Urteil des LG Giessen vom 28.07.2010

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Gericht:
LG Gießen 1.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 S 64/10
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 4 Abs 1 BGB-InfoV, § 4 Abs 2
BGB-InfoV
Leitsatz
Angaben auf einer Webseite stellen keine dauerhafte Informationsgrundlage dar; die
Webseite ist kein Prospekt i. S. d. § 4 I, II BGB-InfoV
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Büdingen vom
17. Februar 2010 abgeändert und wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Der Kläger macht eine Vertragsstrafe gegen die Beklagte geltend, nachdem diese
sich infolge einer Abmahnung aufgrund ihres gedruckten Reisekataloges, in dem
Pflichtangaben nach § 4 BGB-InfoV fehlten, gegenüber dem Kläger verpflichtet hat,
es zu unterlassen, „Pauschalreisen prospektmäßig zu bewerben“, ohne dabei in
der Unterlassungserklärung näher genannte Angaben zu machen. Anlass der
Klage ist nunmehr die Webseite der Beklagten, auf der von ihr angebotene Reisen
ohne die in der Unterlassungserklärung genannten Angaben beschrieben werden.
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Mit ihrer Berufung verfolgt die
Beklagte ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag gegen den das
amtsgerichtliche Urteil verteidigenden Kläger weiter.
Von der weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird gemäß der §§ 540 II, 313a I
ZPO abgesehen.
II.
Die Berufung ist zulässig, sie ist insbesondere statthaft und in der gesetzlichen
Form und Frist eingelegt und begründet worden. Die Mindestanforderungen an die
Berufungsbegründung sind gewahrt; der Kläger greift die Auslegung der
Unterlassungserklärung an und legt dar, aus welchen Gründen er ihr einen
anderen Inhalt zumessen will als das Amtsgericht.
Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Der Kläger hat gegen die Beklagte
keinen Vertragsstrafenanspruch gem. § 339 BGB aus der von der Beklagten
abgegebenen Unterlassungserklärung. Denn die Angaben auf der Webseite sind
nicht „prospektmäßig“, also in der Art eines Prospektes (vgl. Wahrig, Deutsches
Wörterbuch, 8. Aufl., „…mäßig“) erfolgt. „Prospektmäßig“ kann nach dem
allgemeinen Empfängerhorizont nur dahin verstanden werden, dass auch Medien
erfasst werden sollen, die einem Prospekt in Inhalt und Funktion gleichen, nach
allgemeinem Sprachgebrauch aber nicht als solcher bezeichnet werden,
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allgemeinem Sprachgebrauch aber nicht als solcher bezeichnet werden,
insbesondere der der Abmahnung zu Grunde liegende Katalog.
Für die Auslegung des Prospektbegriffes ist, da die Unterlassungserklärung vor
dem Hintergrund des § 4 BGB-InfoV abgegeben worden ist, vorrangig auf den
Prospektbegriff dieser Norm abzustellen, der nicht legal definiert ist. Im Hinblick
auf die Funktion eines dem Reisenden zur Verfügung gestellten Prospektes,
gewisse Informationspflichten (§§ 5, 8 II BGB-InfoV) zu erfüllen und in die
Reisebestätigung aufzunehmende Informationen durch einen Verweis auf den
Prospekt zu ersetzen (§ 6 IV BGB-InfoV), sind Prospekte nur verkörperte
Reisedarstellungen, die dazu geeignet und bestimmt sind, dem Reisenden
übergeben, übersandt oder sonst übermittelt zu werden und als dauerhafte und
verbindliche Informationsgrundlage über die Reise zu dienen (OLG Frankfurt/Main,
RRa 2008, 283 [284]).
Die zu einem bestimmten Zeitpunkt auf der Webseite der Beklagten vorhandenen
Angaben können jederzeit vom Beklagten geändert bzw. aktualisiert werden und
sind daher keine dauerhafte Informationsgrundlage. Sie sind auch, jedenfalls wenn
sie – wie vorliegend – nicht dazu bestimmt sind, ausgedruckt zu werden, nicht
verkörpert. Die Unterlassungserklärung enthält keine § 4 III BGB-InfoV
entsprechende Analogie, auf die sich die vom Amtsgericht herangezogene
Fundstelle bezieht.
Der Kläger hätte deshalb, um etwaige Wettbewerbsverstöße durch die Webseite
des Beklagten zu unterbinden, diesen zunächst bezogen auf die Webpräsenz
abmahnen müssen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 I ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, § 543 II ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10,
713 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.