Urteil des LG Itzehoe vom 02.04.2017

LG Itzehoe: firma, kurs, investition, papiere, erwerb, fonds, genussschein, rückabwicklung, anlageberatung, expertise

1
Gericht:
LG Itzehoe 7.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 O 218/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 37a WpHG, § 280 Abs 1 BGB
Neuer Anlageberatungsvertrag durch Empfehlung zum
Halten von Wertpapieren.
Leitsatz
Die Entscheidung, bereits erworbene Wertpapiere nicht zu veräußern, sondern weiter zu
halten, steht bei wirtschaftlicher Betrachtung einer Erwerbsentscheidung gleich. Gibt
der Anlageberater eine Empfehlung zum Halten oder Verkauf eines Papieres ab,
kommt in gleicher Weise stillschweigend ein Anlageberatungsvertrag zustande wie beim
Erwerb eines Papieres. Im Fall von Beratungsfehlern kann der Anleger, der die Papiere
hält, verlangen, so gestellt zu werden, als hätte er die Papiere unmittelbar nach dem
Beratungsgespräch veräußert. Bei Kursrückgängen besteht ein
Schadensersatzanspruch nur in Höhe der Erlöse, die bei unverzüglicher Veräußerung
(noch) erzielt worden wären.
Tenor
1.) Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 41.938,44 € nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 21. Juni 2009 zu zahlen, Zug
um Zug gegen Rückübertragung folgender Wertpapiere:
a. Inh.Teilschuldverschreibung .... 2006 (2014), ..., nominal 20.000,00 €;
b. Genussschein der ..., ..., nominal 16.000,00 €
c. Inhabergenussscheine ...2005 (unbegrenzt), ..., nominal 5.000,00 €
d. Inhabergenussschein ..., nominal 5.700,00 €.
2.) Es wird festgestellt, dass die Beklagte sich mit der Rücknahme der in Ziffer 1
genannten Wertpapiere im Annahmeverzug befindet.
3.) Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Kläger vorgerichtliche
Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.878,30 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 15. Oktober 2009 zu zahlen.
4.) Hinsichtlich des weiter geltend gemachten Schadens sowie der weiteren
Rechtsverfolgungskosten wird die Klage abgewiesen.
5.) Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger 10 %, die Beklagte 90 %.
6.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110
% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
Die klagenden Eheleute nehmen das beklagte Wertpapierhandelshaus auf
Schadensersatz wegen behaupteter Verletzung eines Anlageberatungsvertrages
in Anspruch. Die Beklagte, ein Wertpapierhandelshaus, betreibt gewerbsmäßig
Anlageberatung und ist im Besitz einer entsprechenden Erlaubnis nach dem
Wertpapierhandelsgesetz. Sie bietet in Zusammenarbeit mit einem Kreditinstitut,
der ..., u.a. hochverzinsliche Tagesgeldkonten sowie Anlageberatung und
Vermögensverwaltung an. Die Kläger standen mit der Beklagten in laufender
Geschäftsbeziehung wegen der Anlage von Geldbeträgen.
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
In einem Telefonat vom 20.12.2005 wurde der Risikoanalysebogen, den die
Beklagte für ihre Kunden erheben musste, aktualisiert (Anlage B 1, Bl. 43 d. A.).
Dabei stufte sich der Kläger in die Risikostufe 4 ein. Diese wird beschrieben mit den
Worten:
Die nächst höhere Risikoklasse, in die der Kläger sich nicht eingruppierte, wäre die
Risikoklasse 5 gewesen.
Diese ist wie folgt beschrieben:
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Risikoanalysebogen (Anlage B1, Bl.
43 d.A.) Bezug genommen. In dem Telefonat äußerte der Berater der Beklagten,
ein Totalverlustrisiko gebe es nur in Stufe fünf.
Nach einem Telefonat mit einem Berater der Beklagten erwarben die Kläger
zunächst am 22. März 2006 Genussscheine der Firma ... ... im Umfang von
nominal 10.000,00 €. Hierfür entstanden ihnen Kosten in Höhe von 10.251,00 €
(Anlage K 10, Bl. 27 d. A.). Am 16.05.2006 verkauften sie einen Teilbetrag von
nominal 5.000,00 € dieser Wertpapiere. Hierdurch flossen ihnen Verkaufserlöse in
Höhe von 5.254,61 € wieder zu (Anlage K 11, Bl. 28 d. A.). Die restlichen nominal
5.000,00 € halten die Kläger weiterhin im Depot. Hierauf flossen ihnen
Ausschüttungen für die Jahre 2006 und 2007 in Höhe von jeweils 425,00 € zu (Bl.
57 d. A.).
Nach einem weiteren Telefonat mit einem Berater der Beklagten betreffend
Genussscheine der Firma ... ..., in welchem die Chancen und Risiken dieser Anlage
erörtert wurden, erwarben die Kläger am 5. September 2006 diese Genussscheine
im Umfang von nominal 5.700,00 €. Hierfür entstanden ihnen Aufwendungen in
Höhe von insgesamt 6.048,08 € (Anlage K 12, Bl. 29 d. A.). Sie erhielten hierauf
Ausschüttungen in den Jahren 2007, 2008 und 2009 in Höhe von jeweils 541,50 €
(Bl. 57 d. A.). Die Wertpapiere halten sie weiterhin.
Nach einem Anruf durch einen Berater der Beklagten, in dem dieser den Klägern
die Inhaberschuldverschreibung der Firma ... (...) empfahl ..., erwarben die Kläger
am 19. März 2007 vorgenannte Anleihen im Umfang von nominal 20.200,00 € zum
Kurs von 99%. Hierfür entstanden ihnen Kosten in Höhe von 20.211,94 € (Anlage K
1, Bl. 7 d. A.). Sie erhielten Ausschüttungen in Höhe von 909,00 € im Rahe 2007
und zwei Mal 909,00 € im Jahre 2008 (Bl. 58 d. A.). Die Wertpapiere halten sie
weiterhin.
Nach einem weiteren Telefonat vom 22. Januar 2008 mit einem Berater der
Beklagten erwarben die Kläger am 24.01.2008 Genussscheine der ..., der
Muttergesellschaft der Beklagten ... im Umfang von nominal 16.000,00 € zum Kurs
von 104,50 %. Hierfür entstanden ihnen Aufwendungen in Höhe von 16.803,60 €
(Anlage K 13, Bl. 30 d. A.). Sie erhielten eine Ausschüttung im Jahre 2008 in Höhe
von 1.360,00 € (Bl. 58 d. A.).
In dem Telefonat vom 22. Januar 2008, das auf einen Anruf des Klägers
zurückging, fragte dieser den Berater der Beklagten zu sämtlichen von ihm
gehaltenen Anlagen, was der Berater ihm rate. Der Berater riet, die Anlagen
weiterhin zu halten. Was die Genussscheine der Firma ... angehen, würden diese
ausschütten und die Kurse deutlich anziehen. Auch bei den Genussscheinen der
Firma ... bestehe kein Problem. Bei der Anleihen der Firma ... sei zu
berücksichtigen, dass es sich um eine Beteiligungsgesellschaft handele. Die
Emittentin sei ein gutes Unternehmen, das noch nie Probleme gehabt habe und
von „den Immobiliensachen“ nicht berührt sei.
Weiter hatte der Kläger bereits zu diesem Zeitpunkt Fondsanteile des Fonds ...
erworben, deren Kurs zurückgegangen war. Dazu riet der Berater dem Kläger, aus
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
erworben, deren Kurs zurückgegangen war. Dazu riet der Berater dem Kläger, aus
diesem Fonds auszusteigen und das Geld in Genussscheinen der ... „zu parken“.
Der Kurs des Genussscheines steige jetzt bis zur Ausschüttung spätestens im
Sommer kontinuierlich an. Es sei ein Anstieg von insgesamt 4 % zu erwarten bis
zum Sommer, das entspreche 0,8 % pro Monat. Das Geld aus dem Fonds ... solle
dort geparkt werden, bis es mit dem Fonds wieder aufwärts gehe. Dann gebe der
Berater den Klägern Bescheid.
Unstreitig ist es im Nachhinein zu einem Anruf, dass das Kapital wieder anders
investiert werden sollte, nicht gekommen.
Hinsichtlich des Erlöses, den die Kläger bei einer Veräußerung ihrer Wertpapiere
am 22.1.2008 hätten erzielen können, sind folgende Beträge zugrunde zu legen:
1. Genussscheine der Firma ..., ..., nominal 5.000,00 €: 4.345,00 €
2. Genussscheine der Firma ..., ..., nominal 5.700,00 €: 5.671,50 €
3. Anleihen der Firma ..., ..., nominal 20.200,00 €: 19.695,00 €
Unstreitig ist über das Vermögen der Firma ... das Insolvenzverfahren eröffnet
worden. Die Genussscheine der Firma ... und ... sowie ... notieren noch bei
Bruchteilen ihres ursprünglichen Wertes, so die Genussscheine der Firma ... per
31. März 2009 mit einem Kurs von 10 %, die Genussscheine der Firma ... per 31.
März 2009 bei einem Kurs von 20 %, die Genussscheine der Firma ... mit einem
Kurs per 31. März 2009 von 14 % (Anlage K 14, Bl. 9 d. A.).
Die Kläger sind der Ansicht, von der Beklagten fehlerhaft beraten worden zu sein.
Sie behaupten, bei zutreffender Beratung über die Risiken der Anlagen hätten sie
diese Anlagen nicht erworben. Bei zutreffender Beratung im Telefongespräch vom
22.1.2008 über die Risiken der Beratung hätten sie die Wertpapiere unverzüglich
verkauft.
Durch Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 4.6.2009 nahmen die Kläger
die Beklagte auf Rückabwicklung der vorgenannten Investitionen in Anspruch.
Hierdurch entstanden ihnen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 2.015,38 €
(1,3fache Geschäftsgebühr zuzüglich 0,3 fachen Erhöhungsgebühr nach einen
Gegenstandswert von 46.900 € zuzüglich Kostenpauschale (20 €) und
Umsatzsteuer).
Die Kläger beantragen,
1.) die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger als Gesamtgläubiger den Betrag in
Höhe von 44.148,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 21. Juni 2009 zu zahlen, Zug um Zug gegen
Rückübertragung von:
nominal 20.000,00 €, ...
nominal 16.000,00 €, ...
nominal 5.000,00 €, ...
nominal 5.700,00 €, ...
festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme der in Ziffer 1
genannten Wertpapiere im Verzug befindet, die Beklagte zu verurteilen, an die
Kläger vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 2.015,38 € nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, ein Anlageberatungsverschulden liege nicht vor. Ausweislich
des Risikoanalysebogens vom 20.12.2005 (Anlage B 1, Bl. 43 d. A.) seien die
Kläger geschäftserfahren und hätten insbesondere Erfahrung im Bereich
festverzinslicher Wertpapiere sowie von Aktien, Aktienfonds und Genussscheinen.
Bei der Risikoklasse 4, in die sich die Kläger eingestuft hatten, handele es sich um
die Risikoklasse „spekulativ“ mit einer hohen Risikobereitschaft. Die Einstufung
hätten die Kläger später mit dem Risikoanalysebogen vom 6.12.2007 (Anlage B 2,
Bl. 44 d. A.) bestätigt.
29
30
31
32
33
34
35
Hinsichtlich der Erwerbsvorgänge vom 22.3.2006 (...) und vom 5.9.2006 (...
Grundbesitz ...) hat die Beklagte weiter die Einrede der Verjährung erhoben.
Spätestens im November 2007 seien die Kläger auch ausdrücklich und schriftlich
über die Risiken der Wertpapiergeschäfte und einen stets möglichen Totalverlust
aufgeklärt worden (Anlage B 4, Bl. 47 d. A.).
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und das
Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14. Juni 2010 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist im Wesentlichen begründet.
1. Was die am 22.3.2006 erworbenen Genussscheine der Firma ... (nominal
10.000,00 €) angeht, kommt es auf ein etwaiges Verschulden im Rahmen eines
etwaigen Anlageberatungsvertrages bei Telefongesprächen über den Erwerb im
Jahre 2006 nicht an. Ein etwaiges Verschulden der Beklagten wäre jedenfalls
gemäß § 37a WpHG a.F. verjährt.
Nach § 37a WpHG a.F. verjährt der Anspruch des Kunden gegen ein
Wertpapierdienstleistungsunternehmen auf Schadensersatz wegen Verletzung der
Pflicht zur Information und wegen fehlerhafter Beratung im Zusammenhang mit
einer Wertpapierdienstleistung oder Wertpapiernebendienstleistung in drei Jahren
von dem Zeitpunkt an, in dem der Anspruch entstanden ist. Die Beklagte war
Wertpapierdienstleistungsunternehmen. Sie betrieb u.a. auch
Vermögensverwaltung, welche gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 6 WpHG a.F. bereits im Jahr
2006 als echte Wertpapierdienstleistung eingestuft war, sowie gewerbsmäßige
Anlageberatung in Finanzinstrumenten, welche zum damaligen Zeitpunkt gemäß §
2 Abs. 3a Nr. 3 WpHG a.F. als Wertpapiernebendienstleistung eingestuft war. Sie
war daher bereits nach § 2 Abs. 4 WpHG Wertpapierdienstleistungsunternehmen.
Ein etwaiger Anspruch aus einem dem Erwerb vorangegangenen
Beratungsgespräch wäre mit Erwerb der Papiere am 22.3.2006 entstanden. Zum
Zeitpunkt des Eingangs der Klage am 25.9.2009 war die dreijährige
Verjährungsfrist bereits abgelaufen. Nicht verjährt wären lediglich Ansprüche, die
nicht auf einem fahrlässigen, sondern auf einem vorsätzlichen
Beratungsverschulden beruhen würden. Derartiges ist nicht vorgetragen.
Über diese Genussscheine ist allerdings mit dem Telefonat vom 22.1.2008 ein
(weiterer) Anlageberatungsvertrag geschlossen worden. Indem der Kläger den
Berater der Beklagten fragte, was dieser ihm zu den Anlagen, die der Kläger über
die Beklagte erworben hatte, rate, d. h., ob diese gehalten werden oder verkauft
werden sollten, nahm er (erneut) die Expertise der Beklagten, für diese erkennbar,
für eine wirtschaftliche Investitionsentscheidung in Anspruch, nämlich zur
Entscheidung, ob die Wertpapiere zum damals erzielbaren Kurs veräußert werden
sollten oder ob man die Wertpapiere in der Hoffnung, die Kurse würden ansteigen,
weiter halten sollte. Bei wirtschaftlicher Betrachtung unterscheidet sich die Frage,
ob eine bereits getätigte Investition beibehalten oder veräußert werden soll, nicht
von der Frage, ob in Wertpapieren neu investiert werden soll. In beiden Fällen
handelt es sich um Entscheidungen über die Investition von Mitteln der Kläger. Es
kam daher durch die Frage des Klägers und die Beratung des Beraters der
Beklagten in gleicher Weise konkludent ein Anlageberatungsvertrag zustande, wie
dies der Fall wäre, wenn der Kläger den Berater der Beklagten gefragt hätte, ob
und in welche Wertpapiere er investieren soll und dafür - für die Beklagte ersichtlich
- deren Expertise in Anspruch genommen hätte. Nach ständiger
höchstrichterlicher Rechtsprechung kommt ein Beratungsvertrag regelmäßig
konkludent zustande, wenn im Zusammenhang mit der Anlage eines
Geldbetrages tatsächlich eine Beratung stattfindet (BGH Urt. v. 6.7.1993 - XI ZR
12/93, BGHZ 123, 126; BGH Urt. v. 25.9.2007 - XI ZR 320/06, BKR 2008, 199).
Erforderlich ist lediglich, dass zwischen den Parteien Klarheit besteht, dass der
Anlageinteressent die Kenntnisse und Verbindungen des Beraters für seine
Anlageentscheidung in Anspruch nehmen will (grundlegend BGH Urt. v. 04.03.1987
- IVa ZR 122/85, BGHZ 100, 117). Diese Maßstäbe gelten ebenso für die Beklagte
schon deshalb, weil sie zum Zeitpunkt der Beratung ein
Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Sinne von § 2 Abs. 4 WpHG war. Die
Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung an eine Anlageberatung
durch Kreditinstitute gelten in gleicher Form jedenfalls für alle
Wertpapierdienstleistungsunternehmen.
Die Beklagte war daher verpflichtet, den Kläger insoweit in gleicher Weise wie beim
35
36
37
38
39
Die Beklagte war daher verpflichtet, den Kläger insoweit in gleicher Weise wie beim
Erwerb eines Wertpapiers zu beraten. Diesen Pflichten hat die Aufklärung durch
den Berater der Beklagten nicht genügt. Inhalt und Umfang der Beratungspflicht
sind von einer Reihe von Faktoren abhängig, die sich einerseits auf die Person des
Kunden und andererseits auf das Anlageobjekt beziehen. Die konkrete
Ausgestaltung der Pflicht hängt entscheidend von den Umständen des Einzelfalls
ab (BGH Urt. v. 6.7.1993 - XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126; BGH Urt. v. 25.9.2007 - XI
ZR 320/06, BKR 2008, 199). Die Beratung muss anlage- und objektgerecht sein
(BGH Urt. v. 25.9.2007 - XI ZR 320/06, BKR 2008, 199). Zur objektgerechten
Beratung gehört, dass sich die Beratung in Bezug auf das Anlageobjekt auf
diejenigen Eigenschaften und Risiken bezieht, die für die jeweilige
Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können. Dabei ist
im Grundsatz über die allgemeinen wie die individuellen Risiken des Anlageobjekts
wahrheitsgemäß, richtig und vollständig aufzuklären (BGH Urt. v. 6.7.1993 - XI ZR
12/93, BGHZ 123, 126 m.weit.Nachw.; BGH Urt. v. 25.9.2007 - XI ZR 320/06, BKR
2008, 199 m.weit.Nachw). Fehlen dem Berater derartige Kenntnisse, so hat er das
dem Kunden mitzuteilen und offenzulegen, dass er zu einer Beratung z.B. über
das konkrete Risiko eines Geschäfts mangels eigener Information nicht in der Lage
ist (BGH Urt. v. 6.7.1993 - XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126). Indem der Berater im
Telefongespräch vom 22.1.2008 äußerte, die Ausschüttung auf die Wertpapiere
der Firma ... werde erfolgen und die Kurse würden deutlich anziehen, spiegelte er
eine Sicherheit vor, die tatsächlich nicht bestand. Darin liegt ein
Anlageberatungsverschulden. Dieses ist der Beklagten nach § 278 BGB
zuzurechnen.
Bei korrekter Aufklärung in diesem Telefonat hätten die Kläger die Genussscheine
unverzüglich veräußert. Bereits die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens
spricht dafür, dass die Kläger bei korrekter Beratung über die Risiken der
Genussschiene diese veräußert hätten. Steht eine Aufklärungspflichtverletzung
fest, streitet für den Anleger die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens, das
heißt, dass der Aufklärungspflichtige beweisen muss, dass der Anleger die
Kapitalanlage auch bei richtiger Aufklärung erworben hätte, er also den
unterlassenen Hinweis unbeachtet gelassen hätte (BGH Urt. v. 12.5.2009 - XI ZR
586/07, NJW 2009, 2298 m.weit.Nachw.;BGH, Urt. v. 2.3.2009 - II ZR 266/07, WM
2009, 789; BGH Urt. v. 05.07.1973 - VII ZR 12/73, BGHZ 61, 118). Das gilt
entsprechend, wenn wie vorliegend, bei der Entscheidung, ob ein Wertpapier
gehalten oder veräußert werden soll, Aufklärungsfehler geschehen. Konkrete
Anhaltspunkte dafür, dass die Kläger vorliegend bei ordnungsgemäßer Aufklärung
über das Risiko der Genussscheine diese gleichwohl gehalten hätten, hat die
Beklagte nicht vorgetragen. Im Übrigen kommt vorliegend hinzu, dass der Kläger
den Berater im Beratungsgespräch sogar explizit gefragt hatte, wie das Risiko der
Anlage aussehe. Die Frage vor dem Hintergrund der zu diesem Zeitpunkt bereits
beginnenden Finanzkrise spricht besonders dafür, dass die Kläger überlegten, die
Papiere zu veräußern, und dass das Risiko der Genussscheine für die Kläger ein
wesentlicher entscheidungsbildender Faktor war. Von daher ist vorliegend erst
recht davon auszugehen, dass die Kläger bei ordnungsgemäßer Aufklärung über
das Risiko der Genussscheine diese am 22.1.2008 veräußert hätten.
Wären die Wertpapiere der Firma ... am 22.1.2008 verkauft worden, hätten die
Kläger für die nominal noch 5.000,00 € zu einem Kurs von 86,90 % noch einen
Erlös von 4.345,00 € erzielen können. Sie haben daher den Anspruch, im
Schadensersatzwege so gestellt zu werden, als hätten sie die Wertpapiere zu
diesem Zeitpunkt veräußert und vorgenannten Erlös erzielt. Sie haben daher
hinsichtlich dieser Investition einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte in
4.345,00 €
gegenzurechnen wären, haben die Kläger auf diesen Genussschein nicht erhalten.
2. Was die am 5. September 2006 erworbenen Genussscheine ... in Höhe von
nominal 5.700,00 € angeht, gilt Vergleichbares. Etwaige Ansprüche aus einem
telefonisch geschlossenen Beratungsvertrag vor Erwerb der Wertpapiere wären,
soweit fahrlässige Pflichtverletzungen betroffen sind, jedenfalls gemäß § 37 a
WPHG a. F. verjährt . Eine vorsätzlich fehlerhafte Anlageberatung ist nicht
vorgetragen.
Auch hinsichtlich dieser Papiere ist durch das Telefonat am 22.1.2008 auf die
Frage des Klägers, was der Berater der Beklagten der Klägerin zu den Anlagen
rate, aber ein neuer Anlageberatungsvertrag zustande gekommen, hinsichtlich
dessen die Verjährungsfrist nicht abgelaufen ist. Indem der Berater der Beklagten
dem Kläger schilderte, bei der Anleihe der Firma ... bestehe kein Problem,
40
41
42
43
44
dem Kläger schilderte, bei der Anleihe der Firma ... bestehe kein Problem,
verharmloste er die Situation erheblich. Bereits wenige Monate später waren die
Genussscheine auf einen Kurs von 20 gefallen (Anlage K 4, Bl. 9 d. A.). Auch
hinsichtlich dieser Anlage spiegelte der Berater dem Kläger eine Sicherheit vor, die
er tatsächlich nicht beurteilen konnte. Darin liegt ein Anlageberatungsverschulden,
da er bei zutreffender Beratung auf dise Ungewissheit hätte hinweisen müssen.
Dieses Verschulden ist der Beklagten nach § 278 BGB zuzurechnen.
Nach dem Grundsatz aufklärungsrichtigen Verhaltens ist zu vermuten, dass die
Kläger bei korrekter Beratung über das Risiko die Wertpapiere zu diesem Zeitpunkt
verkauft hätten. Bei dem am 22.1.2008 noch zu erzielenden Kurs von 99,50 %
hätten sie einen Erlös von 5.671,50 € erzielt. Die Kläger haben einen Anspruch
gegen die Beklagte, im Schadensersatzwege so gestellt zu werden, als hätten sie
die Wertpapiere veräußert und diesen Erlös erzielt. Ihnen wären bei einer
Veräußerung am 22.1.2008 allerdings die Ausschüttungen auf diesen
Genussschein, die sie im Jahr 2008 und 2009 in Höhe von jeweils 541,50 € erhalten
haben, nicht zugeflossen. Die erhaltenen Ausschüttungen sind als anrechenbarer
Vorteil in Höhe von insgesamt 1.083 € anzurechnen.
Die Kläger haben danach hinsichtlich dieser Papiere einen
4.588,50 €.
3. Was die am 19. März 2007 erworbenen Schuldverschreibungen der Firma ...
angeht, liegt ein Beratungsverschulden bereits beim Erwerb der Wertpapiere vor.
Im Rahmen des Telefonats des Klägers mit einem Berater der Beklagten hat der
Kläger die Expertise der Beklagten für die Entscheidung über eine Investition in
Anspruch genommen. Damit ist konkludent ein Anlageberatungsvertrag zustande
gekommen. Ein Insolvenzrisiko bestand für die Emittentin, wie sich bereits daraus
ergibt, dass die Beklagte ausweislich des Beschlusses des Amtsgerichts
Charlottenburg (Anlage K 5, Bl. 10 d. A.) vom 17.6.2009 bereits 2 Jahre nach dem
Datum der Investition tatsächlich Insolvenz angemeldet hat. Die Beklagten hatten
sich ausweislich des Risikoanalysebogens (Anlage B 1) in die Risikoklasse 4
eingestuft und dabei als Risiko „starke Verluste in bestimmten Marktphasen“ in
Kauf genommen, nicht aber die Risiken der nächsthöheren Stufe 5. Ein
Totalverlustrisiko wird erst dort genannt. Dementsprechend waren sie im
Erhebungsgespräch vom 20.12.2005 auch ausdrücklich aufgeklärt worden, indem
ihnen vom Berater der Beklagten mitgeteilt worden war, einen Totalverlust gebe es
nur in Stufe 5. Bei dieser Sachlage durften die Kläger davon ausgehen, dass ihnen
aufgrund ihrer Risikoeinstufung von dem Berater nur Papiere empfohlen würden,
bei denen ein Insolvenzrisiko allenfalls rein theoretisch, praktisch aber nicht
besteht. Soweit die Beklagte vorträgt, die Kläger seien in vielfachen Gesprächen,
beginnend im November 2003, wiederholt und ausdrücklich über die Risiken der
einzelnen Wertpapiere insbesondere des Emittenten, Kurs und Ausschüttung
aufgeklärt worden, handelt es sich um allgemeine Hinweise. Dass die Kläger
konkret im Beratungsgespräch für den Erwerbsvorgang vom 19. März 2007 darauf
hingewiesen worden wären, dass bei dieser Anlage ein - nicht nur theoretisches -
Insolvenzrisiko besteht, hat die Beklagte gerade nicht vorgetragen. In Anbetracht
der ausdrücklichen Zusicherung, dass ein Totalverlust nur bei Wertpapieren der
Risikoklasse 5 eintreten könne, wäre insoweit ein mindestens entsprechend
deutlicher Hinweis des Beraters erforderlich gewesen. Dass dieser erfolgt wäre, ist
nicht vorgetragen.
Die Beklagten haben danach einen Anspruch auf Rückabwicklung dieser
Investition. Nach dem Grundsatz aufklärungsrichtigen Verhaltens ist zu vermuten,
dass die Kläger bei korrekter Beratung über das Risiko die Wertpapiere diese nicht
erworben hätten. Sie haben einen Anspruch gegen die Beklagte, im
Schadensersatzwege so gestellt zu werden, als hätten sie die Wertpapiere nicht
erworben, d.h. auf Erstattung des gezahlten Kaufpreises in Höhe von 20.211,94 €.
Die erhaltenen Ausschüttungen sind als anrechenbarer Vorteil anzurechnen. Auf
die Anleihen der ... haben die Kläger im Jahr 2008 zwei Mal je 909 € erhalten, im
Jahr 2009 ein Mal 909 €, insgesamt 2727 €. Per Saldo ergibt sich ein Schaden von
17.484,94 €
Im Übrigen ist auch hinsichtlich dieses Wertpapiers durch das Telefonat vom
22.1.2008 ein zweiter Anlageberatungsvertrag zustande gekommen, bei dem
ebenfalls ein Beratungsverschulden vorliegt. Indem der Berater der Beklagten
äußerte, bei der Firma ... handele es sich um ein gutes Unternehmen, das noch
nie Probleme gehabt habe und von der Immobilienkrise nicht berührt sei, hat er
die Zukunftsaussichten ebenfalls unrichtig eingeschätzt. Tatsächlich war die Firma
45
46
47
48
49
50
51
52
die Zukunftsaussichten ebenfalls unrichtig eingeschätzt. Tatsächlich war die Firma
... als Beteiligungsgesellschaft zu diesem Zeitpunkt von der heraufziehenden
Finanzkrise erheblich betroffen, wie die Insolvenzeröffnung gut 1 Jahr später zeigt.
Dass er tatsächlich nicht beurteilen konnte, ob und inwieweit die ... von der Krise
berührt sein würde, hätte der Berater der Beklagten mitteilen müssen. Bei einer
Veräußerung der Wertpapiere am 22.1.2008 hätten die Kläger noch einen Kurs von
97,50 erzielen können, ihren Verlust mithin auf 516,94 € begrenzen können.
Hierauf kommt es aber nicht an, nachdem die Kläger bereits deshalb, weil das
Papier ihrer Risikoklasse nicht entsprach, einen Anspruch auf Rückabwicklung der
gesamten Investition haben.
4. Was die Genussscheine der ..., der Muttergesellschaft der Beklagten, angeht,
welche die Kläger aufgrund des Telefonats vom 22.1.2008 im Umfang von nominal
16.000,00 € am 24.1.2008 erworben haben, ist das Telefonat vom 22.1.2008
ebenfalls als Anlageberatungsvertrag zu werten. Der Kläger hatte mit dem Berater
der Beklagten besprochen, wie mit den Anteilen im Fonds ..., dessen Kurs
nachgegeben hatte, umgegangen werden solle. Der Berater der Beklagten hatte
einen Verkauf der Fondsanteile und eine Investition in die Genussscheine der
Muttergesellschaft der Beklagten empfohlen und dabei die Kursentwicklung noch
einmal geschildert. In der Gesamtzusammenfassung hat der Kläger damit
ersichtlich die Expertise der Beklagten in Anspruch genommen, um eine
wirtschaftliche Disposition zu treffen, was für die Beklagte auch erkennbar war. Ein
Anlageberatungsvertrag ist damit stillschweigend geschlossen worden.
Über Risiken der Investition in den Genussschein der Muttergesellschaft der
Beklagten ist in dem Gespräch nicht aufgeklärt worden. Der Berater begnügte sich
insoweit mit dem Hinweis, dass die ... vor 5 Monaten mit dem Rating A- geratet
worden sei. Nach der vereinbarten Anlagestrategie sollte der Genussschein für
einen Zeitpunkt bis zum Sommer, etwa 5 Monate, gehalten werden. Der Berater
der Beklagten sagte zu, den Kläger zu informieren, wenn es sich lohne, das Geld
aus dem Genussschein wieder in den Fonds umzuschichten. Nachdem eine
entsprechende Mitteilung, dass das Geld wieder umgeschichtet werden solle, im
Nachhinein tatsächlich nicht erfolgt ist, liegt hierin ebenfalls eine Pflichtverletzung
der Beklagten, die zu einem entsprechenden Schadensersatzanspruch führt. Es ist
nämlich zu vermuten, dass die Kläger bei einer entsprechenden Mitteilung der
Beklagten, zu der sie sich verpflichtet hat, die Gelder in eine andere Anlage
umgeschichtet hätten. Am 31. August 2008, zu der eine solche Mitteilung
spätestens hätte erfolgen müssen, hätten die Kläger ausweislich Anlage K 7 (Bl. 13
d. A.) noch einen Kurs von 97 erzielen können und die Wertpapiere für einen
Betrag von insgesamt 15.520,00 € veräußern können.
Sie hätten ihren Verlust dann entsprechend begrenzen können.
Auch insoweit haben sie einen Anspruch, so gestellt zu werden, als hätte es eine
entsprechende Mitteilung der Beklagten im Zeitraum August 2008 gegeben.
Jedenfalls die Kurse, die zu dieser Zeit noch erzielbar waren, sind für die
Schadensberechnung zugrunde zu legen. Die Kläger haben danach einen
Anspruch auf Erstattung der 15.520 Euro, die sie bei einer Veräußerung per
31.8.2008 noch hätten erzielen können.
Die Kläger haben nach alledem einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung
41.938,44 €.
Verzugszinsen gemäß § 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB verlangen, nachdem sie die
Beklagte vorgerichtlich auf Rückabwicklung in Anspruch genommen haben.
Hinsichtlich des darüber hinaus geltend gemachten Teilbetrages einschließlich
Verzugszinsen war die Klage abzuweisen.
Im Gegenzug sind die von den Klägern erworbenen Wertpapiere, soweit sie nicht
zwischenzeitlich schadensmindernd veräußert wurden, zurückzugewähren. Das
Zurückbehaltungsrecht der Beklagten war mit einer entsprechenden Zug-um-Zug-
Verurteilung zu berücksichtigen.
Die Beklagte befindet sich auch mit der Rücknahme der angebotenen Wertpapiere
im Annahmeverzug, nachdem die Kläger die Beklagte vorgerichtliche auf
Rückabwicklung der Wertpapiererwerbe in Anspruch genommen haben und dabei
die Übertragung der erworbenen Wertpapiere angeboten haben.
Die vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten der Kläger sind, soweit erforderlich,
ersatzfähig. An der Angemessenheit der den Klägern in Rechnung gestellten
Geschäftsgebühr in Höhe von 1,3 nebst einer Erhöhung in Höhe von 0,3, da zwei
53
54
Geschäftsgebühr in Höhe von 1,3 nebst einer Erhöhung in Höhe von 0,3, da zwei
Anspruchsteller vertreten wurden, insgesamt 1,6, bestehen keine Bedenken. Ein
Rückabwicklungsanspruch bestand aber nur nach einem Gegenstandswert von
41.938,44 €, nicht, wie geltend gemacht, 46.900 Euro, da die Ausschüttungen,
welche die Kläger erhalten haben und welche ihnen bei korrekter Aufklärung nicht
zugeflossen wären, abzuziehen sind. Dies ergibt eine Geschäftsgebühr in Höhe
von 1.558,40 Euro. Hinzu kommen die Auslagenpauschale von 20 Euro und
Umsatzsteuer von 299,90 Euro. Insgesamt ergeben sich ersatzfähige
1.878,30 Euro.
hinausgeforderten Rechtsverfolgungskosten war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Mehrforderung war trotz
ihres geringen Anteils zu berücksichtigen, da sie einen Gebührensprung verursacht
hat.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 ZPO.