Urteil des LG Heilbronn vom 20.02.2013

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LG Heilbronn Urteil vom 20.2.2013, 5 O 295/12 Mc
Verkehrssicherungspflicht des Veranstalters bei einem Triathlon-Radrennen
Leitsätze
Bei den Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht des Veranstalters eines
Triathlon-Wettbewerbs können im Hinblick auf die Radstrecke nicht dieselben
Maßstäbe angelegt werden wie bei einem klassischen Straßenradrennen.
Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass bei einem Triathlon - anders als bei einem
Straßenradrennen - das Windschattenfahren verboten ist.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Streitwert: EUR 8.000,00
Tatbestand
1 Der Kläger macht Schadensersatzansprüche aufgrund eines Fahrradsturzes
geltend, den er bei der Teilnahme an einem von der Beklagten veranstalteten
Triathlonwettbewerb erlitten hat.
2 Der Kläger startete am 29. Mai 2011 bei dem ….-Triathlon H... als Radfahrer in
einem Staffelteam, das sich für die Mitteldistanz angemeldet hatte. Der Start der
Radstrecke, die in der Mitteldistanz 70 Kilometer lang war, befand sich in der B-
straße in H... Nach ca. 700 m befanden sich auf der B-straße drei quer zur Straße
verlaufende Verkehrsschwellen, sogenannte „car-dumps“. Diese Bodenschwellen
waren mit grünem neonfarbenen Klebeband markiert (Fotos Anlage K 3 und bei
Anlage K 14).
3 In der Ausschreibung der Veranstaltung im Internet wurde darauf hingewiesen,
dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des ...-Triathlon H... Bestandteil der
Ausschreibung sind und mit der Online-Anmeldung ausdrücklich akzeptiert
werden. Weiter erfolgte der Hinweis, dass der Veranstaltung die
Wettkampfordnungen der Deutschen Triathlon Union zugrunde liegen (Internet-
Ausschreibung Anlage K 1).
4 Im Vorfeld der Veranstaltung wurde den Teilnehmern ein offizielles Abfahren der
Strecke in verschiedenen Leistungs- und Geschwindigkeitsgruppen angeboten,
um sich mit der Strecke und ihren Gefahren vertraut zu machen. Am Morgen des
Veranstaltungstags fand eine Wettkampfbesprechung statt, an der der Kläger
teilnahm.
5 Der Kläger befand sich vom 30. Mai bis 31. Mai 2011 in stationärer Behandlung im
C...-Krankenhaus B..., wo eine offene Reposition des linken AC-Gelenks und
Fixierung mittels einer 3-Loch-Hakenplatte links vorgenommen wurde (Arztbrief K
4). Am 25. Juli 2011 wurde die Hakenplatte entfernt (Arztbrief K 5).
6 Der Kläger trägt vor,
7 er habe beim Überqueren der Bodenschwellen aufgrund der starken Erschütterung
die Kontrolle über sein Fahrrad verloren und sei deshalb gestürzt. Die grün
markierten Bodenschwellen seien nicht rechtzeitig erkennbar gewesen. Sie seien
plötzlich und völlig unerwartet im Straßenbild aufgetaucht. Das Überwinden der
Bodenschwellen sei auch für viele andere Wettkampfteilnehmer problematisch
gewesen.
8 Durch den Sturz habe er sich erhebliche Verletzungen an der linken Schulter
zugezogen. Die Erstversorgung sei unmittelbar nach dem Sturz in der Klinik A... in
H... erfolgt. Am 30. Mai sei im C...-Krankenhaus B... eine AC-Gelenksluxation links
Typ Tossy III diagnostiziert worden, die operativ mit einer 3-Loch-Hakenplatte
versorgt worden sei. Der Arm sei 10 Tage ruhig gestellt worden. Wegen der mit der
Verletzung verbundenen Schmerzen habe er Schmerzmittel einnehmen müssen.
9 Die Hakenplatte sei nach 8 Wochen entfernt worden. Am 14. September 2011 sei
dennoch eine residuale Instabilität des linken AC-Gelenks festgestellt worden
(Anlage K 6). Die Beschwerden würden bis heute andauern. Anfang Dezember
2011 sei ein Schlüsselbeinhochstand links mit einer Stufenbildung von 2 cm
festgestellt worden. Ein maximales Heben des Armes und eine Streckung sei nicht
möglich. Auch sei das Liegen auf der linken Seite schmerzhaft und nur
eingeschränkt möglich gewesen. Die Verletzung bereite ihm nach wie vor
Schmerzen und schränke ihn als Sportler in seiner Beweglichkeit und Kraftfähigkeit
ein. Es liege ein Dauerschaden vor.
10 Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte habe aufgrund mangelhafter Organisation
des Wettbewerbs ihre Verkehrssicherungspflicht schuldhaft verletzt. Die
Absicherung der Radstrecke sei unzureichend gewesen. Insbesondere sei das
Anbringen von grünen Klebestreifen auf dem Boden kurz vor dem Hindernis nicht
geeignet gewesen, die Radfahrer angesichts der dort gefahrenen
Geschwindigkeiten von 40 - 50 km/h auf das Hindernis hinzuweisen. Auf
Straßenschilder hätten die Teilnehmer des Triathlons nicht gesondert achten
müssen.
11 Angesichts der erlittenen Verletzungen und Schmerzen sowie des Umstandes,
dass er vom 29. Mai bis einschließlich 8. August 2011 arbeitsunfähig gewesen sei,
sei ein Schmerzensgeld von mindestens EUR 7.500,00 angemessen.
12 Er habe auch ein Interesse an der Feststellung der Verpflichtung der Beklagten
zum Ersatz künftigen immateriellen und materiellen Schadens.
13 Schließlich habe die Beklagte die vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von
EUR 489,45 zu ersetzen.
14 Der Kläger beantragt:
15 1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein angemessenes
Schmerzensgeld, dessen Höhe wir ausdrücklich ins Ermessen des Gerichts
stellen, mindestens jedoch 7.500,00 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz seit dem 10.09.2011 zu bezahlen.
16 2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger außergerichtliche
Anwaltskosten in Höhe von 489,45 EUR zu bezahlen.
17 3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger weiteren
immateriellen und materiellen Schaden, der dem Kläger aufgrund des
Unfallereignisses vom 29.05.2011 entstanden ist bzw. entstehen wird, zu
erstatten.
18 Die Beklagte beantragt
19 die Klage abzuweisen.
20 Die Beklagte trägt vor,
sie sei lediglich Ausrichter und nicht Veranstalter des ...-Triathlons gewesen.
21 Bestritten werde, dass der Kläger beim Überfahren der Asphaltbodenschwellen
gestürzt sei und dadurch die Verletzungen an der linken Schulter davongetragen
habe. Sollte er tatsächlich gestürzt sein, könnte dies auch auf für das
Renngeschehen typische Unfallhergänge wie menschliches Versagen oder
Materialfehler (Reifenplatzer) zurückzuführen sein.
22 Die Bodenschwellen seien mit den gut sichtbaren neonfarbenen Leuchtstreifen
ausreichend markiert gewesen. Kein anderer Wettkampfteilnehmer habe von
Problemen an dieser Stelle berichtet. Zudem seien die Bodenschwellen durch ein
Verkehrsschild weithin und für jedermann erkennbar gekennzeichnet gewesen.
23 Die Beklagte ist der Ansicht, sie habe ausreichende Sicherungsmaßnahmen
ergriffen. Sowohl in der Wettkampfbesprechung als auch in den Allgemeinen
Geschäftsbedingungen sei auf die Geltung der Straßenverkehrsordnung
hingewiesen worden. Die Prüfung der Strecke durch den Einsatzleiter der
Wettkampfrichter sei ohne Beanstandung erfolgt. Auch habe die Polizei die
Strecke am Morgen des Rennens abgefahren, kontrolliert und freigegeben.
24 Der Wettbewerb habe unter Ausschluss der Haftung stattgefunden. Die
Straßenverkehrsordnung habe auf der gesamten Radstrecke gegolten. Jedenfalls
müsste sich der Kläger ein weit überwiegendes Mitverschulden anrechnen lassen.
25 Die Aktivlegitimation des Klägers werde bestritten.
26 Wegen der Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst den
beigefügten Anlagen verwiesen.
27 Wegen der Angaben der Parteien bei ihrer informatorischen Anhörung wird auf das
Protokoll vom 30. Januar 2013 (Bl. 40 - 43) Bezug genommen.
28 Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 15. Februar 2013 hat der Kläger noch
ergänzende Ausführungen gemacht.
Entscheidungsgründe
29 Die zulässige Klage ist nicht begründet.
30 Der Kläger hat keine materiellen oder immateriellen Schadensersatzansprüche
gegen die Beklagte wegen der Verletzungen, die er sich am 29. Mai 2011 bei der
Teilnahme am ...-Triathlon H... zugezogen hat.
31 1. Die Beklagte war sowohl Veranstalter als auch Ausrichter des Triathlon-
Wettbewerbs. Dies ergibt sich aus der Internet-Ausschreibung (Anlage K 1), in der
die Beklagte als Ausrichter und als Veranstalter bezeichnet wird.
32 2. Es bestehen auch keine Zweifel daran, dass der Kläger, kurz nachdem er in
seiner Staffel die Radstrecke begonnen hatte, die Kontrolle über sein Triathlon-
Rennrad verlor, als er über die quer zur Fahrtrichtung verlaufenden
Bodenschwellen fuhr, stürzte und sich die Verletzung der linken Schulter zuzog.
33 Dies ergibt sich aus den glaubhaften Angaben des Klägers bei seiner
informatorischen Anhörung am 30. Januar 2013. Insbesondere gibt es keine
Anhaltspunkte dafür, dass der Sturz auf einen technischen Fehler seines
Rennrads, beispielsweise einen Reifenplatzer, zurückzuführen ist oder dass er von
einem anderen Wettkampfteilnehmer zu Sturz gebracht wurde. Der Kläger hat
glaubhaft angegeben, dass er auf der linken Fahrbahnseite gefahren ist, weil sich
auf der rechten Seite langsamere Fahrer befunden hätten. Der nächste Fahrer vor
ihm sei ungefähr 20 m entfernt gewesen. Ein technischer Defekt oder eine
Einwirkung Dritter sind nicht ersichtlich. Die diesbezüglichen Ausführungen der
Beklagten sind theoretischer Natur. Tatsächlich wurden nach dem Unfall des
Klägers unstreitig zusätzliche Sicherungsmaßnahmen ergriffen: Es wurden vor den
Bodenschwellen Pylonen aufgestellt und Linien auf die Fahrbahn gesprüht.
Zusätzlich sorgten Ordner dafür, dass die Wettkampfteilnehmer um die
Bodenschwellen herum fuhren. Dies lässt sich nur damit erklären, dass der Kläger
beim Versuch, die Bodenschwellen zu überfahren, gestürzt ist.
34 3. Der Kläger kann aber wegen des Sturzes gegen die Beklagte weder
Schadensersatzansprüche gemäß §§ 280 Abs. 1, 276, 31 analog BGB noch
gemäß § 823 Abs. 1 BGB geltend machen, da die Beklagte die ihr obliegende
Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt hat.
35 a) Es bedarf deshalb keiner abschließenden Beantwortung der Frage, ob mit der
Anmeldung des Klägers zur Teilnahme am ...-Triathlon ein Vertragsverhältnis mit
der Beklagten zustande gekommen ist oder ob die Veranstaltung des Triathlons
im Hinblick auf die jedenfalls für die Mitteldistanz ausgelobten Geldpreise als
Preisausschreiben - einen Unterfall der Auslobung - einzuordnen ist (§§ 661, 657
BGB), so dass zwischen den Parteien Rechtsbeziehungen im Sinne einer
schuldrechtlichen Sonderverbindung zustande gekommen sind (vgl. hierzu BGH
III ZR 246/09 vom 23.09.2010, juris Rn. 11 f.).
36 b) Als Veranstalterin des ...-Triathlons war die Beklagte grundsätzlich
verkehrssicherungspflichtig.
37 (1) Sie musste als Veranstalterin des Wettbewerbs die Teilnehmer vor Gefahren
schützen, die sich aus einer unzureichenden Organisation und Absicherung
ergaben. Die Beklagte war für den Zustand und die Eignung der Rennstrecke und
deren sichere Benutzungsmöglichkeit verkehrssicherungspflichtig. Eine
Verkehrssicherung, die jede mögliche Verletzung von Rechtsgütern ausschließt,
ist zwar nicht erreichbar. Es bedurfte aber jedenfalls solcher zumutbarer
Sicherungsmaßnahmen, die ein verständiger und umsichtiger, in vernünftigen
Grenzen vorsichtig handelnder Veranstalter für ausreichend halten durfte, um die
Wettkampfteilnehmer vor Gefahren zu schützen, die nicht fernliegend waren bzw.
über das übliche, sportimmanente Risiko hinaus gingen. Da das Augenmerk von
Wettkampfteilnehmern - hier konkret den Teilnehmern an dem Radwettbewerb
des Triathlons - in erster Linie der Sportausübung gilt und ihre Aufmerksamkeit
erfahrungsgemäß darunter leidet, sind an die Sicherheit der Rennstrecke
vergleichsweise hohe Anforderungen zu stellen (OLG Frankfurt NZV 2005, 41,
42). Von Betreibern einer Sportanlage verlangt die Rechtsprechung daher in
Anbetracht der Eigengefahr der Sportausübung, der Konzentration der Sportler
und des allgemeinen Verkehrsvertrauens auf eine uneingeschränkte,
professionellen Maßstäben genügende Gefahrensicherung, dass alle das
normale Risiko der Sportausübung überschreitenden, überhaupt vorhersehbaren
Gefahren ausgeschaltet sind (OLG München VersR 1988, 739; OLG Hamm NZV
2000, 256, 258).
38 (2) Doch auch unter Berücksichtigung dieser hohen Anforderungen an die
Verkehrssicherungspflichten des Veranstalters einer Sportveranstaltung kann der
Beklagten im vorliegenden Fall keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht
vorgeworfen werden.
39 Zwar gehen bei Sportveranstaltungen auf einer Strecke, die normalerweise dem
öffentlichen Straßenverkehr dient, die Verkehrssicherungspflichten des
Veranstalters über die allgemeinen Straßenverkehrssicherungspflichten des
Straßenbaulastträgers hinaus. Insbesondere muss die vom Veranstalter
ausgewählte Strecke für die Durchführung eines derartigen Rennens geeignet
sein (Wussow VersR 2005, 903 unter II. 2.).
40 So ist beispielsweise der Veranstalter eines Straßenradrennens verpflichtet, an
ungewöhnlich gefährlichen Stellen die Leitplanken in einer Kurve abzupolstern
(BGH VI ZR 227/85 vom 29.04.1986, juris). Der Veranstalter muss zwar nicht
jeder erdenklichen Gefahr begegnen. Er muss aber sachkundig prüfen, wo sich
die naheliegende Möglichkeit einer Verletzung fremder Rechtsgüter ergibt (OLG
Stuttgart 6 U 45/86 vom 30.09.1986 = VersR 1987, 1152). Können bestimmte
Gefahrenquellen schwere Verletzungen verursachen, kann der Ausrichter einer
Sportveranstaltung gehalten sein, diese Gefahrenquellen auch dann
auszuschalten, wenn diese für die Teilnehmer erkennbar sind. Dies setzt aber
neben der tatsächlichen Möglichkeit und der wirtschaftlichen Vertretbarkeit einer
solchen Sicherungsmaßnahme voraus, dass es sich um besonders
unfallträchtige Gefahrenpunkte handelt (BGH VI ZR 227/85 vom 29.04.1986, juris
Rn. 12).
41 Um eine derartige Gefahrenstelle handelte es sich im vorliegenden Fall bei den
Bodenschwellen in der B-straße aber nicht.
42 Es ist zwar richtig, dass die quer zur Fahrtrichtung verlaufenden kurz
hintereinander befindlichen drei Bodenschwellen dazu führen konnten, dass ein
Radrennfahrer oder ein Fahrer auf einem Triathlonrennrad (insbesondere wenn er
sich mit den Unterarmen auf dem Triathlon-Lenkeraufsatz abstützt) die Kontrolle
über das Rad verliert und stürzt, wenn er versucht, die Schwellen mit hoher
Geschwindigkeit zu überqueren, ohne auszuweichen oder das Vorderrad
anzuheben. Die Bodenschwellen befanden sich aber nicht an einer
unübersichtlichen Stelle, beispielsweise hinter einer Kurve oder nach einer
Gefällstrecke, sondern auf einer gerade verlaufenden Straße, die über einen
weiten Bereich von den Wettkampfteilnehmern eingesehen werden konnte.
Zudem verliefen die Bodenschwellen nicht über die gesamte Fahrbahnbreite,
sondern waren zweigeteilt. Ein kleinerer Abschnitt befand sich auf der rechten
Fahrbahnseite, wobei sie nicht bis zum rechten Bordstein durchgezogen waren.
Der andere Teil befand sich ungefähr im Bereich der Straßenmitte und auf einem
Teil der linken Fahrbahnseite. Wie aus den vorgelegten Lichtbildern ersichtlich ist,
die in der mündlichen Verhandlung in Augenschein genommen wurden, konnte
somit sowohl rechts als auch links sowie mittig zwischen den Schwellen
vorbeigefahren werden. Auf diese Weise war es ohne weiteres möglich, diese
Stelle zu passieren, ohne eine Bodenschwelle überfahren zu müssen.
Anhaltspunkte dafür, dass bei den Veranstaltungen des ...-Triathlons vor dem
Jahr 2011 just an dieser Stelle Wettkampfteilnehmer gestrauchelt oder gestürzt
sind, sind nicht ersichtlich. Die Beklagte musste diese Stelle deshalb nicht
aufgrund von negativen Erfahrungen bei früheren Veranstaltungen als
unfallträchtige Gefahrenstelle einstufen.
43 Hinzu kommt, dass derartige Bodenschwellen, die quer zur Fahrtrichtung
verlaufen, immer wieder im Straßenbild anzutreffen sind. Anders als
beispielsweise bei einem Bahnradrennen sind bei einem Straßenradrennen oder -
wie hier einer Triathlonveranstaltung, deren Radstrecke auf öffentlichen Straßen
verläuft - derartige Hindernisse grundsätzlich nicht ungewöhnlich, so dass ein
Wettkampfteilnehmer auch mit solchen Hindernissen zu rechnen hat. Kein
Wettkampfteilnehmer wird ernsthaft darauf vertrauen, dass eine solche
Wettkampfveranstaltung, die auf öffentlichen Straßen ausgetragen wird, die
gleiche Sicherheit bietet wie eine Veranstaltung auf einer speziell für Radrennen
errichteten Bahn oder in einer Sporthalle. Damit die Teilnehmer die Strecke
kennenlernen konnten, hat die Beklagte unstreitig vor dem Wettbewerb ein
„offizielles“ Abfahren der Strecke in verschiedenen Leistungsgruppen angeboten.
Hierdurch hatte jeder Teilnehmer - also auch der Kläger - die Möglichkeit, sich mit
dem Streckenverlauf und den vorhandenen Gefahrenstellen vertraut zu machen.
Wenn ein Teilnehmer wie der Kläger auf die Teilnahme an einer solchen Fahrt
verzichtet, verzichtet er zugleich auf die Möglichkeit, sich mit den Besonderheiten
der Strecke, insbesondere riskanten Stellen, vertraut zu machen. Tatsächlich hat
der Kläger, der sich selber bei seiner Anhörung im Termin als erfahrenen
Wettkampfsportler bezeichnet hat, die Strecke einige Tage vor dem Rennen privat
abgefahren. Es kann insofern nicht der Beklagten angelastet werden, dass er
dabei allerdings erst hinter der Unfallstelle mit den Bodenschwellen startete und
diese deshalb bei seiner individuellen Streckenbesichtigung nicht
wahrgenommen hat.
44 Zu berücksichtigen ist ferner, dass sich das Radrennen bei einer
Triathlonveranstaltung deutlich von einem Straßenradrennen unterscheidet:
45 Bei einem „normalen“ Straßenradrennen fahren die Radrennfahrer häufig in
Gruppen, wobei praktisch kein Sicherheitsabstand eingehalten wird. Dies dient
der optimalen Ausnutzung des Windschattens. In derartigen Pulksituationen ist
das Augenmerk der Fahrer grundsätzlich weniger auf von außen wirkende
Hindernisse gerichtet (vgl. OLG Frankfurt NZV 2005, 41, 42). Hiervon
unterscheiden sich Triathlonveranstaltungen wesentlich, da es grundsätzlich
verboten ist, den Windschatten eines anderen Wettkampfteilnehmers
auszunutzen. Dies ergibt sich eindeutig aus Punkt G.1 a) der Wettkampfordnung
der Deutschen Triathlon Union e.V. (Anlage B 2). Unstreitig ist der ...-Triathlon auf
der Grundlage unter anderem dieser Wettkampfordnung durchgeführt worden. In
der Internet-Ausschreibung wurde ausdrücklich darauf hingewiesen. Im übrigen
war dem Kläger, der nach seinen eigenen Angaben im Termin vom 31. Januar
2013 bereits bei einer Vielzahl ähnlicher Veranstaltungen teilgenommen hat, dies
auch bekannt. Anders als bei einem Straßenradrennen war es bei dem ...-
Triathlon somit aufgrund des Reglements ausgeschlossen, dass die Sicht der
Wettkampfteilnehmer auf die Fahrbahn durch unmittelbar vor ihnen fahrende
andere Teilnehmer behindert wird. Es mag zwar zutreffen, dass das Verbot des
Windschattenfahrens gleiche Wettkampfbedingungen für alle Teilnehmer schaffen
soll, worauf der Klägerin in dem - nicht nachgelassenen - Schriftsatz vom 15.
Februar 2013 hinweist. Dies ändert aber nichts daran, dass sich aus diesem
Grund der Radfahrwettbewerb bei einem Triathlon insofern wesentlich von einem
Straßenradrennen unterscheidet, als der Triathlet bei Einhaltung des Reglements
immer freie Sicht auf die vor ihm liegende Fahrtstrecke hat.
46 Zudem ist nach Punkt G.1 c) der Wettkampfordnung der Deutschen Triathlon
Union e.V. beim Radfahren die Straßenverkehrsordnung einzuhalten. Auch wenn
es im Einzelfall zweifelhaft ist, ob aufgrund dieser Regelung in der
Wettkampfordnung sämtliche Vorschriften der Straßenverkehrsordnung
einzuhalten sind, ergibt sich daraus zumindest die Verpflichtung der
Wettkampfteilnehmer, auf solche Verkehrsschilder zu achten, die Warnhinweise
geben. Unstreitig befand sich vor den drei Bodenschwellen in ausreichender
Entfernung das Hinweisschild „unebene Fahrbahn“ (Zeichen 112 in Anlage 1 zur
StVO; Foto bei Anlage K 14). Es ist zwar grundsätzlich zu berücksichtigen, dass
die Teilnehmer an einem Triathlonwettkampf ihre Aufmerksamkeit in erster Linie
auf das sportliche Geschehen richten und insbesondere darauf bedacht sind,
eine möglichst windschnittige Sitzposition auf ihrem Rennrad einzunehmen. Da
die Veranstaltung aber auf öffentlichen Straßen stattfindet, dürfen sie gleichwohl
nicht gleichsam blind darauf vertrauen, dass die Rennstrecke frei von jeglichen
Hindernissen ist. Es ist daher von den Teilnehmern zu erwarten, dass sie auch
auf Verkehrszeichen achten, die als Gefahrzeichen zu erhöhter Aufmerksamkeit
mahnen.
47 Nachdem die Bodenschwellen, die ohnehin bereits weiß gestrichen waren, von
der Beklagten noch zusätzlich mit neon-grünen Klebestreifen versehen waren,
kann nicht von einer unzureichenden Sicherung der Strecke an dieser Stelle
ausgegangen werden.
48 Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Verkehrssicherungspflicht
nicht darauf gerichtet ist, die Wettkampfteilnehmer vor solchen Gefahren zu
schützen, die mit ihrer Beteiligung an dem Wettkampf typischerweise verbunden
sind. Mit einem durch die Eigenart des Sports erhöhten Gefahrenniveau muss der
Teilnehmer rechnen; diese gegenüber dem Alltagsleben gesteigerte Gefahr
nimmt er durch seine Beteiligung in Kauf (J. Lange/Schmidbauer in jurisPK-BGB,
6. Aufl. 2012, § 823 Rn. 106).
49 Aus diesem Grund musste die Beklagte auch nicht im Hinblick auf die bei einem
Triathlon-Radrennen gefahrenen Geschwindigkeiten, die deutlich höher sein
können als die Geschwindigkeit, mit der beispielsweise ein Pkw üblicherweise
über derartige Bodenschwellen fährt, für eine zusätzliche Warnung vor den
Bodenschwellen sorgen.
50 Der Umstand, dass nach dem Sturz des Klägers an dieser Stelle mit Pylonen und
farbigen, auf den Asphalt gesprühten Linien auf die Schwellen hingewiesen wurde
und zudem Streckenposten die Teilnehmer warnten und sie um die
Bodenschwellen herumleiteten, besagt nicht, dass die zuvor ergriffenen
Maßnahmen unzureichend waren. Die nach dem Vorfall ergriffenen
Sicherungsmaßnahmen stellen vielmehr lediglich eine naheliegende Reaktion auf
den Unfall des Klägers dar.
51 Soweit der Kläger schließlich darauf verweist, dass auf der Radstrecke vor
zahlreichen anderen Stellen gewarnt wurde, vermag dies ebenfalls eine
unzureichende Sicherung der Stelle mit den Bodenschwellen zu begründen.
52 4. Da der Beklagten keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht anzulasten ist,
steht dem Kläger weder ein Anspruch auf Schmerzensgeld zu, noch kann er die
Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz künftigen materiellen und
immateriellen Schadens wegen des Vorfalls verlangen. Er hat auch keinen
Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten.
53 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
54 Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr.
11, 711 ZPO.
55 Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO.