Urteil des LG Hanau vom 18.01.2007

LG Hanau: verfügung, erwerb, satzung, aktiengesellschaft, firma, fusion, unternehmen, aufsichtsrat, aktionär, aufgabenbereich

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Gericht:
LG Hanau 5.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 O 5/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 118 AktG, § 119 AktG, § 245
AktG, § 256 AktG, § 16 Abs 3
UmwG
Aktiengesellschaft: Erwerb von Anteilen eines anderen
Unternehmens zur Vorbereitung eines
Zusammenschlusses; Erfordernis der Zustimmung der
Hauptversammlung
Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
Die Verfügungsklägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 2.500 Euro vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Verfügungsklägerin hält 1035 der Aktien der Verfügungsbeklagten.
Die Verfügungsbeklagte ist eine Aktiengesellschaft, deren 32 Millionen Aktien
überwiegend im Streubesitz gehalten werden. Die Aktie der Verfügungsbeklagten
lag Mitte Dezember 2006 bei 5,75 Euro pro Aktie, woraus sich ein kapitalisierter
Marktwert der Verfügungsbeklagten von rund 184 Millionen Euro ergibt.
Die Verfügungsbeklagte ist im Bereich der Mobilfunkdienstleistungen tätig.
Der Gegenstand des Unternehmens ist in der Satzung wie folgt definiert:
Der Markt der Mobilfunkleistungen wird bedient von Unternehmen, die über ein
eigenes Netz verfügen und solchen, die entsprechende Dienste vermitteln.
Zu Letzteren gehört neben der Verfügungsbeklagten auch die Firma ... Diese hat
bei einem Aktienvolumen von 62 Millionen Aktien und einem Aktienwert Mitte
Dezember 2006 von ca. 22 Euro einen kapitalisierten Marktwert von rund 1,36
Milliarden Euro. Diese Firma betrieb im Jahr 2006 die Fusion mit ihrer
Tochtergesellschaft, der ... Die Fusion war durch Anfechtung der Beschlüsse der
Hauptversammlungen der entsprechenden Aktiengesellschaften zur Überprüfung
von Gerichten gestellt, es waren Verfahren nach § 16 Abs. 3 Umwandlungsgesetz
anhängig.
Der Vorstand der Verfügungsbeklagten vertrat in öffentlichen Ankündigungen die
Ansicht, es werde in absehbarer Zeit im Bereich der Anbieter ohne eigenes Netz
zu Konsolidierungen kommen müssen, wobei diese sinnvoller weise unter dem
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zu Konsolidierungen kommen müssen, wobei diese sinnvoller weise unter dem
Dach der Firma ... stattfinden sollten.
Am 9.10.2006 gab die Verfügungsbeklagte bekannt, sie habe Aktien der ...
erworben und halte nun 9,39 % der Stimmrechte. Der Aktienerwerb sei
größtenteils fremdfinanziert durch Ausnutzung einer für strategische Akquisitionen
eingeräumten Kreditlinie. Am 27.10.2006 teilte die Verfügungsbeklagte mit, sie
habe ihren Anteil an der ... auf 10,37 % erhöht.
Am 30.10.2006 kam es zu Presseveröffentlichungen, in denen unter Bezugnahme
auf den Vorstand der Verfügungsbeklagten mitgeteilt wurde, diese beabsichtigte
eine Erhöhung ihres Anteils an der ... auf bis zu 20 %.
In der Folgezeit versuchte die Verfügungsbeklagte einen vakant gewordenen Sitz
im Aufsichtsrat der ... mit einem Mitglied ihres Vertrauens besetzen zu lassen, was
jedoch scheiterte.
Daraufhin wurden in der Presse Äußerungen des Vorstandsvorsitzenden der
Verfügungsbeklagten wiedergegeben, eine außerordentliche Hauptversammlung
der ... erzwingen zu wollen. Ferner solle geprüft werden, ob die Verfügungsbeklagte
den ... anhängigen Klagen gegen die Fusion von ... und ... als Nebenintervenientin
beitreten solle.
Die Verfügungsklägerin will der Verfügungsbeklagten untersagen lassen, weitere
Aktien der ... zu erwerben oder in anderer Weise sich um verbesserte
Einflussmöglichkeiten auf die ... zu bemühen, ohne dass vorher ein ausdrücklicher
... Zustimmungsbeschluss ihrer Hauptversammlung herbeigeführt wird.
Die Verfügungsklägerin ist der Ansicht, der Vorstand der Verfügungsbeklagten
verstoßen bei seinem Versuch einer weiteren Beteiligung an der ... bereits gegen
ihre Satzung.
Während die Verfügungsbeklagte nach ihrer Satzung ein
Telekommunikationsunternehmen sei, habe der Vorstand sie durch den
fremdfinanzierten Erwerb des Unternehmenspakets an der ... in ein
Finanzanlagenunternehmen umgewandelt.
Die Verfügungsbeklagte beschäftige sich nunmehr hauptsächlich mit
Wertpapierspekulationsgeschäften und gehe deshalb ihrer satzungsbestimmten
Tätigkeit nur noch nachrangig nach, zumal der Kaufpreis des fremdfinanziert
übernommenen Aktienpakets höher sei als die Marktkapitalisierung der
Verfügungsbeklagten.
Infolge der Größe des zur Übernahme vorgesehenen Aktienpaketes setzte der
Vorstand die Verfügungsbeklagte darüber hinaus einem Insolvenzrisiko aus, das
sich schon durch Kursschwankungen der ... realisieren könne.
Die Verfügungsklägerin beantragt,
die Verfügungsbeklagte zu verpflichten,
es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen,
1.zukünftig ohne ausdrücklichen Zustimmungsbeschluss ihrer
Hauptversammlung Aktien der ... zu erwerben,
2.durch sonstige Handlungen Maßnahmen zu ergreifen, die auf einer Erhöhung
ihrer Beteiligung an oder Wahrnehmung direkter Einflussmöglichkeiten auf die
Geschäftsführung bei der ... zielen, ohne hierfür vorher einen ausdrücklichen
Zustimmungsbeschluss ihrer Hauptversammlung eingeholt zu haben,
3.zusätzlichen Kredit für den Erwerb von Wertpapieren der ... oder der ...
aufzunehmen
Die Verfügungsbeklagte beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Sie meint u. a., die getroffenen und geplanten Maßnahmen des Ausbaus einer
Beteiligung an der ... seien Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstands, die
dieser nur gegenüber dem Aufsichtsrat zu rechtfertigen habe.
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Darüber hinaus seien diese Maßnahmen erforderlich, um ihre Position in der
bevorstehenden Konsolidierungsphase zu verbessern.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien
gewechselten Schriftsätze und die im Termin vom 18.1.2007 protokollierten
Erklärungen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zurückzuweisen, weil es an
einem Verfügungsanspruch fehlt.
Der von der Verfügungsklägerin begehrte Erlass einer einstweiligen Verfügung
wäre allenfalls in Betracht gekommen, wenn auch eine entsprechende
Hauptsacheklage mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit Erfolg gehabt hätte.
Dies ist jedoch nicht der Fall, da die Verfügungsklägerin als Aktionärin der
Verfügungsbeklagten keinen Anspruch darauf hat, die Entscheidungen des
Vorstandes im Zusammenhang mit der ... zum jetzigen Zeitpunkt zur
Überprüfung einer Hauptversammlung zu stellen.
Die Verantwortungsbereiche der einzelnen Gremien einer Aktiengesellschaft und
deren Kontrollmöglichkeiten sind im Aktienrecht eindeutig geregelt. Danach liegen
die Geschäftsführungsmaßnahmen ausschließlich in dem – notfalls von dem
Aufsichtsrat kontrollierten – Aufgabenbereich des Vorstands.
Wegen dieser eindeutigen Aufgabenverteilung hat der Bundesgerichtshof nur im
besonderen Ausnahmefall einem Aktionären die Befugnis eingeräumt,
Maßnahmen des Vorstands zur Überprüfung eines Gerichts zu stellen, weil diese
nicht mehr Geschäftsführungsmaßnahmen seien sondern eine durch die Satzung
der Gesellschaft nicht mehr gerechtfertigte Umstrukturierung der Gesellschaft
herbeiführten, die diese Gesellschaft in einem Maß veränderten, wie dies nur durch
eine Satzungsänderung herbeigeführt werden könnte.
Eine solche Umstrukturierungsmaßnahme jenseits der
Geschäftsführungsbefugnisse des Vorstandes liegt jedoch nicht vor.
Die Verfügungsklägerin hat selbst vorgetragen, der Vorstand der
Verfügungsbeklagten habe die durchgeführten und angekündigten Maßnahmen
zur Erhöhung ihres Einflusses auf die Firma ... mit der Notwendigkeit begründet,
ihrem eigenen Unternehmen im Falle der erwarteten Konsolidierung eine
möglichst gute Ausgangsposition zu verschaffen.
Ob, wie die Verfügungsklägerin meint, die wirtschaftlichen Überlegungen des
Vorstands und insbesondere deren Umsetzungen im Zusammenhang mit eine
Erhöhung der Beteiligung an der ... letztlich nicht ziel führend sind, kann nicht
Gegenstand dieses Rechtsstreits seien.
Würde sich das Gericht auf diese Diskussion einlassen, könnte künftig jede
Entscheidung eines Vorstandes mit der Begründung blockiert werden, sie sei
wirtschaftlich nicht sinnvoll, diene deshalb nicht den Satzungszweck und erfordere
aus diesem Grund die Zustimmung der Hauptversammlung.
Maßgebend muss allein sein, dass die von der Verfügungsklägerin beanstandeten
vergangenen und zukünftig geplanten Maßnahmen von dem Vorstand der
Verfügungsbeklagten für erforderlich gehalten werden, um in dem in Zukunft
sicher schwierigeren Mobilfunkbereich besser bestehen zu können.
Diese Maßnahmen sind damit zunächst von der Satzung der Verfügungsbeklagten
gedeckt, weil sie nicht nur den Betrieb des eigentlichen Mobilfunkbereiches
sondern auch alle diejenige wirtschaftlichen Entscheidungen erlaubt, die zur
Förderung des Unternehmenszweckes dienlich sind. Hierzu gehören insbesondere
auch Unternehmensbeteiligungen.
Ohne Zweifel sind die von den Vorstand der Verfügungsbeklagten ergriffenen
Maßnahmen damit auch sogenannte Geschäftsführungsmaßnahmen, weil sie
eben nicht ohne vernünftigen Grund die Gesamtstruktur des Unternehmens
wesentlich verändern, sondern zumindest in der – von den Gerichten auf ihrer
Rationalität nicht zu überprüfenden – Absicht geschehen, dem
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Rationalität nicht zu überprüfenden – Absicht geschehen, dem
Unternehmenszweck in der Zukunft besser dienen zu können.
Es kann insbesondere nicht, wie die Verfügungsklägerin meint, darauf abgestellt
werden, dass die durchgeführte und weiter geplante Unternehmensbeteiligung das
Wesen des Unternehmens satzungswidrig ändere, indem es sich nunmehr
überwiegend mit Wertpapierspekulationen befasse.
Es hat in der Geschichte der deutschen Aktiengesellschaft eine Vielzahl von
Zusammenschlüssen gegeben.
Diesen ist regelmäßig der Erwerb von Anteilen eines zu übernehmenden
Unternehmens durch die übernehmende Gesellschaft vorausgegangen oder stand
mit ihnen im Zusammenhang.
Der Gesetzgeber hat dabei soweit ersichtlich noch nie die Überlegung der
Verfügungsklägerin aufgegriffen, dass zur Vorbereitung von möglichen
Zusammenschlüssen mit im gleichen Wirtschaftsbereich operierenden
Unternehmen der potentielle Übernehmer durch den Erwerb der Anteile des zu
übernehmenden Unternehmens seinen eigenen Unternehmenszweck in den einer
Wertpapierspekulation ändert.
Im Gegenteil zeigt das im Aktiengesetz wie im Umwandlungsgesetz gesetzlich
geregelte Verfahren, dass der Gesetzgeber sehr wohl die, eine mögliche
Verschmelzung vorbereitenden Maßnahmen und damit auch die regelmäßig
stattfindenden Anteilserwerbe im alleinigen Aufgabenbereich des Vorstandes
sieht.
Diese hat er nicht von einer – aus praktischen Gründen ohnehin kaum
vorstellbaren – Vorab Zustimmung der Anteilseigner zu einer beabsichtigten
Verschmelzung abhängig gemacht.
Vielmehr sind die Befugnisse des Anteilseigners darauf beschränkt, dass der
Gesetzgeber den Vorstand verpflichtet, die – zu diesem Zeitpunkt von den
Vorständen der beteiligten Aktiengesellschaften allerdings durch
Verschmelzungsvertrag und gemeinsamen Bericht schon weites gehend
vorbereitete – Verschmelzung zur Abstimmung der Hauptversammlung zu stellen.
Dabei ist die Befugnis des einzelnen Anteilseigners, ein den Vorstand
bestätigenden Beschluss der Hauptversammlung gerichtlich überprüfen zu lassen,
auch noch durch die Regelungen über die Anfechtungsbefugnis (§ 245 AktG) und
das Verfahren nach § 16 Abs. 3 UmwG bewusst beschränkt.
Diese Beschränkung hat der Gesetzgeber durch das Gesetz zur
Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts vom
22.9.2005 (BGBI 2005, 2802) dadurch ausdrücklich bestätigt, dass er durch die
Neufassung des § 245 Abs. 1 AktG weitere Anfechtungsvoraussetzungen
eingeführt hat.
Dieser Wertung des Gesetzes würde es aber gerade zuwiderlaufen, hätte ein
Anteilseigner die Möglichkeit, Anteilserwerbe zur Vorbereitung einer möglichen
Fusion mit der Begründung zur gerichtlichen Überprüfung zu stellen, sie seien
keine Geschäftsführungsmaßnahmen.
Wenn die von der Verfügungsklägerin beanstandeten Maßnahmen, die der
Vorstands der Verfügungsbeklagten angekündigt hat, somit als
Geschäftsführungsmaßnahmen anzusehen sind, die nach den gerichtlich nicht zu
überprüfenden Vorstellungen dieses Vorstandes nicht auf eine Umstrukturierung
der Gesellschaft sondern der Gewährleistung des Unternehmenszwecks – wenn
auch in anderem Zuschnitt – dienen, liegen die Vorraussetzungen, unter denen
der Bundesgerichtshof die gerichtliche Überprüfung von Vorstandshandeln durch
einen Aktionär zulässt, nicht vor. Ein Verfügungsanspruch ist deshalb nicht
gegeben.
Da der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bereits aus diesem Grund
zurückzuweisen war, bedarf dies keiner näheren Darlegung, dass diesem auch aus
anderen Gründen der Erfolg zu versagen gewesen wäre.
Am Rande sei aber festgestellt, dass die vom Bundesgerichtshof (BGHZ 83, 122,
136) geforderte Frist zur Erhebung einer entsprechenden Klage bzw. zur
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136) geforderte Frist zur Erhebung einer entsprechenden Klage bzw. zur
Beantragung des Erlasses einer einstweiligen Verfügung wohl eher nicht gewahrt
ist, nachdem der Vorstand der Verfügungsbeklagten die beanstandeten
Maßnahmen Ende Oktober 2006 angekündigt hat und der Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Verfügung erst am 27.12.2006 bei Gericht einging.
Wenn der Bundesgerichtshof sich insoweit an der Anfechtungsfrist des § 246 Abs.
1 AktG orientiert, wird darin die Parallelität der hier gegebenen Beanstandung
einer Vorstandsmaßnahme wegen fehlender Hauptversammlungsentscheidung
und der gesetzlich geregelten Anfechtung einer solchen Entscheidung der
Hauptversammlung deutlich.
Der Aktionär, der sich mit der Begründung gegen eine Vorstandmaßnahme
wendet, die Zustimmung der Hauptversammlung sei für sie notwendig, kann für
sich nicht mehr Befugnisse in Anspruch nehmen als das Gesetz dem Aktionär
einräumt, der den Beschluss einer stattgefundenen Hauptversammlung anfechten
will.
Wenn der Bundesgerichtshof deshalb zu Recht eine Orientierung an der Frist des §
246 AktG fordert, wäre es aber nur konsequent, auch die durch das Gesetz vom
22.9.2005 in § 245 Abs.1 AktG neu geschaffenen Anfechtungsbefugnis
entsprechend dadurch anzuwenden, dass der Erfolg des Antrages der
Verfügungsklägerin auch davon abhängig gemacht wird, dass sie zum Zeitpunkt
der Bekanntgabe der beanstandeten Vorstandsentscheidungen bereits Aktionärin
der Verfügungsbeklagten war.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hätte deshalb – nach
entsprechendem Hinweis – auch deshalb abgelehnt werden müssen, weil die
Verfügungsklägerin im Termin vom 18.1.2007 die Frage unbeantwortet ließ, ob sie
Ende Oktober 2006 bereits Aktionärin der Verfügungsbeklagten war oder die
Aktien erst danach erworben hat.
Da die Verfügungsklägerin unterlegen ist, hat sie nach § 91 Abs 1 ZPO die Kosten
des Verfahrens zu tragen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.