Urteil des LG Kaiserslautern vom 12.05.2004

LG Kaiserslautern: internationale zuständigkeit, gerichtliche zuständigkeit, örtliche zuständigkeit, verbraucher, nummer, verordnung, gewinnspiel, eugh, zugang, werbung

Bürgerliches Recht
LG
Kaiserslautern
12.05.2004
2 O 434/03
Zur internationalen und örtlichen Zuständigkeit deutscher Gericht bei Gewinnzusagen durch im Ausland
ansässige Firmen
In dem Rechtsstreit
- Kläger -
Prozessbevollmächtigter:
gegen
- Beklagte -
Prozessbevollmächtigter:
wegen Forderung aus einer Gewinnzusage,
hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Kaiserslautern durch den Richter Leube als Einzelrichter
auf die mündliche Verhandlung vom 14. April 2004
für
R e c h t
für
R e c h t
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 12.000,-- EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20. Februar 2003 zu zahlen.
2. Der Beklagten werden die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages vorläufig
vollstreckbar.
T a t b e s t a n d :
Die in Frankreich ansässige Beklagte betreibt einen Versandhandel. Nach der Übersendung
umfangreichen Werbematerials bestellte der Kläger im November 2002 diverse Haushaltsartikel zum
Preis von 49,40 EUR. Sodann übersandte die Beklagte dem Kläger am 25. November 2002 ein weiteres
Schreiben, in dem es u. a. heißt:
"WICHTIG:Ohne Antwort verliert Herr V K. alle seine Rechte auf einen Gewinn-Abruf!
Herr V K.,
Sie sind der
Haupt-Gewinner
in Ihrem Bundesland Rheinland-Pfalz.
Deswegen erhalten Sie
einen Scheck über 12.000,-- EUR.
....
Lieber Herr V K.,
soll ich Ihrem Schweigen entnehmen, dass Sie auf den Hauptgewinn von 12.000,-- EUR verzichten
möchten? Ich kann es gar nicht glauben, und ich vermute, dass es sich um einen Irrtum handelt. Deshalb
habe ich unsere Gewinn-Vergabe gebeten, Ihnen eine zweite Ausfertigung Ihres Scheck-Abruf-Scheins
zuzusenden.
...
Ich muss Sie noch einmal darauf hinweisen, dass jeder Gewinner, gemäß unserer Vergabe-Bedingungen,
seinen Gewinn anfordern muss, wenn er nicht unwiederbringlich seine Rechte auf seinen Gewinn
verlieren will. In diesem Falle mit seinem Scheck-Abruf-Schein.
Verlieren Sie also keine Zeit und senden Sie Ihren Scheck-Abruf-Schein heute noch zurück, wenn Sie den
Wunsch haben, den Scheck über 12.000,-- EUR zu erhalten."
Wegen des vollständigen Wortlauts des Schreibens wird auf Bl. 5 d. A. verwiesen.
Trotz einer Anforderung des Gewinns durch den Kläger und einer außergerichtlichen
Zahlungsaufforderung seines Prozessbevollmächtigten vom 5. Februar 2003 leistete die Beklagte
keinerlei Zahlung.
Der Kläger trägt vor:
Ihm stehe aufgrund des Inhalts des Schreibens vom 25. November 2002 der Hauptgewinn von 12.000,--
EUR zu. Die in dem Schriftstück gewählte Formulierung sei eindeutig und habe ihn als Hauptgewinner
benannt, sodass nach den Regeln der Logik eine Gewinnentscheidung vor Zusendung des Schreibens
bereits gefallen sein müsse.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 12.000,-- EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit 20. Februar 2003 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte macht geltend:
Aus dem Inhalt des Dokuments ergäbe sich, dass der Kläger mittels eines Schecks-Abruf-Scheines über
12.000,-- EUR an einem Gewinnspiel habe teilnehmen können. Aus diesem Grund sei der Kläger auch
aufgefordert worden, hier weitere Schritte zu unternehmen. Auch in ihren Gewinn-Bedingungen sei darauf
hingewiesen worden, dass zu den Spielregeln gehöre, dass jeder Teilnehmer einen Scheck-Abruf-Schein
über 12.000,-- EUR ausgefüllt und unterschrieben vor Einsendeschluss habe zurückschicken müssen, um
die Scheck-Abruf-Schein-Nummer des jeweiligen Teilnehmers mit der vorab gezogenen Gewinn-Scheck-
Abruf-Schein-Nummer überprüfen zu können. Aus diesen Gewinnbedingungen sei also deutlich
geworden, dass der Kläger noch nicht gewonnen habe, sondern erst im Falle der Übereinstimmung seiner
persönlichen Nummer mit der im Rahmen der Vorabziehung ermittelten Gewinnnummer. Da dies nicht der
Fall gewesen sei, sei ein Anspruch für den Kläger auch nicht entstanden. Ferner sei im Hinblick auf die
Prüfung nach § 661 a BGB der Begriff des Verbrauchers dahingehend auszulegen, dass der zugrunde
liegende Verbraucher hinreichend misstrauisch und durchschnittlich aufgeklärt sein müsse. Wenn der
Verbraucher - wie hier der Kläger - auf buntem Papier, unterstützt mit vielen Werbeangeboten, ein für
Jedermann erkennbares Werbebrieflein erhalte, es sich also um einen Versandhandelskatalog mit
verschiedenen Waren des täglichen Bedarfes handele, müsse dies den Verbraucher
misstrauisch machen, was die übrigen Inhalte dieser Übermittlung betreffe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die wechselseitigen vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Landgericht Kaiserslautern international und örtlich zuständig.
Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ergibt sich aus Artikel 15, 16 Abs. 1 der
Verordnung des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von
Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000 (im Folgenden: EuGVVO), die in
den Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft Deutschland und Frankreich am 1. März 2002 in
Kraft getreten ist. Grundsätzlich sind natürliche Personen, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines
Vertragsstaates der EuGVVO haben, vor den Gerichten dieses Staates zu verklagen (Artikel 2 Abs. 1
EuGVVO); Entsprechendes gilt für Gesellschaften und juristische Personen, die ihren Sitz in dem
Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates haben (Artikel 2 Abs. 1 i. V. m. Artikel 60 Abs. 1 EuGVVO).
Abweichend von dieser Regel können in einem Vertragsstaat ansässige (natürliche oder juristische)
Personen vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaates verklagt werden, wenn dort einer der in Artikel
5 ff. EuGVVO genannten Wahlgerichtsbestände besteht (Artikel 3 Abs. 1 EuGVVO). Vorliegend kann die in
Frankreich ansässige Beklagte vor einem deutschen Gericht verklagt werden, weil in der Bundesrepublik
Deutschland die internationale Zuständigkeit für Verbrauchersachen (Artikel 15, 16 Abs. 1 EuGVVO)
begründet ist.
Für Klagen aus einem Vertrag, den eine Person zu einem Zweck abgeschlossen hat, der nicht der
beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person (Verbraucher) zugerechnet werden kann, bestimmt
sich die Zuständigkeit nach den Artikeln 15 ff. EuGVVO für "andere Verträge" (als Teilzahlungskauf oder
Darlehen), wenn sie die Lieferung beweglicher Sachen zum Gegenstand haben, sofern dem
Vertragsschluss in dem Staat des Wohnsitzes des Verbrauchers ein ausdrückliches Angebot oder eine
Werbung vorausgegangen ist und der Verbraucher in diesem Staat die zum Abschluss des Vertrages
erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen hat. Es handelt sich bei dieser Zuständigkeit um einen
Sonderfall des Gerichtsstandes des Erfüllungsortes nach Artikel 5 Nr. 1 EuGVVO, der sich allgemein auf
Klagen aus Vertrag bezieht. Die in Artikel 15 EuGVVO verwendeten Begriffe sind autonom auszulegen,
wobei in erster Linie die Systematik und die Zielsetzung der Verordnung zu berücksichtigen sind, um
dessen volle Wirksamkeit zu sichern (EuGH NJW 2002, 2697). Im Hinblick darauf kann die auf eine
Gewinnzusage im Sinne des § 661 a BGB gestützte Klage als Klage aus einem Verbrauchervertrag
angesehen werden.
Zwar handelt es sich bei der Gewinnzusage im Sinne des § 661 a BGB nicht um einen Vertrag; die
Gewinnmitteilung begründet allein durch ihren Zugang kraft Gesetzes eine einklagbare, einseitig
schuldrechtliche Verpflichtung des Mitteilenden gegenüber dem Mitteilungsempfänger. Eine Annahme
oder eine Mitwirkungshandlung des Verbrauchers ist nicht erforderlich (vgl. BGH NJW 2003, 426; Lorenz,
NJW 2000, 3305, 3307; Palandt/Sprau, BGB, 62. Aufl., § 661 a Randnr. 1). Damit sind Gewinnmitteilungen
im Sinne des § 661 a BGB als geschäftsähnliche Handlungen anzusehen. Die vertragliche Natur des
Klageanspruchs kann auch nicht aus einer untrennbaren Verbindung zwischen der Gewinnzusage und
einer etwaigen Warenbestellung hergeleitet werden (vgl. EuGH, a.a.O., 2699). Der Kläger hat bei der
Absendung seines Scheck-Abruf-Scheins keine Waren bei der Beklagten bestellt, sodass die
Gewinnzusage nicht Teil des Verbrauchergeschäfts war.
Die an Kläger gerichtete Gewinnbenachrichtigung der Beklagten zielte jedoch auf eine
Vertragsanbahnung. Der Kläger sollte hierdurch veranlasst werden, bei der Beklagten - wie bereits zuvor -
Waren zu bestellen. Die Gewinnmitteilung war zusammen mit dem Versandhandelskatalog der Beklagten
übersandt worden, was letztlich einer Aufforderung der Beklagten gleichkommt, ihre Angebote auch zu
nutzen. Die Gewinnbenachrichtigung der Beklagten war einer angebotenen Warenbestellung somit nur
vorgeschaltet, um den Kaufentschluss des Verbrauchers zu fördern. Die Gewinnzusage stellte daher eine
typische Vorstufe eines Verbrauchergeschäfts der vorliegenden Art dar. Dies rechtfertigt es, die
Zuständigkeitsvorschriften nach Artikel 15, 16 Abs. 1 EuGVVO anzunehmen.
Artikel 16 Abs. 1 EuGVVO regelt allerdings nur die internationale Zuständigkeit, sodass die örtliche
Zuständigkeit des angerufenen Gerichts vom nationalen Recht bestimmt wird. Sofern in den Ver-
brauchersachen des Artikel 15 EuGVVO kein allgemeiner Gerichtsstand nach §§ 12 - 18 ZPO eröffnet ist
und auch §§ 29, 29 c ZPO nicht eingreifen, fehlt es an einer ausdrücklich normierten örtlichen
Zuständigkeit, da dem deutschen Recht ein allgemeiner Verbrauchergerichtsstand unbekannt ist (KG NJW
2000, 2283, 2284). Soweit die Verordnung nur die internationale Zuständigkeit eines Vertragsstaates
bestimmt und die Festlegung des örtlich zuständigen Gerichts dem autonomen Zuständigkeitsrecht dieses
Staates überlässt, muss der von der Verordnung für international zuständig erklärte Vertragsstaat ein
örtlich zuständiges Gericht zur Verfügung stellen, um der Pflicht zur Justizgewährung Rechnung zu tragen.
Dies gebietet eine analoge Anwendung der Zuständigkeitsregelung nach § 29 c ZPO, nach der Klagen
aus Haustürgeschäften beim Wohnsitzgericht des Verbrauchers anhängig gemacht werden können. Sinn
und Zweck der Sonderregelungen für Verbraucherverträge in der EuGVVO liegt darin, die schwächere
Partei durch Einräumung von Wahlgerichtsständen zu schützen. Dem rechtlich unerfahrenen
Vertragspartner soll die gerichtliche Wahrnehmung seiner Rechte erleichtert werden. Daraus folgt für die
örtliche Zuständigkeit, dass der Verbraucher seinen Anspruch möglichst vor dem für ihn am leichtesten
zugänglichen Gericht geltend machen kann. Dies ist gewöhnlich das Gericht an seinem Wohnort (vgl.
Zöller/Geimer, ZPO, 23. Aufl., Artikel 15 ff. EuGVVO, Randnr. 11 m.w.N.).
II.
Die Klage ist auch begründet.
Die Beklagte hat an den Kläger 12.000,-- EUR zu zahlen, § 661a BGB.
Die gesamte Geschäftsbeziehung, die durch die Zusendung des Gewinn-Abruf-Scheins an den Kläger
und dessen Rücksendung zustande gekommen ist, unterliegt dem deutschen materiellen Recht. Die Par-
teien haben jedenfalls im Prozess deutsches Recht gewählt, indem sie ihrem Vortrag übereinstimmend
deutsches Recht zugrunde gelegt haben.
Die Beklagte hat durch die Gestaltung ihrer Zusendung den Eindruck erweckt, dass der Kläger einen Preis
gewonnen hat, und zwar einen Barpreis von 12.000,-- EUR. In drucktechnisch hervorgehobener Art wurde
der Kläger als Hauptgewinner im Bundesland Rheinland-Pfalz benannt mit dem Hinweis, dass er
nunmehr einen Scheck über 12.000,-- EUR erhalten wird. Diese Mitteilung wird noch dadurch verstärkt,
dass das Schreiben eine gesonderte Rubrik enthält mit einer Unterteilung in die Kategorien "Haupt-Preis"
und "Trost-Preis". Bei der Kategorien "Haupt-Preis" mit 12.000,-- EUR Gewinn findet sich ein angekreuztes
Kästchen mit dem Namen des Klägers. Selbst die auf der 1. Seite des Schreibens abgebildete
Länderkarte der Bundesrepublik Deutschland enthält den Vermerk: "Haupt-Preis Herr V K.". Zudem wird
auf der Rückseite des Schriftstücks darauf hingewiesen, dass "jeder Gewinner gemäß unserer
Vergabebedingungen seinen Gewinn anfordern muss, wenn er nicht unwiederbringlich seine Rechte auf
seinen Gewinn verlieren will. In diesem Fall mit seinem Scheck-Abruf-Schein". Dies ließ bei verständiger
Würdigung ebenfalls nur den Schluss darauf zu, dass der Kläger seinen Gewinn lediglich noch anfordern
müsse.
Der Eindruck eines bereits erzielten Gewinns wird auch nicht durch den Inhalt der Gewinn-Bedingungen
der Beklagten aufgehoben, wonach es sich um ein Gewinnspiel handeln soll, bei dem jeder Teilnehmer
einen Scheck-Abruf-Schein über 12.000,-- EUR nebst einer entsprechenden Nummer erhält und erst bei
Übereinstimmung mit einer vorab gezogenen Scheck-Abruf-Schein-Nummer als Gewinner feststeht. Aus
der Sicht des Klägers war der Gewinn - zumindest regional für das Bundesland Rheinland-Pfalz - bereits
ermittelt, was sich aus den zahlreichen Hinweisen auf der Vorderseite des Schriftstücks ergab. Mit keinem
Wort hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass hier nur die Möglichkeit eines Gewinns bestand. Dem
entgegen enthielt das Schreiben gar die Angaben desjenigen, der den Trostpreis von 200,-- EUR
gewonnen haben soll. Auch dies vermittelte den Eindruck, dass das Gewinnspiel bereits beendet war.
Der Zinsanspruch des Klägers resultiert aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 S. 1 und 2 ZPO.
(gez.Leube)
Ausgefertigt:
Amtsinspektorin