnahme hat die Gläubigerin mit Anwaltsschriftsatz vom 1. März
2010 Erinnerung eingelegt. Mit Beschluss vom 25. März 2010 hat das Amtsgericht F am
p diese Erinnerung kostenpflichtig zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die
Gläubigerin mit der Beschwerde vom 30. März 2010, bei Gericht eingegangen am
Folgetag.
Das Rechtsmittel der Gläubigerin ist als sofortige Beschwerde zulässig (§§ 567 f., 793
ZPO). Bei dem Beschluss des Amtsgerichts F am p vom 25. März 2010, mit dem die
Verpflichtungserinnerung der Gläubigerin (§ 766 Abs. 2 ZPO) zurückgewiesen worden
war, handelt es sich nämlich um eine Entscheidung im Sinne des § 793 ZPO.
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In der Sache ist die sofortige Beschwerde begründet. Die Gläubigerin ist berechtigt,
wegen der gesamten titulierten Forderung gegen die Schuldnerin das Verfahren zur
Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 807 ZPO zu betreiben, auch wenn die
vorherige Fahrnisvollstreckung nur wegen eines Teils der titulierten Forderung erfolgt
ist.
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Im Streitfall liegen die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung -
Vollstreckungstitel, Klausel und Zustellung (§§ 724 Abs. 1, 750 Abs. 1 ZPO) sowie die
weiteren Voraussetzungen der Offenbarungspflicht gemäß § 807 ZPO - die von der
Gläubigerin betriebene Zwangsvollstreckung hat nicht zu ihrer Befriedigung geführt (§
807 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und die Gläubigerin hat Antrag auf Bestimmung eines Termins
zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gestellt (§ 900 Abs. 1 ZPO) - unstreitig
vor. Fraglich ist allein, ob das Offenbarungsverfahren (§ 900 Abs. 1 S. 1 ZPO) bei
vorangegangener erfolgloser Vollstreckung nur wegen eines Teilbetrages der titulierten
Forderung auf den Gesamtbetrag der titulierten Forderung erweitert werden kann. Das
ist entgegen der Auffassung des Gerichtsvollziehers und des Vollstreckungsgerichts zu
bejahen.
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Allerdings ist besondere Voraussetzung der Offenbarungspflicht im Fall des § 807 Abs.
1 Nr. 1 ZPO, dass "die Pfändung zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers
nicht geführt hat." Diese "vollständige Befriedigung" (§ 362 BGB) kann auch nur die
Befriedigung der titulierten Forderung sein, wegen der der Gläubiger die
Zwangsvollstreckung betreibt, bei Vollstreckung wegen einer Teilforderung also nur
diese Teilforderung und nicht die gesamte titulierte Forderung. Denn eine "Befriedigung
des Gläubigers" (§ 362 BGB) setzt immer das Bestehen einer entsprechenden
bestimmten Forderung voraus. An der Geltendmachung der Gesamtforderung trotz
vorangegangener erfolgloser Vollstreckung nur wegen einer Teilforderung im
Offenbarungsverfahren ist der Gläubiger gleichwohl nicht gehindert. Nach § 807 Abs. 1
Nr. 2 ZPO kann der Gläubiger das Offenbarungsverfahren nämlich auch dann betreiben,
wenn er glaubhaft macht, "dass er durch die Pfändung seine Befriedigung nicht
vollständig erlangen könne." Dieser Fall ist auch dann zu bejahen, wenn der Gläubiger
glaubhaft macht, dass in letzter Zeit beim Schuldner im Auftrag anderer Gläubiger
durchgeführte Pfändungen erfolglos waren (sog. Unpfändbarkeitsbescheinigung, § 33
GVGA; vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl., § 807 Rdnr. 18). Dem Fall der
Unpfändbarkeitsbescheinigung gleichzustellen ist aber der Fall, dass der Gläubiger -
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wie hier - durch das Pfändungsprotokoll nachweist, dass der Schuldner schon nicht zur
Tilgung einer Teilforderung von 100,00 € in der Lage war. Denn wenn der Schuldner
nachweislich schon zur Begleichung einer solchen Teilforderung außerstande ist, steht
damit zugleich fest, dass er erst recht eine sehr viel höhere Forderung - hier die
Gesamtforderung von knapp 500,00 € - nicht zu tilgen vermag.
Dass der Gläubiger das Offenbarungsverfahren bei vorangegangener Vollstreckung nur
wegen einer Teilforderung auf diese Teilforderung beschränken kann, bedeutet
umgekehrt auch nicht, dass er an der Geltendmachung der titulierten Gesamtforderung
im Offenbarungsverfahren gehindert ist. Das Offenbarungsverfahren ist nämlich nicht die
bloße Fortsetzung der vorher von dem Gläubiger betriebenen einzelnen
Vollstreckungsmaßnahme, sondern ein eigenständiges Verfahren (§§ 899 ff. ZPO),
welches dem Gläubiger die Unterlagen verschaffen soll, auf deren Grundlage er weitere
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ergreifen kann (vgl. Zöller/Stöber, a.a.O., § 807
Rdnr. 1).
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Zu keiner anderen Bewertung führt auch, dass die Geltendmachung der gesamten
titulierten Forderung im Offenbarungsverfahren für den Schuldner mit Nachteilen
verbunden ist, weil die vorzeitige Löschung seiner Eintragung im Schuldnerverzeichnis
von der Tilgung der Gesamtforderung und nicht nur einer bloßen Teilforderung
abhängig ist (§ 915 a Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Insoweit muss sich der Schuldner nämlich
entgegenhalten lassen, dass er tatsächlich die gesamte titulierte Forderung schuldet
und der Gläubiger demgemäß das Wahlrecht hat, durch Bezifferung der titulierten
Forderung, für die das Offenbarungsverfahren betrieben wird - Gesamtforderung oder
bloße Teilforderung - den Umfang der für eine vorzeitige Löschung des Schuldners im
Schuldnerverzeichnis nötigen Zahlung vorzugeben.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
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Beschwerdewert: 1.000,00 €.
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