Urteil des LG Itzehoe vom 02.04.2017

LG Itzehoe: treu und glauben, abrechnung, wirtschaftliches interesse, vermieter, druck, haus, form, bewirtschaftung, quelle, ermessen

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Gericht:
LG Itzehoe 9.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 S 61/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 273 BGB
Nebenkostenvorauszahlung: Zurückbehaltungsrecht bei
inhaltlich mangelhafter Abrechnung geleisteter
Vorauszahlungen; Einwand der Nichtnachvollziehbarkeit
einer Abrechnung
Tenor
Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten auferlegt.
Gründe
I.
Mit der Klage hat die Klägerin Nebenkostenvorauszahlungen in Höhe von 160 €
monatlich für die Zeit von September bis Dezember 2004 geltend gemacht.
Die Beklagten haben die Vorauszahlungen zurückgehalten mit der Begründung,
die für das Jahr 2003 erteilte Abrechnung vom 12.07.04 sei formell nicht
ordnungsgemäß.
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Abrechnung sei formell
ordnungsgemäß; soweit inhaltliche Mängel gegeben seien, sei die
Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts nach § 242 BGB ausgeschlossen,
denn die Vorauszahlungen sollten dem Vermieter die Bewirtschaftung des
Mietobjekts ermöglichen. Dieser Zweck würde vereitelt, wenn der Mieter von
seinem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch machte.
Die Beklagten haben gegen dieses Urteil form- und fristgerecht Berufung
eingelegt.
Im Berufungsrechtszug ist am 12.08.05 die Nebenkostenabrechnung für das Jahr
2004 erteilt worden.
Daraufhin haben beide Parteien der Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt
erklärt und wechselseitig Kostenanträge gestellt.
II.
Nachdem die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt
haben, war über die Kosten gemäß § 91a ZPO unter Berücksichtigung des Sach-
und Streitstands nach billigem Ermessen zu entscheiden.
Mit Recht allerdings beanstanden die Beklagten die Begründung des Amtsgerichts
in so weit, als dieses den Mietern bei Vorliegen einer formell ordnungsgemäßen
aber inhaltlich mangelhaften Abrechnung aus Treu und Glauben ein
Zurückbehaltungsrecht abspricht. Der Mieter hat einen Anspruch auf Erteilung
einer ordnungsgemäßen Abrechnung der von ihm geleisteten
Nebenkostenvorauszahlungen. Wird eine solche Abrechnung nicht erteilt, so hat er
im laufenden Mietverhältnis wegen des fälligen Anspruchs gemäß § 273 BGB ein
Zurückbehaltungsrecht an den laufenden Vorauszahlungen, um Druck auf den
Vermieter auszuüben, damit dieser die geschuldete Abrechnung erteilt.( BGH
29.03.06 AZ VIII ZR 191/05) Dabei kann es grundsätzlich keinen Unterschied
machen, ob der Vermieter keine Abrechnung erteilt hat, ob er eine Abrechnung
mit schweren Mängeln erteilt hat, wie sie dem BGH in der zitierten Entscheidung
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mit schweren Mängeln erteilt hat, wie sie dem BGH in der zitierten Entscheidung
vorlag, oder ob er eine Abrechnung mit weniger schweren Mängeln vorgelegt hat.
Der Anspruch des Mieters besteht an einer vertragsgerechten Abrechnung und bis
dahin steht ihm grundsätzlich ein Zurückbehaltungsrecht zu.
Allerdings ist die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts an Treu und Glauben
gebunden. Dabei ist das wirtschaftliche Interesse des Mieters an einer richtigen
Abrechnung gegenüber dem Interesse des Vermieters, mit den Vorauszahlungen
sein Eigentum weiter bewirtschaften zu können abzuwägen. Ein wirtschaftliches
Interesse des Mieters an einer vertragsgerechten Abrechnung entfällt
grundsätzlich nicht schon dann, wenn er kein Guthaben zu erwarten hat, denn der
Mieter hat auch ein Interesse daran, zu wissen, wie hoch eine eventuelle
Nachforderung des Vermieters allenfalls sein kann, um sich auf die korrekte Höhe
der Nachzahlung wirtschaftlich einrichten zu können. Um Druck auszuüben, kann
der dreifache Betrag des dargelegten Vermögensinteresses in Betracht kommen.
Da vorliegend nur vier Vorauszahlungsbeträge einbehalten sind, stellt sich die
Frage des Umfangs des Zurückbehaltungsrechts nicht entscheidend.
Im Ergebnis wären die Beklagten mit der Berufung jedoch unterlegen, denn die
Abrechnung ist nicht fehlerhaft.
Die Klägerin hat nach Wirtschaftseinheit abgerechnet, obwohl sie nach dem
Vertrag eine Nebenkostenabrechnung für das Haus ... 58 schuldete. Eine
Abrechnung nach Wirtschaftseinheit war nicht von vorn herein vereinbart, denn der
Hinweis im Vertrag „ BV 56017“ ist unklar und für den Mieter nicht verständlich.
Die Klägerin hat jedoch schon mit Schriftsatz vom 12.08.05 vorgetragen, dass die
Beklagten seit Mietbeginn im Jahre 1999 die Abrechnungen die jeweils
überschrieben sind mit „ Betriebskostenabrechnung für die Wirtschaftseinheit
10056 ... 58 - 62“ hingenommen haben. Darin liegt der schlüssige Vortrag, dass
die Beklagte in den zurückliegenden vier Jahren eine Abrechnung nach
Wirtschaftseinheit nicht beanstandet haben. Auf diesen Schriftsatz haben die
Beklagten am 26.11.05 erwidert, ohne diesen Vortrag zu bestreiten. Damit war
von einer schlüssigen Vereinbarung des Abrechnungsschlüssels auszugehen. Die
Klägerin durfte darauf vertrauen, dass die Beklagten dagegen keine Einwände
mehr erheben würden (BGH 07.04.2004 AZ VIII ZR 146/03).
So weit die Beklagten im Berufungsrechtszug in der mündlichen Verhandlung vom
28.07.06 abweichendes vorgetragen haben, ist der Vortrag verspätet und, weil
verzögernd, nicht mehr zuzulassen.
Soweit die Beklagten vorgetragen haben, dass der Energieanteil für Warmwasser
nicht nachvollziehbar berechnet sei, führt der Einwand nicht dazu, die Abrechnung
als nicht vertragsgerecht anzusehen. Der Bundesgerichtshof hat in seiner
Entscheidung vom 20.07.05 AZ VIII ZR 371/04 die Abrechnung für vertragsgerecht
gehalten - entgegen früherer Entscheidungen der Kammer, die sich nunmehr der
Ansicht des Bundesgerichtshofs anschließt-. .Rechnet ein Vermieter so ab, wie es
der Oberste Gerichtshof für vertragsgerecht hält, kann der Mieter dem nicht mit
dem Einwand begegnen, die Abrechnung sei nicht nachvollziehbar und deshalb
nicht vertragsgerecht.
Soweit die Beklagten in erster Instanz bemängelt habe, die Kosten für das
Parkdeck seien nicht nachvollziehbar ausgewiesen, greift dieser Einwand nicht, weil
er nicht von Tatsachen getragen ist. Welche Kostenpositionen überhaupt betroffen
sein könnten ist nicht dargelegt.
Die gemeinsame Abrechnung verschiedener Versicherungen, die die Beklagten
erstinstanzlich beanstandet haben, hat die Klägerin in erster Instanz erläutert. Der
Einwand ist nicht wieder aufgegriffen worden.
Die Beklagten beanstanden im Berufungsrechtszug erstmalig, dass auch Wasser
und Abwasser in einer Position zusammengefasst sind.
Die Beanstandung erfolgt zu spät, die Beklagten sind damit gemäß § 556 Abs.
Satz 5 BGB ausgeschlossen.