Urteil des LG Hagen vom 21.12.2006

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Landgericht Hagen, 4 O 152/06
Datum:
21.12.2006
Gericht:
Landgericht Hagen
Spruchkörper:
4. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 O 152/06
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Dieses Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu
vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
1
Der Beklagte ist Steuerberater und bereits seit 1983 als solcher für den Kläger und
dessen Gewerbebetrieb tätig.
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Im Jahre 1997 verhandelte der Kläger mit der Fa. X3 AG über die Verlegung einer
Erdgasfernleitung auf einem Grundstück des Klägers, das im Bereich des Finanzamtes
X2 gelegen war, und über die dafür zu zahlenden Entschädigungen. Er fragte beim
Beklagten an, ob die zu leistenden Entschädigungen als Einnahmen aus privat
genutzten Grundstücken steuerpflichtig seien. Der Beklagte hatte weder die
Vertragsunterlagen eingesehen noch an den Verhandlungen des Klägers mit der Fa. X3
AG teilgenommen. Der genaue Wortlaut der Antwort des Beklagten ist streitig.
Zumindest hat der Beklagte, nach eigener Einlassung, erklärt, er sei der Auffassung,
dass die Zahlungen nicht einkomrnenssteuerpflichtig seien.
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Unter dem 18.08.1997 schloss der Kläger mit der Fa. X3 AG einen Vertrag über die
Verlegung der Gasleitungen auf seinem Grundstuck. Die Fa. X3 AG verpflichtete sich
darin zu Zahlungen in Höhe von 320.065,00 DM im Jahre 1997 und zu einer weiteren
Zahlung von 25.000,00 DM im Jahre 1998 und leistete dementsprechend die
Zahlungen.
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Das Wohnsitzfinanzamt des Klägers in X überprüfte im Jahre 2002 die für 1997 und
1998 ergangenen Steuerbescheide und erließ sodann unter dem 05.12.2002
abgeänderte Steuerbescheide unter Berücksichtigung der erlangten
Entschädigungsbetrage. Der Kläger übersandte dem Beklagten am 10.12.02 Fax-
Abschriften der Steuerbescheide, gegen die dieser im Auftrag des Klägers mit
Schreiben vom 27.12.02 Einspruch einlegte.
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Das Finanzamt X blieb in seinem Schreiben vom 20.01.2003 grundsätzlich bei seiner
Auffassung von der Steuerpflichtigkeit der gezahlten Entschädigungen und lehnte die
beantragte Aussetzung der Vollziehung wegen zu entrichtender Steuern in Höhe von
79.215,36 € ab. Es bewilligte die Aussetzung nur wegen des Steueranteils, der auf den
für die Wiederherstellung der Gartenanlage gezahlten Betrag in Höhe von 99.000,00
DM und auf den im Jahre 1998 gezahlten Gesamtbetrag von 25.000,00 DM entfiel, und
bat insoweit um weitere Angaben zur Aufklärung des Sachverhalts und um Vorlage der
Verträge.
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Daraufhin bat der Kläger den Beklagten mit Schreiben vom 24.08.03 wegen etwaiger
Regressforderungen auf die Einrede der Verjährung zu verzichten. Dies lehnte der
Beklagte mit Schreiben vom 26.08.03 unter Hinweis auf die gemäß § 68
Steuerberatergesetz (StBerG) geltende 3-jahrige Verjährungsfrist ab. Im November 2003
gab das Finanzamt X den Vorgang an das zuständige Finanzamt X2 ab. Dieses erließ
am 11.12.03 Feststellungsbescheide für die Jahre 1997 und 1998, in denen die
Entschädigungen als sonstige Einkünfte im Jahre 1997 in Höhe von 320.229,00 DM und
im Jahre 1998 in Höhe von 25.000,00 DM berücksichtigt wurden. Der Beklagte legte
erneut Einspruch ein. Mit C des Finanzamts X2 vom 24.08.04 wurde sodann der Betrag
von 99.000,00 DM, der als Pauschale für die Wiederherstellung der Gartenanlage
gezahlt worden war, von der Besteuerung ausgenommen.
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Unter dem 20.09.04 erhob der Beklagte im Namen des Klägers und dessen Ehefrau
beim Finanzgericht N Klage auf Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 24.08.04
und der Steuerbescheide vom 11.12.03 unter Darlegung seines Standpunkts, die
Zahlungen der Fa. X3 AG seien keine steuerpflichtigen Einkünfte im Sinne von § 22 Nr.
3 Einkommenssteuergesetz. In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht N
am 11.08.2005 schlossen die Parteien einen Vergleich, wonach die von der Fa. X3 AG
an den Kläger und dessen Ehefrau im Jahre 1997 gezahlten Betrage in Höhe von
175.000,00 DM als Einkünfte zu besteuern und die darüber hinaus für 1997 und 1998
festgestellten Betrage steuerfrei zugeflossen seien.
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Auf dieser Grundlage erließ das Finanzamt X2 unter dem 17.10.05 je einen
Einkommensteuerbescheid für 1997 und für 1998, wegen deren Inhalts auf die
Ablichtungen BI. 37 - 44 d. A. verwiesen wird.
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Der Kläger suchte im Oktober 2005 seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten auf, um
sich wegen des anstehenden Problems des Steuerschadens beraten zu lassen. Dabei
wurde über die Verjährung des Regressanspruches gegen den Beklagten gesprochen.
Außerdem wurde eine Berechnung des Steuerschadens, der auf der Grundlage des
finanzgerichtlichen Vergleichs entstanden war, durch das Steuerbüro X und Partner in M
veranlasst mit dem Ziel, diesen Schaden gegen den Beklagten geltend zu machen. Die
Berechnung ergab, dass der Kläger und seine Ehefrau aufgrund der Berücksichtigung
des im finanzgerichtlichen Vergleich festgelegten Betrages van 175.000,00 DM (=
89.476,08 €) zusätzlich Steuern in Höhe von 69.697,00 € zu zahlen hatten.
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Mit der Klage verlangt der Kläger vom Beklagten wegen steuerrechtlicher
Falschberatung Ersatz der gezahlten Steuern, der Prüfungskosten des
Steuerberaterbüros X und Partner in Höhe von 1.392,00 €, der vorgerichtlichen
Rechtsanwaltsgebühren und der Rechtsanwaltskosten für das Mahnverfahren.
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Er behauptet, der Beklagte habe ausdrücklich erklärt, dass keine Steuerpflicht für die
Entschädigungsbeträge der Fa. X3 AG bestehe. Auf Grund dieser Beratung habe er, der
Kläger, die Vereinbarung vom 18.08.1997 mit der Fa. X3 AG getroffen. Bei richtiger
Auskunft hatte er eine andere Entscheidung treffen können und den Steuerschaden
vermieden. Der Regressanspruch gegen den Beklagten sei nicht verjährt. Für den
Beginn der Verjährung sei auf den endgültigen Bescheid des Finanzamts X2 vom
17.10.05 abzustellen. Zudem sei der Beklagte verpflichtet gewesen, rechtzeitig auf
Regressansprüche gegen sich hinzuweisen.
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Auf Antrag des Klägers vom 29.12.05 hat das Amtsgericht V am 10.01.06 einen
Mahnbescheid wegen einer Hauptforderung in Höhe von 71.089,00 € erlassen, der dem
Beklagten am 13.01.06 zugestellt worden ist.
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Nach Widerspruch des Beklagten beantragt der Kläger,
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1. den Beklagten zu verurteilen, 69.697,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15.12.05 an ihn zu zahlen,
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2. den Beklagten zu verurteilen, 1.392,00 € an außergerichtlich entstandenen Kosten für
die Ausarbeitung einer gutachterlichen Stellungnahme nebst Zinsen in Hohe von 5
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.12.05 zu zahlen,
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3. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 1.052,80 € an außergerichtlich entstandenen
Kosten nebst Zinsen in Hohe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
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4. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 1.415,20 € an entstandenen Kosten für das
Mahnverfahren zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er meint, eine Pflichtverletzung seinerseits liege nicht vor, da er ohne Kenntnis der
vertraglichen Grundlagen keine fachliche Stellungnahme und keine Garantie für die
Steuerfreiheit habe abgeben können. Jedenfalls fehle es an einem kausalen Schaden,
da eine Vermeidung der Steuer nicht möglich gewesen wäre. Schließlich seien etwaige
Schadensersatzanspruche verjährt, da die Verjährungsfrist bereits mit Bekanntgabe der
Steuerbescheide des Finanzamts X vom 05.12.02 zu laufen begonnen habe.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der
gewechselten Schriftsatze Bezug genommen.
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Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift vom 26.10.2006 (BI. 76/77 d. A.) Bezug
genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist unbegründet.
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Es kann offen bleiben, ob dem Kläger gegen den Beklagten Schadensersatzansprüche
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wegen falscher steuerrechtlicher Beratung aufgrund positiver Vertragsverletzung gemäß
§§ 611, 631, 276 BGB alter Fassung zustehen.
Denn etwaige Schadensersatzanspruche des Klägers sind gemäß § 68 StBerG alter
Fassung verjährt.
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Zwar ist die Vorschrift des § 68 StBerG alter Fassung durch Gesetz vom 09.12.04 (BGBl.
I 3214) mit Wirkung zum 15.12.04 aufgehoben worden. Für Altansprüche gilt jedoch
weiter die Verfahrensvorschrift des § 68 StBerG.
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Danach verjähren vertragliche Ansprüche gegen einen Steuerberater in drei Jahren von
dem Zeitpunkt an, in welchem der Anspruch entstanden ist. Diese Verjährungsfrist wird
mit Schadensentstehung in M2 gesetzt und erstreckt sich auf alle voraussehbaren
Folgeschäden (vgl. BGH NJW 96, 1895/6). Die Verjährung eines Ersatzanspruchs
gegen einen Steuerberater wegen schuldhafter vertraglicher Pflichtenverletzung beginnt
nach ständiger Rechtsprechung des BGH in der Regel, sobald der belastende
Steuerbescheid gemaf1 §§ 122 Abs. I, 155 Abs. I Satz 2 AO bekannt gegeben wird (vgl.
BGH a.a.O.).
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Im Streitfall wird der Klageanspruch auf eine Pflichtverletzung des Beklagten in einer
Steuersache gestützt. Denn der Kläger wirft dem Beklagten vor, ihn vor Abschluss des
Vertrages mit der Fa. X3 AG am 18.08.1997 fehlerhaft über die Steuerpflichtigkeit der
vorgesehenen Entschädigungsleistungen für die Verlegung der Ferngasleitungen auf
seinem Grundstück in X2 beraten zu haben. Entgegen der Ansicht des Klägers beginnt
danach die Verjährung des geltend gemachten Ersatzanspruchs nicht erst mit der
Bestandskraft der Steuerbescheide des Finanzamts X2 vom 17.10.05, sondern bereits
mit Zugang des Steuerbescheides des Finanzamts X vom 05.12.02, da bereits zu
diesem Zeitpunkt die erste Vermögensverschlechterung beim Kläger ausgelöst wurde.
Die Steuerbescheide vom 05.12.02 sind dem Kläger vor dem oder am 10.12.02 bekannt
gegeben worden, da er dem Beklagten unstreitig unter diesem Datum Fax-Abschriften
der Bescheide übersandt hat. Die mithin am 10.12.02 beginnende Verjährungsfrist lief
am 10.12.05 ab. Danach war die Verjährung der Klageansprüche bereits eingetreten,
als der Antrag des Klägers auf Erlass eines Mahnbescheides am 29.12.05 beim
Amtsgericht V einging. Umstände, die eine Hemmung oder Unterbrechung der
Verjährungsfrist bewirkt haben konnten, hat der Kläger nicht dargelegt, so dass die
Verjährung der Primärhaftung des Beklagten am 10.12.05 endete.
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Dem Beklagten ist nicht verwehrt, sich auf den Ablauf dieser Verjährung zu berufen.
Zwar trifft ihn die sogenannte Sekundärhaftung des Steuerberaters, wonach die
Verjährungsfrist gemäß § 68 StBerG alter Fassung nach Eintritt der Primärverjährung
eines vertraglichen Regressanspruchs neu beginnt, wenn der Steuerberater nicht auf
die mögliche eigene Regresspflicht und Verjährung rechtzeitig hinweist (vgl. BGH
a.a.O.). Der Beklagte hat jedoch nach seiner vom Kläger nicht bestrittenen Erklärung in
der mündlichen Verhandlung vom 26.10.2006 den Kläger bereits im August 2003 über
die maßgeblichen Verfahrensvorschriften für etwaige Regressansprüche aufgeklart und
ist damit seiner Hinweispflicht nachgekommen. Darüber hinaus ist eine Verpflichtung
des Beklagten, auf die Möglichkeit einer Haftung und auf den Ablauf der
Primärverjährung hinzuweisen, entfallen, da der Kläger unstreitig im Oktober 2005
anwaltlich sowohl über die Haftungsfrage als auch über die Verjährung der
Regressansprüche beraten worden ist und ohne Zeitdruck Möglichkeit hatte, für die
Unterbrechung bzw. Hemmung der Verjährung zu sorgen.
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Nach allem sind sämtliche Regressansprüche des Klägers verjährt. Der Kläger ist mit
seiner Klage abzuweisen.
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Der Streitwert wird auf insgesamt 71.089,00 € (Antrage zu 1. und 2.) festgesetzt.
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Die Klageantrage zu 3. und 4. betreffen beim Streitwert nicht zu berücksichtigende
Nebenforderungen.
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