Urteil des LG Kiel vom 02.04.2017

LG Kiel: erinnerungsschreiben, inhaber, unternehmen, firma, form, geschäftsführer, meldung, unterlassen, täuschung, mitbewerber

Gericht:
LG Kiel 2. Kammer für
Handelssachen
Entscheidungsname:
Zahlungsaufforderung
I, Irreführende
Zahlungsaufforderung
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
15 O 20/10
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 3 Abs 1 UWG, § 4 Nr 1
MarkenG, § 4 Nr 3 MarkenG,
§ 5 Abs 3 Nr 3 MarkenG
Tenor
.
.
,
,
,
Inhaber von von dem Kläger vor dem DPMA vertretenen Marken mit dem
im folgenden wiedergegebenen Schreiben mit dem Angebot einer Verlängerung
.
.
.
.
1
2
3
4
5
6
7
8
9
Tatbestand
Der Kläger ist Rechtsanwalt und Patentanwalt. Er begehrt von den Beklagten
Unterlassung der seiner Ansicht nach wettbewerbswidrigen Erinnerungsschreiben
an vom ihm vertretene Markeninhaber.
Der Kläger vertritt etwa 500 bei dem DPMA registrierte Marken. Er erinnert die
Inhaber von ihm vertretener Marken 6 Wochen vor Ablauf der Schutzdauer mit der
Frage, ob eine Verlängerung vorgenommen werden soll. Wegen der
diesbezüglichen Einzelheiten wird auf den klägerischen Schriftsatz vom 22.02.2010
verwiesen.
Die Beklagten ermitteln aus Veröffentlichungen des DMPA selbst Inhaber von
ablaufenden Marken. Diese schreiben sie mit einem als "Erinnerung"
gekennzeichneten Schreiben, wie in den Anklagen K1a und K1b aufgeführt,
ungefragt an. Der Brief ist formularmäßig gestaltet und ähnelt dem
Anmeldeformular des DPMA (Anlage K2). Im Kleingedruckten bieten die Beklagten
ihre Dienstleistungen an. Gegen Zahlung eines "Verlängerungsbetrages" von Euro
1.560.- (netto) nehmen die Beklagten die Verlängerung der Marke vor. Diese
erfolgt durch die Zahlung einer Gebühr von Euro 750.- an das DMPA. Der für die
eigene Leistung einbehaltene Betrag von Euro 810.- wird in dem Schreiben nicht
ausgewiesen. Die Beklagten weisen im Text weiter darauf hin, dass es sich um ein
Angebot und keine Rechnung handelt. Zum Abschluss eines Vertrages sei daher
die Unterschrift mit Firmenstempel notwendig. Für Rückfragen geben die
Beklagten im Text ihre Kontaktdaten an.
Zwei durch den Kläger vertretene Markeninhaber erhielten ein derart gestaltetes
Erinnerungsschreiben der Beklagten. Mit Schreiben vom 22.02.2010 mahnte der
Kläger die Beklagten ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten
Unterlassungserklärung auf. Telefonisch erklärte eine Mitarbeiterin der Beklagten
am selben Tage, man werde die Unterlassungserklärung nicht abgeben.
Der Kläger behauptet, durch das Schreiben werden Markeninhaber bewusst in die
Irre geführt. Der einbehaltene Betrag von Euro 810.- sei überhöht. Er ist der
Auffassung, der Versandt derartiger Erinnerungsschreiben sei unlauter i.S.v. § 3
UWG. In Betracht komme vor allem die Ausnutzung der Leichtgläubigkeit der
angeschriebenen Markeninhaber (§ 4 Nr. 2 UWG) und das Zuwiderhandeln gegen
eine gesetzliche Vorschrift (§ 4 Nr. 11 UWG), da das Vorgehen der Beklagten den
Tatbestand des gewerbsmäßigen Betruges (§ 263 Abs. 1 und 3 Nr. 1 StGB) erfülle.
Der Kläger beantragt,
,
.
,
,
,
Inhaber von von dem Kläger vor dem DPMA vertretenen Marken mit dem
im folgenden wiedergegebenen Schreiben mit dem Angebot einer Verlängerung
.
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
Die Beklagten beantragen,
.
Die Beklagten behaupten, aus dem Schreiben gehe deutlich hervor, dass die
angeschriebenen Markeninhaber erst durch ihre Unterschrift einen Auftrag
erteilen. Es handele sich bei den Empfängern ausschließlich um Unternehmen,
denen es zuzumuten sei, vor der Unterschrift den Inhalt eines Vertragsangebotes
zu prüfen. Daher könne das Schreiben vom Empfänger nur als Erinnerung
verstanden werden, aus der sich keine Verpflichtung ergebe. Die Unternehmen
hätten vielmehr ein Interesse daran, an die Verlängerung ihrer Marke erinnert zu
werden.
Sie sind daher der Ansicht, ihr Verhalten sei nicht wettbewerbswidrig. Es liege kein
Verstoß gegen einen Beispieltatbestand des § 4 UWG vor. Folglich bestehe kein
Unterlassungsanspruch.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die anwaltlichen
Schriftsätze des Klägers vom 22.02.2010, vom 27.05.2010 und vom 03.06.2010
sowie die Schriftsätze der Beklagten vom 10.03.2010 und vom 14.04.2010 und auf
die protokollierten Erklärungen im Verhandlungstermin verwiesen.
Entscheidungsgründe
.
Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagten einen
Unterlassungsanspruch aus §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 UWG.
Die Entscheidung beruht auf folgenden gemäß § 313 Abs. 3 ZPO kurz
zusammengefassten tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen:
1. Der Kläger ist als Mitbewerber der Beklagten zu 1) nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG
klagebefugt.
2. Die Beklagten nehmen durch die Versendung der streitgegenständlichen
Erinnerungsschreiben unlautere geschäftliche Handlungen vor, die geeignet sind,
die Interessen von Marktteilnehmern spürbar zu gefährden (§ 3 Abs. 1 UWG).
19
20
21
22
23
24
25
26
27
Das Angebot der Beklagten an Markeninhaber, eine Verlängerung der Marken für
diese vorzunehmen, stellt gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG eine geschäftliche
Handlung dar. Die Unlauterkeit des Verhaltens folgt zwar nicht aus einem Verstoß
gegen einen Beispieltatbestand der §§ 4, 5, 5a und 6 UWG, ist jedoch nach der
Generalklausel des § 3 Abs. 1 UWG gegeben.
a) Die Beklagten verstoßen nicht gegen § 4 Nr. 1 UWG. Danach sind geschäftliche
Handlungen unlauter, die geeignet sind die Entscheidungsfreiheit von
Marktteilnehmern durch Ausübung von Druck zu beeinträchtigen. Dieser Druck
wird durch das streitgegenständliche Schreiben nicht ausgeübt. Darin heißt es:
"Um ihr Markenrecht zu erneuern, sollten Sie dieses Schreiben an uns
zurücksenden." In dieser Formulierung ist nicht die Ausübung eines physischen
oder psychischen Zwangs zu sehen. Die Beklagten drohen dem Empfänger des
Schreibens keine direkten Nachteile an. Es wird vielmehr klargestellt, dass es sich
bloß um eine optionale Verlängerung in Form einer Erinnerung handelt.
b) Auch ein Verstoß gegen § 4 Nr. 2 UWG ist nicht ersichtlich. Die angeschrieben
Markeninhaber sind keine Verbraucher i.S.v. § 2 Abs. 2 UWG, § 13 BGB, da die
Nutzung einer Marke zur gewerblichen Tätigkeit der Inhaber gehört.
c) Eine Verschleierung des Werbecharakters gemäß § 4 Nr. 3 UWG findet letztlich
ebenfalls nicht statt. Das Schreiben ähnelt in seiner formularmäßigen Aufmachung
den Formularen des DPMA. Das Antrags-Formular des DPMA zur Eintragung eines
Gebrauchmusters (Anlage K2) ist wie das streitgegenständliche Schreiben
tabellarisch gestaltet. Auffällig ist die große "2" auf beiden Formularen rechts oben.
Die Felder sind weiterhin mit kleingedruckten Überschriften versehen, als würden
sie mit Schreibmaschine ausgefüllt werden. Das Schreiben entspricht damit nicht
dem Layout eines normalen Geschäftsbriefes, sondern eher der Form eines
Behördenschreibens. Dies wird durch die Überschrift "Erinnerung" verstärkt, welche
ebenfalls der Behördensprache zuzuordnen ist. So kann beim Empfänger der
Eindruck entstehen, es bestehe eine Zahlungsverpflichtung. Für den verständigen
Leser ist der Werbecharakter dennoch erkennbar. Im Schreiben weisen die
Beklagten darauf hin, dass erst nach Rücksendung des unterzeichneten
Schreibens ein Vertrag zustande kommt. Das Schreiben stellt ausdrücklich keine
Rechnung dar, sondern fungiert als Erinnerung.
d) Die Beklagten handeln auch nicht einer Marktverhaltensregel nach § 4 Nr. 11
UWG zuwider. Das Verhalten stellt keinen Betrug i.S.v. § 263 Abs. 1 StGB dar, da
keine Täuschung der Empfänger im strafrechtlichen Sinne erfolgt ist. Es werden
weder unwahre Tatsachen mitgeteilt, noch wird ein Auftragsverhältnis zum DMPA
suggeriert.
e) Durch das Schreiben handeln die Beklagten auch nicht irreführend i.S.v. § 5
Abs. 1 Nr. 3 UWG. Danach ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie
zur Täuschung geeignete Angaben über die Eigenschaft und Rechte eines
Unternehmens wie den Umfang von Verpflichtungen, Status, Zulassung,
Mitgliedschaft oder Beziehungen enthält. Dieses ist hier nicht der Fall. Aus der
Firma "..." könnte auf eine Beziehung zum DPMA in der Form geschlossen werden,
dass das Unternehmen für Markenverlängerungen im Auftrag des DPMA zuständig
sei. Dafür spricht auch die Aufmachung des Formulars, das wie ein Schreiben einer
Behörde gestaltet ist. Diese Umstände reichen jedoch für eine Irreführung i.S.v. §
5 UWG nicht aus. Aus der Firma selbst ergibt sich keine unmittelbare Beziehung
zum DPMA und für ein Auftragsverhältnis der Beklagten zum DPMA finden sich
keine Anhaltspunkte im Text des Schreibens. Das DPMA wird in dem Schreiben
überhaupt nicht genannt.
f) Der Versand der Erinnerungsschreiben ist allerdings nach der Generalklausel (§
3 Abs. 1 UWG) unlauter. Bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände liegt ein
gravierender Verstoß gegen die Grundsätze des fairen Wettbewerbs vor.
Das Verhalten der Beklagten liegt den Beispieltatbeständen der §§ 4 Nr. 1 und 3, 5
Abs. Nr. 3 UWG nahe. Beim flüchtigen Lesen des Erinnerungsschreibens wird der
Eindruck eines behördlichen Schreibens erweckt. Das Schreiben ist ähnlich
gestaltet wie die Formulare des DPMA und hat nicht die Aufmachung eines
normales Geschäftsbriefes. Dem Empfänger wird auf den ersten Eindruck weiterhin
ein Näheverhältnis zum DPMA suggeriert. Auch die Firma "..." lässt den Schluss zu,
das Unternehmen nehme Markenverlängerungen im öffentlichen Auftrag wahr.
Im Text wird der Empfänger durch die Formulierungen "Um ihr Markenrecht zu
27
28
29
30
31
32
33
Im Text wird der Empfänger durch die Formulierungen "Um ihr Markenrecht zu
erneuern, sollten Sie dieses Schreiben an uns zurücksenden" und "Bitte senden
Sie dieses Schreiben mit Firmenstempel und unterschrieben an uns zurück, wenn
Sie Ihre Marke verlängern wollen" ferner mit Nachdruck aufgefordert, einen Vertrag
mit den Beklagten einzugehen. Selbst wenn klargestellt wird, dass es sich um eine
optionale Verlängerung handelt, werden keine Alternativen in Aussicht gestellt. Die
Beklagten weisen nicht darauf hin, dass die Verlängerung auch direkt beim DPMA
erfolgen kann. Sie stellen vielmehr bewusst den Verlust des Markenrechts in
Aussicht, um den Empfänger zum Vertragsschluss zu bewegen.
Auch sind die Kosten für die Dienstleistung der Beklagten überhöht und im
Erinnerungsschreiben nicht ausreichend transparent dargelegt. Im Verhältnis zur
Verlängerungsgebühr von Euro 750.-, die die Beklagten an das DPMA weiterleiten,
sind die einbehaltenen Euro 810.- unverhältnismäßig hoch. Die Leistung der
Beklagten beschränkt sich auf die schlichte Weiterleitung und rechtfertigt einen
Aufschlag von über 100 % nicht. Dem potentiellen Vertragspartner werden diese
nur als einheitliche Verlängerungsgebühr genannt und damit bewusst nicht offen
gelegt.
Insgesamt nutzen die Beklagten durch das Schreiben gezielt die
Unaufmerksamkeit und Unerfahrenheit von Markeninhabern in unlauterer Weise
aus. Diese haben, obwohl sie Unternehmer nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 UWG sind, in der
Regel wenig Erfahrung im Umgang mit dem DPMA. Überwiegend kennen sie 10
Jahre nach Anmeldung ihrer Marke die beim DPMA für eine Verlängerung
anfallende Gebühr nicht. Indem die Beklagten die Kosten in ihrem Schreiben nicht
gesondert aufschlüsseln, geht der unaufmerksame Markeninhaber davon aus, er
sei zur Zahlung von Euro 1.560.- verpflichtet, um seine Marke zu verlängern. Den
von den Beklagten einbehaltenen Euro 810.- steht dabei keine echte
Gegenleistung gegenüber. Damit dient das Schreiben primär der einmaligen
Gewinnerzielung, denn aus kaufmännischer Sicht wird ein Markeninhaber die
Beklagten nicht erneut beauftragen, wenn er deren Dienste einmal in Anspruch
genommen hat und über die Umstände aufgeklärt worden ist.
Nach alledem stellt sich das Verhalten der Beklagten als unlauter dar und ist
geeignet, die Interessen der Mitbewerber und Markeninhaber zu gefährden.
3. Auf Grund der erfolgten Verletzung besteht Wiederholungsgefahr. Eine
strafbewehrte Unterlassungserklärung haben die Beklagten auf die Abmahnung
des Klägers nicht abgegeben.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2
ZPO.