Urteil des LG Giessen vom 09.12.2009

LG Gießen: grundsatz der erforderlichkeit, wiederbeschaffungswert, kaution, käufer, verkehrsunfall, erwerb, auto, kreditkarte, begutachtungskosten, totalschaden

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Gericht:
LG Gießen 1.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 S 21/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 249 Abs 2 S 1 BGB, § 254
Abs 2 BGB
Schadenersatz bei Verkehrsunfall mit wirtschaftlichem
Totalschaden: Ersatzfähigkeit fiktiver
Begutachtungskosten für ein Ersatzfahrzeug;
Informationspflichten gegenüber der gegnerischen Kfz-
Haftpflichtversicherung bei Mietwagennahme zum
Unfallersatztarif
Leitsatz
1. Bei fiktiver Schadensberechnung nach einem Verkehrsunfall sind fiktive Kosten für
eine sachverständige Begutachtung eines Ersatzwagens jedenfalls dann nicht zu
ersetzen, wenn gleichwertige Ersatzfahrzeuge üblicherweise im gewerblichen
Gebrauchtwagenhandel erworben werden oder der Wiederbeschaffungswert des
Unfallwagens gering (hier: 3.400 €) ist (entgegen OLG Frankfurt/Main, NJW 1990, 3212).
2. Der Geschädigte ist bei Anmietung eines Pkws zum Unfallersatztarif jedenfalls dann
gem. § 254 Abs. 2 BGB gehalten, den Schädiger oder seinen Haftpflichtversicherer
darüber zu informieren, dass er keine Kaution zu stellen vermag und über keine
Kreditkarte verfügt und deshalb nicht zum günstigeren Normaltarif anmieten kann,
wenn die Kosten des Unfallersatztarifs außer Verhältnis zum Wiederbeschaffungswert
des Unfallwagens stehen (offengelassen von BGH, NJW 2007, 1676).
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Büdingen vom 11.
Dezember 2008 abgeändert und wird die Klage vollumfänglich abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann eine Vollstreckung durch die
Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des für die Beklagte aus
dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden
Betrages leistet.
Gründe
I.
Hinsichtlich des tatsächlichen Sachverhaltes wird zunächst auf das angefochtene
Urteil Bezug genommen, soweit die dortigen Feststellungen nicht in Widerspruch
zum nachfolgend wiedergegebenen Sachverhalt stehen.
Der Kläger begehrt von der Beklagten weiteren Schadensersatz nach einem
Verkehrsunfall. Am Freitag, dem 5. Januar 2007, befuhr der Kläger gegen 22
20
Uhr
mit seinem mit einer Selbstbeteiligung von 150,00 Euro teilkaskoversicherten Pkw
Nissan Coupé…, die vorfahrtsberechtigte Gymnasiumstraße in B. An der Kreuzung
Gymnasiumstraße/Brunostraße näherte sich dem Kläger von rechts der Fahrer des
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Gymnasiumstraße/Brunostraße näherte sich dem Kläger von rechts der Fahrer des
bei der Beklagten pflichthaftpflichtversicherten Pkws … und fuhr auf die
Gymnasiumstraße auf, ohne den vorfahrtsberechtigten Kläger zu beachten, so
dass es zu einer Kollision der Fahrzeuge kam. Das am 06.08.1993 erstmals
zugelassene Auto des Klägers erlitt bei einem Wiederbeschaffungswert von 3.400
Euro und überschlägigen Reparaturkosten von 10.000 Euro einen wirtschaftlichen
Totalschaden. Der Restwert lag bei 500,00 Euro.
Die vollumfängliche Haftung der Beklagten steht zwischen den Parteien außer
Streit. Nachdem die Beklagte den übrigen Schadenersatzforderungen des Klägers
nachkam, streiten sie noch über eine Ersatzpflicht der Beklagten bezüglich vom
Kläger begehrter pauschaler Ab- und Anmeldekosten von 75,00 Euro, fiktiver
Begutachtungskosten hinsichtlich des anzuschaffenden Ersatzfahrzeugs von
ebenfalls 75,00 Euro und – erstinstanzlich – Kosten für im Unfallauto befindlichen
Treibstoff von 20,00 Euro. Außerdem streiten sie über die Ersatzfähigkeit der
Kosten für einen vom Kläger in Anspruch genommenen Mietwagen. Hier macht der
Kläger insgesamt 3.104,71 Euro geltend, die Beklagte hat hierauf 2.060,00 Euro
gezahlt, so dass noch 1.044,71 Euro Gegenstand der Klage sind. Der Kläger
begehrt außerdem Ersatz außergerichtlicher Anwaltsgebühren, die er aus einem
Gegenstandswert von 1.214,71 Euro in Höhe von 50% einer 1,3 fachen
Geschäftsgebühr zzgl. Auslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV-RVG und
Umsatzsteuer berechnet und mit 105,02 Euro geltend macht.
Der Kläger mietete das Ersatzfahrzeug am Sonntag, dem 07.01.2007, bei der C-
Autovermietung GmbH & Co. KG in G an, die einen Unfallersatztarif nebst
Nebenkosten für Winterreifen, Vollkaskoversicherung und Zustellen und Abholen
berechnete. Das angemietete Fahrzeug gehörte der Fahrzeugklasse 4, der
Unfallwagen des Klägers der Fahrzeugklasse 5 an. Der Kläger legte bis zur
Rückgabe am 26.01.2007 eine Entfernung von 1.642 Kilometern zurück. Das
Schadensgutachten des Dipl.-Ing. S, auf das sich der Kläger hinsichtlich des von
der Beklagten anerkannten Wiederbeschaffungswertes stützt, geht von einer
Wiederbeschaffungsdauer von 14 Kalendertagen aus. Auf das Gutachten Bl. 12-
16R d.A. wird Bezug genommen. Am 22.01.2007 erhielt der Kläger ein
Ersatzfahrzeug, das er zum Preis von 800,00 Euro, zahlbar in monatlichen Raten à
200,00 Euro, von privat erwarb.
Der Kläger hat behauptet, ihm sei kein Normaltarif zugänglich, die Anmietung zum
Unfallersatztarif sei daher erforderlich gewesen. Denn bei Anmietung zum
Normaltarif bedürfe es der Stellung einer Kaution oder der Benutzung einer
Kreditkarte. Eine Kaution habe er aus wirtschaftlichen Gründen nicht leisten
können und er verfüge über keine Kreditkarte. Außerdem müsse beim Normaltarif
darauf verzichtet werden, ein bestimmtes Auto zu nutzen und müsse die
Anmietdauer exakt definiert sein. Andere Autovermieter in B. hätten bei
Vollkaskoversicherung eine höhere Selbstbeteiligung verlangt.
Die Beklagte hat bestritten, dass der Mietvertrag wirksam geschlossen worden sei,
die geltendgemachten Mietkosten tatsächlich angefallen seien und der Kläger und
die Autovermietung sich bei Vertragsschluss bereits über den Mietzins geeinigt
und diesen nicht erst nachträglich in den Vertag aufgenommen hätten. Sie hat
gemeint, da das Auto des Klägers bereits fast 14 Jahre alt gewesen sei, sei der
Nutzungswert zwei Gruppen herabzustufen und für die Mietkosten auf ein
Fahrzeug der Wagenklasse 3 abzustellen.
Das Amtsgericht hat die Klage hinsichtlich des verlorengegangenen Treibstoffes
abgewiesen und ihr im Übrigen stattgegeben. Mit ihrer mit einem am 16. Januar
2009 beim Landgericht eingegangenem Schriftsatz eingelegten und zugleich
begründeten Berufung gegen das ihr am 7. Januar 2009 zugestellte Urteil verfolgt
die Beklagte ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag gegen den das
amtsgerichtliche Urteil verteidigenden Kläger weiter. Die Beklagte hält ihr
bisheriges Vorbringen aufrecht und behauptet außerdem, sie hätte bei einer
Information des Klägers, dass er keine Kaution stellen könne, einen Mietwagen
vermittelt, indem sie einem der überregionalen Anbieter, mit denen sie
Kooperationsvereinbarungen habe, eine Kostenübernahmebestätigung für den
ortsüblichen und angemessenen Normaltarif übersandt hätte. Dies hätte sofort
und ohne zeitliche Verzögerung geschehen können.
Der Kläger bestreitet diese neuen Behauptungen mit Nichtwissen und wiederholt
sein erstinstanzliches Vorbringen.
II.
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Die Berufung ist zulässig, sie ist insbesondere statthaft und in der gesetzlichen
Form und Frist eingelegt und begründet worden.
Sie hat auch in der Sache Erfolg.
1. Dem Kläger steht kein Anspruch auf fiktive Kosten einer Begutachtung des
Ersatzfahrzeuges gem. §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 823 Abs. 1 BGB oder aus
anderen gesetzlichen Bestimmungen i.V.m. § 3 Nr. 1 PflichtversG a.F. zu.
Zunächst folgt die Ersatzfähigkeit fiktiver Untersuchungskosten nicht aus der
hierfür bemühten Entscheidung des Bundesgerichtshofes in VersR 1966, 830 =
NJW 1966, 1454. Ein derartiger Grundsatz ist dort nicht ausgesprochen. Vielmehr
hat der Bundesgerichtshof dort lediglich ausgeführt, dass sich die Höhe des
Schadenersatzanspruches, soweit es um eine Ersatzbeschaffung geht, danach
richtet, welchen Betrag der Ersatzberechtigte aufwenden muss, um einen
ähnlichen, bereits gebrauchten Wagen zu erwerben. Im dortigen Fall hatte der
Sachverständige jedoch nicht diesen Wiederbeschaffungswert, sondern nur den
Zeitwert geschätzt, so dass der Bundesgerichtshof einen Aufschlag vorgenommen
hat, um den Betrag zu ermitteln, den der Kläger aufwenden muss, um einen
ähnlichen Wagen nach einer gründlichen technischen Überprüfung von einem
seriösen Gebrauchtwagenhändler zu erwerben und sich von diesem Händler für
eine gewisse Zeit eine Werkstattgarantie geben zu lassen. Einen Aufschlag auf den
Wiederbeschaffungswert als den bei einem Erwerb des Gebrauchtfahrzeuges
voraussichtlich zu zahlenden Preis hat der Bundesgerichtshof in dieser
Entscheidung nicht vorgenommen.
Allerdings hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgericht Frankfurt am Main in
seinem Urteil vom 29.11.1989, NJW 1990, 3212 (3213) die Auffassung vertreten,
es seien neben dem Wiederbeschaffungswert fiktive Gutachterkosten für die
Anschaffung des gebrauchten Ersatzfahrzeuges zuzusprechen. Das
Oberlandesgericht hat in der Entscheidung ausgeführt, eine technische
Überprüfung des in Aussicht genommenen gebrauchten Ersatzfahrzeuges sei ein
der vom Schädiger geschuldeten Schadenersatzleistung notwendigerweise
innewohnender vermögenswerter Bestandteil. Da die gründliche technische
Überprüfung im Allgemeinen nur durch einen Sachverständigen vorgenommen
werden könne, und weil es dem Geschädigten nicht zuzumuten sei, sich auf eine
solche Überprüfung durch den an einer möglichst reibungslosen Veräußerung
interessierten Verkäufer – selbst wenn es sich um einen Fachhändler mit von
Markenherstellern autorisierter Werkstatt handele – zu verlassen, sei ihm
zuzubilligen, dass er sich Gewissheit über die Mängelfreiheit des Ersatzfahrzeuges
durch Einschaltung eines unabhängigen Sachverständigen verschaffe. Ausnahmen
hiervon hat das Oberlandesgericht in der Entscheidung jedoch für möglich
gehalten, wenn der Verkäufer nach eigener Überprüfung eine ausreichend lang
bemessene Garantieerklärung bezüglich Mängelfreiheit und Funktionstüchtigkeit
abgebe.
Demgegenüber meint der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am
Main im Urteil vom 10.03.1984, ZfS 1985, 10, der vom Sachverständigen
ermittelte Wiederbeschaffungswert beinhalte normalerweise die Werkstattgarantie
für einen technisch geprüften Ersatzwagen. Dass der Wiederbeschaffungswert die
Kosten einer Werkstattgarantie enthält, hat auch das Oberlandesgericht
Zweibrücken in seinem Urteil vom 18.02.2000, 1 U 139/99 (juris) = Schaden-Praxis
2001, 204, vertreten. Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat in seinem Urteil vom
16.06.1978, VersR 1979, 384, ausgeführt, Aufwendungen des Geschädigten für die
Beratung und Untersuchung beim Kauf eines Ersatzfahrzeuges gehörten zum
mittelbaren Schaden und seien nur zu ersetzen, wenn sie tatsächlich entstanden
seien, es soll also keine fiktive Abrechnung dieser Kosten geben.
Nach Auffassung der Kammer gehören Kosten für die Überprüfung des zu
erwerbenden Ersatzfahrzeuges durch einen Sachverständigen regelmäßig nicht zu
dem zur Herstellung erforderlichen Betrag. Erforderlich i.S.d. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB
sind nur diejenigen Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender
Mensch für zweckmäßig und notwendig halten darf (Palandt/Heinrichs, § 249, Rn.
12).
Ist der Verkäufer ein Unternehmer, kann seine Sachmangelhaftung nach neuem
Schuldrecht gegenüber einem Verbraucher gemäß § 475 Abs. 1 BGB nicht
ausgeschlossen und die Verjährungsfrist etwaiger Sachmangelansprüche
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ausgeschlossen und die Verjährungsfrist etwaiger Sachmangelansprüche
höchstens auf ein Jahr verkürzt werden (§ 475 Abs. 2 BGB). Daraus folgt, dass ein
Händler die von ihm verkauften Fahrzeuge regelmäßig einer technischen
Überprüfung unterziehen wird und es deshalb seitens des den Wagen erwerbenden
Verbrauchers keiner Untersuchung durch einen gesondert beauftragten
Sachverständigen bedarf. Soweit das Oberlandesgericht Frankfurt am Main in
seiner Entscheidung NJW 1990, 3212 die Auffassung vertreten hat, es sei dem
Käufer nicht zuzumuten, sich auf den an der Veräußerung interessierten Verkäufer
zu verlassen, folgt die Kammer dem jedenfalls unter Geltung des neuen
Schuldrechts nicht. Der Käufer ist durch seine Sachmangelrechte hinreichend
geschützt. Bei dieser Sachlage dürfte es im Übrigen auch einem Unternehmer
ohne weiteres möglich sein, einen Gebrauchtwagen ohne Ausschluss der
Sachmangelhaftung zu erwerben.
Vorliegend wurde jedoch ein fast 14 Jahre altes Fahrzeug beschädigt.
Vergleichbare Fahrzeuge werden heute überwiegend am Privatmarkt angeboten.
Ein privater Verkäufer ist regelmäßig nicht sachkundig genug, um das Fahrzeug
einer vollständigen technischen Untersuchung zu unterziehen. Auch werden
Fahrzeuge im privaten Gebrauchtwagenhandel nach wie vor regelmäßig unter
Ausschluss jedweder Sachmangelhaftung veräußert.
Gleichwohl ist auch bei einem Erwerb des Fahrzeuges am Privatmarkt eine vom
Käufer zu bezahlende technische Untersuchung des Fahrzeuges vor dem
Abschluss des Kaufvertrages zur Herstellung der Sache nicht erforderlich i.S.d. §
249 Abs. 2 S. 1 BGB. Denn ein derartiges Vorgehen ist jedenfalls bei einem
Fahrzeug mit einem Wert von nur 3.400,00 Euro wirtschaftlich unvernünftig und
unzweckmäßig.
Der Kaufinteressent, der sich nach Einholung des Gutachtens gegen den Erwerb
entscheidet und nach anderen Fahrzeugen Ausschau hält, müsste dann für diese
Fahrzeuge weitere Gutachten einholen. Das bereits eingeholte Gutachten wäre für
ihn wertlos. Deshalb würde ohne ersatzpflichtigen Schädiger kein wirtschaftlich
denkender Käufer bei einem Kauf auf dem Privatmarkt in der Größenordnung von
3.400,00 Euro die in Betracht kommenden Fahrzeuge vor einem Kauf auf eigene
Kosten von einem Sachverständigen untersuchen lassen. Denn er würde, sollte er
sich nach der Untersuchung gegen den Kauf des Fahrzeuges entscheiden, die
Kosten der Untersuchung selbst zu tragen haben. Für einen entsprechenden
Ersatzanspruch gegen den Verkäufer gibt es keine Grundlage. Dabei müsste der
Käufer im Zuge seiner Suche nach einem geeigneten Gebrauchtfahrzeug mehrere
Gutachten über unterschiedliche Fahrzeuge einholen.
Wirtschaftlich vernünftigem Denken entspricht es vielmehr, dass ein Käufer, der
seine Kaufentscheidung vom Vorliegen einer technischen Überprüfung abhängig
machen will, vom Verkäufer die Vorlage eines entsprechenden Gutachtens einer
unabhängigen Prüfstelle verlangt bzw. nur von einem solchen Verkäufer erwirbt,
der ein entsprechendes Überprüfungsergebnis vorlegt. Die Kosten für dieses
Gutachten fallen dann dem Verkäufer zur Last, der es, sollte der Kaufvertrag nicht
zu Stande kommen, bei den Verhandlungen mit anderen potentiellen Käufern
erneut verwenden kann. Der Verkäufer, der die Gutachterkosten insoweit
aufzubringen hat, kann aber am Markt gleichwohl nur den in diesem Gutachten
ermittelten Preis in Höhe des Wiederbeschaffungswertes erzielen.
Dagegen kann nicht argumentiert werden, am Privatmarkt würden keine
Gebrauchtfahrzeuge unter Vorlage eines vom Verkäufer bereits eingeholten
seriösen Gutachtens angeboten. Dies ist aufgrund des Wechselspiels von Angebot
und Nachfrage nur bei fehlender Nachfrage und damit nur unter der
Voraussetzung denkbar, dass verständige, wirtschaftlich denkende Käufer die
Vorlage eines solchen Gutachtens tatsächlich nicht für zweckmäßig und notwendig
halten.
2. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf weitere 1.044,71 Euro
Mietwagenkosten sowie weitere 75,00 Euro pauschale Ab- und Anmeldekosten
gem. §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 823 Abs. 1 BGB oder aus anderen gesetzlichen
Bestimmungen i.V.m. § 3 Nr. 1 PflichtversG a.F.
a) Gem. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB ist bei Beschädigung einer Sache der auf Geld
gerichtete Schadensersatzanspruch durch den zur Herstellung erforderlichen
Geldbetrag begrenzt. Hinsichtlich des Ersatzes von Mietwagenkosten bedeutet
dies nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der die Kammer folgt,
dass der Geschädigte nur den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen kann,
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dass der Geschädigte nur den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen kann,
die ein verständiger, wirtschaftlicher vernünftig denkender Mensch in der Lage des
Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf.
Der Geschädigte ist dabei ebenso wie bei anderen Kosten der Wiederherstellung
und ebenso wie in anderen Fällen, in denen er die Schadensbeseitigung selbst in
die Hand nimmt, nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten
Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren
möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das
bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem
örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für
die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeuges innerhalb eines gewissen
Rahmens grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis ersetzt verlangen kann. Der
Geschädigte verstößt allerdings noch nicht allein deshalb gegen seine Pflicht zur
Schadensgeringhaltung, weil er ein Kraftfahrzeug zu einem Unfallersatztarif
anmietet, der gegenüber einem „Normaltarif“ teurer ist, soweit die
Besonderheiten dieses Tarifes mit Rücksicht auf die Unfallsituation (etwa die
Vorfinanzierung, das Risiko eines Ausfalls mit der Ersatzforderung wegen falscher
Bewertung der Anteile am Unfallgeschehen durch den Kunden oder das
Mietwagenunternehmen und ähnliches) einen gegenüber dem „Normaltarif“
höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die
durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolgedessen zur
Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind (vgl. z.B. BGH, Urteil vom
9.5.2006, VI ZR 117/05 [juris] = NJW 2006, 2106). Dabei ist es nicht erforderlich,
die Kalkulationsgrundlagen des konkreten Anbieters im Einzelnen
betriebswirtschaftlich nachzuvollziehen. Vielmehr kommt es darauf an, ob etwaige
Mehrleistungen und Risiken bei der Vermietung an Unfallgeschädigte
einen erhöhten Tarif – unter Umständen auch durch einen pauschalen Aufschlag
auf den Normaltarif – rechtfertigen. War der Unfallersatztarif mit Rücksicht auf die
Unfallsituation nicht im geltend gemachten Umfang zur Herstellung erforderlich,
kann der Geschädigte im Hinblick auf die gebotene subjektbezogene
Schadensbetrachtung den übersteigenden Betrag nur ersetzt verlangen, wenn
ihm ein günstigerer Normaltarif nicht ohne weiteres zugänglich war.
Von der Ermittlung des grundsätzlich nach § 249 BGB ersatzfähigen Tarifes ist
jedoch die Frage zu trennen, inwieweit der Geschädigte im konkreten Fall gem. §
254 Abs. 2 BGB zur Anmietung zu einem anderen, günstigeren Tarif verpflichtet
war (BGH, Urt. v. 14.02.2006, VI ZR 32/05 [juris] = NJW 2006, 1508) oder
ansonsten gegen seine Schadensminderungs- und Hinweispflicht verstoßen hat.
Vorliegend steht jedenfalls § 254 Abs. 2 BGB einem weiteren
Schadensersatzanspruch des Klägers hinsichtlich der Mietwagenkosten entgegen.
Der Kläger macht geltend, er habe nicht zum Normaltarif anmieten können, weil er
über keine Kreditkarte verfüge und eine Kaution nicht habe aufbringen können.
Dies ist im Hinblick auf die für den Ersatzwagen abgeschlossene
Ratenzahlungsvereinbarung auch glaubhaft. Soweit er weiter vorträgt, bei einem
Normaltarif müsse darauf verzichtet werden, einen bestimmten Wagentyp
anzumieten, überzeugt sein Vorbringen nicht. Kein Tarifmodell verschafft vor
Abschluss des Vertrages einen Anspruch auf einen bestimmten Pkw, vielmehr
bietet der Vermieter bei den Vertragsverhandlungen einen bestimmten zur
Verfügung stehenden Pkw an und bezieht sich der Vertrag dann gegebenenfalls
auf dieses Auto. Der Kläger hätte auch ohne weiteres abschätzen können, dass er
den Mietwagen für mehr als eine Woche benötigen würde und den Vertrag später
gegebenenfalls verlängern oder einen neuen Vertrag abschließen können.
Dem Kläger musste aufgrund des üblicherweise für den Erwerb eines
Gebrauchtwagens erforderlichen Zeitraums bzw. der ersichtlich erheblichen, nur
einer zeitaufwendigen Reparatur zugänglichen, Beschädigungen des Unfallwagens
bereits vor Vorliegen des Schadensgutachtens des Dipl. Ing. S vom 09.01.2007
klar sein, dass die Anmietung sich nicht auf wenige Tage beschränken würde. So
ist auch der Zeuge K, der den Mietvertrag für den Autovermieter mit dem Kläger
aushandelte, nach seiner Aussage vor dem Amtsgericht von einer Mietzeit von ca.
2 Wochen ausgegangen. Der Kläger konnte erkennen, dass die Gefahr drohte,
dass die Mietwagenkosten bei Abschluss zum Unfallersatztarif außer Verhältnis
zum Wert der entzogenen Sache standen. Jedenfalls in dieser Situation war der
Kläger im Rahmen seiner Schadensminderungs- und Hinweispflicht aus § 254 Abs.
2 BGB gehalten, den Schädiger bzw. die Beklagte als dessen Haftpflichtversicherer
darauf hinzuweisen, dass ihm die Mittel zur Stellung einer Kaution fehlten. Die
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darauf hinzuweisen, dass ihm die Mittel zur Stellung einer Kaution fehlten. Die
Beklagte hätte dann einen Ersatzwagen im Rahmen der
Kooperationsvereinbarungen vermittelt und eine Kostenübernahmeerklärung bzgl.
des ortsüblichen angemessenen Normaltarifs abgegeben. Die Kammer folgt dem
diesbezüglichen – mit Nichtwissen bestrittenen – Vorbringen der Beklagten. Es ist
glaubhaft, da ein solches Vorgehen wirtschaftlicher Vernunft entspricht und bei
Pkw-Haftpflichtversicherungen üblich ist.
Da eine solche Information der Beklagten jedoch erst am Montag, dem 8.1.2007
möglich gewesen sein dürfte, ist eine Anmietung zu einem Unfallersatztarif für die
ersten zwei Tage nicht zu beanstanden.
Bei der Berechnung des dem Kläger danach zustehenden Ersatzanspruches ist
darauf abzustellen, welcher Betrag für eine Anmietung zum Unfallersatztarif für
zwei Tage und bei Gestellung einer Kaution für eine Anmietung zum Normaltarif für
die Folgezeit erforderlich war. Obwohl der Unfallwagen nur teilkaskoversichert war,
ist ein Zuschlag für einen Vollkaskoschutz zu berücksichtigen, da der gemietete
Pkw einen höheren Wert hatte, als der Unfallwagen des Klägers. Eine
möglicherweise im Vergleich zur C-Autovermietung GmbH & Co KG höhere
Selbstbeteiligung im Falle eines weiteren Unfalles bis 1.000,00 Euro, wie sie der
Kläger vorträgt, hätte er dabei im Interesse der Wirtschaftlichkeit der Anmietung
jedenfalls deshalb hinnehmen müssen, weil sein verunfallter Pkw gegen
selbstverschuldete Unfälle nicht versichert war – es bestand nur Teilkaskoschutz –,
so dass ihm bei selbstverschuldeten Unfällen ein weitaus höherer Schaden bis
zum Wiederbeschaffungswert von 3.400 Euro drohte.
Für die Schätzung des erforderlichen Betrages – die Einzelheiten des Tarifs der C-
Autovermietung GmbH & Co KG sind nicht vorgetragen – ist der Modus des
Schwacke Automietpreisspiegels, hier in der Ausgabe 2007, eine geeignete
Grundlage. Danach fallen im PLZ-Gebiet … bei Anmietung eines Fahrzeugs der
Klasse 4 (eine Stufe unter dem Unfallwagen des Klägers) folgende Kosten
einschließlich Mehrwertsteuer an, wobei der Kläger den Mietwagen nur vom
7.01.2009 bis zur tatsächlichen Neuanschaffung am 22.01.2009 (nicht: bis zur
Rückgabe am 26.01.2007), also für 16 Tage benötigte:
Damit ist der Kläger hinsichtlich der Mietwagenkosten, auf die die Beklagte bereits
2.060 Euro geleistet hat, überzahlt und ist für einen weiteren Anspruch kein Raum.
Es kann deshalb insoweit auch dahinstehen, ob, wie die Beklagte meint, nur die
Kosten eines Pkw der Wagenklasse 3 zu ersetzen wären.
b) Es kann ebenfalls dahinstehen, ob Ab- und Anmeldekosten pauschal zu
ersetzen sind. Jedenfalls überschreitet eine solche Pauschale den Betrag von 50
bis 60 Euro nicht (vgl. LG Düsseldorf, Urt. v. 10.01.2008, 21 S 121/07 [juris] =
Schaden-Praxis 2008, 155, Rn. 45; LG Wiesbaden, Urt. v. 21.03.2007, 10 O 6/05
[juris] = Schaden-Praxis 2008, 155). In der Klagebegründung geht der Kläger
selbst davon aus, 50 Euro seien angemessen. Die Beklagte hat den Kläger
hinsichtlich der Mietwagenkosten um 71,52 Euro überzahlt. Mietwagenkosten und
Ab-/Anmeldekosten sind nur unselbständige Rechnungsposten eines einheitlichen
Anspruchs des Klägers auf Ersatz seines materiellen Schadens gem. § 249 BGB.
Auch wenn die Ab-/Anmeldekosten damit pauschal mit maximal 60 Euro zu
ersetzen sein sollten, wäre der einheitliche Schadensersatzanspruch des Klägers
bereits vollumfänglich erfüllt.
3. Da die Klage somit in der Hauptsache keinen Erfolg hat, ist auch für einen
Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten oder Zinsen kein Raum.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
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Die Kammer lässt gem. § 543 Abs. 2 ZPO die Revision gegen das (gesamte) Urteil
zu. Hinsichtlich der Frage, inwieweit der Geschädigte verpflichtet ist, den
Unfallgegner bzw. seine Versicherung auf eine Kautionsstellung anzusprechen
(offengelassen in BGH, Urt. v. 06.03.2007, VI ZR 36/06 [juris] = NJW 2007, 1676)
und der Ersatzfähigkeit fiktiver Begutachtungskosten bedarf es einer Entscheidung
des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts bzw. Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711
ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.