Urteil des LG Itzehoe vom 14.03.2017

LG Itzehoe: grundstück, gebäude, stand der technik, erdreich, geschlossene bauweise, haus, baustelle, eigentum, eigentümer, anbau

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Gericht:
LG Itzehoe 6.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 O 345/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 823 Abs 1 BGB, § 823 Abs 2
BGB, § 922 S 3 BGB, § 1004
BGB
Leitsatz
Es besteht kein Ausgleichsanspruch des Eigentümers eines angrenzenden
Grundstücks, wenn ein entlang der Grenze benachtbarter Grundstücke errichteter
Gebäude abgerissen und dadurch Bodenfeuchtigkeit in das Kelleraussenmauerwerk
eindringen kann.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin ist Eigentümerin des Hausgrundstücks xxx. Die Beklagte zu 1) war von
Oktober 2006 bis August 2008 und die Beklagte zu 2) ist seit dem 29. August 2008
eingetragene Grundstückseigentümerin des Nachbargrundstückes xxx. Auf dem
jetzt der Beklagten zu 2) gehörenden Gewerbegrundstück xxx wurden ab Frühjahr
2007 zunächst Abriss- und dann Bauarbeiten ausgeführt. Mit der Klage begehrt die
Klägerin Schadensersatz wegen noch auszuführender Abdichtungsarbeiten der
Außenwand ihres Hauses gegenüber beiden Beklagten sowie die Duldung von
Mangelbeseitigungsarbeiten auf dem Grundstück der Beklagten zu 2) im
Grenzbereich zum klägerischen Grundstück.
Auf dem Grundstück der Klägerin war im Jahre 1952 ein zweistöckiges
unterkellertes Mehrfamilienhaus errichtet worden. Die Außenwand zum Grundstück
xxx war dabei unmittelbar an der Grundstücksgrenze hergestellt worden. Bis zum
Jahre 1976 war auf dem angrenzenden - heute der Beklagten zu 2) gehörenden -
Grundstück keine Bebauung erfolgt. Erst im Jahr 1976 war auf dem heutigen
Grundstück der Beklagten zu 2) ein bis 2007 als Restaurant mit Kegelbahn
genutztes Gebäude errichtet worden. Auch dieses Gebäude, dass unmittelbar an
der Grenze und unmittelbar an den Baukörper des klägerischen Hauses errichtet
wurde, war unterkellert. Seit 1976 waren die Dächer beider Häuser xxx in der Weise
zusammengeführt, dass kein Wasser zwischen die jeweiligen Außenwände der
Gebäude xxx und xxx fließen konnte. Bei den jeweiligen Außenwänden der
Gebäude handelte es sich um zwei selbständig nebeneinander errichtete
Außenwände, die nicht gemeinsam genutzt wurden und an die jeweils nicht
angebaut wurde.
Im Verlaufe des Rechtsstreits ist unstreitig geworden, dass die Klägerin im Jahre
2001 sämtliche Kelleraußenwände des Gebäudes xxx - mit Ausnahme der
streitgegenständlichen südlichen Kellerwand - im Anschluss an entsprechende
Aufgrabungsarbeiten an den Außenwänden von außen gegen eindringende
Feuchtigkeit hat abdichten lassen. Die Klägerin hatte damals an den Innenseite
der Kelleraußenwände Feuchtigkeitserscheinungen festgestellt. An der
streitgegenständlichen - südlichen - Kelleraußenwand wurden - auch nicht von der
Kellerinnenseite - keine Abdichtungsarbeiten vorgenommen.
Die Beklagte zu 1), die sich mit der Erschließung und Errichtung von
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Die Beklagte zu 1), die sich mit der Erschließung und Errichtung von
Gewerbeimmobilien befasst, erwarb das angrenzende Grundstück xxx im Oktober
2006. Die Beklagte zu 1) kündigte gegenüber der Klägerin mit dem Schreiben vom
26. Februar 2007 an, dass sie beabsichtige, auf dem Nachbargrundstück ein
Fachmarktzentrum bestehend aus zwei Gebäudeteilen mit Parkplätzen zu
errichten. Aus den beigefügten Bauplänen war ersichtlich, dass das an das
Gebäude der Klägerin angrenzende Gebäude auf dem Grundstück xxx vollständig
abgerissen werden sollte und dort Parkflächen neu entstehen sollten. Die Beklagte
zu 1) beauftragte vorprozessual den Sachverständigen xxx aus xxx mit der
Sicherung des Zustandes des Hausgrundstückes der Klägerin. Der Gutachter xxx
dokumentierte den Zustand des Wohnhauses und der Nebengebäude auf dem
Grundstück der Klägerin am 06. März 2007. Wegen der Einzelheiten wird Bezug
genommen auf das Gutachten xxx, eingereicht in dem Vorprozess, Landgericht
Itzehoe, xxx.
Die Abbrucharbeiten auf dem Grundstück der Beklagten zu 1) begannen im April
2007. Im Zuge der Baumaßnahmen entstand auf dem Grundstück der Beklagten
zu 2) - bis an die Grundstücksgrenze zum Grundstück der Klägerin heran - eine
Baugrube. Die maßgeblichen Teile der Gebäude auf dem Grundstück der
Beklagten zu 1), in dem zuletzt ein Schnellimbiss und Kegelbahn betrieben worden
war, wurden bis in das Erdreich hinein abgetragen. Im Verlaufe des Rechtsstreits
ist allerdings unstreitig geworden, dass - wie es auch Lichtbilder aus der Bauphase
zeigen -, ein Teil der betonierten Sohle des früher auf dem Grundstück der
Beklagten zu 1) errichteten Gebäudes und auch ein Teil der Kelleraußenwand an
der Grenze zum Grundstück der Klägerin im Erdreich verblieben ist. Die weitere
Entfernung der Gebäudeteile unterblieb, um die Standsicherheit des Hauses auf
dem Grundstück der Klägerin nicht weiter zu gefährden. Als die Baugrube im
November 2007 auf dem Grundstück der Beklagten eröffnet war, wandte sich die
Klägerin nach sachkundiger Beratung durch den ihr bekannten Sachverständigen
xxx aus xxx auf der Baustelle an den Bauleiter der von der Beklagten zu 1)
beauftragten Baufirma. Das Gespräch fand am 13. November 2007 auf der
Baustelle statt. Die Klägerin übergab dabei an den Architekten xxx unter Hinweis
darauf, dass die Kelleraußenwand gegen eindringende Feuchtigkeit abgedichtet
werden müsse, einen Ausdruck der DIN 18195/6. Der Architekt xxx verwies auf der
Baustelle darauf, dass diese Richtlinie zur Abdichtung des Bauwerkskörpers nicht
heranzuziehen sei. Am 13. November 2007 wandte sich die Klägerin schließlich
auch mit handschriftlichem Fax (Anlage B 2, Bl. 81, 82 d.A.) an die Beklagte zu 1),
sie verlangte von dem Sachbearbeiter xxx eine Bauwerksabdichtung der
Kelleraußenwand nach DIN 18195/6. Darauf trafen sich die Klägerin und der
Bevollmächtigte der Beklagten zu 1) am 15. November 2007 auf der Baustelle.
Herr xxx erläuterte vor Ort, dass Reste der Mauer auf dem Grundstück der
Beklagten zu 1) im Erdreich verbleiben würden und lehnte eine Abdichtung der
Außenwand des klägerischen Grundstücks nach den Vorgaben der Klägerin,
Abdichtung gemäß DIN 18195/6, ab. Der Beklagten zu 1) war zu diesem Zeitpunkt
nicht bekannt, dass die Klägerin im Jahre 2001 die anderen drei Kelleraußenwände
von außen hatte abdichten lassen.
Nach November 2007 wurde die Baugrube auf dem Grundstück der Beklagten zu
1) mit Erdreich wieder verfüllt. Die Außenmauer des klägerischen Grundstücks
wurde nun im oberen Bereich im Übergang bis zur Höhe des eingebrachten
Erdreichs mit einem Bitumenanstrich versehen. Die Kelleraußenwand des
klägerischen Hauses, die sich im Erdreich befindet, wurde hingegen von dem von
der Beklagten zu 1) eingeschalteten Bauunternehmen überhaupt nicht mit
Bitumen behandelt. Die Klägerin verlangte mit dem vorprozessualen
Anwaltsschreiben vom 12. März 2008 (Anlage AS 6 der Beiakte xxx) u.a.
offenzulegen, welche Abdichtungsmaßnahmen sie an der Kelleraußenwand
tatsächlich vorgenommen habe. Sie stellte sich auf den Standpunkt, dass eine
Abdichtung gegen aufstauendes Sickerwasser nach der DIN 18195 hätte erfolgen
müssen. Die Beklagte lehnte mit dem vorprozessualen Anwaltsschreiben vom 10.
April 2008 (Anlage AS 8 der Beiakte xxx, Bl. 18, 19 d.A.) eine Abdichtung nach DIN
18195 ab und verneinte ihre Einstandspflicht. Schäden durch eindringende
Feuchtigkeit seien ausgeschlossen. Die im Erdreich verbliebenen Bauteile
bestünden im Übrigen aus WU-Beton, so dass ein Eindringen von Feuchtigkeit
ausgeschlossen sei.
Im Juni 2008 machte die Klägerin gegen die Beklagte zu 1) ein selbständiges
Beweisverfahren vor dem Landgericht Itzehoe, Az.: xxx, anhängig. In dem u.a.
geklärt werden sollte, ob die südliche Außenmauer des Gebäudes der Klägerin in
der xxx in xxx im Bereich des Kellers ausreichend gegen Feuchtigkeit geschützt
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der xxx in xxx im Bereich des Kellers ausreichend gegen Feuchtigkeit geschützt
worden war. Im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens erstellte der
Sachverständige Dipl.-Ing. xxx am 17. November 2008 sein Gutachten. Darin
gelangte er zu dem Ergebnis, dass lediglich die im Erdreich verbliebenen
Wandfragmente durch eine bituminöse spachtelbare Dichtung beschichtet worden
sei. Die bituminöse Beschichtung ist nur bis zu einer Tiefe von ca. 5 cm unter der
Oberkante des Terrains auf dem Grundstück der Beklagten ausgeführt worden.
Eine flächige Abdichtung der Wandreste auf Seiten des nachbarschaftlichen
Grundstücks wurde jedoch nicht vorgenommen.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagte zu 1) aus §§ 823 Abs. 2 i.V.m. §
1004 BGB und auch auf der Grundlage von § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog zum
Schadensersatz bzw. zum Ausgleich verpflichtet sei.
Die Klägerin steht auf dem Standpunkt, dass die von der Beklagten zu 1)
vorgenommene Beseitigung der geschlossenen Bauweise gegen das allgemeine
Rücksichtnahmegebot eines Nachbars verstoße. Die nachträgliche Beseitigung der
geschlossenen Bauweise sei in der Rechtsfolge so zu behandeln wie die
Beseitigung einer Grenzmauer oder einer Grenzeinrichtung. Derjenige, der die
geschlossene Bauweise unterbreche, sei verpflichtet, Vorkehrungen zum Schutz
an einer freigelegten Hauswand des Nachbargebäudes zu treffen, damit die
bisherige Hausabschlusswand nicht ungeschützt der Feuchtigkeitseinwirkung
ausgesetzt werde. Die Beklagte zu 1) sei Handlungsstörerin i.S.v. § 1004 BGB. Die
Klägerin behauptet dazu, die Beklagte zu 1) habe die fachgemäße Bearbeitung der
stehen gelassenen Außenwand bewusst unterlassen, da dies mit weiterem
Aufwand und Kosten verbunden gewesen wäre.
Zur Herstellung einer baulichen Situation, die den anerkannten Regeln der Technik
entspreche und mangelfrei sei, sei es erforderlich, die im Erdreich verbliebenen
Wandfragmente auf Seiten des Grundstücks der Beklagten zu 2) zu entfernen und
mit einer Abdichtung entsprechend den anerkannten Regeln der Technik zu
versehen. Sie behauptet, dass die Mangelbeseitigung nach den anerkannten
Regeln der Technik erfolgen müsse und hierfür eine kunststoffmodifizierte
Bitumendickbeschichtung geboten und anzuwenden sei.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagte zu 1) versucht habe, die von ihr
geschaffene vorhandene regelwidrige bauliche Situation zu vertuschen, indem sie
ausschließlich im Sichtbereich einen Schwarzanstrich aufgebracht und zusätzlich
behauptet habe, dass eine Vorsatzwand aus WU-Beton vorhanden sei, die das
Mauerwerk der Klägerin vor Durchfeuchtungen schützen würde, was nicht der Fall
sei.
Nach Auffassung der Klägerin ergebe sich die Verpflichtung der Beklagten zu 1)
auch aus § 7 i.V.m. § 10 Abs. 2 Nachbargesetz Schleswig-Holstein.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagte zu 2) als Rechtsnachfolgerin für
den Beeinträchtigungszustand ebenfalls einzustehen habe. Der Duldungsanspruch
folge aus § 17 Nachbargesetz, denn ohne Benutzung des Grundstücks der
Beklagten zu 2) könne die ordnungsgemäße Mangelbeseitigung nicht durchgeführt
werden. Eine Abdichtung des Kelleraußenmauerwerks von innen sei nicht
fachgerecht, das Injektionsverfahren entspreche keineswegs bereits den
anerkannten Regeln der Technik. Der Einsatz von Parafin sei in Fachkreisen
umstritten. Die traditionellen Eigenschaften des Mauerwerks könnten durch die
Injektion von Parafin dauerhaft aufgehoben werden.
Zur Höhe der Mangelbeseitigungskosten bezieht sich die Klägerin auf das
Gutachten des Sachverständigen xx vom 17. November 2008, Seiten 15 und 16.
Zu den vorgerichtlichen Anwaltskosten nimmt die Klägerin Bezug auf die Anlage K
6 (Bl. 23 d.A.).
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 5.200,00 EUR
zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.
April 2008 zu zahlen;
2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind,
jeden weiteren Schaden zu ersetzen, der der Klägerin durch die Sanierung der
südlichen Außenmauer des Gebäudes in der xxx in xxx im Bereich des Kellers
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südlichen Außenmauer des Gebäudes in der xxx in xxx im Bereich des Kellers
entstehen wird;
3. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, die Mangelbeseitigungsarbeiten der
Klägerin in der xxx in xxx im Bereich des Kellers im Rahmen der erforderlichen
Sanierungsarbeiten auf ihrem Grundstück xxx bis xxx in xxx zu dulden;
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, vorgerichtliche
Rechtsanwaltskosten in Höhe von 693,18 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-
Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (14. Januar 2010) zu
zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten sind der Auffassung, dass ihre Inanspruchnahme durch die Klägerin
schon deswegen ausscheide, weil der mangelhafte Zustand der
streitgegenständlichen Kellerwand der Klägerin zuzurechnen sei. Die
Kelleraußenwand habe zu keinem Zeitpunkt über eine ordnungsgemäße
Abdichtung verfügt und entsprechende Feuchtigkeitserscheinungen seien vor dem
Abriss nur deshalb nicht aufgetreten, weil die Kelleraußenwand aufgrund der
Nachbarbebauung vor dem Eindringen von Feuchtigkeit quasi von oben geschützt
gewesen sei.
Die Beklagten behaupten, dass die Klägerin die Beklagte zu 1) nie darauf
hingewiesen habe, dass die Kelleraußenwand ihres Hauses nicht ordnungsgemäß
abgedichtet sei. Die Beklagte zu 1) habe deswegen mit Beeinträchtigungen für die
Kelleraußenwand nicht rechnen können.
Im November 2007 habe sich die Klägerin ausdrücklich auf die DIN 18195/6
bezogen. Diese Vorschrift befasse sich aber mit Bauwerksabdichtungen gegen
aufstauendes Sickerwasser oder drückendes Grundwasser, so dass diese
Vorschrift auf den vorliegenden Fall keine Anwendung finde. Denn vorliegend gehe
es um das Eindringen von Erdfeuchte in das Mauerwerk.
Die Beklagten behaupten, dass eine mangelfreie Abdichtung der Kelleraußenwand
auch durch Maßnahmen erreicht werden könne, durch die das Grundstück der
Beklagten zu 2) nicht beansprucht werden müsse. Das sog. Injektionsverfahren sei
die einzig zweckmäßige Methode zur mangelfreien Abdichtung der
Kelleraußenwand.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
I.
1. Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB
Nach dieser Vorschrift ist zum Schadensersatz verpflichtet, wer das Eigentum
eines anderen widerrechtlich verletzt. Diese gesetzlichen Voraussetzungen liegen
nicht vor.
Auf der Grundlage des unstreitigen Parteivorbringens steht fest, dass die Beklagte
zu 1) mit dem Abriss des allein auf ihrem Grundstück xxx stehenden Gebäudes
keineswegs rechtswidrig in das Eigentum der Klägerin an ihrem Hausgrundstück
xxx eingegriffen hat. Denn die ab April 2007 ausgeführten Abrissarbeiten bezogen
sich ausschließlich auf Gebäudeteile des Grundstücks xxx. Insoweit ist außer Streit,
dass das auf dem Grundstück der Klägerin bereits im Jahr 1952 errichtete
Mehrfamilienhaus bei den Abrissarbeiten entlang der Grundstücksgrenze nicht in
der Substanz beschädigt worden ist. Die Beklagte zu 1) hat vielmehr bei den
Abrissarbeiten lediglich den Baukörper wieder entfernen lassen, der - nachträglich
- im Jahre 1976 auf dem Grundstück xxx errichtet worden ist.
Es fehlt demnach bereits an einem Eingriff in das Eigentum der Klägerin durch die
von der Beklagten zu 1) veranlassten Abrissarbeiten.
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Im Übrigen beruhen die von der Klägerin angeführten Feuchtigkeitserscheinungen
in der südlichen Kellerwand ihres Hauses auf einem Naturereignis (Feuchtigkeit im
Boden) und nicht auf einem in § 823 Abs. 1 BGB ebenso vorausgesetzten
„widerrechtlichen“ Verhalten der Beklagten zu 1).
2. Anspruch aus § 823 Abs. 2 i.V.m. § 1004, 922 S. 3 BGB
Nach diesen Vorschriften kann ein Grundstückseigentümer Schadensersatz unter
der Voraussetzung begehren, dass eine gemeinschaftliche Grenzeinrichtung ohne
seine Zustimmung beseitigt oder geändert worden ist. In § 921 BGB ist definiert,
dass eine gemeinsame Mauer zwischen zwei Grundstücken dann eine
gemeinschaftliche Einrichtung sein kann, wenn die Eigentümer zweier Grundstücke
zur Benutzung der Einrichtung gemeinschaftlich berechtigt sind. Eine
Nachbarwand ist eine auf der Grundstücksgrenze stehende Wand, die durch Anbau
auf beiden Seiten wesentlicher Bestandteil sowohl eines Bauwerks auf dem einen
als auch auf dem anderen Grundstück ist oder werden kann (vgl. Palandt-
Bassenge, BGB, 69. Auflage, § 921 Rdnr. 6). Zwischen den Grundstücken xxx und
xxx war indes auf der Grundlage des unstreitigen Parteivorbringens keine sog.
Nachbarwand errichtet worden. Das ergibt sich vorliegend bereits zwingend
daraus, dass beide Häuser unabhängig voneinander einmal im Jahr 1952 und dann
im Jahr 1976 als eigenständige Baukörper gebaut worden sind. Es ist außerdem
unstreitig, dass im Zuge der Errichtung des Hauses auf dem jetzt der Beklagten
zu 2) gehörenden Grundstück im Jahre 1976 keine Verbindung der Baukörper
erfolgt ist. Ein Anbau ist gerade nicht vorgenommen worden.
Daraus folgt für den Streitfall, dass die Beklagte zu 1) bei der Ausführung der
Abrissarbeiten auf ihrem Grundstück xxx keine Grenzeinrichtung beeinträchtigt
oder beschädigt hat, so dass eine Inanspruchnahme der Beklagten zu 1) wegen
Beeinträchtigung oder Beschädigung einer Grenzeinrichtung ausscheidet.
3. Ansprüche nach dem Nachbargesetz Schleswig-Holstein
Schadensersatzansprüche nach dem Nachbarrecht bestehen nicht. Die §§ 4 f. und
11 f. Nachbargesetz Schleswig-Holstein gewähren einem Grundstückseigentümer
gegen den Nachbar nur dann einen Schadensersatzanspruch, wenn eine sog.
Nachbarwand und ein Anbau im Zuge von Abrissarbeiten beschädigt wird. Die
Nachbarwand ist nach § 4 Abs. 1 Nachbargesetz dahingehend definiert, dass sie
auf der Grenze zweier Grundstücke „von dem Eigentümer des einen Grundstücks
errichtet wird“. Vorliegend ist aber außer Streit, dass das auf dem Grundstück der
Beklagten zu 2) im Frühjahr 2007 abgerissene Gebäude lediglich „entlang der
Grenze“ zum benachbarten Grundstück der Klägerin errichtet war. Es gab
demnach auch zwischen 1976 und dem Jahre 2007 keine sog. Nachbarwand im
Sinne des Nachbargesetzes.
Damit scheiden Schadensersatzansprüche nach dem Nachbargesetz aus.
4. Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 S. 2 BGB
Bei dem nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch entsprechend § 906 Abs. 2 S. 2
BGB handelt es sich nach den von der obergerichtlichen Rechtsprechung
entwickelten Grundsätzen um einen aus dem Grundstückseigentum abgeleiteten
Anspruch. Die Rechtsprechung folgert daraus, dass die Gewährung einer
Entschädigung auf dieser Grundlage stets eine Störung des Eigentums oder
Besitzes des Antragstellers an einem Grundstück voraussetzt (BGH NJW 2008,
992, 993; BGH NJW 2009, 3787). Diese Anspruchsgrundlage hat die
höchstrichterliche Rechtsprechung für die Fälle entwickelt, in denen von einem
Grundstück auf das benachbarte Grundstück Einwirkungen ausgehen, die zwar
rechtswidrig sind und deshalb nicht geduldet werden müssen, wobei der betroffene
Eigentümer jedoch aus besonderen Gründen gehindert ist, solche Störungen im
Vorwege gemäß §§ 1004 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB zu unterbinden, und wenn er
dadurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos
hinzunehmenden Beeinträchtigung des Eigentums übersteigen (vgl. BGH NJW
1999, 2896; OLG Koblenz 2000, 304 - 306).
Diese Voraussetzungen liegen für die im Streitfall den Beklagten durch den Abriss
des Gebäudes auf dem Grundstück xxx verursachten Beeinträchtigungen des
klägerischen Grundstücks (Feuchtigkeitseintritt in die südliche Kelleraußenwand)
nicht vor. Denn eine wertende Betrachtung ergibt im vorliegenden Fall, dass die
Beklagte zu 1) kein Handlungsstörer im Sinne von § 1004 Abs. 1 BGB und die
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Beklagte zu 1) kein Handlungsstörer im Sinne von § 1004 Abs. 1 BGB und die
Beklagte zu 2) kein Zustandstörer im Sinne dieser Vorschrift ist. Entscheidend für
diese Wertung ist, dass ein Grundstückseigentümer nach der grundlegenden
Entscheidung des Gesetzes in § 903 BGB im Grundsatz berechtigt ist, mit seinem
Grundstück nach belieben zu verfahren. Aus diesem Recht am Eigentum folgte die
Berechtigung der Beklagten zu 1), im April 2007 das im Jahre 1976 errichtete
Hausgrundstück entlang der Grenze zum Grundstück der Klägerin abzureißen.
Wird dadurch, das Haus auf dem Nachbargrundstück, hier dem Grundstück xxx der
Klägerin, anderen Witterungseinflüssen und der im Erdreich vorhandenen
Feuchtigkeit ausgesetzt, ist dies nach der Bewertung des Gerichts eine Folge, die
die Klägerin entschädigungslos hinzunehmen hat. Diese Beeinträchtigung
übersteigt das zumutbare Maß nicht. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf,
dass der seit 1976 (bis Anfang 2007) gewährte zusätzliche Schutz durch das auf
dem Grundstück der Beklagten errichtete Gebäude fortbesteht.
Die Klägerin kann sich nach Auffassung des Gerichts für den gegenteiligen
Rechtstandpunkt nicht auf die von ihr zitierte Entscheidung des OLG Koblenz vom
11. Januar 2000 (OLG R Koblenz 2000, 304 - 306) stützen. Denn das OLG Koblenz
hatte über die Ausgleichspflicht zwischen Nachbarn im Anschluss an die
Beseitigung einer „gemeinsamen Grenzwand“ zu befinden. Jene Konstellation ist
aber mit dem vorliegenden Streitfall nicht vergleichbar, weil der Abriss einer
gemeinsamen Grenzwand zur Folge hat, dass das benachbarte Haus in seiner
Substanz beschädigt wird. Augenscheinlich wird dieser abweichende Sachverhalt
allein dadurch, dass nach dem vom OLG Koblenz mitgeteilten Sachverhalt der
Abriss des an die Grenze gebauten Hauses zur Folge hatte, dass „das Haus des
Klägers im Bereich seines Wohnzimmers die Außenwand einbüßte“.
Das OLG Koblenz hat in der genannten Entscheidung auch keine auf das
vorliegende Streitverhältnis übertragbaren und verallgemeinerungsfähigen
Rechtsgrundsätze zur Abwehr von „Feuchtigkeitseinwirkungen“ beim Abriss von
Gebäuden in einer geschlossenen Häuserzeile aufgestellt. Vielmehr hat das OLG
Koblenz die aus §§ 922, 1004 BGB abgeleitete Verpflichtung eines
Grundstückseigentümers, mindestens Vorkehrungen zum Schutz der freigelegten
Wand des Nachbargebäudes zu treffen, um die bisherige Hausabschlusswand
nicht ungeschützt der Feuchtigkeitseinwirkung auszusetzen, ausschließlich
bezogen auf den Abriss von Nachbar- oder Grenzwänden in einer geschlossenen
entlang
Gebäude (vgl. OLG R Koblenz 2000, S. 304 f. Textziffer 15).
Soweit für das Gericht ersichtlich, hat lediglich das OLG Frankfurt in einer
Entscheidung vom 08. Juli 1981, MDR 1982, 848 den Standpunkt vertreten, dass
jeder Abbruch eines Gebäudes in einer geschlossen Häuserzeile dazu führt, dass
der sein Haus abreißende Grundstückseigentümer verpflichtet ist, die
erforderlichen Vorkehrungen zum Schutz der dadurch freigelegten Wand des
Nachbargebäudes, insbesondere gegen Feuchtigkeitseinwirkungen, zu treffen.
Dieser Bewertung hat sich das OLG Köln in dem Urteil vom 14. Januar 1987, NJW-
RR 1987, 529 - 530 ausdrücklich nicht angeschlossen. Es hat vielmehr
entschieden, dass ein Nachbar dann nicht haftet, wenn die aneinandergrenzenden
Häuser jeweils eine eigene Giebelwand habe und infolge des Abrisses seines
Hauses die Giebelwand des Nachbarn nunmehr unverputzt freiliegt und
infolgedessen Feuchtigkeitsschäden auftreten (können).
Letztlich sieht sich das erkennende Gericht bezüglich der oben mitgeteilten
Gründe für die Verneinung einer Ausgleichspflicht für den Streitfall bestätigt durch
eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16. April 2010, Az.: V ZR 171/09.
In dem Urteil hat der Bundesgerichtshof unter ausdrücklicher Übernahme der
Wertung der vorstehend mitgeteilten Entscheidung des OLG Köln geurteilt, das
kein Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 begründet ist, wenn der Abriss eines
entlang der Grenze benachbarter Grundstücke errichteten Gebäudes es notwendig
macht, ein Gebäude auf dem angrenzenden Grundstück vor Witterungseinflüssen
zu schützen. Aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis ergebe sich gerade
kein Anspruch auf Bewahrung des Vorteils, der sich daraus ergibt, dass eine
Grenzwand auf einem Grundstück so lange keines oder keines vollständigen
Witterungsschutzes bedarf, wie dieser Schutz von einer parallel errichteten
Grenzwand auf einem Nachbargrundstück geboten wird.
II.
Die Feststellungsklage ist gegen beide Beklagten ebenfalls unbegründet, denn der
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Die Feststellungsklage ist gegen beide Beklagten ebenfalls unbegründet, denn der
Klägerin steht gegen die Beklagten schon dem Grunde nach kein Schadensersatz-
/Ausgleichsanspruch zu.
Die Beklagte zu 2) ist darüber hinaus nicht nach § 17 Nachbargesetz Schleswig-
Holstein zur Duldung von vermeintlichen Mangelbeseitigungsarbeiten durch die
Klägerin auf dem Grundstück xxx in xxx verpflichtet. Die mit der Duldung
verbundenen Nachteile stehen jedenfalls außer Verhältnis zu dem von der Klägerin
erstrebten Vorteil. Dabei war einerseits zu berücksichtigen, dass die Klägerin in der
Bauphase, d.h. spätestens im November 2007 diesen Anspruch hätte geltend
machen können und müssen. Zu dem damaligen Zeitpunkt hätte die Beklagte zu
1) lediglich das Betreten ihres Grundstücks nicht aber weitere Beeinträchtigungen
hinnehmen müssen. Hinzu kommt, dass nach dem gegenwärtigen Stand der
Technik es hinsichtlich der südlichen Außenmauer des Hauses der Klägerin auch
technische Möglichkeiten gibt, eindringende Bodenfeuchtigkeit wirksam
abzuhalten.
III.
Nebenansprüche stehen der Klägerin schon wegen der Verneinung des
Hauptanspruchs nicht zu.
Die Kostenregelung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.