Urteil des LG Heilbronn vom 24.03.2006

LG Heilbronn (kläger, ungerechtfertigte bereicherung, positive vertragsverletzung, abstrakte berechnung, zahlung, berechnung, höhe, schaden, auszahlung, berechnungsmethode)

LG Heilbronn Urteil vom 24.3.2006, 6 O 368/05
Nichtabnahme des Bauspardarlehens: Berechnung der Nichtabnahmeentschädigung bei
Nichtinanspruchnahme eines Bausparvorausdarlehens
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig
vollstreckbar.
Streitwert: 10.675 Euro
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Rückerstattung einer bezahlten Nichtabnahmeentschädigung aus
eigenem und abgetretenem Recht.
2
Der Kläger und N. K. haben den Erwerb einer Immobilie im Jahr 2001 fremdfinanziert. Für den
Finanzierungszeitraum ab 1. März 2005 schlossen der Kläger und N. K. am 29. Mai 2001 ein Bauspardarlehen
mit Vorausdarlehen bei der Beklagten ab. Bis zum 28. Februar 2005 erfolgte die Finanzierung durch den am 16.
Februar 2001 abgeschlossenen Darlehensvertrag bei der Volksbank N. Wegen der Einzelheiten des
Bauspardarlehens mit Vorausdarlehen wird auf die Anlage K 2 und wegen der Einzelheiten des
Darlehensvertrages mit der Volksbank N. auf die Anlage K 1 Bezug genommen.
3
Im Oktober 2004 teilten der Kläger und N. K. der Beklagten mit, dass sie das Bauspardarlehen nicht in
Anspruch nehmen werden.
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Die Beklagte berechnete eine Nichtabnahmeentschädigung in Höhe von zuletzt 10.675 Euro einschließlich
Bearbeitungskosten.
5
Die Zahlung wurde von dem Kläger und N. K. erbracht, um die grundpfandrechtlich benötigte
Löschungsbewilligung von der Beklagten zu erhalten. Die Beklagte hatte die Erteilung der
Löschungsbewilligung davon abhängig gemacht, dass die Entschädigung bezahlt wird.
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Eventuelle Ansprüche der N. K. gegen die Beklagte hat diese an den Kläger abgetreten.
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Der Kläger ist der Auffassung,
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er und N. K. hätten die Zahlung einer Nichtabnahmeentschädigung nicht geschuldet.
9
Der Beklagten sei durch die Nichtabnahme des Bauspardarlehens mit Vorausdarlehen kein Schaden
entstanden, der dem Kläger und N. K. zugerechnet werden könne. Die Beklagte sei so rechtzeitig informiert
worden, dass eine anderweitige Verwertung der Darlehensbeträge unproblematisch gewesen sei. Auch eine
Refinanzierung sei zum Zeitpunkt der Mitteilung noch nicht erfolgt. Die Beklagte wäre zur Schadensminderung
verpflichtet gewesen.
10 Die Nichtabnahmeentschädigung betrage auch nicht 10.675 Euro einschließlich Bearbeitungsgebühr. Die
Berechnung der Beklagten könne nicht nachvollzogen werden.
11 Gegenüber einem Mitarbeiter der Volksbank N. habe der Kläger bei der Zahlung der 10.675 Euro einen
Vorbehalt erklärt. Zwischen der Beklagten und der Volksbank N. bestehe ein Finanzverbund.
12 Der Kläger beantragt,
13
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 10.675 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz p. a. seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
14 Die Beklagte beantragt
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Klageabweisung.
16 Die Beklagte trägt vor,
17 die Reduzierung der Nichtabnahmeentschädigung auf 10.675 Euro sei aus Gründen der Kulanz erfolgt.
18 Der Klägers und N. K. hätten ohne Vorbehalt gezahlt.
19 Die Berechnung der Nichtabnahmeentschädigung berücksichtige die aktuelle Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs. Die abstrakte Berechnungsmethode sei zulässig. Die Berechnung sei nachvollziehbar.
20 Eine anderweitige Verwertung der Darlehensbeträge auf dem Finanzmarkt sei nicht möglich gewesen. Eine
entsprechende Verpflichtung bestehe auch nicht.
21 Die Finanzplanung der Beklagten gehe von der Einhaltung der geschlossenen Darlehensverträge aus.
22 Mit Beschluss des Landgerichts Kiel vom 21. Juli 2005 wurde der Rechtsstreit an das Landgericht Heilbronn
verwiesen.
23 Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze
nebst Anlagen Bezug genommen.
24 Das Gericht hat Beweis erhoben. Es wurde ein schriftliches Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. W.
eingeholt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten vom 7. Januar 2006 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
25 Die zulässige Klage ist unbegründet.
26 Der Kläger hat gegen die Beklagte weder aus eigenem noch aus abgetretenem Recht einen Anspruch auf
Zahlung von 10.675 Euro.
27 Eine ungerechtfertigte Bereicherung (§ 812 Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz BGB) der Beklagten liegt nicht vor.
a)
28 Die Beklagte hatte gegen den Kläger und N. K. einen Anspruch auf Zahlung der von der Beklagten berechneten
Nichtabnahmeentschädigung in Höhe von 10.675 Euro gemäß § 280 Abs. 1 BGB (BGH, Urteil vom 7.
November 2000 – XI ZR 27/00; damals noch positive Vertragsverletzung).
29 Der Kläger und N. K. haben die Erfüllung ihrer Pflicht zur Abnahme des Darlehens bereits vor Fälligkeit
ernsthaft und endgültig verweigert. Sie haben der Beklagten im Oktober 2004 die Nichtinanspruchnahme des
Darlehens mitgeteilt. Der Anspruch auf Auszahlung des Bauspardarlehens bzw. des Vorausdarlehens im Falle
der noch nicht erfolgten Zuteilung des Bausparvertrages wäre zum 1. März 2005 fällig geworden. Das bei der
Volksbank N. aufgenommene Vordarlehen hätten der Kläger und N. K. am 28. Februar 2005 zurückzahlen
müssen. Für den Zeitraum ab 1. März 2005 verpflichtete sich die Beklagte zur Auszahlung des
Bauspardarlehens bzw. im Falle der noch nicht erfolgten Zuteilung des Bausparvertrages zur Auszahlung eines
Vorausdarlehens.
30 Nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 7. November 2000 – XI ZR 27/00, Urteil vom 1. Juli 1997 – XI
ZR 197/96) kann eine Bank den Schaden, der ihr durch die Nichtabnahme entsteht, sowohl nach der Aktiv-
Aktiv-Methode als auch nach der Aktiv-Passiv-Methode berechnen. Bei der vom Gutachter gewählten Aktiv-
Passiv-Berechnungsmethode stellt sich der finanzielle Nachteil des Darlehensgebers als Differenz zwischen
den Zinsen, die der Darlehensnehmer bei Abnahme des Darlehens tatsächlich gezahlt hätte, und der Rendite
dar, die sich aus einer laufzeitkongruenten Wiederanlage der freigewordenen Beträge in sicheren
Kapitalmarkttiteln ergibt. Der Differenzbetrag ist um ersparte Risiko- und Verwaltungskosten zu vermindern und
auf den Zeitpunkt der Leistung der Nichtabnahmeentschädigung abzuzinsen.
31 Der Sachverständige Prof. Dr. W. hat unter Beachtung der Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung
die Nichtabnahmeentschädigung unter Berücksichtigung der Kostenerstattung und der Gebühr auf 14.246,36
Euro errechnet. Das Gericht legt sein schlüssiges und folgerichtiges Gutachten dem Urteil zu Grunde. Das
Gericht hat an der Sachkunde des Sachverständigen, der das Buch "Vorzeitige Beendigung von
Darlehensverträgen" (Beck, 2003) mitverfasst hat, keine Zweifel.
32 Als Ende des Zeitraums der geschützten Zinserwartung ist der 30. November 2011 zu Grunde zu legen.
Anders als bei Festzinsvereinbarungen lässt sich das Ende des Zeitraums der geschützten Zinserwartung nur
fiktiv anhand des Datenmaterials der Bausparkasse ermitteln. Da beim Vorausdarlehen zunächst noch der
Bausparvertrag bis zu dessen Zuteilungsreife angespart wird und das Bauspardarlehen mit einem festen
Abzahlungsplan erst danach gewährt wird, lässt sich das Ende des Zeitraums der geschützten Zinserwartung
ohne diese Daten nicht ermitteln. Das Gericht hat keinen Zweifel, dass die dem Sachverständigen
überlassenen Daten unrichtig sein könnten. Frau Margit Traub hat im Termin vom 13. Februar 2006 für die
Bausparkasse ausgeführt, das Ende der Zinsbindung sei für die Bausparkasse aufgrund der vorhandenen
Berechnungsprogramme jederzeit feststellbar. Den Bausparkassen sei nur die verbindliche Zusage der
Zuteilung gesetzlich untersagt. Die Programme seien so genau, dass die Zuteilungszeitpunkte bis auf wenige
Wochen exakt vorhergesagt werden können. Ursächlich für die Genauigkeit der Berechnung sei das erhebliche
Bausparvolumen. Weitere Einwände gegen die Berechnungsmethode werden vom Kläger nicht erhoben.
33 Der Einwand des Klägers, der Beklagten sei kein Schaden entstanden, weil diese so rechtzeitig informiert
worden sei, dass eine anderweitige Verwertung der Darlehensbeträge möglich gewesen sei, auch eine
Refinanzierung sei nicht erfolgt, ist unbeachtlich. Die Rechtsordnung gestattet den Banken die abstrakte
Berechnung. Ob sich eine Bank tatsächlich refinanziert und wie diese Refinanzierung aussieht, ist unerheblich
(BGH, Urteil vom 7. November 2000 – XI ZR 27/00). Auch ein Ersatzgeschäft muss sich die Bank
grundsätzlich nicht anrechnen lassen (BGH, Urteil vom 1. Juli 1997 – XI ZR 267/96).
b)
34 Da die Zahlung mit Rechtsgrund erfolgte, kann dahingestellt bleiben, ob sie in Kenntnis der Nichtschuld
erfolgte, was gemäß § 814 BGB zur Versagung der Kondiktion führen würde. Das Gericht neigte hier zur
Subsumtion des Sachverhaltes unter die Fallgruppe einer Leistung unter Druck, bei der die Kenntnis nicht
schadet (RGZ 147,17). Die Beklagte hatte die Erteilung der Löschungsbewilligung von der Zahlung der
Nichtabnahmeentschädigung abhängig gemacht.
35 Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
36 Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.