Urteil des LG Kiel vom 15.03.2017

LG Kiel: vollstreckung der strafe, kokain, bewährung, telefonüberwachung, untersuchungshaft, beweismittel, droge, strafzumessung, asylbewerber, geldstrafe

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Gericht:
LG Kiel 10. Große
Strafkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
X KLs 19/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 100a StPO, § 100b StPO
Telefonüberwachung: Unverwertbarkeit der Erkenntnisse
aus einer TKÜ mangels ausreichender Begründung des
anordnenden Gerichtsbeschlusses
Gründe
(abgekürzt gem. § 267 Abs. 4 StPO)
I.
G.
Lebensmittelgeschäft. Nach dem Besuch der Grund- und Hauptschule begann er
für die Dauer von etwa 2 ½ Jahren, den Beruf eines Automechanikers zu erlernen.
1998 gelangte er als Asylbewerber nach Deutschland und hielt sich zunächst in L
und dann in K auf. Nach der Entlassung aus Strafhaft im Jahre 2001 arbeitete er
als Bauarbeiter. Aufgrund einer im Jahre 2001 erlittenen Schußverletzung war er
zwischenzeitlich für mehrere Monate arbeitsunfähig.
Der Angeklagte G. ist verheiratet und hat ein 11 Jahre altes Kind. Er ist mittlerweile
anerkannter Asylbewerber.
Er ist bereits vorbestraft:
Im Jahre 1999 wurde er wegen Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe verurteilt.
Am 08.07.1999 verurteilte ihn das Landgericht Kiel wegen bandenmäßigem
unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von 2
Jahren und sechs Monaten. Nach Verbüßung von 2/3 wurde die Reststrafe zur
Bewährung ausgesetzt und schließlich im November 2004 erlassen.
L.
er im Jahre 1967 in T/Albanien geboren wurde und mittlerweile die deutsche
Staatsangehörigkeit erlangt hat. Er ist verheiratet und hat 2 Kinder.
Der Angeklagte L. wurde in 2 Urteilen des Amtsgerichts Kiel aus dem Jahre 2000
wegen Betruges und Trunkenheit im Verkehr jeweils zu Geldstrafe verurteilt.
II.
Der Angeklagte L. hatte in einem Kleingartengelände in Kiel eine Gartenparzelle
gepachtet. Im Zuge von Ermittlungen gegen beide Angeklagte wegen des
Verdachts des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln wurde die Gartenparzelle
am 03.06.2005 durchsucht. Unter der Toilette in der dort befindlichen Gartenlaube
fand sich eine Tüte mit insgesamt 10 Einzelpäckchen Kokaingemisch. Die
kriminaltechnische Untersuchung ergab ein Gesamtgewicht von 498,5 g und einen
mittleren Kokaingehalt von 26,2 %, entsprechend 131,6 g reinen Wirkstoffes
Kokain-Hydrochlorid.
Das Kokain war von beiden Angeklagten gemeinschaftlich dort deponiert worden.
Der Angeklagte G. war zu dieser Zeit selbst Kokain-Konsument.
Beide Angeklagte wurden am 03.06.2005 festgenommen und befanden sich seit
dem Folgetag in Untersuchungshaft. Der Haftbefehl gegen den Angeklagten L.
wurde am 31.01.2006, derjenige gegen den Angeklagten G. am 16.02.2006 außer
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wurde am 31.01.2006, derjenige gegen den Angeklagten G. am 16.02.2006 außer
Vollzug gesetzt.
III.
1.
Diesen Sachverhalt hat die Kammer in der Hauptverhandlung festgestellt. Er
ergibt sich aus den geständigen Einlassungen der beiden Angeklagten sowie den
kriminaltechnischen Untersuchungen zur Konzentration des Kokains und zum
Vorhandensein von Fingerabdrücken an dem Verpackungsmaterial.
Die Angeklagten haben sich danach jeweils wegen unerlaubten Besitzes von
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG strafbar
gemacht.
Die ab 5 g reinen Wirkstoffes Kokain-Hydrochlorid anzusetzende nicht geringe
Menge im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes ist deutlich, nämlich um das 26-
fache, überschritten.
2.
Soweit beiden Angeklagten darüber hinaus in der Anklage (Nr. 1-58) der Vorwurf
des mehrfachen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, zum Teil in
nicht geringer Menge, gemacht wurde, haben sich diese Tatvorwürfe in der
Hauptverhandlung nicht erweisen lassen.
Ein zur Überführung und Verurteilung ausreichender Tatnachweis wäre nach dem
Stand der Ermittlungen allein durch die aus umfangreichen Telefonüberwachungen
zu gewinnenden Erkenntnisse möglich gewesen. Diese waren jedoch als
Beweismittel nicht verwertbar, was die Kammer in ihrem in der Hauptverhandlung
vom 16.02.2006 verkündeten Beschluss ausführlich dargelegt hat.
Zum einen beinhalteten die zugrundeliegenden amtsgerichtlichen Beschlüsse
keinen auf bestimmte, konkrete Tatsachen gründenden Tatverdacht, der die
Anordnung einer Telefonüberwachung hätte rechtfertigen können. Die Kammer hat
sodann unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung den
Aktenbestand, wie er sich dem Ermittlungsrichter bei dessen erstmaliger
Befassung darstellte, gesichtet und auf dieser Grundlage die Vertretbarkeit der
Anordnung untersucht. Daraus ergab sich jedoch, dass die Anordnung einer
Telefonüberwachung gegen den Angeklagten G. seinerzeit nicht vertretbar war.
Weder war aus den Akten erkennbar, aus welchen Umständen sich die Annahme
ergab, dass es sich bei dem betreffenden unbekannten Anrufer um einen "Berti"
handelte, noch war für die Kammer nachvollziehbar, warum der angebliche "Berti"
mit dem Angeklagten G. identisch sei.
Weitere Beweismittel, insbesondere die Aussagen von Zeugen, kamen für eine
Überführung der Angeklagten nicht in Betracht, sodass sie insoweit aus
tatsächlichen Gründen freizusprechen waren.
IV.
Für die Strafzumessung war bei beiden Angeklagten der sich aus § 29 a Abs. I Nr.
2 BtMG ergebende Strafrahmen zugrunde zulegen, der Freiheitsstrafe zwischen
einem und fünfzehn Jahren vorsieht.
Ein minder schwerer Fall im Sinne von § 29 a Abs. 2 BtMG kam bei beiden
Angeklagten schon wegen der erheblichen Menge des Kokains, einer sog. "harten
Droge" nicht in Betracht.
Bei der Strafzumessung im Einzelnen hat die Kammer für beide Angeklagte
berücksichtigt, dass sie in der Hauptverhandlung ein Geständnis abgelegt haben.
Zudem handelte es sich um ein qualitativ nicht besonders hochwertiges Kokain.
Für den Angeklagten L. sprach außerdem, dass er bislang nicht nennenswert
vorbestraft ist.
Straferschwerend fiel bei beiden Angeklagten ins Gewicht, dass es sich um eine
relativ große Menge einer zudem "harten" Droge handelte. Zu Lasten des
Angeklagten G. hat die Kammer insbesondere seine einschlägige Vorstrafe
bewertet.
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Unter Berücksichtigung aller relevanten Zumessungsgesichtspunkte hielt die
G.
und acht Monaten
Jahren
L.
StGB zur Bewährung ausgesetzt werden. Nach dem Eindruck aus der
Hauptverhandlung geht die Kammer davon aus, dass dieser Angeklagte sich
schon die Verurteilung zur Warnung dienen lässt und demzufolge auch ohne die
Einwirkung des Vollzuges keine weiteren Straftaten mehr begehen wird. Der
Angeklagte L. lebt in geordneten familiären Verhältnissen, er ist deutscher
Staatsbürger und bislang nicht nennenswert vorbestraft. Zudem hat er als
Konsequenz dieses Ermittlungsverfahrens mehr als 8 Monate Untersuchungshaft
verbüßt. Der Kammer ist bekannt, dass darunter auch seine Familie erheblich
gelitten hat, sodass davon auszugehen ist, dass auch der Angeklagte hiervon
gehörig beeindruckt worden ist.
Aus diesen Umständen leitet die Kammer auch die besonderen Gründe her, die es
erlauben, eine über 1 Jahr hinausgehende Freiheitsstrafe noch zur Bewährung
auszusetzen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 465, 467 StPO.