Urteil des LG Giessen vom 23.06.2009

LG Gießen: vergütung, rechtliches gehör, förster, verjährungsfrist, verwalter, verfügung, veröffentlichung, beendigung, verfahrenskosten, anhörung

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Gericht:
LG Gießen 7.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 T 34/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 5 Abs 1 InsO, § 63 InsO, § 64
InsO, § 195 BGB, § 199 Abs 1
Nr 1 BGB
(Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters:
Berücksichtigung der Anspruchsverjährung von Amts
wegen)
Tenor
Der Beschluss des Amtsgerichts ... vom 18.12.2009 wird aufgehoben.
Das Amtsgericht wird angewiesen, die Vergütung des vorläufigen
Insolvenzverwalters entsprechend seinem Antrag vom 22.12.2008 festzusetzen.
Beschwerdewert: 1.334,00 Euro
Gründe
Nachdem der Schuldner am 4.4.2004 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über
sein Vermögen beantragt hatte, bestellte das Amtsgericht mit Beschluss vom
8.4.2004 den Beschwerdeführer zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Mit Beschluss
vom 18.6.2004 eröffnete das Amtsgericht das Insolvenzverfahren über das
Vermögen des Schuldners und bestellte den Beschwerdeführer zum
Insolvenzverwalter.
Am 22.10.2008 erstattete der Insolvenzverwalter den Schlussbericht.
Ebenfalls am 22.10.2008, eingegangen bei dem Amtsgericht am 30.10.2008,
beantragte der Beschwerdeführer für seine Tätigkeit als vorläufiger
Insolvenzverwalter eine Vergütung in Höhe von 1.334,00 Euro inklusive Auslagen
und Umsatzsteuer festzusetzen und ihm zu gestatten, den festgesetzten Betrag
der von ihm verwalteten Masse zu entnehmen.
Mit Beschluss vom 18.12.2008 wies das Amtsgericht den Antrag auf Festsetzung
der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters zurück. Das Amtsgericht ist der
Auffassung, der Vergütungsanspruch sei verjährt. Dies sei im Rahmen des
Amtsermittlungsgrundsatzes zu berücksichtigen, auch wenn der Schuldner die
Einrede der Verjährung nicht geltend gemacht habe. Es sei auch zu bedenken,
dass es, nachdem die Verfahrenskosten gestundet worden seien, dazu kommen
könne, dass die Vergütung aus der Staatskasse geleistet werden müsse, wobei
diese nicht berechtigt sei, ein Rechtsmittel gegen einen Vergütungsbeschluss
einzulegen. Der Auffassung, dass ein verjährter Vergütungsanspruch zwar
festzusetzen sei, jedoch gleichzeitig auszusprechen sei, dass der Anspruch nicht
der Masse entnommen werden dürfe, sei nicht zu folgen, da für eine solche
Festsetzung ein Rechtsschutzbedürfnis fehle. Wegen der weiteren Einzelheiten wird
auf den Beschluss (Bl. 307, 308 d. A.) Bezug genommen
Die gegen diesen Beschluss gerichtete sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 64
Abs. 3 InsO).
In der Sache hat das Rechtsmittel Erfolg und führt zu der Anweisung gegenüber
dem Amtsgericht, die beantragte Vergütung festzusetzen, die der vorläufige
Verwalter dann auch der Masse entnehmen darf. Dem vorläufigen
Insolvenzverwalter steht gemäß § 11 InsVV eine Vergütung in der beantragten
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Insolvenzverwalter steht gemäß § 11 InsVV eine Vergütung in der beantragten
Höhe von 1.334,00 Euro zu.
Der Festsetzung der Vergütung steht nicht entgegen, dass der vorläufige
Insolvenzverwalter diese erst nach Ablauf der Verjährungsfrist beantragt hat.
Der Vergütungsanspruch des Beschwerdeführers als vorläufiger Insolvenzverwalter
ist mit der Erledigung der zu honorieren Tätigkeit fällig geworden (Hess,
Insolvenzrecht, § 63, Rz. 11; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, 3. Aufl., vor in § 1,
Rz. 66), also jedenfalls mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Münchener
Kommentar zur InsO, 2. Aufl., § 63, Rz. 7, § 11 InsVV, Rz. 3; Eickmann in
Heidelberger Kommentar zur InsO, 5. Aufl., § 3, Rz. 3), die am 18.6.2004 erfolgt ist.
Soweit im Hinblick auf die Änderung des § 11 Abs. 2 InsVV durch die 2. ÄndVO ab
dem 29.12.2006 eine andere Beurteilung in Betracht kommen könnte, gilt das nur
für Ansprüche, die nach dem Inkrafttreten der 2. ÄndVO entstanden sind (Rüffert,
ZInsO, 2009, 757). Das dürfte auch für Überlegungen gelten, im Rahmen einer
verfassungskonformen Anwendung von § 11 Abs. 2 InsVV eine Hemmung der
Verjährung so lange anzunehmen, als Vermögenswerte, die in die
Berechnungsgrundlage der Vergütung einzubeziehen sind, im eröffneten
Verfahren nicht verwertet sind (Keller, NZI 2007, 378, 380).
Für noch nicht bestandskräftig festgesetzte Vergütungsansprüche des
Insolvenzverwalters gilt die dreijährige Regelverjährung gemäß § 195 BGB n. F.
(BGH, BB 2007, 1245). Sie beginnt gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 1 u. 2 BGB mit dem
Schluss des Jahres der Entstehung des Anspruchs und Kenntnis (Münchener
Kommentar zur InsO, 2. Aufl., § 63, Rz. 8), begann hier also hier am 31.12.2004 zu
laufen.
Nicht festgesetzte Vergütungsansprüche verjähren gem. § 195 BGB innerhalb von
drei Jahren, beginnend mit dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden
ist (Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, 3. Aufl., vor in § 1, Rz. 67).
Damit ist zwar vorliegend am 31.12.2007 die Verjährungsfrist abgelaufen, während
der Vergütungsantrag erst 30.10.2008 bei dem Amtsgericht eingegangen ist.
Eine Hemmung der Verjährung, die in entsprechender Anwendung des
Vergütungsrechtes für Rechtsanwälte oder Sachverständige (§ 11 Abs. 7 RVG, § 2
Abs. 3 JVEG angenommen wird, wenn der Insolvenzverwalter den
Vergütungsantrag nach § 8 Abs. 1 S. 3 InsVV gestellt hat (BGH a. a. O.; Keller, NZI,
2007, 378, 379) ist hier nicht eingetreten, weil der vorläufige Insolvenzverwalter
den Vergütungsantrag erst im Oktober 2008, also nach Ablauf der Verjährungsfrist
gestellt hat.
Es wird auch die Auffassung vertreten, die Verjährung der Vergütung des
vorläufigen Insolvenzverwalters sei bis zur Beendigung des geöffneten
Insolvenzverfahrens in entsprechender Anwendung von § 8 Abs. 2 S. 1 RVG
gehemmt, weil es üblich sei, dass der vorläufige Insolvenzverwalter, der
gleichzeitig endgültige Insolvenzverwalter sei, seine Vergütung erst bei
Beendigung des eröffneten Insolvenzverfahrens beantragt (Eickmann in
Heidelberger Kommentar zur InsO, 5. Aufl., § 63, Rz. 3). Hiergegen wird aber zu
Recht eingewandt, dass eine solche Analogie nur dann geboten sein könnte, wenn
der vorläufige Insolvenzverwalter bis zu diesem Zeitpunkt gehindert wäre, seine
Vergütung zu beantragen, was nicht der Fall sei (Keller, NZI 2007, 378, 380).
Die Geltendmachung der Verjährung, die dem Schuldner ein
Leistungsverweigerungsrecht einräumt, erfolgt durch die entsprechende Einrede.
Von Amts wegen ist der Eintritt der Verjährung im zivilrechtlichen Bereich nicht zu
berücksichtigen (Palandt, BGB, 68. Aufl., § 214, Rz. 1/2). Der Schuldner, dem auch
im Beschwerdeverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden ist, hat
sich nicht geäußert und demgemäß den Eintritt der Verjährung nicht geltend
gemacht.
Im Insolvenzverfahren sind zur Geltendmachung der Einrede neben dem
Schuldner jedenfalls auch die einzelnen Insolvenzgläubiger berechtigt (Münchener
Kommentar zur InsO, 2. Aufl., § 63, Rz. 10). Bisher sind Insolvenzgläubiger jedoch
nicht am Vergütungsfestsetzungsverfahren beteiligt worden. Eine solche
Beteiligung brauchte auch nicht zu erfolgen. Zwar werden durch die
Vergütungsfestsetzung Interessen der Gläubiger betroffen, dies schon deshalb,
weil die Vergütung die zur Verfügung stehende Masse mindert. Auch steht gemäß
§ 64 Abs. 3 InsO neben dem Verwalter und dem Schuldner auch jedem
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§ 64 Abs. 3 InsO neben dem Verwalter und dem Schuldner auch jedem
Insolvenzgläubiger die sofortige Beschwerde zu. Die Gewährung von vorherigem
rechtlichem Gehör für jeden Beschwerdeberechtigten wird deshalb von Stimmen in
der Literatur als erforderlich angesehen, weil die Verweisung auf ein Rechtsmittel
verfassungsrechtlich bedenklich erscheint und auch zum Verlust einer Instanz
führt (Münchener Kommentar zur InsO. 2. Aufl., § 64, Rz. 5; Hess, Insolvenzrecht, §
64 InsO, Rz. 1). Diese Argumentation, die grundsätzlich auch der Rechtsprechung
der Kammer in verfahrensrechtlich ähnlichen Situationen entspricht, erfährt
allerdings auch angesichts von Besonderheiten des Verfahrens über die Vergütung
von Insolvenzverwaltern deutliche Kritik, wobei die Notwendigkeit einer vorherigen
Gläubigerbeteiligung verneint wird. Die Kammer folgt dieser wohl überwiegenden
Auffassung. Es wird darauf verwiesen, dass der Anspruch auf Gewährung
rechtlichen Gehörs zurücktritt, wenn sich aus den Besonderheiten des Verfahrens
die zwingende Notwendigkeit ergibt (BVerwGE 9, 89) und dass sich eine solche
daraus ergibt, dass die Anhörung der Vielzahl der Gläubiger schon deshalb
regelmäßig unmöglich ist, weil häufig die Anschriften nicht feststehen oder
feststellbar sind (Heidelberger Kommentar zu InsO, 5. Aufl., § 64, Rz. 3;
Haarmeyer/Wutzke/Förster, Insolvenzrechtliche Vergütung, 4. Aufl. § 8, Rz. 18 m.
w. N.). Darüber hinaus sieht das Gesetz selbst keine Zustellung des
Vergütungsfestsetzungsbeschlusses an einzelne Gläubiger vor, sondern der
Beschluss ist gemäß § 64 Abs. 2 InsO öffentlich bekannt zu machen und dem
Verwalter, dem Schuldner und, wenn ein Gläubigerausschuss bestellt ist, den
Mitgliedern des Ausschusses besonders zuzustellen. Bei der Veröffentlichung sind
die festgesetzten Beträge nicht zu veröffentlichen; in der öffentlichen
Bekanntmachung ist darauf hinzuweisen, dass der vollständige Beschluss in der
Geschäftsstelle eingesehen werden kann. Auch diese im Gesetz selbst verankerte
Einschränkung des rechtlichen Gehörs für einzelne Gläubiger spricht gegen die
Notwendigkeit ihrer Beteiligung vor einer Festsetzung (Haarmeyer/Wutzke/Förster,
a. a. O.).
Die Kammer ist der Auffassung, dass der Ablauf der Verjährungsfrist nicht von
dem Insolvenzgericht von Amts wegen berücksichtigt werden darf, wenn kein dazu
Berechtigter die erforderliche Einrede erhebt. Aus dem im Insolvenzverfahren
geltenden Grundsatz der Amtsermittlung (§ 5 Abs. 1 InsO) lässt sich eine
Berücksichtigung von Amts wegen nicht herleiten. Dieser Grundsatz bedeutet,
dass die Verantwortung für die Beibringung der relevanten Tatsachen beim Gericht
liegt. Dieses ist weder bei der Einbringung von Tatsachen noch bezüglich der
Beweiserhebung an Anträge, Bestreiten oder Geständnisse oder
übereinstimmenden Parteivortrag gebunden (Hess, Insolvenzrecht, § 5, Rz. 5). Bei
der Frage, ob der Ablauf einer Verjährungsfrist zu berücksichtigen ist, geht es nicht
um die Beibringung und die Erforschung von Tatsachen, sondern es um die
Geltendmachung von Rechten. Das Insolvenzgericht ist kein Träger materieller
Rechte (Münchener Kommentar zur InsO, 2. Aufl., § 63, Rz. 10) und vertritt auch
nicht den Schuldner oder einen anderen zur Erhebung der Verjährungseinrede
Berechtigten.
Im Zusammenhang mit der Berücksichtigung einer Verjährung wird auch die
Auffassung vertreten, die Geltendmachung eines verjährten Anspruchs gegenüber
der Masse sei als Pflichtwidrigkeit anzusehen. Deshalb müsse das Insolvenzgericht
im Rahmen seiner Aufsichtspflicht über den Insolvenzverwalter (§ 58 InsO) der
Geltendmachung eines verjährten Vergütungsanspruchs entgegentreten
(Haarmeyer/Wutzke/Förster; InsVV, 3, Aufl., 8, Rz. 39). Soweit für diese Auffassung
auf eine Entscheidung des LG vom 21.11.1980 – 7 T 2700/80 – abgestellt wird, ist
darauf hinzuweisen, dass diese Entscheidung nicht die Vergütung eines
Insolvenzverwalters betrifft, sondern die Geltendmachung eines anwaltlichen
Gebührenanspruchs durch den Insolvenzverwalter, der zugleich als Rechtsanwalt
tätig geworden ist. Das Gleiche gilt für eine in diesem Zusammenhang erwähnte
Entscheidung des LG (Rpfleger 1978, 380).
Gegen diese Auffassung, im Rahmen der Aufsichtspflicht des Insolvenzgerichts die
Geltendmachung eines verjährten Gebührenanspruchs zu verhindern, spricht nach
Auffassung der Kammer entscheidend, dass das Insolvenzgericht nicht Vertreter
der zur Erhebung der Einrede der Verjährung Berechtigten ist und auch die
Aufsichtspflicht nichts daran ändert, dass es sich bei der Verjährung um eine
Einrede handelt. Die Geltendmachung eines Rechtes, dem eine Einrede
entgegengesetzt werden kann, lässt sich, solange die Einrede nicht erhoben ist,
nicht als pflichtwidrig ansehen. Hierbei wird zu Recht auch darauf hingewiesen,
dass es auch in Verbindung mit der Aufsichtspflicht des Insolvenzgerichts gemäß §
58 nicht zulässig ist, dass das Insolvenzgericht im
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58 nicht zulässig ist, dass das Insolvenzgericht im
Vergütungsfestsetzungsverfahren Entscheidungen trifft, die den ordentlichen
Gerichten zugewiesen sind (Münchener Kommentar zur InsO, 2. Aufl., § 63, Rz. 10).
Soweit das Amtsgericht in dem angefochtenen Beschluss darauf hingewiesen hat,
es sei auch zu bedenken, dass es, nachdem die Verfahrenskosten gestundet
worden seien, dazu kommen könne, dass die Vergütung aus der Staatskasse
geleistet werden müsse (§ 63 Abs. 2 InsO), wobei diese nicht berechtigt sei, ein
Rechtsmittel gegen einen Vergütungsbeschluss einzulegen, hat der
Insolvenzverwalter dargelegt, dass eine kostendeckende Masse vorhanden ist,
wovon auch das Amtsgericht in dem späteren Nichtabhilfebeschluss ausgeht.
Die Höhe der beantragten Vergütung hat der vorläufige Insolvenzverwalter anhand
der Mindestvergütung gemäß § 2 Abs. 2, § 10 InsVV zutreffend berechnet. Insoweit
hat auch das Amtsgericht keine Einwände erhoben.
Was die eigentliche Festsetzung der Vergütung anbelangt, erschien es im Hinblick
auf die Erforderlichkeit der Veröffentlichung im Internet (§ 64 Abs. 2, 9 Abs. 1 InsO)
sachgerecht, diese dem Amtsgericht zu übertragen, damit dort der Text zur
elektronischen Weiterverarbeitung zur Verfügung steht.
Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen. Gerichtkosten entstehen für die
erfolgreiche Beschwerde nicht (Nr. 2360, 2361 KV GKG). Über außergerichtliche
Kosten war nicht zu entscheiden, weil es an einem Beschwerdegegner fehlt. Die
Anwendung von §§ 4 InsO, 91 ff ZPO setzt voraus, dass es einen
Beschwerdegegner gibt, dem solche Kosten auferlegt werden können (Braun,
Insolvenzordnung, 3. Aufl., § 6, Rz. 62; Hess, Insolvenzrecht, § 163 InsO, Rz. 164)
Beteiligte, die mit entgegensetzten Interessen und Anträgen widereinander
streiten, also einander im Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens
gegenüberstehen (OLG Koblenz, Rpfleger 1989, 339) gibt es nicht. Dem Schuldner
ist zwar rechtliches Gehör gewährt worden, er hat sich allerdings am Verfahren
nicht beteiligt und kann deshalb nicht als Beschwerdegegner angesehen werden.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.