Urteil des LG Kiel vom 15.03.2017

LG Kiel: sachmangel, fahrzeug, gewährleistung, abgrenzung, garantie, handel, baujahr, reparaturkosten, zustand, behandlung

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Gericht:
LG Kiel 8.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 S 49/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 434 Abs 1 S 2 Nr 2 BGB, §
437 Nr 3 BGB
Gewährleistung beim Gebrauchtwagenkauf: Abgrenzung
zwischen Sachmangel und nicht ersatzfähigem
Verschleißschaden bei Defekt an der Einspritzpumpe eines
gebrauchten Mercedes C 220 D
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Eckernförde vom
28.04.2006 geändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 881,26 € nebst 5 Prozentpunkte
Zinsen p.a. über dem Basiszinssatz seit dem 15.07.2003 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 313 a Abs. 1, 540 Abs. 2
ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
I. Die Klägerin erwarb am 12.02.2003 bei der Beklagten, die einen Kfz-Handel
betreibt, einen gebrauchten Pkw Mercedes 220, Baujahr 1994, Laufleistung ca.
106.000 km, zum Preis von 9.416,00 €. Mitte Juni 2003 zeigte sich an diesem
Fahrzeug ein Defekt an der Einspritzpumpe, der den Ersatz dieses Bauteils
erforderlich machte. Die Beklagte lehnte eine Einstandspflicht für diesen Mangel
ab, da es sich um einen Verschleißschaden handele.
Mit der Klage verlangt die Klägerin Zahlung eines Betrages von 881,26 €, der dem
von der sogenannten „Car-Garantie-Versicherung“ nicht gedeckten Teil der
Reparaturkosten entspricht.
Das Amtsgericht hat nach Einholung zweier Sachverständigengutachten des
Sachverständigen Dipl.-Ing. K. einen nicht der Gewährleistung unterliegenden
Verschleißschaden angenommen und die Klage abgewiesen.
II. Die Berufung der Klägerin führt zur antragsgemäßen Abänderung des
amtsgerichtlichen Urteils.
Der Klägerin steht ein Schadensersatzanspruch aus §§ 437 Nr. 3, 434 Abs. 1 S. 2
Nr. 2 BGB in der beanspruchten Höhe zu.
Haben Parteien eines Kaufvertrages keine spezielle Beschaffenheitsvereinbarung
getroffen, so ist eine Sache frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die
gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen
der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten
kann. Bei dem Verkauf eines gebrauchten Kraftfahrzeuges bedeutet das, dass ein
bei einem gebrauchten Fahrzeug immer gegebener natürlicher Verschleiß oder
normale Gebrauchsspuren keinen Sachmangel darstellen. Anders ist es, wenn es
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normale Gebrauchsspuren keinen Sachmangel darstellen. Anders ist es, wenn es
sich um außergewöhnliche Verschleißerscheinungen handelt, die vom üblichen
Zustand (Normalbeschaffenheit) eines vergleichbaren gebrauchten Fahrzeuges
abweichen und deshalb außerhalb der berechtigten Erwartung eines
Durchschnittskäufers liegen (OLG Düsseldorf, DAR 2006, S. 633). Nach den
Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. K. in seinem ersten Gutachten vom
04.03.2004 gehört die Verteilereinspritzpumpe des Motors eines Mercedes C 220
D nicht zu den Bauteilen, die einem nennenswerten ständigen Verschleiß
unterliegen und deshalb in bestimmten Abständen nach entsprechender km-
Leistung oder bestimmten Zeitabständen kontrolliert bzw. erneuert werden
müssten. Der mechanische Teil der Einspritzpumpe weise üblicherweise einen so
minimalen Verschleiß aus, dass er sich erfahrungsgemäß nicht innerhalb der
Lebensdauer eines Fahrzeuges auswirkt. Bekannt sei bei Fahrzeugen dieses Typs
dagegen, dass das elektrische Steuerungsteil der Verteilereinspritzpumpe einer
gewissen Störanfälligkeit unterliege. Dieses beruhe aber in der Regel auf
technischen Defekten und nicht auf Abnutzung. In dem weiteren Gutachten vom
20.10.2004, dem eine Untersuchung des fraglichen Bauteils zu Grunde lag, wurde
festgestellt, dass eine erhebliche Undichtigkeit nach außen zwischen den
Gehäuseteilen sowie nach innen im Bereich der Magnetblöcke bestand. Diese
Undichtigkeit im Bereich der Magnetblöcke habe aufgrund altersbedingter spröder
Wicklervergussmassen auch zu Störungen im elektrischen Bereich und damit zum
Ausfall der Einspritzpumpe geführt.
Daraus, dass die spröde gewordenen Wicklervergussmassen mit ursächlich waren
für den Ausfall der Einspritzpumpe folgt aber entgegen der Auffassung des
Amtsgerichts noch nicht, daß es sich um einen typischen Verschleißschaden
handelte. Entscheidend ist vielmehr der Umstand, dass der Ausgangspunkt für
den Ausfall der Einspritzpumpe in einer Undichtigkeit im mechanischen Teil zu
sehen ist; mithin bei einem Teil , das nach den Ausführungen im ersten Gutachten
nur einem minimalen Verschleiß ausgesetzt ist, der in aller Regel nicht dazu führt,
dass die Einspritzpumpe während der normalen Lebensdauer eines
Kraftfahrzeuges funktionsunfähig wird. Wenn demnach das Undichtwerden des
mechanischen Teils überhaupt ein Verschleiß sein sollte, so muss man diesen
Verschleiß jedenfalls als außergewöhnlich ansehen mit der Wirkung, dass der
Durchschnittskäufer eines derartigen Fahrzeugs dieses Alters auch bei einer
Laufleistung von 106.000 km mit derartigen als ungewöhnlich anzusehenden
Verschleißerscheinungen nicht zu rechnen braucht. Für die Beurteilung dieses
Zustands als Sachmangel im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB ist es dann
unerheblich, ob weitere Ursachen wie etwa spröde gewordene
Wicklervergußmassen, die möglicherweise auf normalem Verschleiß beruhen, an
dem Ausfall eines Bauteils mitgewirkt haben.
Der Sachmangel hat sich innerhalb eines Zeitraums von 6 Monaten seit
Gefahrübergang gezeigt, sodass damit die Vermutung begründet wird, dass der
Mangel bereits zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorlag, § 476 BGB. Nach dem
Gutachten des Sachverständigen K. ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass der
Schaden an der Einspritzpumpe schon bei Übergabe des Fahrzeugs in den
Anfängen vorhanden war.
Die Beklagte, die ihre Einstandspflicht für diesen Sachmangel abgelehnt hat, ist
damit schadensersatzpflichtig.
Der Zinsanspruch folgt aus § 286 BGB aufgrund des den Verzug begründenden
anwaltlichen Schreibens vom 04.07.2003.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 97, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Von der Zulassung der Revision sieht die Kammer ab, da die grundsätzliche
Rechtsprechung zur Behandlung sog. Verschleißschäden als gefestigt erscheint
und es sich vorliegend um eine sehr spezielle Fallgestaltung handelt.