Urteil des LG Giessen vom 21.01.2009

LG Gießen: abrechnung, vermieter, rechtskraft, betriebskosten, mietobjekt, gegenforderung, fälligkeit, aufrechnung, rückzahlung, nebenkosten

1
2
3
4
Gericht:
LG Gießen 1.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 S 288/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 556 Abs 3 BGB
Mietverhältnis: (Un-)Wirksamkeit einer
Betriebskostenabrechnung wegen des
Abrechnungszeitraums
Leitsatz
Eine Betriebskostenabrechnung nach § 556 Abs. 3 BGB über einen Zeitraum von mehr
als einem Jahr ist unwirksam.
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Amtsgerichts Büdingen vom 04.
September 2008 teilweise abgeändert und wird der Beklagte verurteilt, an die
Kläger 1.080,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit dem 11. Februar 2008 zu zahlen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
I. Hinsichtlich des tatsächlichen Sachverhaltes wird auf das angefochtene Urteil
Bezug genommen. Die Kläger haben gegen das ihnen am 22. September 2008
zugestellte Urteil mit einem am 17. Oktober 2008 beim Landgericht
eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 06.
November 2008 eingegangenen Schriftsatz begründet. Die Kläger verfolgen ihren
erstinstanzlichen Klageantrag gegen den das amtsgerichtliche Urteil
verteidigenden Beklagten weiter.
Entscheidungsgründe
II. Die Berufung ist zulässig, sie ist insbesondere statthaft und in der gesetzlichen
Form und Frist eingelegt und begründet worden.
Sie hat auch in der Sache, von einer geringfügigen Zuvielforderung hinsichtlich der
Zinsen abgesehen, Erfolg.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, von der abzuweichen kein
Anlass besteht, steht dem Mieter jedenfalls bei beendetem Mietverhältnis
aufgrund des Mietvertrages unmittelbar das Recht zu, auf die Rückerstattung von
Nebenkostenvorauszahlungen zu klagen, wenn der Vermieter seiner Verpflichtung
zur Erteilung einer Abrechnung nicht innerhalb der Abrechnungsfrist nachkommt.
Der Vermieter kann dann im Rahmen des Rückforderungsprozesses eine
ordnungsgemäße Abrechnung vorlegen und damit den Rückzahlungsanspruch,
ohne dass es dazu einer Aufrechnung bedürfte, ganz oder teilweise zu Fall bringen.
Er kann aber auch, nachdem er rechtskräftig zur Rückzahlung verurteilt wurde,
nach ordnungsgemäßer Abrechnung seinen Anspruch gegen den Mieter auf
Tragung der Nebenkosten – begrenzt durch die Höhe der Vorauszahlungen (§ 556
Abs. 3 Satz 3 BGB) – geltend machen. Denn die Zahlungsklage des Mieters
5
6
7
8
9
10
11
Abs. 3 Satz 3 BGB) – geltend machen. Denn die Zahlungsklage des Mieters
verschafft im Ergebnis diesem nur einen vorläufigen Rückzahlungsanspruch, der
sich allein auf die fehlende Fälligkeit der korrespondierenden Gegenforderung –
des Betriebskostenerstattungsanspruches des Vermieters – gründet. Die
Rechtskraft des einer Klage des Mieters stattgebenden Urteils steht einer Klage
des Vermieters auf Zahlung der Betriebskosten nicht entgegen (vgl. BGH Urteil
vom 09.03.2005, XIII ZR 57/04 (Juris) = NJW, 2005, 1499).
Eine ordnungsgemäße Abrechnung ist vorliegend entgegen der Auffassung des
Amtsgerichts nicht gegeben. Denn die seitens des Beklagten vorgelegte
Abrechnung umfasst den Zeitraum vom 01.11.2005 bis 31.12.2006. Auch wenn
man berücksichtigt, dass die Kläger erst zum 15.12.2005 in das Mietobjekt
eingezogen sind und zugunsten des Beklagten unterstellt, dass in die Abrechnung
ein davor liegender Verbrauch nicht eingeflossen ist, wäre der nach § 556 Abs. 3
Satz 1 BGB maximal zulässige Abrechnungszeitraum von einem Jahr
überschritten. Eine Abweichung zum Nachteil des Mieters ist gemäß § 556 Abs. 4
BGB nicht möglich. Hierin liegt, auch unter Berücksichtigung der neueren
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. Urteil vom 17.11.2004, XIII ZR
115/04 (Juris) = NJW 2005, 219) ein formeller, die Abrechnung unwirksam
machender Mangel (so auch Schmid, Mietrecht, § 556 BGB, Randnr. 230; unklar:
Schmidt-Futterer/Langenberg, 9. Auflage, § 556 BGB, Randnr. 298, 466). Die
Kammer hat insoweit keine Veranlassung, von ihrer bisherigen Rechtsprechung
(vgl. Kammer, NJW-RR 1996, 1163 [1164], sub. 2.) abzuweichen.
Der Mieter hat gegen den Vermieter einen Anspruch auf Abrechnung über die
Betriebskostenvorauszahlungen. Dieser Anspruch auf Rechnungslegung wird durch
Erteilung einer formell ordnungsgemäßen Abrechnung erfüllt
(Staudinger/Weitemeyer (2006), § 556, Randnr. 135, Randnr. 82). Aus dieser
Abrechnung folgt, wenn sie auch materiell richtig ist, der dem Vermieter
zustehende Betriebskostenanspruch gegen den Mieter, auf den die
Vorauszahlungen anzurechnen sind. Rechnet der Vermieter über einen längeren
Zeitraum ab, so betrifft die Abrechnung nicht einen Betriebskostenanspruch des
Vermieters für ein Abrechnungsjahr, sondern bezieht sich auf zwei voneinander
unabhängige Erstattungsansprüche für zwei Abrechnungsjahre oder die Teile von
zwei Abrechnungsjahren. Hinzu kommt, dass die Anwendung des § 556 Abs. 3
Satz 3 BGB bei Annahme einer formell wirksamen Abrechnung zulasten des
Mieters beeinträchtigt würde. Denn danach ist der Vermieter bezogen auf das
Abrechnungsjahr mit einer Nachforderung ausgeschlossen, wenn er bis zum
Ablauf der maximal zulässigen Abrechnungsfrist von einem Jahr nach Beendigung
des Abrechnungsjahres keine Abrechnung vorgelegt hat.
Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 284, 288 Abs. 1 BGB.
Der Kläger hat die Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 21.01.2008 unter
Fristsetzung bis zum 10.02.2008 gemahnt, so dass Verzug mit Ablauf des
10.02.2008 eingetreten ist. Für den 10.02.2008 selbst sind danach keine Zinsen zu
zahlen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, § 543 Abs. 2 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr.
10, 713 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.