Urteil des LG Heilbronn vom 23.02.2006

LG Heilbronn (irreführende werbung, werbung, treu und glauben, kläger, im bewusstsein, bedingter vorsatz, uwg, abmahnung, stufenklage, zpo)

LG Heilbronn Urteil vom 23.2.2006, 23 O 136/05 KfH
Wettbewerbsverstoß durch irreführende Werbung mit Warentestergebnis: Voraussetzung des Anspruchs
auf Gewinnabschöpfung
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits .
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig
vollstreckbar.
Streitwert : bis EUR 16.000,00
Tatbestand
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Der klagende Verband will mit der Stufenklage einen wettbewerbsrechtlichen Gewinnabschöpfungsanspruch vorbereiten und nach dessen künftiger Bezifferung durchsetzen.
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Anlässlich der Internet-Werbung für eine „Komfort-Matratze Ortho-med“ mit dem Qualitätsurteil GUT der Stiftung Warentest nach Prüfung von 23 Matratzen, abgedruckt in test 1/1998 (K 4), mahnte der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 03.01.2005 (K 3) ab. Dagegen
hielt Letztere im Anwaltschreiben vom 19.01.2005 die früheren Prüfergebnisse nach wie vor für zutreffend und somit ihre Werbung, die sie fortsetzte, für nicht irreführend. Auch eine weitere Abmahnung vom 24.03.2005 (K 4) blieb ergebnislos. Einen Werbeprospekt, dessen
Angebote ab 14.04.2005 galten, nahm der Kläger schließlich zum Anlass, eine am 19.04.2005 beim Landgericht Heilbronn eingegangene und am 26.04.2005 zugestellte Unterlassungsklage zu erheben.
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Mit Urteil vom 08.10.2004 (23 O 59/05 KfH) wurde die Beklagte verurteilt,
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es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken gegenüber Letztverbrauchern für eine Matratze mit dem Qualitätsurteil GUT der Stiftung Warentest aus dem Heft 1/1998 wie nachfolgend abgebildet zu werben oder werben zu
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lassen:
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In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, dass der vom Kläger seit der Internet-Werbung der Beklagten ab Ende 2004 und im Anschluss an die ab 14.04.2005 gültige Prospektwerbung mit Abmahnungen und dann Klageweise verfolgte Unterlassungsanspruch nach §§
8, 3, 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG bestehe.
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Das Urteil, auf welches vollinhaltlich Bezug genommen wird, erwuchs in Rechtskraft, weil die damit beschwerte Beklagte - ausnahmsweise - keine Berufung einlegte.
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Der Kläger trägt vor, der dort festgestellte Wettbewerbsverstoß, dass nämlich „der Eindruck erweckt (worden sei), es bestehe weder Anlass noch die Möglichkeit, sich weitere Informationen (über die beworbene Matratze) etwa in neueren Testheften zu verschaffen“, sei
seitens der Beklagten vorsätzlich begangen worden, d. h. in Kenntnis und im Bewusstsein der Unlauterkeit, welche zumindest hätte erkannt werden müssen. Angesichts der zu unterstellenden Marktbeobachtung durch ihre Mitarbeiter sei anzunehmen, dass die Beklagte
die aus dem Jahr 1998 stammende Beurteilung in Kenntnis neuerer Testergebnisse verwendet habe. Diese irreführende Werbung habe sie insbesondere nach den Abmahnungen vom 03.01. und 24.03.2005 (K 3 bzw. 4)fortgesetzt, was zeige, dass sie spätestens ab dann
eine Wettbewerbsbeeinträchtigung zumindest billigend in Kauf genommen habe.
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Dadurch habe die Beklagte einen Gewinn zu Lasten einer Vielzahl von Verbrauchern erzielt.
10 Zwecks dessen Bezifferung und Durchsetzung des Anspruchs auf die gesetzlich vorgeschriebene Zahlung an den Bundeshaushalt müssten die notwendigen Auskünfte nach Treu und Glauben erteilt werden.
11 Der Kläger beantragt, für Recht zu erkennen:
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Die Beklagte wird verurteilt,
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1. dem Kläger Auskunft über folgende Punkte zu erteilen:
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1.1 Umfang der unlauteren Werbung/Handlung
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a) Anzahl der zwei Wochen vor dem 14.04.2005 (31.03. - 13.04.2005) und vor dem 27.06.2005 (13.06. - 26.06.2005) erfolgten Vertragsabschlüsse über die streitgegenständliche Matratze "Ortho-med",
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b) Anzahl der zwei Wochen ab dem 14.04.2005 (14.04. - 28.04.2005) und ab dem 27.06.2005 (27.06. - 11.07.2005) erfolgten Vertragsabschlüsse über die streitgegenständliche Matratze "Ortho-med";
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1.2 die variablen Betriebskosten für einen Zeitraum von zwei Wochen (Material-, Werbe-, Lohnkosten usw.), soweit sie nicht auch ohne die Zuwiderhandlung angefallen wären - Gemeinkosten;
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1.3 Leistungen, die aufgrund der Zuwiderhandlung an Dritte oder den Staat geleistet wurden;
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2. die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben an Eides Statt zu versichern;
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3. an das Bundesverwaltungsamt, Referat II B 5, in 50725 Köln, den Gewinn in einer nach Erteilung der Auskunft noch zu bestimmenden Höhe nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (= 22.11.2005) zu zahlen.
21 Die Beklagte stellt den Antrag,
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die Klage abzuweisen.
23 Die Beklagte bestreitet einen vorsätzlichen Wettbewerbsverstoß. Sie habe die Werbung mit dem Qualitätsurteil der Stiftung Warentest aus dem Jahr 1998 für zulässig und lauter gehalten. Insbesondere habe sie sich anstelle eigener Marktbeobachtung auf die
Produktauskünfte ihres Lieferanten verlassen dürfen. Selbst nach der Abmahnung vom 03.01.2005 (K 3) habe kein Anlass bestanden, die Wettbewerbswidrigkeit der fortgesetzten Matratzen-Werbung auch nur billigend in Kauf zu nehmen; vielmehr habe der Umstand,
dass der Kläger daraufhin bis zur weiteren Abmahnung vom 24.03.2005 (K 4) nichts unternommen habe, den Eindruck erweckt, er sei sich selbst der Sache nicht mehr sicher.
24 Trotz der andauernden Überzeugung von der Richtigkeit der eigenen Position sei die Verurteilung im Unterlassungsprozess lediglich Interesse einer zügigen Wiederherstellung des Rechtsfriedens hingenommen worden
25 Die Beklagte bestreitet auch eine Gewinnerzielung zulasten ihrer Abnehmer durch den festgestellten Wettbewerbsverstoß.
26 Wegen Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze sowie die zitierten Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
27 Die zulässige Stufenklage (§ 254 ZPO) ist unbegründet.
I.
28 Das Begehren des unstreitig nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG klagebefugten Verbands scheitert insgesamt daran,
dass der letztlich verfolgte Gewinnabschöpfungsanspruch aus § 10 UWG nicht in Bezug auf die subjektive
Tatbestandsvoraussetzung hinreichend substantiiert und schlüssig dargelegt ist.
29 1. Der rechtspolitische Hintergrund, die dogmatische Einordnung sowie regelungsimmanente Probleme jener
Vorschrift, mit deren Hilfe durch Wettbewerbsverstöße zu Lasten einer Vielzahl von Abnehmern erlangte
Gewinne an den Bundeshaushalt abgeführt werden sollen, mögen dahingestellt bleiben (vgl. hierzu etwa Sack
in WRP 2003, 549 ff. - B 3 - oder Schaub in GRUR 2005, 918 ff. - B 4).
30 2. Wird die Wettbewerbswidrigkeit einer Handlungsweise, vorliegend - wie im hiesigen Urteil vom 08.10.2004
(23 O 59/05 KfH) rechtskräftig festgestellt - der Werbung für eine Matratze mit dem Qualitätsurteil GUT der
Stiftung Warentest aus dem Heft 1/1998, sogar grob fahrlässig verkannt, greift § 10 UWG nicht ein. Vielmehr
ist tatbestandsmäßig Vorsatz erforderlich, der zivilrechtlich vorliegt, wenn der Täter weiß, dass er den
Tatbestand des § 3 UWG verwirklicht und dies auch will, wobei bedingter Vorsatz genügt, indem die
Verwirklichung für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen wird (Hefermehl/Köhler/Bornkamm,
Wettbewerbsrecht, 24. Auflage, § 10 RNr. 6).
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Somit spielt in erster Linie die Abgrenzung zwischen (Eventual-)Vorsatz und grober Fahrlässigkeit eine
Rolle, welche gerade bei Wettbewerbsverstößen an der Grenze zur Legalität, wie sie von § 10 UWG
erfasst werden sollen, zutreffend für problematisch gehalten wird (Schaub a.a.O. Seite 922 m.W.N. in
Fußnote 57). Insoweit ist der klagende Verband grundsätzlich darlegungs- und beweispflichtig
(Hefermehl/Köhler/Bornkamm a.a.O. RNr. 14).
32 3. Indessen vermag das Klagevorbringen hierzu nicht zu überzeugen.
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a) Zwar ist der Beklagten vorzuwerfen, dass sie ab Ende 2004 mit einem bereits Anfang 1998
veröffentlichten Testergebnis geworben hat, ohne zum Ausdruck zu bringen dass es neuere Prüfungen von
Matratzen sowie andere Prüfkriterien als damals gegeben hatte. Unwiderlegt ist aber das Bestreiten der
Beklagten, sie habe diese Kenntnis mangels eigener Beobachtung nicht gehabt, sondern sich auf die
entsprechende Produktinformation ihres Lieferanten verlassen. Dieser Fehler allein rechtfertigt die
Annahme bedingten Vorsatzes schon deswegen nicht, weil erfahrungsgemäß gerade große und
bedeutende Handelsunternehmen wie die Beklagte in der Regel versuchen, von Mitbewerbern belauerte
Wettbewerbsverstöße zu vermeiden. Die Unterstellung, Fehlinformationen evtl. ungeprüft oder blindlings in
die eigene Werbung übernommen zu haben, führt keineswegs zwingen zum Schluss, die
Wettbewerbswidrigkeit sei billigend im Kauf genommen worden.
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b) Letzteres gilt eigentlich erst recht im vorliegenden Fall des Fortsetzens der beanstandeten Werbung
nach Eingang einer Abmahnung, wie der Kläger sie in dem Schreiben vom 03.01. und 14.04.2005 (K3 /4)
formulierte. Dort wurde schon nicht konkret dargelegt, welche geänderten Prüfkriterien und neuen
Ergebnisse seit 1998 vorlägen. Selbst wenn anschließend seitens der Beklagten eigene Recherchen
vorgenommen worden wären, zeigt die Verteidigung der beanstandeten Werbung im Anwaltschreiben vom
19.01.2005, das man die früheren Prüfergebnisse nach wie vor für zutreffend und die Werbung damit nicht
für irreführend hielt. Erweist sich diese Einschätzung nachträglich als falsch, rechtfertigt sich doch erneut
nicht ohne Weiteres der Schluss, bei Fortsetzung der Werbung habe die Beklagte deren
Wettbewerbswidrigkeit billigend in Kauf genommen. Insoweit ist der Vorgabe, vorsätzliche Begehung sei
regelmäßig anzunehmen, wenn der Täter sein Handeln nach einer Abmahnung fortsetzt
(Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O. RNr. 6) mit Vorsicht zu begegnen: Warum sollte ein Werbender, dem
eine - zumal kaum detaillierte - Abmahnung zugeht, die Fortsetzung seiner Werbung schon dann und
vorsorglich nur deswegen einstellen, um dem Verdacht des ab diesen Zeitpunkts angeblich vorsätzlichen
Wettbewerbsverstoßes zu begegnen, solange die Möglichkeit besteht, die Abmahnung sei unberechtigt?
35 1. Fehlt es mit diesem Ergebnis an einem Tatbestandsmerkmal des Gewinnabschöpfungsanspruchs, erübrigen
sich Ausführungen zur weiteren Voraussetzung der Gewinnerzielung zu Lasten von Abnehmern.
36 2. Mit der Verneinung des Grundes der zurzeit noch unbezifferten Zahlungsklage entfallen auch sämtliche
vorbereitenden Ansprüche, weshalb der Stufenklage insgesamt ein Erfolg versagt bleibt.
II.
37 1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
38 2. Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit erfolgt aus § 709 ZPO.
39 3. Der nach § 3 ZPO festgesetzte Streitwert hält sich im Rahmen des vom Kläger mitgeteilten Interesses,
welches regelmäßig gleich zu bewerten ist wie dasjenige eines gewichtigen Mitbewerbers (BGH GRUR 1998,
958 - Verbandsinteresse zu § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG; Büscher a.a.O. 173; Hefermehl/Köhler/Bornkamm a.a.O. §
12 RNr. 5.9; Spätgens in Gloy/Loschelder, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 3. Aufl., § 80, 16; unklar Retzer
in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig a.a.O. § 12, 936). Der Streitwert der Stufenklage richtet sich ohnehin
nach anderen Kriterien als derjenige bei Unterlassungsverfügungen oder -klagen, nämlich dem mutmaßlich
höchsten des Zahlungsantrags, auch wenn es nicht zur Entscheidung über diesen kommt (Zöller-Herget, ZPO,
25. Aufl. § 3 RNr. 16 „Stufenklage“).