Urteil des LG Giessen vom 13.02.2008

LG Gießen: vergütung, nachzahlung, taschengeld, mittellosigkeit, eltern, amt, zivilprozessrecht, quelle, fristverlängerung, verfügung

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Gericht:
LG Gießen 7.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 T 528/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 1836c BGB, § 1836d BGB, §
1908i Abs 1 S 1 BGB
Betreuervergütung: Berücksichtigung einer
Kindergeldnachzahlung für mehrere Jahre beim
einzusetzenden Einkommen und Vermögen des Betreuten
Tenor
Der Beschluss wird dahin abgeändert, dass die dem Betreuer zu erstattende
Vergütung in dem betreffenden Zeitraum auf 1.541,– Euro festgesetzt wird und
dass diese aus der Staatskasse zu erstatten ist.
Beschwerdewert: 1.577,85 Euro.
Gründe
Für den Betroffenen besteht seit ... eine Betreuung. Der derzeitige Betreuer übt
das Amt berufsmäßig aus.
Der Betreuer hat unter dem ... (Bl. 38 Bd. II d. A.) beantragt, seine Vergütung für
den Zeitraum ... bis ... bei einem Stundensatz von 33,50 Euro auf insgesamt
1.577,85 Euro festzusetzen und aus dem Vermögen der Betroffenen zu gewähren.
Mit Bescheid vom ... hat der Betroffene eine Kindergeldnachzahlung für die Zeit ab
Januar ... in Höhe von monatlich 154,– Euro, insgesamt 8.316,– Euro erhalten. Auf
den Kontoauszug, Bl. 35, 36 d. A., und den Bescheid, Bl. 75 - 77 d. A. wird Bezug
genommen.
Der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen hat mit Schriftsatz vom ... (Bl. 45,
46 d. A.) vorgetragen, das Sozialamt habe mehrere tausend Euro im Wege des
Forderungsübergangs eingezogen. Es bestünden Zweifel, ob die
Kindergeldnachzahlung dem Betroffenen oder dessen Eltern zustehen würde. Die
Geltendmachung von 2 Stunden pro Monat sei überhöht.
Nach dem von dem Betreuer eingereichten Rückforderungsbescheid der ... vom ...
werden Taschengeld, Bekleidungsbeihilfen und Weihnachtsbeihilfe in Höhe von
insgesamt 3.281,67 Euro zurückgefordert.
Der Bezirksrevisor beim Landgericht ... hat unter dem ... (Bl. 53 d. A.) Stellung
genommen.
Mit Beschluss vom ... hat das Amtsgericht ... die von dem Betroffenen zu
erstattende Vergütung auf 1.577,85 Euro gem. §§ 1908 i; 1836 BGB, §§ 1 VBVG, §
56 g FGG festgesetzt (Bl. 54, 55 d. A.).
Gegen den ihm am ... zugestellten Beschluss hat der Verfahrensbevollmächtigte
des Betroffenen mit Schriftsatz vom ... sofortige Beschwerde eingelegt, diese aber
trotz gewährter Fristverlängerung nicht begründet.
Die sofortige Beschwerde ist gem. §§ 56 g Abs. 5, 67 Abs. 3 S. 3 FGG zulässig und
hat auch in der Sache Erfolg.
Die Vergütung ist nicht gegen das Vermögen des Betroffenen festzusetzen,
sondern wegen Mittellosigkeit des Betroffenen aus der Staatskasse zu gewähren.
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Das einzusetzende Einkommen und Vermögen bestimmt sich nach § 1836 c BGB.
Danach hat der Betroffene sein Vermögen nach Maßgabe des § 90 SGB XII
einzusetzen, wobei nach der zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII ergangenen
Durchführungsverordnung in der Fassung vom ... für die Mittellosigkeit dieselbe
Freigrenze wie bei der Hilfe zum Lebensunterhalt gilt, also 2.600,– Euro zzgl. 614,–
Euro für den nicht getrennt lebenden Ehegatten sowie 156 Euro für jede Person,
die vom Betreuten überwiegend unterhalten wird (vgl. Palandt-Diederichsen, BGB,
67. Aufl., § 1836c Rz. 10). Oberhalb dieser Schongrenze ist das Vermögen
heranzuziehen. Bei den Mitteln, welche dem Betroffenen zur Verfügung stehen,
handelt es sich hingegen nicht um Vermögen im Sinne des § 1836c Nr. 2 BGB i. V.
m. § 90 SGB XII. Die Kindergeldnachzahlung ist vielmehr Einkommen.
Im Gegensatz zum Vermögen, dem Inbegriff all dessen, was einem Rechtsträger
schon zusteht, was er bereits hat, ist Einkommen demnach dasjenige, was er erst
erhält, dass sein Geld oder seine geldwerten Mittel vermehrt. Einkommen ist alles
das, was er in der Bedarfszeit bereits hat. Mittel, die der Hilfesuchende in der
Bedarfszeit erhält, sind als Zufluss in der Bedarfszeit Einkommen. Mittel, die der
Hilfesuchende früher, wenn auch erst in der vergangenen Bedarfszeit, als
Einkommen erhalten hat, sind, soweit sie in der nun aktuellen Bedarfszeit noch
vorhanden sind, Vermögen (BVerwG v. 18.02.1999, Az. 5 C 35/97, NJW 1999, 3649
= FamRZ 1999, 1653; VGH Baden-Württemberg v. 01.09.2004, Az. 12 S 844/04).
Bei der Hilfe zum Lebensunterhalt ist in der Regel auf den jeweiligen
Kalendermonat als der für die Abgrenzung vom Einkommen und Vermögen
maßgeblichen Bedarfszeit abzustellen (VGH Baden-Württemberg aaO m.w.N.).
Etwas anderes gilt allerdings für einmalige Einnahmen. Diese sind gem. § 3 Abs. 3
S. 2 DVO zu § 82 SGB XII von dem Monat an zu berücksichtigen, in dem sie
angefallen sind und auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen und monatlich
mit einem entsprechenden Teilbetrag anzusetzen (vgl. BverwG aaO).
Die Nachzahlung des Kindergeldes ab Januar ..., die im Juli ... erfolgt ist, ist danach
nicht lediglich als Einkommen in der Bedarfszeit Juli ... anzusehen. Vielmehr
erscheint eine Aufteilung auf 54 Monate angemessen, weil es sich um eine
Nachzahlung für 54 Monate handelt. Mithin sind als Einkommen für die Monate ab
Juli ... bis Dezember ... jeweils 154,– Euro anzusetzen. Außerdem erhält der
Betroffene die laufenden Kindergeldzahlungen, während gezahltes Taschengeld
nach dem Hessischen Maßregelvollzugsgesetz (89,70 Euro bzw. 93,15 Euro bzw.
93,70 Euro monatlich) zurückgefordert wurde und seit Juli ... nicht weiter gezahlt
wird (vgl. Bescheid der ... vom ..., Bl. 51 d. A.). Anderweitige Einkünfte hat der
Betroffene nicht. Unabhängig davon, wie hoch der Regelbedarfssatz bei dem
Betroffenen ist, so reicht sein Einkommen jedenfalls nicht aus, um die Vergütung
des Betreuers vollständig zu bezahlen (§ 1836d Nr. 1 BGB). Dasjenige, was der
Betroffene von seinem Einkommen ansparen könnte, wäre Vermögen im Sinne
von § 1836c Nr. 2 BGB i. V. m. § 90 SGB XII. Ein solches einzusetzendes
Einkommen besteht derzeit jedoch nicht, da der Betroffenen ausweislich der
vorgelegten Kontoauszüge aktuell nur noch über Kontoguthaben in Höhe von
insgesamt 4.329,54 Euro zzgl. des Fonds im Wert von 1.911,85 Euro und damit –
unter Berücksichtigung des Freibetrages in Höhe von 2.600,– Euro – weniger als
den ihm auf Monate ab Juli ... anzurechnenden Betrag verfügt.
Dementsprechend war die Höhe der Vergütung des Betreuers geringfügig zu
kürzen, weil der Betroffene auch für die Zeit ab ... mittellos war und damit für den
gesamten Zeitraum gem. § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VBVG monatlich 2 Stunden
anzusetzen sind.
Die sofortige weitere Beschwerde wird zuzulassen, da die Sache grundsätzliche
Bedeutung hat, § 56 g Abs. 5 S. 2 FGG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.