Urteil des LG Kiel vom 02.04.2017

LG Kiel: unteilbare leistung, verfügung, zugang, erlass, betreiber, durchleitung, zusammenarbeit, einheit, erfüllung, zusammenwirken

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Gericht:
LG Kiel 1. Kammer
für Handelssachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
14 O Kart 57/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 420 BGB, § 431 BGB, § 20
Abs 1 EnWiG, § 20 Abs 1b S 5
EnWiG
Gasversorgung: Rechtsnatur der gesetzlichen
Verpflichtung der Versorgungsnetzbetreiber auf
Gewährung eines netzübergreifenden Gastransportes
Tenor
Der Verfügungsbeklagten wird im Wege der einstweiligen Verfügung geboten, ab
dem 01.06.2006, 00:00 Uhr, die angemeldeten Gasmengen nach von der
Verfügungsklägerin vor Einspeisebeginn mitzuteilenden Fahrplänen auf Basis von
der Verfügungsbeklagten nach § 315 BGB festzusetzender Lastprofile (hier: Profile
der ... für Haushaltskunden bis 1.500.000 kWh/a) für die Abnahmestellen im
Gasversorgungsnetz der Verfügungsbeklagten auszuspeisen,
Zug um Zug gegen Nachweis der zeitgleichen Einspeisung von entsprechenden
Mengen von Gas durch die Verfügungsklägerin in einen der Verfügungsklägerin
zurechenbaren bei der ..., ... geführten Bilanzkreis
und Zahlung eines angemessenen Entgeltes an die Verfügungsbeklagte für die
Nutzung des Gasversorgungsnetzes der ... und der Verfügungsbeklagten.
Die Kosten des Verfahrens werden der Verfügungsbeklagten nach einem
Streitwert von 50.000,00 € auferlegt.
Tatbestand
Die Verfügungsklägerin (im Folgenden Klägerin) ist Energiehändlerin und mit ihrer
Geschäftstätigkeit auch auf den Vertrieb von Gas zum Zwecke der Belieferung von
Netzverbrauchern ausgerichtet. Sie verfügt nicht über ein eigenes Netz auf dem
Markt für Belieferung mit Erdgas und begehrt von der Verfügungsbeklagten (im
Folgenden Beklagten) Zugang zu deren Gasversorgungsnetz.
Die Beklagte ist ein Tochterunternehmen der ... und ist Betreiberin eines Netzes
für den Gastransport in ihrem Netzgebiet.
Für die Gasversorgung eines Endverbrauchers mussten die netzabhängigen
Gaslieferanten nach bisheriger Rechtslage selbst einen Transaktionspfad von
Einspeise- bis zum Ausspeisepunkt ermitteln und mit den einzelnen
Netzbetreibern Verträge abschließen. Mit der Reform des
Energiewirtschaftsgesetzes vom 13.07.2005 wurde der Zugang zu den
Gasversorgungsnetzen als ein vom konkreten Transportpfad unabhängiges Modell
ausgestaltet (Entry-Exit-Modell). Nach der gesetzlichen Regelung sind nach einer
Übergangszeit bis zum 01.02.2006 nur ein Einspeisevertrag mit dem
Netzbetreiber, in dessen Netz die Einspeisung erfolgt, und ein Ausspeisevertrag
mit dem Netzbetreiber, aus dessen Netz das Gas entnommen werden soll,
abzuschließen. Netzbetreiber haben im Innenverhältnis so zusammen zu arbeiten,
dass sie die Abwicklung des Transportes über mehrere miteinander verbundene
Netze gewährleisten können.
Eine Umsetzung des Gesetzes durch einen Kooperationsvertrag zwischen
sämtlichen im Gebiet des EnWG ansässigen Netzbetreibern ist bisher nicht erfolgt.
Ein Netzzugangsmodell soll nach dem Zeitplan der Bundesnetzagentur zum
01.10.2006 in Kraft treten.
Bezugnehmend auf die Gesetzesänderung bat die Klägerin die Beklagte mit
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Bezugnehmend auf die Gesetzesänderung bat die Klägerin die Beklagte mit
Schreiben vom 26.01.2006 um die Übersendung eines Exit-Vertragsvorschlages
bis zum 1.2.2006. Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 31.01.2005 mit, dass der
gewünschte Exit-Vertrag noch nicht vorliege. Grund hierfür sei, dass die für die
Vertragserstellung erforderlichen Einzelheiten der Umsetzung der gesetzlichen
Bestimmungen bislang noch nicht feststünden. Nach Abstimmung mit der
Bundesnetzagentur sollten die für den Netzzugang erforderlichen Verträge bis
zum 01.06.2006 erstellt werden. Damit die Klägerin ihren Lieferverpflichtungen
nachkommen könne, solle eine konkrete Transportanfrage übersandt werden.
Dieser Aufforderung kam die Klägerin nicht nach, forderte die Beklagte vielmehr
mit Schreiben vom 17.02.2006 auf, bis zum 06.03.2006 einen Vertragsvorschlag
zu übersenden. Mit Schreiben vom 27.02.2006 teilte die Beklagte mit, dass sie
beabsichtige, sich an den Zeitplan der Bundesnetzagentur zu halten und die für
die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben erforderlichen Abstimmungen nicht
durch Interimsverträge belasten zu wollen. Bis zur Umsetzung des neuen
Gasnetzzugangsmodells könne sie der Klägerin jedoch ab dem 01.04.2006
alternativ die Beistellung ihrer Kunden anbieten. Das lehnte die Klägerin mit
Schreiben vom 30.03.2006 ab und bat erneut um Übersendung eines
Vertragsentwurfs bis zum 18.04.2006. Die Beklagte reagierte auf dieses Schreiben
nicht mehr.
Die Klägerin ist der Ansicht, der Verfügungsanspruch ergebe sich aus § 20 Abs. 1
und 1b des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG). Diese Norm gelte seit . Mit dieser
Norm sei das transaktions-unabhängige Entry-Exit-Modell eingeführt worden. Mit
dem Abschluss nur eines Vertrages für die Einspeisung und eines Vertrages für die
Ausspeisung stelle sich das Gasversorgungsnetz für den Kunden - im Verhältnis
zur Gesamtheit aller Netzbetreiber - als eine Einheit dar. Verantwortlich für den
Gasnetzzugang sei der Betreiber des Ausspeisenetzes, mithin hier die Beklagte.
Es sei Sache der Netzbetreiber, die tatsächlichen Lastflüsse mit den Ein- und
Ausspeisungen zu saldieren und abzustimmen. Alle Netzbetreiber hafteten als
Gesamtschuldner für die Einhaltung der seit dem 01.02.2006 bestehenden
gesetzlichen Verpflichtungen. Alle Netzbetreiber müssten alle
Kooperationsmöglichkeiten mit anderen Netzbetreibern ausschöpfen, um die Zahl
der Netze, Teilnetze sowie Bilanzzonen möglichst gering zu halten. Jeder
Netzbetreiber sei zur vollständigen Leistung des Netzzuganges verpflichtet. Dieser
Verpflichtung sei die Beklagte nicht nachgekommen. Sie habe der Klägerin nur ein
transaktionsabhängiges Modell angeboten. Auch sei die angebotene Beistellung
von Gas nicht ausreichend. Sie, die Klägerin, könne als Netzkundin
Einspeisekapazitäten an den Einspeisestellen und unabhängig davon in
unterschiedlicher Höhe auch zeitlich abweichend Ausspeisekapazitäten an jedem
Ausspeisepunkt buchen. Die Beklagte müsse nur mit der - unstreitig vorgelagerten
- Gasnetzbetreiberin über die Abwicklung des Gastransportes verhandeln, diese
Mengen im Rahmen ihres eigenen Bezuges von Gas von der ... berücksichtigen
und dort die in einem der Klägerin zurechenbaren Bilanzkreis bereitstehenden
Gasmengen abrufen. Da die Klägerin einen sogenannten offenen Liefervertrag mit
ihren Lieferanten habe, sei der gesonderte Abschluss eines
Bilanzausgleichsvertrages nicht erforderlich. Die Netzbetreiber seien bis zum
01.02.2006 gehalten gewesen, gemeinsame Vertragsstandards zu entwickeln. Das
habe man - und damit auch die Beklagte - versäumt. Ihrem Anspruch stehe keine
Einigung zwischen Verbänden der Gaswirtschaft und der Netznutzerverbände
dahingehend, dass netzübergreifende Transporte erst ab 01.10.2006 durchgeführt
werden sollen, entgegen. Eine solche Einigung gebe es nicht. Im Übrigen könnten
gesetzliche Regelungen nicht durch Vereinbarungen zwischen Verbänden geändert
werden.
Die Klägerin beantragt,
der Beklagten im Wege der einstweiligen Verfügung zu gebieten,
ab dem 01.06.2006, 00.00 Uhr, die angemeldeten Gasmengen nach von der
Klägerin vor Einspeisebeginn mitzuteilenden Fahrplänen auf Basis von der
Beklagten nach § 315 BGB festzusetzender Lastprofile (hier: Profile der ... für
Haushaltskunden bis 1.500.000 kWh/a) für die Abnahmestellen im
Gasversorgungsnetz der Beklagten auszuspeisen,
Zug um Zug gegen Nachweis der zeitgleichen Einspeisung von
entsprechenden Mengen von Gas durch die Klägerin in einen der Klägerin
zurechenbaren bei der ... geführten Bilanzkreis
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und Zahlung eines angemessenen Entgeltes an die Beklagte für die Nutzung
des Gasversorgungsnetzes der ... und der Beklagten.
Die Beklagte beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, nicht Gesamtschuldnerin eines Anspruchs aus § 20 Abs. 1
1b EnWG zu sein. Die Umsetzung des Gasnetzzugangsmodells sei für einen
einzelnen Netzbetreiber technisch und wirtschaftlich nicht zumutbar und nicht
möglich. Sie, die Beklagte, sei an den von der Bundesnetzagentur entwickelten
Zeitplan gebunden. Sämtliche Netzbetreiber kämen in Zusammenarbeit mit der
Bundesnetzagentur der Verpflichtung, verbindlich zusammen zu arbeiten, um ein
Vertragsmodell zu verwirklichen, nach. Es gebe keine irgendwie geartete Blockade
oder Verzögerungstaktik der Gasnetzbetreiber.
Es fehle nicht nur an einem Verfügungsanspruch, sondern auch an einem
Verfügungsgrund. Ersatzansprüche könnten einen bei der Klägerin eintretenden
Schaden hinreichend kompensieren. Ein Imageverlust drohe nicht, da sie, die
Beklagte, die Gasbelieferung nach dem bisher üblichen Verfahren angeboten
habe. Sie habe nicht generell den Zugang zum Gasnetz verweigert, sondern ihr,
der Klägerin, 2 Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt. Auch sei die Eilbedürftigkeit einer
Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht zu erkennen. Sie, die
Beklagte, habe bereits mit Schreiben vom 31.01.2006 deutlich gemacht, den
Anspruch erst dann erfüllen zu wollen, wenn die mit der Bundesnetzagentur
abgestimmten Verträge vorlägen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vortrages beider Parteien wird auf die
eingereichten Schriftsätze und Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig und begründet.
Sowohl Verfügungsanspruch als auch Verfügungsgrund sind gegeben.
1. Der Verfügungsanspruch ergibt sich aus § 20 Abs. 1 und Abs. 1b EnWG. § 20
Abs. 1 EnWG beinhaltet einen direkten Anspruch gegen Betreiber von
Energieversorgungsnetzen und bestimmt, dass diese grundsätzlicher jedermann
nach sachlich gerechtfertigten Kriterien diskriminierungsfrei Netzzugang zu
gewähren haben. § 20 Abs. 1b EnWG regelt die Ausgestaltung des Netzzugangs.
Diese Norm sieht ein transaktions-unabhängiges Entry-Exit-Modell vor. Dadurch
wird der Zugang zu allen Gasversorgungsnetzen in Deutschland durch Abschluss
eines Vertrages für die Einspeisung und eines Vertrages für die Ausspeisung
ermöglicht. Netzkunden können Einspeise- und Ausspeisekapazitäten unabhängig
voneinander buchen. Es obliegt den Netzbetreibern, die tatsächlichen Lastflüsse
mit Ein- und Ausspeisungen zu saldieren und abzustimmen. Der Anspruch der
Netznutzer besteht seit dem 01.02.2006, nachdem die gemäß § 118 Abs. 1a
EnWG eingeräumte Frist zur Umsetzung abgelaufen ist.
§ 8 Gasnetzzugangsverordnung (GasNZV) steht dem von der Klägerin begehrten
Anspruch nicht entgegen. Nach dieser Norm sind die örtlichen Verteiler der
Netzbetreiber lediglich verpflichtet, den Gasnetzzugang auf der Grundlage eines
Transportvertrages zu gewähren und dafür standardisierte Formulare für
Transportanfragen zur Verfügung zu stellen. Die Regelung des § 8 GasNZV, die ein
transaktionsabhängiges Punkt-zu-Punkt-Modell enthält, nachdem jede
Durchleitung mit allen Netzbetreibern entlang des fiktiven Transportpfades einzeln
verhandelt werden muss, verstößt gegen die Ermächtigungsgrundlage der §§ 20
Abs. 1b Satz 11, 24 EnWG. Durch die neue Vorschrift des § 20 Abs. 1b EnWG ist
nämlich das transaktionsunabhängige Entry-Exit-Modell für den Gasnetzzugang
eingeführt worden. Die GasNZV berücksichtigt nicht die ab dem 01.02.2006
geltende Rechtslage und ist nicht auf der Grundlage des § 20 Abs. 1b EnWG
entstanden. Eine Anpassung des § 8 GasNZV an die Neufassung des Gesetzes ist
bisher unterblieben, es findet ausschließlich § 20 Abs. 1b EnWG Anwendung.
Der Anspruch der Klägerin ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht
dadurch erfüllt worden, dass vorgerichtlich mit Schreiben vom 31.01.2006
angeboten wurde, eine konkrete Transportanfrage zu stellen. Eine solche Anfrage
hätte lediglich der bisherige § 8 GasNZV entsprechende Praxis eines
transaktionsabhängigen Modells entsprochen. Dieses widersprach nach den
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transaktionsabhängigen Modells entsprochen. Dieses widersprach nach den
obigen Ausführungen der Neufassung des § 20 Abs. 1b EnWG, da nicht nur ein
Einspeise- und ein Ausspeisevertrag, sondern eine Vielzahl von Verträgen mit den
jeweiligen Netzbetreibern hätte geschlossen werden müssen.
Auch die Beistellung, die die Beklagte mit Schreiben vom 27.02.2006 alternativ
angeboten hat, widersprach § 20 Abs. 1b EnWG und erfüllte nicht den der Klägerin
zustehenden gesetzlichen Anspruch.
Zwar ist die Beklagte derzeit nicht in der Lage, jeden netzübergreifenden Transport
zu gewährleisten. Gemäß § 20 Abs. 1b Satz 5 EnWG sind alle Betreiber von
Gasversorgungsnetzen verpflichtet, untereinander in dem Ausmaß verbindlich
zusammen zu arbeiten, das erforderlich ist, damit der Transportkunde zur
Abwicklung eines Transportes auch über mehrere durch Netzkopplungspunkte
miteinander verbundene Netze nur einen Einspeise- und einen Ausspeisevertrag
abschließen muss. Die Leistungspflicht des einzelnen Netzbetreibers beschränkt
sich nicht auf eine selbstständige Teilleistung i.S.d. § 420 BGB. Es besteht kein
einzelner abtrennbarer Teilbereich, der von der Beklagten vollständig erfüllt werden
könnte. Die den Netzkunden gesetzlich geschuldete Leistung auf Netzzugang oder
Gewährung des netzübergreifenden Gastransportes ist nicht teilbar, da sie nicht
ohne inhaltliche Wesens- oder Wertveränderung in mehreren gleichartigen Teilen
erbracht werden kann. Das Entry-Exit-Modell muss durch alle Gasnetzbetreiber zur
Ermöglichung eines netzübergreifenden Gastransportes unter Abschluss eines
Einspeise- und eines Ausspeisevertrages umgesetzt werden.
Die Beklagte ist entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht als
Gesamtschuldnerin zur Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtung anzusehen. Bei
der Gesamtschuld hat der Gläubiger mehrere Schuldner, die dasselbe einheitliche
Interesse des Gläubigers jeweils ganz aber insgesamt nur einmal befriedigen
sollen. § 431 BGB ist jedoch nur anwendbar, wenn die als solche unteilbare
Leistung zwar von keinem teilweise, aber von jedem ganz erbracht werden kann.
Erfordert die Leistung hingegen notwendig ein Zusammenwirken aller Schuldner,
so muss eine gemeinschaftliche Schuld angenommen werden. Ein notwendiges
Zusammenwirken zur Befriedigung des Gläubigerinteresses ist erforderlich, wenn
der Schuldner die gesamte Leistung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen
für sich allein nicht erbringen kann.
Bevor sich das Gasversorgungsnetz im Bereich des EnWG für Kunden als Einheit
darstellt, bedarf es notwendiger Kooperationsvereinbarungen zwischen
Netzbetreibern von Übertragungsnetzen und den verbundenen Netzen. Bevor ein
dem § 20 Abs. 1b EnWG entsprechender Netzzugang ermöglicht werden kann,
sind zahlreiche äußerst schwierige und komplexe technische und wirtschaftliche
Probleme zu lösen. Es bedarf eines einheitlichen Zugangsmodells. Ein solches ist
jedoch bezüglich der im vorliegenden Verfahren begehrten Netznutzung nicht
erforderlich. Die Klägerin begehrt die Ausspeisung der angemeldeten Gasmengen
im Netz der Beklagten Zug um Zug gegen Nachweis der zeitgleichen Einspeisung
von entsprechenden Mengen von Gas in einen ihr zurechenbaren, bei der ...
geführten Bilanzkreis. Dieses Netz ist dem Netz der Beklagten unstreitig direkt
vorgelagert, d.h. es gibt einen direkten Kopplungspunkt zwischen beiden Netzen.
Zwar hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 24.05.2006
vorgetragen, keinen Vertrag mit dem vorgelagerten Netzbetreiber ... geschlossen
zu haben. Ihre Lieferanten stellten ihr das Gas am Kopplungspunkt zur Verfügung.
Die Klägerin weist jedoch zutreffend darauf hin, dass sich die Beklagte lediglich mit
der ... in Verbindung setzen und dort die in einem der Klägerin zurechenbaren
Bilanzkreis bereit stehenden Gasmengen abrufen müsse. Unstreitig hat die
Klägerin einen sogenannten offenen Liefervertrag mit ihrem Lieferanten. Es
werden also die jeweils erforderlichen Mengen geliefert und nicht nur die nach
einem Fahrplan bestimmten Mengen. Insofern ist der gesonderte Abschluss eines
Bilanzausgleichsvertrages nicht erforderlich.
Da zwischen dem Einspeise- und Ausspeisenetz keine weiteren Netze liegen,
sondern beide Netze unmittelbar miteinander verbunden sind, ist der für die
Erfüllung des konkreten streitgegenständlichen Antrages erforderliche Umfang der
Kooperation eingeschränkt gegenüber den für ein bundesweites Entry-Exit-Modell
erforderlichen Abstimmungen und Absprachen. Insofern ist unerheblich, dass die
Beklagte keinen direkten Anspruch gegen andere Netzbetreiber auf Schaffung der
Voraussetzungen für ein bestimmtes bundesweit umsetzbares Zugangsmodell
besitzt. Die Klägerin kann den Anspruch gegen die Beklagte nur durchsetzen,
wenn sie eine zeitgleiche Einspeisung von entsprechenden Mengen von Gas in das
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wenn sie eine zeitgleiche Einspeisung von entsprechenden Mengen von Gas in das
Netz der ... nachweist. Sie muss also einen entsprechenden Einspeisevertrag mit
der geschlossen haben. Dieser Einspeisevertrag beinhaltet das Recht der Nutzung
des Netzes der ... . Die Beklagte muss deshalb nicht dafür sorgen, dass die
Klägerin das vorgelagerte Netz der ... nutzen darf. Die Beklagte ist nach § 20 Abs.
1b Satz 5 EnWG verpflichtet, mit der ... verbindlich zusammen zu arbeiten, damit
die Klägerin zur Abwicklung des von ihr gewünschten Transportes in der Lage ist.
Sie hat hier nur die oben aufgezeigten Tätigkeiten auszuführen. Zu diesen ist sie
nach dem Gesetz verpflichtet. Insofern ist für den vorliegenden Fall unerheblich, ob
das von allen Netzbetreibern in Zusammenarbeit mit der Bundesnetzagentur zu
entwickelnde komplexe Zugangsmodell noch nicht existiert. Hier bedarf es nur
einer Absprache mit dem vorgelagerten Netzbetreiber, zu der die Beklagte, wie
ausgeführt, verpflichtet ist.
2. Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt auch der erforderliche
Verfügungsgrund vor. Die Klägerin ist auf einen sofortigen Netzzugang
angewiesen. Durch § 1 Abs. 2 EnWG soll wirksamer und unverfälschter Wettbewerb
gewährleistet werden. Es ist der Klägerin ein Abwarten eines
Hauptsacheverfahrens nicht zuzumuten. Ihre Marktchancen steigen, wenn sie
frühzeitig Zugang zum Netz der Beklagten erhält. Die Möglichkeit späterer
Schadensersatzansprüche stellt keinen hinreichenden Ausgleich für die ihr bis
dahin entstehenden Nachteile dar. Die durch eine verweigerte Durchleitung
eingetretenen Umsatzverluste und mögliche Kundenverluste lassen sich im
Nachhinein nur schwer nachweisen. Die Klägerin kann keine weiteren Kunden
werben, wenn die Beklagte sich weigert, dem Anspruch aus § 20 EnWG
nachzukommen. Ein weiterer Marktauftritt wird durch die unberechtigte Weigerung
der Beklagten nachhaltig beeinträchtigt und grundlegend gefährdet, so dass die
Klägerin auf einen möglichst frühzeitigen Zugang zum Netz angewiesen ist.
Dass die Klägerin bis zum 12.05.2006 mit der Einreichung des Antrages auf Erlass
einer einstweiligen Verfügung zugewartet hat, begründet keinen Zweifel an der
Eilbedürftigkeit. Vorgerichtlich haben die Parteien ihre unterschiedlichen
Rechtsauffassungen ausgetauscht. Die Klägerin hatte mit Schreiben vom
30.03.2006 der Beklagten eine letzte Frist zur Vorlage eines Vertragsentwurfes bis
zum 18.04.2006 gesetzt. Erst auf dieses Schreiben hat die Beklagte dann nicht
mehr reagiert. Zuvor hatte sie die jeweiligen Schreiben der Klägerin beantwortet
und Alternativvorschläge unterbreitet. Nach Fristablauf hat die Klägerin dann
zeitnah den Antrag gestellt, so dass der erforderliche Verfügungsgrund gegeben
ist.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.