Urteil des LG Kiel vom 15.03.2017

LG Kiel: einfluss, beherrschende stellung, rechtsgeschäft, abhängigkeit, konzern, kündigung, eigenschaft, geschäftstätigkeit, absicht, geschäftsbericht

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Gericht:
LG Kiel 1. Kammer
für Handelssachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
14 O 195/03
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 17 AktG, § 291 AktG, § 311ff
AktG, § 317 Abs 1 S 1 AktG, §
317 Abs 1 S 2 AktG
Aktiengesellschaft: Aktionärsklage auf Schadenersatz
wegen einer nachteiligen Maßnahme des herrschenden
Unternehmens
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Wegen des Tatbestandes und der Anträge der Parteien wird auf den Tatbestand in
dem mit Beschluss vom 25.03.2008 berichtigten Zwischenurteil vom 30.01.2008
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg. Dies ergibt sich - nach § 313 Abs. 3 ZPO kurz
zusammengefasst, aus folgenden Erwägungen:
Zu den Zahlungsanträgen:
Der Klägerin steht weder ein Anspruch gegen die Beklagten zu 1.) bis 3.) aus § 317
Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 AktG auf Ersatz des ihr nach ihrer Behauptung aus der
Verwertung der an die G Bank verpfändeten Aktien entstandenen Eigenschadens
in Höhe von 40.214.650 € noch ein Anspruch gegen die Beklagte zu 1.) aus § 317
Abs. 1 Satz 1, Abs. 4, 309 Abs. 4 AktG auf Zahlung eines Betrages von 1 Mio. € an
die MobilCom AG zu.
Nach § 317 Abs. 1 Satz 1 AktG ist ein herrschendes Unternehmen der abhängigen
Gesellschaft, mit der kein Beherrschungsvertrag besteht, zum Ersatz des
Schadens verpflichtet, der daraus entsteht, dass das herrschende Unternehmen
die abhängige Gesellschaft veranlasst hat, ein für sie nachteiliges Rechtsgeschäft
vorzunehmen oder zu ihrem Nachteil eine Maßnahme zu treffen oder zu
unterlassen, ohne dass es den Nachteil bis zum Ende des Geschäftsjahres
tatsächlich ausgleicht. Nach § 317 Abs. 1 Satz 2 AktG ist das herrschende
Unternehmen auch den Aktionären zum Ersatz des ihnen daraus entstehenden
Schadens verpflichtet, soweit sie, abgesehen von einem Schaden, der ihnen durch
Schädigung der Gesellschaft zugefügt worden ist, geschädigt worden sind.
Diese Anspruchsvoraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
Allerdings folgt die Kammer der vom Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht
im Beschluss vom 27.08.2008, 2 W 160/05 (WM 2008, S. 2253) vertretenen
Ansicht, dass das CFA inhaltlich keinen Beherrschungsvertrag i. S. d. § 291 AktG
darstellt, so dass § 317 AktG als einschlägige Anspruchsgrundlage in Betracht
kommt.
Ein Beherrschungsvertrag muss die Leitung der Untergesellschaft durch die
Obergesellschaft zum Gegenstand haben. Erforderlich und genügend ist es, dass
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Obergesellschaft zum Gegenstand haben. Erforderlich und genügend ist es, dass
der herrschende Vertragspartner in die Lage versetzt wird, eine auf das
Gesamtinteresse der verbundenen Unternehmen ausgerichtete Zielkonzeption zu
entwickeln und gegenüber dem Vorstand der Gesellschaft rechtlich durchzusetzen.
Dies läuft auf die Weisungsbefugnis des § 308 AktG als unverzichtbares Merkmal
des Beherrschungsvertrages hinaus. Ein solches Weisungsrecht ist im CFA
ausdrücklich nicht vorgesehen. Vielmehr heißt es in Abschnitt 4:
„Die Parteien vereinbaren, dass MobilCom so schnell wie möglich nach dem
eine Verwaltungs- und Leitungsstruktur erhält, die der Tatsache
Rechnung trägt, dass F und FT die Hauptaktionäre und FT der zweitgrößte Aktionär
von MobilCom sind/ist. Die Parteien werden - ohne die Absicht, die Rechte und
Befugnisse der Hauptversammlung, des Aufsichtsrats und des Vorstands von
MobilCom zu beeinträchtigen und unter Beachtung von § 95ff, 84 des deutschen
Aktiengesetzes - ihre Rechte und ihren Einfluss nutzen, um innerhalb der
gesetzlich und insbesondere durch das Aktienrecht und die Satzung von MobilCom
vorgegebenen Grenzen folgende Verwaltungs- und Leitungsstruktur von MobilCom
einzurichten:“
Diesen Grundsätzen würde es widersprechen, wenn Weisungen der Beklagten zu
1.) unmittelbar gegenüber dem Vorstand der MobilCom AG gelten würden.
Auch im Übrigen ergibt sich aus den Regelungen in Ziffer 4 des CFA, dass dort
zwar Aktionärsverpflichtungen begründet wurden, nicht aber ein Leitungsrecht
statuiert werden sollte.
Der Vorstandsvorsitzende F war vielmehr auch nach den Regelungen des CFA
nach wie vor rechtlich und tatsächlich in der Lage, als Vorstand der MobilCom AG
die Geschäftsführung eigenständig nach seinem Willen vorzunehmen. Allerdings
hatte die Beklagte zu 1.) das Recht, ein Mitglied des Vorstandes zu benennen.
Damit konnte sie aber die Vorstandsentscheidungen nicht maßgeblich
beeinflussen. Die gemeinsame Verantwortung des MobilCom -Vorstandes für
Entscheidungen sollte unberührt bleiben (Ziffer 4.2 CFA). Etwas anderes ergibt sich
auch nicht aus Ziffer 4.1.3 des CFA, wonach alle Handlungen des Vorstandes von
MobilCom, die sich auf bezogen, vom Aufsichtsrat
genehmigt werden mussten. Denn nach Ziffer 4.1 „Aufsichtsrat“ hatte die
Beklagte zu 1.) lediglich für 1 von 6 Mitgliedern des Aufsichtsrates das
Vorschlagsrecht, dem F zustimmen musste. Auch hierüber konnte sich die
Beklagte zu 1.) also keinen herrschenden Einfluss verschaffen. Etwas anderes
ergibt sich schließlich auch nicht aus Ziffer 1.2.2 oder aus der Präambel des
Vertrages. Rechte und Pflichten der Vertragspartner werden dort nicht geregelt.
§ 317 AktG kommt aber deswegen nicht als Anspruchsgrundlage für die geltend
gemachten Schadensersatzansprüche in Betracht, weil die Beklagte zu 1.)
aufgrund der Regelungen des CFA nicht als herrschendes Unternehmen
gegenüber der MobilCom AG als abhängigem Unternehmen anzusehen war.
Nach § 17 AktG sind abhängige Unternehmen rechtlich selbständige
Unternehmen, auf die ein anderes Unternehmen (herrschendes Unternehmen)
unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Dieser
herrschende Einfluss muss dabei nach ganz herrschender Auffassung in
Rechtsprechung und Literatur, der die Kammer folgt, gesellschaftsrechtlich
abgesichert sein. Denn die §§ 311, 317 AktG sollen vor allem Minderheitsaktionäre
innerhalb der abhängigen Gesellschaft gegen nachteilige Einwirkungen auf deren
Unternehmensführung schützen, die sich aus einer Ausnutzung spezifisch
gesellschaftsrechtlicher Möglichkeiten ergeben und deshalb auch mit
gesellschaftsrechtlichen Mitteln zu bekämpfen sind (vgl. BGH NJW 1984, 1897;
weitere Nachweise bei Münchner Kommentar zum Aktiengesetz-Bayer, Bd. 1, 2.
Aufl. § 17 Rn. 21f). Eine ausschließlich wirtschaftliche Abhängigkeit reicht daher
nicht aus. Erforderlich ist vielmehr immer eine gesellschaftsrechtlich abgesicherte,
umfassende und beständige Einflussmöglichkeit auf die Unternehmensleitung und
-politik von solcher Stärke, wie sie § 17 AktG verlangt (BGH aaO.).
Eine Abhängigkeit der MobilCom AG von der Beklagten zu 1.) ergibt sich hier nicht
schon aus § 17 Abs. 2 AktG. Danach wird von einem in Mehrheitsbesitz stehenden
Unternehmen vermutet, dass es von dem an ihm mit Mehrheit beteiligten
Unternehmen abhängig ist. Die Beklagte zu 1.) hielt über die H S. A. jedoch zu
keinem Zeitpunkt mehr als 28,5 % der Aktien.
Der Mehrheitsbeteiligung gleichgestellt wird der Fall der sog. faktischen
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Der Mehrheitsbeteiligung gleichgestellt wird der Fall der sog. faktischen
Hauptversammlungsmehrheit, die vorliegt, wenn aufgrund der Zusammensetzung
des Aktionärskreises (Streubesitz) und regelmäßig niedriger
Hauptversammlungspräsenz bereits eine Stimmrechtsquote von unter 50 % mit
hoher Wahrscheinlichkeit die Mehrheit in der Hauptversammlung sichert. Auch
diese Voraussetzungen lagen hier aber erkennbar nicht vor.
Darüber hinaus kann nach herrschender Auffassung in Rechtsprechung und
Literatur ein beherrschender Einfluss auch dann vorliegen, wenn zwar die
Minderheitsbeteiligung noch keine faktische Hauptversammlungsmehrheit sichert,
der beherrschende Einfluss aber durch die Unterstützung Dritter begründet wird.
Voraussetzung ist jedoch, dass die Mitwirkung des Dritten abgesichert ist, der
vermittelte Einfluss also seiner Art nach dem Einflusspotential einer
Mehrheitsbeteiligung entspricht, wie dies etwa bei einer Treuhand- oder
Stimmbindungsvereinbarung der Fall ist, die dem Berechtigten ein sicheres
Zugriffsrecht auf die Ausübung der Stimmrechte des Vertragspartners einräumt
(Münchner Kommentar aaO. § 17 Rn. 37). Diese Einflussmöglichkeit muss aber
beständig sein. Sie muss umfassend im Gegensatz zu punktuell sein, also eine
gewisse Breite erreichen (Hüffer, AktG, 4. Aufl. § 17 Rn. 7).
Gemessen an diesen Kriterien hat das CFA der Beklagten zu 1.) tatsächlich keinen
beherrschenden Einfluss auf die MobilCom AG vermittelt.
Dabei verkennt die Kammer nicht, dass durch die Regelungen im CFA eine starke
wirtschaftliche Abhängigkeit der E AG von der Beklagten zu 1.) begründet wurde.
Die MobilCom AG war aus eigener Kraft nicht einmal in der Lage, ohne die
zugesagte Unterstützung durch die Beklagte zu 1.) auch nur die Zinszahlungen
aufzubringen, die mit den zur Ersteigerung der Lizenz und zum Aufbau des UMTS-
Netzes aufgenommenen Verbindlichkeiten verbunden waren.
Einer Stimmbindung, die der Beklagten zu 1.) ein sicheres und beständiges
Zugriffsrecht auf die Ausübung der Stimmrechte des Aktionärs F einräumen
konnte, kommen die Regelungen im CFA aber nicht gleich:
Nach Ziffer 4.3.1 des CFA („Koordinationsausschuss der Parteien“) sollten F und
die Beklagte zu 1.) einen Koordinationsausschuss bilden, dessen Aufgabe es sein
sollte, einen Rahmen für die Abstimmung des Stimmverhaltens in der
Hauptversammlung und die Koordination der Positionen und Maßnahmen in Bezug
auf bereitzustellen. Nach Ziffer 4.3.3 jedoch sollte die
Angelegenheit nicht weiter verfolgt werden, wenn in zwei aufeinanderfolgenden
Sitzungen keine Einstimmigkeit erzielt werden konnte. Das bedeutet, dass damit
allenfalls ein Blockademechanismus begründet wurde. Ein solcher reicht aber im
Regelfall nicht für die Annahme einer Abhängigkeit i. S. d. § 17 AktG aus (vgl. die
Nachweise bei Münchner Kommentar aaO. § 17 Rn. 81).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass alle im CFA als
aufgeführten Angelegenheiten zu
erklärt werden konnten. Denn Voraussetzung dafür war, dass sie
im Einzelfall von solcher Bedeutung waren, „dass man bei realistischer
Betrachtung davon ausgehen konnte, dass sie eine wesentliche nachteilige
Auswirkung haben auf und von zentraler Bedeutung sind für die Fortführung und
zukünftige Entwicklung der Geschäftstätigkeit von MobilCom“, Ziffer 4.5.. Sollten F
und die Beklagte zu 1.) in einer solchen fundamentalen Angelegenheit auch nach
Durchführung des Schlichtungsverfahrens keine Einigung finden, so sollten zwar
dann, wenn der Schlichter eine „fundamentale Angelegenheit“ feststellte, die
Stimmen der von der Beklagten zu 1.) benannten Mitglieder des
Koordinationsausschusses maßgeblich sein. Auch diese Regelung kommt aber
einem sicheren und beständigen Zugriffsrecht auf die Ausübung der Stimmrechte
von F nicht gleich. Dagegen spricht schon, dass sie nur für eng begrenzte
Ausnahmefälle zum Tragen kommen konnte und sollte und der Feststellung der
Patt-Situation eine zeitaufwändige Prozedur mit ungewissem Ausgang
vorausgegangen wäre. Darüber hinaus aber wäre mit diesem Verfahren für F die
Möglichkeit verbunden gewesen, seine Verkaufsoption auszuüben, so dass er in
einem solchen Fall seinerseits einen ganz erheblichen wirtschaftlichen Druck auf
die Beklagte zu 1.) hätte ausüben können. Es kann nach Auffassung der Kammer
dabei ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass F von dieser Möglichkeit
dann, wenn in einer fundamentalen Angelegenheit keine Einigkeit hätte erzielt
werden können, auch Gebrauch gemacht hätte. Eine gesellschaftsrechtlich
abgesicherte, beständige Einflussnahme auf die Unternehmensleitung und -politik
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abgesicherte, beständige Einflussnahme auf die Unternehmensleitung und -politik
konnte die Beklagte zu 1.) daher letztlich erst in dem Augenblick erlangen, in dem
F seine Put-Option ausübte.
Darüber hinaus ist auch zu berücksichtigen, dass die Regelungen über den
Koordinationsschuss lediglich das Abstimmungsverhalten der beiden
Hauptaktionäre in der Hauptversammlung betrafen, so dass die Beklagte zu 1.)
damit F jedenfalls in solchen Fragen, die in die weisungsfreie Kompetenz des
Vorstandes fielen, nicht zu einem bestimmten Verhalten veranlassen konnte.
Angesichts der im CFA zugleich getroffenen Regelungen über die Besetzung des
Vorstandes und des Aufsichtsrats, über die sich die Beklagte zu 1.) für diese
Gremien keine Mehrheit verschaffen konnte, war eine beständige und
abgesicherte Einflussnahme auf die Entscheidungen des Vorstandes nicht
möglich.
Dieser Beurteilung steht auch nicht entgegen, dass auch die Ernennung oder
Abberufung von einem, mehreren oder allen Mitgliedern des Aufsichtsrats und des
Vorstands nach Ziffer 4.4.2 in Verbindung mit Ziffer 4.5 zu einer
werden konnte. Denn da der Vorstand den Gang der
Geschäftstätigkeit grundsätzlich frei bestimmt, ist nicht erkennbar, inwieweit
tatsächlich die Entwicklung und Fortführung der Geschäftstätigkeit allein durch die
personelle Zusammensetzung der Organe hätte betroffen sein können.
Die Kammer folgt nach alldem der Ansicht der Beklagten, nach der das CFA selbst
der Beklagten zu 1.) noch keine herrschende Stellung i. S. d. § 17 AktG einräumte,
sondern lediglich die Möglichkeit bot, die Mehrheit an der MobilCom AG und damit
die herrschende Stellung zu erwerben.
Selbst wenn man aber davon ausginge, dass die Beklagte zu 1.) bereits durch das
CFA eine beherrschende Stellung i. S. d. § 17 AktG erlangt hat, so fehlt es doch an
den weiteren Anspruchsvoraussetzungen des § 317 Abs. 1 AktG, nämlich der
Veranlassung zu einer nachteiligen Maßnahme und einem darauf beruhenden
Schaden:
Unter „Veranlassung“ i. S. d. § 317 Abs. 1 AktG ist ein zielgerichtetes Verhalten
des herrschenden Unternehmens unter Ausnutzung der aufgrund des
Abhängigkeitsverhältnisses bestehenden Einflussnahmemöglichkeit und ein
dadurch verursachtes Verhalten der abhängigen Gesellschaft zu verstehen. Auf
der Seite des herrschenden Unternehmens genügt jedes Handeln, das von der
abhängigen Gesellschaft als Ausdruck des Wunsches zu verstehen ist, dass sie
sich in bestimmter Weise verhalten möge. Auf Seiten der abhängigen Gesellschaft
ist Voraussetzung, dass der Wunsch des Unternehmens erkannt und daraufhin
entsprechend gehandelt wird (Münchner Kommentar-Kropff, § 311 Rn. 72, 73, 78).
Im Sinne dieser Definition hat die Beklagte zu 1.) keine nachteiligen Maßnahmen
der MobilCom AG verursacht, die Schadensersatzansprüche der Klägerin oder der
MobilCom AG begründen könnten.
Eine „Veranlassung einer nachteiligen Maßnahme“ i. S. d. § 317 AktG kommt hier
frühestens zu dem Zeitpunkt in Betracht, zu dem die W. S. B. S. A. (WSB) die
18.6000.000 Aktien an der MobilCom AG erworben hatte, also dem 24.11.2000,
weil vorher ein gesellschaftsrechtlich vermittelter Einfluss zweifelsfrei nicht
bestand.
Die von F sowohl in seiner Eigenschaft als Vorstandsvorsitzender der MobilCom AG
als auch für sich selbst getroffene Entscheidung für den Abschluss des CFA und
damit für die Grundentscheidung, gemeinsam mit der Beklagten zu 1.) den Aufbau
des UMTS-Geschäftes in der im CFA vorgesehenen Art und Weise vorzunehmen,
hat die Beklagte zu 1.) damit nicht i. S. d. § 317 AktG „veranlasst“. Vielmehr war F
in dieser Entscheidung völlig frei. Die Kammer geht davon aus, dass F als
erfahrenem Geschäftsmann die mit dem Aufbau verbundenen Chancen und
Risiken bekannt waren.
Auch die Aufnahme des größten Teils der Kredite erfolgte noch nicht auf
„Veranlassung“ der Beklagten zu 1.) i. S. d. § 317 AktG. Denn sowohl das
Darlehen des internationalen Bankenkonsortiums über 4,7 Mrd. € (SIF) als auch
die Brückenfinanzierung in Höhe von 1 Mrd. € (CMBF) wurden vor Erwerb der Aktien
durch die WSB aufgenommen. Etwas anderes gilt lediglich für die im Jahr 2001
gewährten Kredite der Firmen I und J über zusammen 2,1 Mrd. €, von denen die E
AG insgesamt 1,2 Mrd. € in Anspruch nahm. Insoweit ist aber nicht erkennbar,
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AG insgesamt 1,2 Mrd. € in Anspruch nahm. Insoweit ist aber nicht erkennbar,
dass die Kredite für die E AG nachteilig gewesen wären. Nachdem die
Grundentscheidung für den gemeinsamen Aufbau des UMTS-Geschäfts gefallen
war, musste dieser Aufbau finanziert werden. Nach Ziffer 3.1.4 des CFA hatte die
Beklagte zu 1.) dabei die Pflicht übernommen, entweder selbst Fremdmittel zur
Verfügung zu stellen oder solche, falls erforderlich, zu besichern. Wenn sich I und J
zur Hergabe der Kredite auch ohne solche Absicherung durch die Beklagte zu 1.)
bereit erklärten, ist insoweit kein Verstoß der Beklagten zu 1.) gegen das CFA
erkennbar. Dass gerade die Kreditbedingungen für die MobilCom AG nachteilig
gewesen wären, trägt die Klägerin selbst nicht vor.
Welche Nachteile für die MobilCom AG aus der vereinbarten Geheimhaltungspflicht
entstanden wären, hat die Klägerin nicht dargelegt und ist für die Kammer auch
nicht ersichtlich. Unabhängig davon ist aber auch nicht erkennbar, inwiefern die
Beklagte zu 1.) die MobilCom AG insoweit zu einer nachteiligen Maßnahme
veranlasst haben könnte.
Vorstehende Ausführungen gelten entsprechend für die von der Klägerin zur
Begründung ihrer Ansprüche herangezogene Pressekampagne, die die Beklagte
zu 1.) ab Mitte Februar 2002 gegen die MobilCom AG geführt haben soll. Eine
Veranlassung der MobilCom AG zu einer für sie nachteiligen Maßnahme kann
hierin nicht gesehen werden.
Letztlich ist aber auch der Abbruch des UMTS-Geschäfts durch die MobilCom AG
nicht im Sinne des § 317 AktG von der Beklagten zu 1.) „veranlasst“ worden. Als
veranlassende Handlungen kämen insoweit nur die Verweigerung der Zustimmung
zum Businessplan für 2002, verbunden mit der Ankündigung, den Aufbau des
UMTS-Geschäfts in der bisherigen Form nicht weiter finanzieren zu wollen, und die
nachfolgend ausgesprochene Kündigung des CFA in Betracht. Die daraufhin
erfolgte Einstellung des UMTS-Aufbaus war aber keine Maßnahme, zu der die
Beklagte zu 1.) die MobilCom AG gerade unter Ausnutzung des
Abhängigkeitsverhältnisses i. S. d. §§ 311, 317 AktG veranlasst hätte. Zum einen
hat die Beklagte zu 1.) die Entscheidung, den bisherigen Entwürfen des
Businessplans nicht zuzustimmen, sondern darauf zu drängen, den UMTS-Aufbau
zu verlangsamen und ggf. nach einem weiteren Kooperationspartner zu suchen,
sowie die weitere Entscheidung, das CFA aufzukündigen, gerade nicht in ihrer
Eigenschaft als „beherrschendes“ Unternehmen unter Inanspruchnahme des im
CFA geregelten Verfahrens, sondern in ihrer Eigenschaft als diejenige Aktionärin
getroffen, die nach den Vereinbarungen im CFA für die Finanzierung des Projekts
verantwortlich war. Dabei hat sie gerade durch die Kündigung des CFA deutlich
zum Ausdruck gebracht, dass sie an einem etwa darin angelegten
Beherrschungsmechanismus jedenfalls nicht festhalten wollte. Weisungen hat sie
gerade nicht ausgesprochen und ebenso wenig versucht, diese durchzusetzen. Die
Entscheidungen hat sie vielmehr in ihrer Funktion als „Geldgeberin“ getroffen. Dies
stellt ein Verhalten dar, wie es auch bei kooperierenden Gesellschaften ohne
Beherrschungsvertrag denkbar ist (so auch OLG Schleswig im Beschluss vom
27.08.2008, 2 W 160/05, dort S. 27).
Darüber hinaus ergibt sich aus dem Geschäftsbericht der MobilCom AG 2002
sowie aus dem Vorstandsbericht des Vorsitzenden Dr. K vom 17.12.2002, dass die
Entscheidung zum Abbruch des UMTS-Geschäfts letztlich nicht nur wegen der
erfolglos gebliebenen Suche nach einem neuen Finanzierer - und damit nicht auf
„Veranlassung“ der Beklagten zu 1.) -, sondern insbesondere auch infolge der
Erkenntnis getroffen wurde, dass eine Fortsetzung des UMTS-Projekts aufgrund
des veränderten Marktumfeldes selbst dann nicht sinnvoll gewesen wäre, wenn die
erforderlichen Finanzierungsmittel hätten beschafft werden können.
Ob die Vorgehensweise der Beklagten zu 1.), insbesondere die Kündigung des
CFA, möglicherweise eine Verletzung der darin übernommenen Pflichten darstellte,
hat die Kammer im Rahmen der hier allein vorzunehmenden Prüfung der
Anspruchsvoraussetzungen des § 317 AktG nicht zu entscheiden. Vielmehr geht
es hier nur um die Frage, ob die Beklagte zu 1.) eine irgendwie geartete
gesellschaftsrechtliche Beherrschung ausgenutzt hat, was aus oben stehenden
Gründen zu verneinen ist.
Schließlich liegen auch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass sich die
Entscheidung, das UMTS-Geschäft einzustellen, im Ergebnis nachteilig i. S. d. §§
311, 317 AktG auf die MobilCom AG ausgewirkt hätte. Der Nachteilsbegriff ist aus
dem Zweck des § 311 AktG heraus auszulegen, das Vermögen der abhängigen
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dem Zweck des § 311 AktG heraus auszulegen, das Vermögen der abhängigen
Gesellschaft zu schützen. Die Feststellung eines Nachteils setzt voraus, dass zum
Vergleich der hypothetische Vermögenswert ohne die vom herrschenden
Unternehmen veranlasste Maßnahme herangezogen wird. Dabei sollen Einbußen,
die im Rahmen des allgemeinen und unvermeidlichen Risikos eingetreten sind,
nicht erfasst werden. Denn es geht um die Erfassung von Nachteilen, die sich
daraus ergeben, dass der Vorstand auf Veranlassung des herrschenden
Unternehmens gehandelt hat. Maßgebend ist daher, wie ein ordentlicher und
gewissenhafter Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft an seiner Stelle
gehandelt hätte (Münchner Kommentar-Kropff aaO. § 311 Rn. 138). Nach
allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Literatur ist daher ein
Rechtsgeschäft oder eine Maßnahme dann nicht als nachteilig i. S. d. §§ 311 ff
AktG anzusehen, wenn auch ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter
einer unabhängigen Gesellschaft dieses Rechtsgeschäft oder diese Maßnahme bei
pflichtgemäßer Beurteilung als im Interesse seiner Gesellschaft liegend angesehen
hätte (Münchner Kommentar aaO. Rn. 140). Maßgebender Zeitpunkt für die
Beurteilung ist dabei derjenige, zu dem das Rechtsgeschäft oder die Maßnahme
vorgenommen wurde.
Der Vorstand einer Aktiengesellschaft hat im Rahmen seiner Tätigkeit nach § 93
AktG einen Ermessensspielraum, innerhalb dessen ihm verschiedene
Verhaltensweisen erlaubt sind. Dazu gehört neben dem bewussten Eingehen
geschäftlicher Risiken grundsätzlich auch die Gefahr von Fehlbeurteilungen und
Fehleinschätzungen, der jeder Unternehmensleiter, mag er auch noch so
verantwortungsbewusst handeln, ausgesetzt ist. Eine Schadensersatzpflicht des
Vorstandes kann daher erst dann in Betracht kommen, wenn die Grenzen, in
denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes, ausschließlich am
Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der
Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen
muss, deutlich überschritten sind, die Bereitschaft, unternehmerisches Risiko
einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt worden ist oder das Verhalten
des Vorstandes aus anderen Gründen als pflichtwidrig gelten muss (BGHZ 135,
244). Derselbe Maßstab muss auch hier für die Prüfung der Frage angesetzt
werden, ob die Entscheidung zur Einstellung des UMTS-Geschäfts von einem
ordentlichen und gewissenhaften Vorstand hätte getroffen werden dürfen. Danach
aber liegen keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass die Einstellung des
UMTS-Geschäfts keine vertretbare Entscheidung gewesen wäre. Unstreitig erfolgte
der Ausstieg aus dem UMTS-Geschäft zu einem Zeitpunkt, zu dem sich
herausgestellt hatte, dass sich der Start des Geschäfts verzögerte, die MobilCom
AG bislang die angestrebten und dem ursprünglichen Businessplan zugrunde
liegenden Marktanteile nicht hatte erreichen können, der zu erwartende
voraussichtliche durchschnittliche Umsatz pro Teilnehmer deutlich nach unten
revidiert werden musste und allgemein eine Verlangsamung des
Wirtschaftswachstums eingetreten war. Ob sich das UMTS-Geschäft für die
MobilCom AG dennoch hätte profitabel entwickeln können, hing somit davon ab,
wann das Geschäft hätte beginnen, welche Marktanteile die MobilCom AG hätte
erringen und welche Einnahmen sie aus dem Geschäft hätte erzielen können. Für
die Beurteilung dieser Frage war jeder Geschäftsleiter auf Prognosen angewiesen.
Aus dem Geschäftsbericht der MobilCom AG für 2002 ergibt sich, dass nach der
damaligen Einschätzung des Vorstands unter Berücksichtigung zusätzlich
erforderlich werdender Investitionen für die Tilgung der Verschuldung ein Zeitraum
von über 18 Jahren erforderlich geworden wäre und der damals amtierende
Vorstandsvorsitzende Dr. K die Ansicht vertrat, die Einstellung des Projekts sei die
einzig vernünftige Entscheidung. Dabei zeigen die von den Parteien vorgelegten,
im Nachhinein erstellten Gutachten, dass selbst unter Berücksichtigung der
weiteren, damals noch nicht bekannten Entwicklung auf dem UMTS-Markt
namhafte Experten zu unterschiedlichen Einschätzungen hinsichtlich der
Erfolgsaussichten des Geschäfts gelangten. Während die Sachverständigen Prof.
L/M in ihrem Gutachten vom 31.03.2007 zu der Einschätzung gelangt sind, dass
eine positive Cash Flow Entwicklung zu erwarten war, ging die KPMG in ihrer
gutachtlichen Stellungnahme vom 10.11.2006 davon aus, dass die Fortführung der
UMTS-Aktivitäten zu einem ganz erheblichen Verlust geführt hätte.
Eine - hier nach Ansicht der Kammer schon tatbestandlich nicht vorliegende -
Veranlassung der MobilCom AG zur Einstellung des Geschäfts durch die Beklagte
zu 1.) war nach alldem aus damaliger Sicht eine zumindest vertretbare, sich im
Rahmen des einem Geschäftsleiter eingeräumten Ermessens bewegende
Entscheidung und stellte keinen Nachteil i. S. d. §§ 311, 317 AktG dar.
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Zum Feststellungsantrag:
Die Feststellungsklage ist unzulässig, weil das erforderliche Feststellungsinteresse
fehlt.
Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder
Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein
rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung hat. Dies ist hier aber nicht
der Fall.
Die Klägerin begründet ihr Feststellungsbegehren mit ihrer Absicht, im Rahmen
eines Spruchverfahrens entsprechend § 305 AktG i. V. m. § 1 SpruchG eine
angemessene Barabfindung festsetzen zu lassen.
Ein Abfindungsanspruch entsprechend § 305 AktG i. v. m. § 1 SpruchG unter dem
Gesichtspunkt des qualifiziert faktischen Konzerns/existenzvernichtenden Eingriffs
kommt jedoch schon aus Rechtsgründen nicht in Betracht.
Der Bundesgerichtshof hat in der „Trihotel“-Entscheidung (NJW 2007, 2689) seine
Rechtsprechung zur Haftung aus dem Gesichtspunkt des qualifiziert faktischen
Konzern oder - später - dem Gesichtspunkt des existenzgefährdenden oder -
vernichtenden Eingriffs ausdrücklich aufgegeben, knüpft eine
Existenzvernichtungshaftung des Gesellschafters nunmehr stattdessen an die
missbräuchliche Schädigung des im Gläubigerinteresse zweckgebundenen
Gesellschaftsvermögens an und ordnet sie allein in § 826 BGB als eine besondere
Form der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung ein. Diese vom
Bundesgerichtshof ausschließlich im GmbH-Recht entwickelte Rechtsprechung
kann daher jedenfalls jetzt nicht mehr für das Aktienrecht herangezogen werden.
Hierfür ist auch angesichts der detaillierten Regelungen für den faktischen Konzern
in §§ 311 ff AktG kein Raum und kein Bedürfnis vorhanden (OLG Stuttgart ZIP
2007, 1210). Das OLG München, welches sich gegen ein Spruchverfahren unter
dem Gesichtspunkt eines „verdeckten Beherrschungsvertrages“ im Wege einer
Analogie ausgesprochen hat, führt dazu aus:
„Das Gesetz geht davon aus, dass es mit, aber auch ohne Beherrschungsvertrag
im Sinne von § 291 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz AktG im Verhältnis zweier
Unternehmen zu einer Beherrschung kommen kann. Dem hat der Gesetzgeber
durch unterschiedliche Regelungssysteme Rechnung getragen: „Leitungsmacht
und Verantwortlichkeit bei Bestehen eines Beherrschungsvertrages“, §§ 308 bis
310 AktG, und „Verantwortlichkeit bei Fehlen eines Beherrschungsvertrages“, §§
311 bis 318 AktG. Für letztere Fälle einer „faktischen Konzernierung“ hat der
Gesetzgeber in § 317 Abs. 1 AktG eine Regelung getroffen, die gerade nicht auf ein
mit §§ 304, 305 AktG vergleichbares Ergebnis („pauschaliertes Schutzsystem“,
vgl. Hüffer § 311 Rn. 2) hinausläuft, sondern vielmehr darauf, dass das
beherrschende Unternehmen (nur) die beim beherrschten Unternehmen
entstehenden Nachteile auszugleichen verpflichtet ist. Nur im Ausnahmefall ist
das beherrschende Unternehmen daneben verpflichtet, den Aktionären des
beherrschten Unternehmens selbst Schadensersatz zu leisten, nämlich nur wenn
und soweit diese „abgesehen von einem Schaden, der ihnen durch Schädigung
der Gesellschaft zugefügt worden ist, geschädigt... sind „ (...). Diese vom
Gesetzgeber getroffenen Regelungen würden konterkariert, wenn man als Aktionär
des beherrschten Unternehmens im faktischen Konzern statt des gesetzlich (nur
in engen Ausnahmefällen) vorgesehenen Schadensersatzanspruchs im Wege der
Durchführung eines Spruchverfahrens doch Ausgleich bzw. Abfindung - und somit
eine vom Vorliegen eines konkret nachgewiesenen Schadens unabhängige -
„pauschalierte Entschädigung“ wie im Vertragskonzern - erhalten könnte. Der
Gesetzgeber hat durch die in § 317 Abs. 1 Satz 1 AktG getroffene Regelung sowohl
zum Ausdruck gebracht, dass er die dort geregelte Konstellation für keinen solch
schwerwiegenden Eingriff in das Eigentum der außenstehenden Aktionäre hält, die
eine pauschalierte Entschädigung im Wege des Spruchverfahrens erforderte, als
auch, dass er den Fall des faktischen Konzern für nicht vergleichbar mit der
Situation bei Vorliegen eines Beherrschungsvertrages hält. Damit fehlt es aber
vorliegend für eine Analogie nicht nur an einer planwidrigen Regelungslücke,
sondern auch an einer Vergleichbarkeit der Sachverhalte...“
Dieser Auffassung schließt sich die Kammer an.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.