Urteil des LG Freiburg vom 20.10.2016

treu und glauben, allgemeine geschäftsbedingungen, auflage, erstellung

LG Freiburg Urteil vom 20.10.2016, 3 S 79/16
Werkvertrag über die Erstellung und Verteilung sog. Notruftafeln: Unwirksamkeit einer
Laufzeit- und Kündigungsausschlussklausel im kaufmännischen Geschäftsverkehr
Leitsätze
Der in den allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Vertrages über die Platzierung von Werbung auf einer
"Notruftafel", die in jährlichem Abstand neu aufgelegt wird, enthaltene Kündigungsausschluss für fünf Jahre
kann unter Würdigung der Gesamtumstände auch im kaufmännischen Geschäftsverkehr nach § 307 Abs.1 S.1
BGB unwirksam sein.
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Ettenheim vom 22.03.2016, Az. 1 C 229/15,
wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 1.394,68 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
1 Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von Werklohn für die im Jahr 2015 erfolgte Erstellung und
Verteilung von Notruftafeln mit einer Geschäftsempfehlung der Beklagten in Anspruch. Das Amtsgericht
wies die Klage ab, weil es die vereinbarte Vertragslaufzeit von fünf Jahren als unwirksam und die von der
Beklagten mit Schreiben vom 01.09.2014 erklärte Kündigung als wirksam erachtete. Mit ihrer Berufung
verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlichen Ziele weiter.
2 Von einer weiteren Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird nach §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz
1 ZPO abgesehen.
II.
3 Die zulässige Berufung ist in der Sache unbegründet.
4 Der Klägerin steht der geltend gemachte Werklohnanspruch wegen ihrer im Jahr 2015 erbrachten
Leistungen aus § 631 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem schriftlichen Auftrag vom 22.03.2013 (AS I 19)
nicht zu. Denn durch ihr Schreiben vom 01.09.2014 hat die Beklagte den Vertrag wirksam für die Zukunft
gekündigt. Für die Erstellung und Verteilung der dritten Teilauflage der Notruftafeln steht der Klägerin daher
kein Werklohnanspruch mehr zu.
1.
5 Die Beklagte war auch ohne das Vorliegen eines wichtigen Grundes oder einer Geschäftsaufgabe zur
Kündigung des Vertrages berechtigt.
6 Zwar wurde der Vertrag vom 22.03.2013 unter ausdrücklichem Ausschluss einer Kündigung für die Dauer
von fünf Jahren abgeschlossen.
7 Die Laufzeitklausel ist aber gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, da es sich hierbei um eine allgemeine
Geschäftsbedingung der Klägerin handelt, durch welche die Beklagte als Vertragspartnerin der Verwenderin
entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt wird. Die Kammer schließt sich
insoweit den zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts sowie der vom Amtsgericht in Bezug
genommenen Entscheidung der 9. Zivilkammer des Landgerichts (Urt. v. 07.10.2014 - 9 S 56/14) an.
8 Nach ständiger Rechtsprechung des BGH liegt eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners
des Klauselverwenders im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB vor, wenn der Verwender missbräuchlich eigene
Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein die Interessen
seines Partners hinreichend zu berücksichtigen und ohne ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen.
Ob eine die Laufzeit eines Vertrages betreffende Klausel den Vertragspartner in diesem Sinne unangemessen
benachteiligt, ist dabei ist mittels einer umfassenden Abwägung der schützenswerten Interessen beider
Parteien im Einzelfall festzustellen. Bei dieser Abwägung sind nicht nur die auf Seiten des Verwenders
getätigten Investitionen, sondern der gesamte Vertragsinhalt zu berücksichtigen; notwendig ist eine
Gegenüberstellung der insgesamt begründeten Rechte und Pflichten (s.m.w.N. BGH, Urt. v. 17.12.2002 - X
ZR 220/01 -, Rn. 16., juris; BGH, Urt. v. 08.12.2011 - VII ZR 111/11 -, Rn. 14 f., juris).
9 Danach hält die Laufzeitklausel einer Angemessenheitskontrolle nicht stand.
10 Die Kammer verkennt nicht, dass von einem Kaufmann grundsätzlich erwartet werden kann, dass er bei
Vertragsschluss nicht nur seinen gegenwärtigen, sondern auch seinen künftigen Bedarf abzuschätzen
vermag (vgl. BGH, Urt. v. 17.12.2002 - X ZR 220/01 -, Rn. 18., juris), was gemäß § 310 BGB im Rahmen der
Angemessenheitskontrolle des § 307 BGB zu berücksichtigen ist. Weiter sieht die Kammer, dass die von der
Beklagten eingegangene vertragliche Bindung lediglich ihr Werbebudget oder einen Teil davon, nicht aber
ihre gesamte wirtschaftliche Existenz betrifft und sie aufgrund des überschaubaren Vertragsvolumens in
ihrem wirtschaftlichen Bewegungsspielraum nur teilweise eingeschränkt ist.
11 Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag weist aber die Besonderheit auf, dass es sich hierbei nicht
um einen Vertrag handelt, der schon aufgrund seiner Natur zwingend als Dauerschuldverhältnis
ausgestaltet ist - wie dies beispielsweise bei Miet- oder verschiedenen Dienstleistungsverträgen der Fall ist -,
sondern der Sache nach die Herstellung fünf verschiedener Werke zum Inhalt hat, die jeweils in einjährigen
Abständen zu erbringen sind. Die Ausgestaltung eines solchen Vertrages als Dauerschuldverhältnis ist zwar
möglich und zulässig, aber nicht zwingend. Nach dem Inhalt der zu erbringenden Leistungen hätten die
Parteien ebenso fünf jährliche Einzelverträge abschließen können. Deshalb ist der vorliegend zu
beurteilende Vertrag auch nicht mit Verträgen über die Herstellung und Lieferung von Werbeartikeln (etwa
Zündholzschachteln mit Werbeaufdruck) vergleichbar, bei denen eine vertraglich fest vereinbarte Menge
lediglich in Teilmengen abgerufen werden kann, weshalb in solchen Fällen bis zum letzten Teilabruf durchaus
ein Zeitraum von fünf Jahren oder mehr vergehen kann.
12 Die Vereinbarung eines Dauerschuldverhältnisses mit einer fünfjährigen Laufzeit dient einseitig den
Interessen der Klägerin. Die Klägerin gewinnt hierdurch Planungssicherheit und muss sich nicht jedes Jahr
um die Werbung neuer Kunden bemühen. In welchem Maße sie von der fünfjährigen Vertragslaufzeit
profitiert ergibt sich anschaulich aus dem von der Klägerin geschilderten erforderlichen Akquiseaufwand.
Hierzu trägt sie selbst vor, dass ihre Mitarbeiter regelmäßig 30 bis 40 Telefongespräche führen müssen, um
überhaupt ein Verkaufsgespräch vereinbaren zu können, bei dem dann aber noch nicht gesichert ist, ob es
zu einem Vertragsschluss kommt und welche Vertragsmodalitäten vereinbart werden (AS II 35).
13 Dagegen sind auf Seiten der Beklagten keine Vorteile der langen Vertragsbindung zu sehen. Dass die
Beklagte im Falle einer jährlichen Neuvergabe ihrer Werbeaufträge einen ähnlichen Aufwand betreiben
müsste, ist nicht ersichtlich. Der Vortrag der Klägerin, dass das von ihr betriebene Gewerbe, das
Anzeigengeschäft im Bereich der Printmedien, generell sehr schwierig geworden sei (AS II 33) lässt vielmehr
den Rückschluss zu, dass einer begrenzten Kundenanzahl ein größeres Angebot von Werbeanbietern
gegenübersteht, weshalb der Beklagten als Nachfragerin eines auf dem Markt frei verfügbaren
Wirtschaftsgutes an einer langen Vertragsbindung nicht gelegen sein kann, sondern sie hierdurch in ihrer
wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit erheblich eingeschränkt wird (zu diesem Arg. s. OLG München, Urt. v.
11.02.2015 - 7 U 3170/14 -, juris; BGH, Urt. v. 08.12.2011 - VII ZR 111/11 -, Rn. 17, juris).
14 Insbesondere bietet die vereinbarte Vertragsdauer der Beklagten auch keinen Preissicherheitsvorteil, der
den Nachteil der langjährigen Bindung ausgleichen könnte. Denn die Klägerin hat sich für den Fall einer
Änderung ihrer Selbstkosten eine Preisanpassung vorbehalten und diese für die streitgegenständliche dritte
Auflage auch in Form einer Preiserhöhung um EUR 107,00 geltend gemacht. Ein Kündigungsrecht ist der
Beklagten auch für diesen Fall nicht eingeräumt. Dass sich die unangemessene Benachteiligung des
Vertragspartners des Klauselverwenders daraus ergeben kann, dass die Klauselverwenderin zusätzlich zur
mehrjährigen Vertragsbindung das Recht zur Preisanpassung erhält, ohne ihrem Vertragspartner im Falle
von Preiserhöhungen ein Lösungsrecht vom Vertrag einzuräumen, ist höchstrichterlich anerkannt (BGH,
Urt. v. 17.12.2002 - X ZR 220/01 -, Rn. 20, juris).
15 Die einseitig auf Seiten der Klägerin bestehenden Vorteile der fünfjährigen Vertragsbindung sind vorliegend
nicht durch ihr Amortisationsinteresse gerechtfertigt. Nach der Rechtsprechung des BGH ist die
höchstzulässige Dauer der Vertragslaufzeit maßgeblich davon abhängig, welcher Kapitalaufwand dem die
Vertragslaufzeit vorgebenden Vertragsteil für die Erfüllung des Vertrages entsteht. Hohe Entwicklungs- oder
Vorhaltekosten, die sich nur bei längerer Vertragsdauer amortisieren, rechtfertigen daher regelmäßig eine
längere Bindung des anderen Teils an den Vertrag (s. z. B. BGH, Urt. v. 17.12.2002 - X ZR 220/01 -, Rn. 19.,
juris). Derartige Kosten fallen hier aber nicht an. Anfangsinvestitionen, die sich erst im Laufe der
Vertragsdauer amortisierten, schuldet die Klägerin nach dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag
nicht. Die Notruftafeln werden ausweislich des Vertragstextes jedes Jahr neu gedruckt. Ebenso sollte die
grafische Gestaltung der Notruftafeln für jede Auflage neu erfolgen. Dass Vorhaltekosten bestehen, die eine
längere Vertragsbindung von fünf Jahren rechtfertigen könnten, hat die Klägerin nicht dargelegt. Da die
Klägerin die Aufträge für den Druck und die Verteilung der Notruftafeln extern vergibt, beschränken sich ihre
Vorhaltekosten vielmehr im Wesentlichen auf die Kosten ihrer für die Gestaltung der Notruftafeln und die
Kommunikation mit den Kunden zuständigen Mitarbeiter. Die Kosten für die Kundenakquise sind insoweit
nicht berücksichtigungsfähig, da sie nicht im Rahmen der Vertragserfüllung anfallen. Hinzu kommt, dass die
Klägerin selbst vorträgt, dass es immer wieder vorkomme, dass Kunden abweichende Laufzeiten wünschten
und diese dann auch vereinbart würden (AS II 35). Auch hieraus ergibt sich, dass ihr Kapitalaufwand eine
mehrjährige Vertragslaufzeit nicht erforderlich macht.
16 Ein angemessener Ausgleich für die einseitige Berücksichtigung der Interessen der Klägerin ergibt sich auch
nicht daraus, dass der Beklagten das Recht zur „Kündigung aus wichtigem Grund, z.B. die
Geschäftsaufgabe“ vorbehalten wurde. Das Recht zur Kündigung von Dauerschuldverhältnisses aus
wichtigem Grund gemäß § 314 BGB ist durch Allgemeine Geschäftsbedingungen ohnehin nicht abdingbar
(Staudinger/Michael Coester (2013), BGB, § 307, Rn. 531). Soweit darüber hinaus ein von § 314 BGB nicht
umfasstes Recht zur Kündigung bei Geschäftsaufgabe eingeräumt wird, ist dies zur Kompensation der mit
der langen Vertragsdauer einhergehenden Nachteile nicht ausreichend, da die Regelung nur einen von
mehreren denkbaren Gründen für einen Vertragsausstieg abdeckt.
17 Die Abwägung des Bestandsschutzinteresses der Klägerin mit dem Dispositionsinteresse der Beklagten zeigt
ein derartiges Ungleichgewicht in der Berücksichtigung der wechselseitigen schützenswerten Interessen der
Vertragsparteien, dass sich die Durchsetzung ihrer Interessen durch die Klägerin auf Kosten der Interessen
der Beklagten als missbräuchlich darstellt. Denn wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, wird die
Beklagte durch die vorgegebene Vertragslaufzeit auch dann an einer Werbemaßnahme festgehalten, wenn
sich herausstellt, dass diese nicht zum angestrebten Erfolg, nämlich dem Gewinn neuer Kunden und
Aufträge, führt. Das hat, worauf das Amtsgericht richtigerweise hinweist, zur Folge, dass die Beklagte auch
dann an den Vertrag gebunden ist, wenn sie nicht die zur Finanzierung der Werbemaßnahme erforderlichen
finanziellen Mittel erwirtschaftet. Während insofern ungewiss ist, ob die Beklagte aus dem Vertrag
finanzielle Vorteile durch die Generierung zusätzlicher Aufträge zieht, sind die finanziellen Vorteile, die die
Klägerin aus dem Vertrag zieht, durch die vereinbarte Vergütung und die Preisanpassungsklausel für die
Dauer von fünf Jahren gesichert. Soweit die Klägerin diesbezüglich beanstandet, dass das Amtsgericht
unterstelle, dass die Parteien es als Vertragsgrundlage angesehen hätten, dass gerade die Werbung der
Beklagten zu konkreten Aufträge führe, ergibt sich schon aus dem Abschluss des Werbevertrages, dass die
Werbung den Zweck hatte - gegebenenfalls mittelbar und in Zusammenwirken mit weiteren
Werbemaßnahmen - Aufträge zu generieren. Welchen sonstigen Zweck der Abschluss eines Werbevertrages
haben sollte, ist nicht ersichtlich. Der Annahme, dass die Vertragsbindung der Beklagten ausschließlich zum
Nachteil gereicht, steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte den Platz auf der Notruftafel dem Vortrag
der Klägerin zufolge ggf. für andere Zwecke als für Werbeanzeigen nutzen kann, zumal die Beklagte
ausweislich der Anlage K1 ausdrücklich eine Geschäftsempfehlung und keine Stellenanzeige bestellt hatte.
18 Die vereinbarte Vertragslaufzeit von fünf Jahren ist daher gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.
19 Bei dieser Bewertung verkennt die Kammer verkennt nicht, dass Vertragslaufzeitklauseln von fünf und mehr
Jahren in anderen Konstellationen von der Rechtsprechung akzeptiert werden. Ebenso wurden aber
insbesondere in Fällen, in denen wie hier längere Laufzeiten nicht durch das Amortisationsinteresse der
Klauselverwenderin gerechtfertigt werden konnten, auch bereits Laufzeiten von weniger als fünf Jahren als
unwirksam angesehen. So hat das OLG München (Urt. v. 11.02.2015 - 7 U 3170/14 -, juris) eine
unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB - auch im kaufmännischen Rechtsverkehr -
bei einem Fernüberwachungsvertrag mit einer Laufzeit von 54 Monaten angenommen und dies u.a. damit
begründet, dass sich die Investitionen der Klägerin bereits nach 14 Monaten amortisiert hatten. Soweit der
BGH in seinem Urteil vom 08.12.2011 (Az. VII ZR 111/11, juris) eine formularmäßig vereinbarte
Vertragslaufzeit von 10 Jahren als nicht unangemessen angesehen hat, beruht dies darauf, dass der dortige
Vertragspartner des Klauselverwenders in besonderem Maße ein eigenes Interesse an einer langfristigen
Sicherung der Bezugs- und Absatzmöglichkeiten für das von ihm in großer Zahl aufgezogene Geflügel,
mithin an einer langen Vertragsbindung hatte (BGH a.a.O., Rn. 18). Ein derartiges Laufzeitinteresse hat die
Beklagte hier aber nicht.
20 Die Zulässigkeit einer längeren Vertragslaufzeit ergibt sich auch nicht daraus, dass das Vertragsverhältnis
als Mietvertrag zu qualifizieren wäre, bei dem schon nach dem gesetzlichen Leitbild (§ 544 BGB) wesentlich
längere Vertragslaufzeiten zulässig sind. Denn einen Mietvertrag haben die Parteien nicht geschlossen. Die
Klägerin schuldete die Herstellung und Verteilung von Notruftafeln, mithin die Herstellung eines Werkes. Um
die Vermietung von Werbeflächen geht es vorliegend nicht.
21 Im Übrigen rechtfertigt sich die Zulässigkeit längerer Vertragslaufzeiten bei Mietverträgen damit, dass dort
im Regelfall beide Vertragspartner ein Interesse an einer längerfristigen Bindung haben. Für den Mieter ist
die Suche nach neuen Mieträumen deutlich schwieriger als für den Werbekunden die Suche nach einem
neuen Werbeanbieter. Die Klägerin trägt selbst vor, dass das von ihr betriebene Anzeigengeschäft im
Bereich der Printmedien generell sehr schwierig geworden sei und dass sie erheblichen Aufwand betreibe,
um Werbekunden zu gewinnen (AS II 33 f.). Das lässt den Rückschluss zu, dass das das Angebot an
Werbegelegenheiten die Nachfrage der Kunden übersteigt.
2.
22 Der Klägerin steht der geltend gemachte Vergütungsanspruch auch nicht aus § 649 S. 2 BGB zu.
23 Gemäß § 306 Abs. 2 BGB hat die Unwirksamkeit von Vertragsklauseln zur Folge, dass der Vertrag sich
insoweit nach den gesetzlichen Vorschriften richtet. Einer ergänzenden Vertragsauslegung bedarf es
regelmäßig nicht (Staudinger/Michael Coester (2013), BGB, § 307, Rn. 532). Da der Beklagte vorliegend
aber nicht allein durch den Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts gemäß § 649 S. 1 BGB (so lag der
Fall in den Entscheidungen LG Stuttgart, Urt. v. 10.12.2014 - 13 S 118/14 - juris; LG Düsseldorf, Urt. v.
12.01.2011 - 23 S 27/10 -, juris, nachfolgend - nur noch zur Darlegungslast im Rahmen des § 649 S. 2, 3
BGB - BGH, Urt. v. 28.07.2011 - VII ZR 45/11 -, juris), sondern darüber hinaus durch die überlange
Vertragslaufzeit unangemessen benachteiligt wird, ist die Einräumung des Kündigungsrechts gemäß § 649 S.
1 BGB mit der Folge des Fortbestands des Vergütungsanspruchs gemäß § 649 S. 2 BGB nicht ausreichend,
um die unangemessene Benachteiligung des Bestellers aufzuheben. Denn wie das Amtsgericht insofern
zutreffend ausgeführt hat, führte die uneingeschränkte Anwendung von § 649 S. 2 BGB zu einem
erheblichen Wertungswiderspruch zu dem das AGB-Recht beherrschenden Grundsatz des Verbots der
geltungserhaltenden Reduktion. Der in der Vereinbarung einer unangemessen langen Vertragslaufzeit
liegenden Benachteiligung der Beklagten kann nur dadurch wirksam begegnet werden, dass dieser das
Recht gewährt wird, das Vertragsverhältnis durch Erklärung einer Kündigung vor Ablauf der Vertragsdauer
vollständig zu beenden, mit der Folge, dass für den Zeitraum ab Ausspruch der Kündigung auch ein
Vergütungsanspruch des Unternehmers nicht mehr besteht. Denn ein solcher Anspruch bestünde auch nach
Ablauf einer von vorneherein vereinbarten zulässigen kürzeren Laufzeit nicht. Die Kündigung nach § 649 S.
1 BGB ist hingegen nicht geeignet, die vertraglich vorgesehene, den Besteller unangemessen
benachteiligende Laufzeit zu verkürzen, da sie zwar zu einem Freiwerden beider Parteien von ihren
ursprünglichen Leistungspflichten führt, der Zahlungsanspruch aus § 649 S. 2 BGB sich jedoch nach der
durch die Kündigung nicht verkürzten Vertragslaufzeit bemisst (vgl. LG Düsseldorf, Urt. v. 05.08.2010 - 10 S
8/10 -, juris).
24 Ob daher der Beklagten im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung (vgl. Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, §
309, Rn. 95) ein Kündigungsrecht sui generis einzuräumen ist oder ob sich dieses aus § 621 BGB analog
herleitet bzw. sich, wie vom Amtsgericht angenommen, in seinen Rechtsfolgen nach dem Rechtsgedanken
des § 628 BGB bestimmt, kann dabei dahinstehen. Denn die Beklagte hat mit Schreiben vom 01.09.2014
und somit nach Fertigstellung und Auslieferung der zweiten Auflage 2014 aber deutlich vor Beginn der
Erstellung der dritten Auflage 2015 gekündigt. Die Kündigung erfolgte unter Beachtung der Frist des § 621
Nr. 4 BGB. Auch nach dem Rechtsgedanken des § 628 BGB kann die Klägerin keine Vergütung mehr für die
dritte Auflage 2015 verlangen.
25 Daher ist unerheblich, dass sich die Ausführungen der Klägerin zu den von ihr ersparten Aufwendungen im
Sinne von § 649 S. 2 BGB auf den Zeitpunkt 15.04.2015 beziehen (AS I 77), die Beklagte tatsächlich aber
bereits mit Schreiben vom 01.09.2014 (AS I 87) gekündigt hatte und dass die Klägerin ihre anderweitigen
Erwerbsmöglichkeiten nicht darlegt.
III.
26 Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit
beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
27 Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.Die Frage, wonach
sich bestimmt, ob eine Laufzeitklausel eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des
Klauselverwenders im Sinne von § 307 Abs. 2 BGB darstellt, ist ebenso höchstrichterlich geklärt wie die
Frage, welche Kriterien im Rahmen der danach gebotenen umfassenden Abwägung der schützenswerten
Interessen beider Parteien im Einzelfall zu berücksichtigen sind (s. z. B. BGH, Urt. v. 17.12.2002 - X ZR
220/01 -, Rn. 16 ff., juris). Diese Kriterien wurden der Entscheidung zugrunde gelegt.
28 Zwar hat der BGH sich bislang nicht zum konkreten Fall der Laufzeiten von Verträgen über
Geschäftsempfehlungen auf Notruftafeln geäußert (im Urteil vom 17.05.1982 - VII ZR 316/81 -, juris, ging es
um den Verstoß einer fünfjährige Laufzeit eines Vertrages über Geschäftsempfehlungen auf
Telefonnotrufaufklebern gegen § 11 Nr. 12 AGBG, weil der Besteller kein Kaufmann war). Es ist aber nicht
ersichtlich, dass insoweit andere Grundsätze gelten sollten. Zudem ist weder dargelegt noch sonst
ersichtlich, dass die konkrete Frage über den Einzelfall hinaus von grundlegender Bedeutung wäre. Von den
beiden Entscheidungen der Berufungskammern des Landgerichts Freiburg (Az. 9 S 56/14 und 3 S 173/14)
abweichende Entscheidungen, in denen sich die Instanzrechtsprechung mit der Wirksamkeit von
Laufzeitklauseln in Verträgen über Notruftafeln zu befassen gehabt hätte, sind nicht bekannt und werden
auch von der Klägerin nicht aufgezeigt. Die Klägerin trägt auch nicht vor, dass AGB in der von ihr
verwendeten Fassung bei Notruftafeln in einer so hohen Anzahl von Fällen verwendet würden (oder zu
Rechtsstreitigkeiten geführt hätten), dass schon deshalb eine grundsätzliche Bedeutung bestünde.