Urteil des LG Heidelberg vom 27.04.2016

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LG Heidelberg Urteil vom 27.4.2016, 1 S 47/15
Hunde-OP-Schutz-Versicherung: Erstattungsfähigkeit der Kosten für die Implantation einer
Endoprothese bei einem irischen Wolfshund
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Heidelberg vom 22.10.2015, Az. 23 C 372/14,
wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Heidelberg ist ohne
Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
1 Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Versicherungsvertrag.
2 Die Beklagte bietet Hunde-OP-Schutz-Versicherungen an, die sie wie folgt bewirbt:
3
Hier die Leistungen der Tierversicherung im Überblick:
4
Übernahme der Kosten für medizinisch notwendige Operationen bei Krankheit oder nach Unfall des Hundes
- je nach Vereinbarung - nach dem 1fachen oder 2fachen Satz der tierärztlichen Gebührenordnung (GOT).
(...)
5 Der Kläger ist Halter des irischen Wolfshunds A.. Er hat für diesen Hund bei der Beklagten ab 10.01.2007
eine Hunde-OP-Schutz-Versicherung abgeschlossen. Gemäß Versicherungsschein gelten für diese
Versicherung die Allgemeinen Bedingungen der Uelzener für die Tierkrankenversicherung von Hunden
(ABKH 2004).
6 Die ABKH 2004 enthalten folgende Regelungen:
7
§ 2 Versicherte Gefahren und Kosten
8
Tritt bei einem versicherten Tier eine Veränderung des Gesundheitszustands innerhalb der Vertragslaufzeit
auf, die einen chirurgischen Eingriff unter Vollnarkose erforderlich macht, so ersetzt der Versicherer dem
Versicherungsnehmer die durch tierärztliche Rechnung nachgewiesenen Kosten
9
a) folgender Operationen (*):
10
(...)
B 3.4 Femurkofpresektion
B 3.6 Luxation, operative Reposition
(...)
Die Kostenerstattung erfolgt gemäß der Gebührenordnung für Tierärzte (GOT).
11
(...)
(*) = Die genannten Kennziffern entstammen der Gebührenordnung für Tierärzte in der Fassung vom
1.August 1999.
12 Unter § 3 der ABKH 2004 sind nicht versicherte Gefahren und Kosten durch Auflistung von 11 Unterpunkten
aufgeführt. In den ABHO 2010 wurde der § 3 um folgende Ziffer 12 ergänzt:
13
Die Versicherung erstreckt sich nicht auf Aufwendungen für:
14
(...)
12. In § 2 a) nicht aufgeführte Operationen.
15 Am 16.02.2014 erlitt der Hund A. eine akute Fermurkopfluxation nach Trauma. Der Kläger stellte ihn am
selben Tag seiner Haustierärztin vor. Diese überwies den Hund am 18.02.2014 in die Tierklinik, wo er
operiert wurde. Während der Operation zeigte sich, dass wegen der Schwere der Weichteilverletzungen
eine hüftgelenkserhaltende Operation nicht möglich war. Eine Reposition der Luxation schied wegen der
Größe des Hundes aus. Sollte eine Euthanasie nicht in Betracht kommen, kam nach Auffassung der Tierklinik
nur eine Implantation einer Endoprothese in Betracht. Diese wurde durchgeführt. Die Kosten der Operation
einschließlich Vor-und Nachbehandlung belaufen sich auf 5.320,06 EUR. Der Kläger hat hiervon die
Materialkosten der Hüftgelenksprothese in Höhe von 1.625,25 EUR zuzüglich 12 % Mehrwertsteuer
abgezogen und macht im Verfahren 3.386,01 EUR geltend.
16 Der Kläger hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass sich aus § 2 ABKH 2004 nicht ergebe, dass nur
die dort genannten Operationen versichert seien. Ein solcher Hinweis finde sich in § 3 ABKH 2004 nicht,
obwohl dieser Paragraf die nicht versicherten Gefahren regele. Zudem seien bei dem Hund A. im Rahmen
des Einsatzes der Hüftgelenksprothese eine Femurkopfresektion sowie eine operative Reposition einer
Luxation durchgeführt worden. Diese Leistungen seien in § 2 a ABKH 2004 aufgeführt, so dass ihre Kosten
einschließlich der Kosten der Vor- und Nachbehandlung zu erstatten seien. Ferner hat er die Meinung
vertreten, die Beklagte müsse jedenfalls aufgrund ihrer Werbeaussagen für die Behandlungskosten
aufkommen.
17 Die Beklagte hat erstinstanzlich erwidert, § 2 a ABKH 2004 enthalte einen Positivkatalog, der sich an der
Gebührenordnung für Tierärzte orientiere. Entscheidend für die Erstattungsfähigkeit sei, wie die Operation
nach der Gebührenordnung erfasst werde. Hier seien die Femurkopfresektion und die operative Reposition
nur Durchlaufstadien gewesen, abgerechnet worden sei entsprechend Ziffer B 3.15 der tierärztlichen
Gebührenordnung nur die Implantation einer Endoprothese. Diese sei in § 2 a ABKH 2004 nicht aufgeführt,
so dass weder Operation noch Vor- oder Nachbehandlung erstattungsfähig seien. Ihre Werbeaussagen seien
nicht Vertragsbestandteil geworden.
18 Das Amtsgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens die Klage abgewiesen. Wegen des
Parteivortrags erster Instanz sowie wegen Inhalt und Begründung des Urteils, einschließlich der
erstinstanzlichen tatsächlichen Feststellungen wird - soweit sie nicht zu den hier getroffenen Feststellungen
in Widerspruch stehen - auf Entscheidungsformel, Tatbestand und Entscheidungsgründe des
erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen (§ 540 ZPO).
19 Der Kläger hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. Das Urteil des Amtsgerichts sei rechtsfehlerhaft
ergangen. Zur Begründung wiederholt der Kläger sein erstinstanzliches Vorbringen und führt vertiefend aus,
dass die Rechtsauffassung des Amtsgerichts dazu führe, dass die Frage der Erstattungsfähigkeit der Kosten
rein vom Zufall abhänge, wenn sich - wie hier - erst während der Operation herausstelle, dass eine
Implantation einer Endoprothese erforderlich sei. Die Verweigerung der Kostenübernahme durch die
Beklagte widerspreche zudem ihrer Werbeaussage. Danach würden ohne Leistungseinschränkung die
Kosten für medizinisch notwendige Operationen erstattet. Diese Zusicherung sei Vertragsinhalt geworden.
20 Der Kläger beantragt,
21 unter Abänderung des am 22.10.2015 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Heidelberg, Az. 23 C 372/14,
22 1. die Beklagte zu verurteilen, 3.386,01 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz hieraus seit dem 05.06.2014 zu bezahlen,
23 2. die Beklagte zu verurteilen, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 413,64 EUR zu bezahlen.
24 Die Beklagte beantragt,
25 die Berufung zurückzuweisen.
26 Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. § 3 ABKH 2004 schließe nur für versicherte Operationen bestimmte
Gefahren und Leistungen aus, erlaube aber nicht den Rückschluss, dass hier nicht genannte Operationen
versichert seien. Auch vor Einführung der ABHO 2010 seien nicht gesondert abrechenbare Teilleistungen
nicht erstattungsfähig gewesen. Hier seien die Femurkopfresektion und die Reposition der Luxation nicht als
eigenständig abrechenbare Leistungen durchgeführt worden, so dass eine Erstattungsfähigkeit ausscheide.
Die Erstattungsfähigkeit hänge zudem nicht vom Zufall, sondern vom Tier und der Art der Verletzung ab.
Die Werbeaussagen seien nicht Vertragsbestandteil geworden. Der Kläger habe keine
Vollkostenoperationsversicherung abgeschlossen. Es gebe keine Anhaltspunkte, dass der Vertrag gerade mit
Blick auf die Werbeaussagen abgeschlossen wurde.
27 Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze beider
Instanzen nebst Anlagen sowie den gesamten Akteninhalt verwiesen.
II.
28 Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das Urteil des Amtsgerichts beruht weder auf einem
Rechtsfehler (§ 546 ZPO) noch rechtfertigen die zugrunde zu legenden Tatsachen (§ 529 ZPO) eine andere
Entscheidung.
29 1. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung von Kosten in Höhe von 3.386,01 EUR
für die streitgegenständliche Operation einschließlich Vor- und Nachbehandlung.
30 a) Ein Anspruch des Klägers auf Erstattung der Operationskosten ergibt sich nicht aus § 2 Satz 1 a), Satz 3
ABKH 2004.
31 aa) Bei § 2 Satz 1 a) ABKH 2004 handelt es sich um einen Positivkatalog. Dies ergibt sich eindeutig aus dem
Wortlaut der Regelung, die von der Erstattungsfähigkeit der Kosten „folgender“ Operationen spricht und
dann eine Vielzahl von Operationen unter Zufügung der Kennziffer nach der GOT im Einzelnen aufführt.
Gerade die Verwendung des Begriffs „folgender Operationen“ macht deutlich, dass es sich nicht um eine nur
beispielhafte Aufzählung handelt. Keine andere Beurteilung ergibt sich aus dem systematischen
Zusammenhang mit § 3 ABKH 2004. § 3 ABKH 2004 zählt enumerativ Fälle auf, in denen eine
Kostenübernahme ausgeschlossen ist. Dem Wortlaut der Regelung lassen sich keine Anhaltspunkte dafür
entnehmen, dass sich daraus im Umkehrschluss eine Erstattungsfähigkeit aller anderen, in § 3 ABKH 2004
nicht genannten Operationen ergibt. Dies widerspräche auch der eindeutigen Regelung des § 2 Satz 1 a)
ABKH 2004. Soweit § 3 ABHO 2010 nunmehr in Ziffer 12 bestimmt, dass Aufwendungen für in § 2 a nicht
aufgeführte Operationen nicht erstattet werden, handelt es sich nicht um eine inhaltliche Änderung der
Versicherungsbedingungen, sondern nur um eine Klarstellung.
32 bb) Bedenken gegen die Wirksamkeit des in § 2 Satz 1 a) ABKH 2004 vereinbarten Positivkatalogs bestehen
nicht. Insbesondere liegt in der Verwendung dieser allgemeinen Geschäftsbedingung durch die Beklagte
keine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers gem. § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB. Zum
einen hängt die Ersatzfähigkeit der Operation nicht vom Zufall, sondern allein von der Art der Verletzung
und der sich daraus ergebenden Indikation einer Operation ab. Zum anderen führt der verwendete
Positivkatalog nicht zu einer Aushöhlung des Versicherungsschutzes. § 2 Satz 1 a) ABKH 2004 erfasst eine
Vielzahl von gängigen Operationen. Die Ausnahme bestimmter - kostenintensiver - Operationen erscheint
daher auch unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Belange des Versicherungsnehmers vertretbar.
33 cc) Eine Erstattungsfähigkeit der durchgeführten Operation scheidet aus, da die von der Tierklinik
abgerechnete Implantation einer Endoprothese im Positivkatalog des § 2 Satz 1 a) ABKH 2004 nicht
aufgeführt ist. Die Implantation einer Endoprothese stellt einen eigenen Gebührentatbestand dar gem. Ziffer
B 3.15 GOT. Dieser Gebührentatbestand ist in § 2 Satz 1 a) ABKH jedoch nicht aufgezählt. Soweit der
Kläger meint, dass er stattdessen die Kosten für die in § 2 Satz 1 a) ABKH 2004 erwähnte
Femurkopfresektion (Kennziffer B 3.4) und die Reposition der Luxation (Kennziffer B 3.6) verlangen kann, da
diese Leistungen von der Tierklinik ebenfalls erbracht worden seien, verkennt er Systematik und Inhalt des §
2 ABKH 2004. Aus § 2 Satz 3 ABKH 2004, wonach die Kostenerstattung gemäß der Gebührenordnung für
Tierärzte (GOT) erfolgt, sowie aus der Beifügung der Kennziffern der Operationen gemäß der GOT ergibt
sich, dass eine Erstattungsfähigkeit entsprechend der GOT vereinbart wurde. Erstattungsfähig sind die
Kosten für eine Operation daher nur dann, wenn für diese Leistung nach der GOT Gebühren abgerechnet
werden dürfen. Daran fehlt es hier für die Femurkopfresektion und die Reposition der Luxation.
Femurkopfresektion und Reposition der Luxation wurden lediglich im Rahmen der operativen Implantation
der Endoprothese durchgeführt, sozusagen als Durchlaufstadien. Für diese Teilleistungen durfte die Tierklinik
neben der Gebühr für die Implantation der Endoprothese gem. § 5 GOT keine Gebühren berechnen.
34 b) Mangels Erstattungsfähigkeit der Operation gem. § 2 Satz 1 a) ABKH 2004 besteht auch kein Anspruch
auf Ersatz der Kosten der Vor- und Nachbehandlung gem. § 2 Satz 1 b) und c) ABKH 2004. Aus der
systematischen Stellung von § 2 Satz 1 b) und c) ABKH 2004 ergibt sich, dass die Kosten der Vor- und
Nachbehandlung nur für versicherte Operationen erstattet werden.
35 c) Schließlich kann der Kläger auch aus den Werbeaussagen der Beklagten keinen Anspruch auf Erstattung
der Operations- und Behandlungskosten herleiten.
36 aa) Es erscheint bereits zweifelhaft, ob die Werbeaussage aus der Sicht eines objektiven Empfängers so
verstanden werden kann, dass die Kosten aller medizinisch notwendigen Operationen ersetzt werden. Denn
die Beklagten spricht in ihrer Werbung nur von Leistungen der Versicherung „im Überblick“ und „je nach
Vereinbarung“, ferner bezieht sie sich auf die tierärztliche Gebührenordnung. Diese Formulierungen legen
es nach Ansicht der Kammer nahe, dass der an der Versicherung interessierte Verbraucher mit einer
Konkretisierung des Versicherungsinhalts und verschiedenen Leistungsausschlüssen rechnen und sich
gegebenenfalls hierüber vor Vertragsschluss informieren muss.
37 bb) Jedenfalls ist die Werbeaussage aber nicht Vertragsbestandteil geworden. Es fehlt an jeglichem
Tatsachenvortrag des Klägers zu übereinstimmenden Willenserklärungen der Parteien. Weder hat der Kläger
vorgetragen, dass sich die Parteien ausdrücklich darauf geeinigt haben, dass die Werbeaussage in den
Versicherungsvertrag miteinbezogen werden sollte, noch, dass er den Versicherungsvertrag gerade mit Blick
auf die Werbeaussage der Beklagten geschlossen hat und dies für die Beklagte erkennbar war und von ihr
hingenommen wurde.
38 2. Mangels Hauptanspruch scheidet auch ein Anspruch auf die Nebenforderungen aus.
III.
39 Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit
erging gem. §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO in Verbindung mit § 26 Nr. 8 EGZPO. Ein Grund zur Zulassung der
Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegt nicht vor.