Urteil des LG Freiburg vom 30.11.2015

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LG Freiburg Urteil vom 30.11.2015, 12 O 46/15 KfH
Leitsätze
Eine Abmahnung, die das abgemahnte Verhalten zwar durch die Bezugnahme auf
den konkreten Verstoß beschreibt, jedoch nicht darlegt, worin der Rechtsverstoß
liegen soll, stattdessen eine Norm zitiert, die verschiedene Tatbestandsalternativen
aufweist und sich darüberhinaus ausführlich mit einem Sachverhalt befasst, der
überhaupt nicht einschlägig ist, berechtigt nicht zum Ersatz der Abmahnkosten nach §
12 Abs. 1 S. 2 UWG.
Tenor
1. Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der
Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR,
ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an
ihrem Inhaber, zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in Werbeschriften für neue
Personenkraftwagen, die noch nicht zu einem anderen Zweck als dem des
Weiterverkaufs oder der Auslieferung verkauft wurden (im Sinne des § 2 Nr. 1 der
Verordnung über Verbraucherinformationen zu Kraftstoffverbrauch und CO2-
Emissionen neuer Personenkraftwagen), des Modells Hyundai i30 1.4. FIFA World
Cup Silver Edition zu werben, ohne in dieser Werbung Angaben über deren offiziellen
Kraftstoffverbrauch und deren offizielle spezifische CO2-Emissionen (§ 2 Nr. 5 und 6
Pkw-EnVKV i.V.m. Abschnitt I der Anlage 4 der Pkw-EnVKV) zu machen, die nicht
weniger hervorgehoben als der Hauptteil der Werbebotschaft sind, wenn dies
geschieht wie in einer Werbeanzeige der Beklagten in der Zeitung „Freiburger
Wochenbericht“, Ausgabe vom 30.12.2014, die wie folgt wiedergegeben ist: [im
Original: Ablichtung]
2. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 1/10, der Beklagte 9/10.
4. Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 4.000 EUR
vorläufig vollstreckbar, für den Beklagten ohne Sicherheitsleistung. Der Kläger darf die
Vollstreckung durch den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des
vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in
Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.
Tatbestand
1 Der Kläger macht gegen den Beklagten einen wettbewerbsrechtlichen
Unterlassungsanspruch geltend. Er ist ein Umwelt- und
Verbraucherschutzverband, mit dem Satzungzweck der aufklärenden
Verbraucherberatung, sowie der Förderung des Umweltschutzes in der
Bundesrepublik Deutschland. Er ist in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4
UklaG mit Wirkung zum 11.10.2004 eingetragen.
2 Der Beklagte betreibt in Freiburg ein Autohaus und handelt auch mit
Neufahrzeugen.
3 In der Ausgabe vom 30.12.2014 der kostenlosen Zeitung „Freiburger
Wochenbericht“ warb der Beklagte in einer Werbeanzeige für Neufahrzeuge des
Modells Hyundai i30 1.4 FIFA World Cup Silver Edition wie in Ziffer 1 des Tenors
bereits dargestellt.
4 Wegen dieser Werbeanzeige forderte der Kläger den Beklagte mit Schreiben vom
15.01.2015 auf, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben und die
Kosten der Abmahnung in Höhe von 228,97 zzgl. 7 % USt. zu tragen. Hierzu fügte
er seinem Schreiben eine vorgefertigte strafbewehrte Unterlassungserklärung bei,
die der Beklagte nicht abgegeben hat.
5 Der Kläger ist der Auffassung, die streitgegenständliche Werbeanzeige genüge
nicht den Anforderungen des § 5 Pkw-EnVKV iVm Anlage 4 Abschnitt I Ziff. 2, da
die gesetzlich vorgeschriebenen Angaben über den Kraftstoffverbrauch und die
CO2-Emissionen weniger hervorgehoben seien als der Hauptteil der Botschaft.
6 Der Kläger stellt folgende Anträge:
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1. Zu 1 : Wie erkannt.
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2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 245,00 EUR nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
9 Der Beklagte beantragt Klageabweisung.
10 Er ist der Auffassung, der Antrag sei unbestimmt und der Kläger handele
missbräuchlich. Mit der auf denselben Tag, an dem die Abmahnung formuliert
worden sei. angesetzten Frist zur Abgabe der Unterwerfung habe er ihn unbillig
unter Druck gesetzt. Die Fristsetzung sei überdies unklar, die erhobenen
Beanstandungen unverständlich. Die vorformulierte strafbewehrten
Unterlassungserklärung gehe zu weit. Dem Kläger gehe es nur um
Gewinnerzielung. Die verlangte Vertragsstrafe von 5.001 Euro sei angesichts des
Gewichts der Vorwürfe überhöht.
11 Darüber hinaus stellt er einen Verstoß in Abrede. Die Normen der PKW EnVKV
seien auch unbestimmt.
12 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
13 Die Klage ist zulässig. Die Auffassung des Beklagten, der Kläger handele
missbräuchlich im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG trifft nicht zu. Nach dieser Vorschrift
ist die Geltendmachung der in Absatz 1 bezeichneten Ansprüche unzulässig,
wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist,
insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden
einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung
entstehen zu lassen. Von einem Missbrauch im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG ist
auszugehen, wenn sich der Gläubiger bei der Geltendmachung des
Unterlassungsanspruchs allein oder zumindest überwiegend von sachfremden
Motiven leiten lässt. Die Annahme eines derartigen Rechtsmissbrauchs erfordert
eine eingehende Prüfung und Abwägung der maßgeblichen Einzelumstände.
Hierzu zählen die Art und Schwere des Wettbewerbsverstoßes sowie das
Verhalten des Schuldners nach dem Verstoß. Vor allem ist aber auf das Verhalten
des Gläubigers bei der Verfolgung dieses und anderer Verstöße abzustellen (BGH,
Urteil vom 11. Dezember 2014 – I ZR 113/13 –, juris -Bezugsquellen für
Bachblüten). Indiz für ein missbräuchliches Verhalten kann sein, dass der
Abmahnende überhöhte Vertragsstrafen fordert oder ein
verschuldensunabhängiges Vertragsstrafeversprechen verlangt (vgl.
Köhler/Bornkamm, UWG 31. Auflage § 8 Rdnr. 4.12). Diese Grundsätze sind
sowohl für Wettbewerber wie auch für klagebefugte Verbände anwendbar.
14 Dem Beklagten ist insoweit beizupflichten, als der klagende Verein bei der
Abmahnung oberflächlich und rein schematisch vorgegangen ist. Die in dem
Abmahnschreiben vom 15. Januar 2015 genannte Frist zur Vorlage des
Vertragsstrafeversprechens zum 15. August 2015 17:00 Uhr ist nicht
nachvollziehbar und auch im vorliegenden Verfahren nicht erklärt worden. Um ein
Schreibversehen alleine kann es sich nicht handeln, möglicherweise hat der
klagende Verein unbesehen ein altes Musterschreiben verwandt. Dem Beklagten
ist des Weiteren zuzugestehen, dass die Abmahnung zwar einerseits das
abgemahnte Verhalten konkret darstellt, aus der Abmahnung jedoch nicht
hervorgeht, worin der Verstoß zu sehen sein soll. Vielmehr zitiert der klagende
Verein in dem Abmahnschreiben lediglich Anlage 4 Pkw EnVKV (teilweise falsch),
wonach "die entsprechenden Verbrauchsangaben von Kraftstoff und CO2 auch
bei flüchtigem Lesen leicht verständlich, gut lesbar und nicht weniger
hervorgehoben sein müssen als der Hauptteil der Werbebotschaft." Des Weiteren
befasst sich das Abmahnschreiben, ohne dass die beanstandete Anzeige hierfür
irgendeinen Anlass geben würde, mit der Frage, unter welchen Bedingungen
Fahrzeuge mit geringerer Laufleistung nach § 2 Pkw EnVKV und der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unter die entsprechenden Regelungen
der Pkw EnVKV fallen.
15 Dagegen kann dem Beklagten nicht zugestimmt werden, dass der klagende
Verein eine Vertragsstrafe auch bei nicht schuldhaftem Verstoß verlangen würde.
Hierfür gibt der Wortlaut der vorbereiteten Unterlassungserklärung keinerlei Anhalt.
Sie enthält die Bezugnahme auf den konkreten Verstoß, vom Beklagten wurde
also nicht pauschal die Einhaltung "des Gesetzes" und damit ein zu weitgehendes
strafbewehrtes Unterlassungsversprechen verlangt. Unstreitig hat die kostenlose
Werbezeitschrift, in der die beanstandete Anzeige erschienen ist, eine verteilte
Auflage von etwas über 100 000 und deckt das Stadtgebiet Freiburg und kleinere
Teile des Umlandes ab. Bei Gesamtbetrachtung sämtlicher Umstände, zu denen
auch die vom Beklagten als überhöht angesehene verlangte Vertragsstrafe von
Euro 5001 gehört, kann das klägerische Verhalten noch nicht als missbräuchlich
gewertet werden.
16 Die vom Beklagten nicht näher erläuterte "Masse" von Abmahnungen des
klagenden Vereins ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung, da die
Intensität der Abmahntätigkeit gerichtsbekannt der Häufigkeit der Verstöße
entspricht.
17 Nachdem der Kläger mit dem Klagantrag die konkrete Verletzungsform anhängig
gemacht hat, ist an der Bestimmtheit des Klagantrags nicht zu zweifeln.
II.
18 Die Klage ist im Wesentlichen begründet (§§ 4 Nr. 11 UWG, 5 Abs. 1, Anlage 4
PKW EnVKV).
19 1. Entgegen der Auffassung des Beklagten sind die zitierten Normen, die das
gebotene und damit auch das verbotene Verhalten umschreiben, ausreichend
bestimmt. Anerkanntermaßen ist die Auslegungsbedürftigkeit im Gesetz
verwandter Begriffe unbedenklich. Das verbotene Verhalten ist ausreichend
konkret beschrieben, Zweifelsfälle müssen durch die Rechtsprechung entschieden
werden.
20 2. Ein Verstoß gegen das Gebot, dass die Angaben über den offiziellen
Kraftstoffverbrauch und die offiziellen spezifischen CO2 -Emissionen nicht weniger
hervorgehoben sein dürfen als der Hauptteil der Werbebotschaft, ist vorliegend
gegeben. Die entsprechenden Angaben sind in einer Schriftgröße gehalten, die im
Vergleich zu sämtlichen übrigen Angaben der Werbebotschaft deutlich kleiner ist.
Auch der Gesamteindruck der Anzeige einschließlich sämtlicher graphischer
Elemente rechtfertigt keine abweichende Bewertung.
21 3. Der Verstoß gegen die dargestellten Marktverhaltensregelungen ist erheblich
(vgl. BGH, Urteil vom 04. Februar 2010 – I ZR 66/09 –, juris - Gallardo Spyder).
22 4. Dagegen steht dem Kläger ein Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten nach §
12 Abs. 1 S. 2 UWG oder nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne
Auftrag bzw. nach schadensersatzrechtlichen Grundsätzen nicht zu. Eine
berechtigte Abmahnung im Sinne dieser Vorschriften setzt voraus, dass der
Abgemahnte den vermeintlichen Verstoß erkennen kann (vgl. BGH, Urteil vom 12.
Februar 2015 – I ZR 36/11 –, juris - Monsterbacke II Rdnr. 44; Teplitzky,
Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren Kap. 41 Rdnr. 14) . Nur dann
erfüllt die Abmahnung ihren Zweck, eine gerichtliche Auseinandersetzung
gegebenenfalls entbehrlich zu machen. Vorliegend ist der Beklagte pauschal und
ohne konkretes Eingehen auf das ihm vorgehaltene Verhalten abgemahnt worden.
Eine solche Abmahnung verfehlt ihren Sinn.
23 5. Die Entscheidung beruht im Übrigen auf den §§ 92,708 Nr. 11,709,711 ZPO. Die
Voraussetzungen von § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO sind nicht erfüllt.