Urteil des LG Freiburg vom 27.10.2015

fahrverbot, ordnungswidrigkeit, blutalkoholkonzentration, blutprobe

LG Freiburg Urteil vom 27.10.2015, 10 Ns 550 Js 28148/14; 10 Ns 550 Js 28148/14 -
AK 23/15
Strafverfahren: Auslegung eines eingelegten Rechtsmittels als sofortige
Beschwerde gegen die erstinstanzliche Kostenentscheidung
Leitsätze
Ein von einem Verteidiger eingelegtes unbestimmtes "Rechtsmittel" gegen ein
amtsgerichtliches Urteil kann nicht dahin ausgelegt werden, dass hierin auch eine
sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung im amtsgerichtlichen Urteil
enthalten sein soll.
Tenor
Auf die Berufung des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Freiburg vom
18.03.2015 im Rechtsfolgenausspruch dahin abgeändert, dass das Fahrverbot nicht
mit Rechtskraft dieses Urteils, sondern erst dann wirksam wird, wenn der Führerschein
in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit
Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung.
Die weitergehende Berufung des Angeklagten wird verworfen.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens, jedoch wird die Gebühr um
drei Viertel auf ein Viertel ermäßigt.
Drei Viertel der im Berufungsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen des
Angeklagten werden der Staatskasse auferlegt.
Angewandte Vorschriften:
§§ 49 Abs. 1, 24, 24 a, 25 StVG
Gründe
I.
1
Das Amtsgericht Freiburg erließ gegen den Angeklagten am 16.12.2014 einen
Strafbefehl, in dem gegen ihn wegen des Tatvorwurfs der fahrlässigen
Straßenverkehrsgefährdung gem. §§ 315 c Ab. 1 Nr. 1a, Abs. 3 StGB eine
Geldstrafe von 40 Tagessätzen à 20,- EUR verhängt, die Fahrerlaubnis entzogen
und eine Sperrfrist für deren Wiedererteilung von sieben Monaten festgesetzt
wurde. Der Führerschein des Angeklagten war am 16.09.2014 von der Polizei
anlässlich des Tatgeschehens beschlagnahmt, aber am 25.09.2015 wieder
herausgegeben worden.
2
Gegen den genannten Strafbefehl legte der Angeklagte in zulässiger Weise
Einspruch ein. Im Hauptverhandlungstermin vom 18.03.2015 wurde der
Angeklagte, seinem Geständnis entsprechend, wegen der Ordnungswidrigkeit des
fahrlässigen Führens eines Fahrzeugs im Straßenverkehr mit einer
Blutalkoholkonzentration von mehr als 0,5 Promille zu der Geldbuße von 500,-
EUR verurteilt und ihm ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat erteilt.
Dieses Fahrverbot stützte das Amtsgericht auf § 44 StGB, der auch in der Liste
der angewandten Strafvorschriften genannt wird. Die Kosten des Verfahrens
wurden dem Angeklagten vollumfänglich auferlegt.
3
Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte über seinen Verteidiger fristgerecht
Rechtsmittel ein. Er verfolgte das Ziel, das Fahrverbot auf § 24 StVG, nicht aber
auf § 44 StGB zu stützen. Außerdem sollte die erstinstanzliche
Kostenentscheidung dahin abgeändert werden, sämtliche Verfahrenskosten und
notwendigen Auslagen der ersten Instanz der Staatskasse entsprechend § 465
Abs. 2 StPO aufzuerlegen.
4
Im Rahmen der Hauptverhandlung nahm der Angeklagte mit Zustimmung der
Staatsanwaltschaft den Schuldspruch gem. Ziff. II und IV des erstinstanzlichen
Urteils von seiner Berufung aus.
5
Im verbliebenen Umfang hatte seine Berufung überwiegend Erfolg.
6
(…)
III.
7
Aufgrund der wirksamen Herausnahme des Schuldspruchs aus dem
Berufungsumfang steht folgender Sachverhalt rechtskräftig fest:
8
Der Angeklagte fuhr am 16.09.2014 beruflich als Lkw-Fahrer gegen 10.00 Uhr mit
dem Lkw MAN auf das Gelände des Zentralen Omnibusbahnhofs am
Hauptbahnhof in Freiburg. Der Angeklagte hatte an diesem Morgen Alkohol zu
sich genommen. Eine ihm am selben Tag um 11.35 Uhr entnommene Blutprobe
ergab eine durchschnittliche Blutalkoholkonzentration von 0,75 Promille. Die
Untersuchung einer ihm um 12.05 Uhr entnommenen zweiten Blutprobe ergab
eine durchschnittliche Blutalkoholkonzentration von 0,65 Promille.
9
Wie der Angeklagte bei Anstrengung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt
unschwer hätte erkennen können, hatte er vor Fahrtantritt derart viel Alkohol zu
sich genommen, dass er mehr als 0,5 Promille Alkohol im Blut hatte.
IV.
10 Wegen der wirksamen Herausnahme des Schuldspruchs aus dem
Berufungsumfang ist somit der Schuldspruch wie folgt rechtskräftig geworden:
11 Der Angeklagte hat somit eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 24a StVG begangen,
indem er im Straßenverkehr ein Fahrzeug führte, obwohl er mehr als 0,5 Promille
Alkohol im Blut hatte.
12 Ergänzend war klarzustellen, dass die Ordnungswidrigkeit fahrlässig begangen
wurde.
13 Dass die tateinheitlich begangene Ordnungswidrigkeit des fahrlässigen
Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt mit Unfallverursachung
gem. §§ 49 Abs. 1, 24, StVG, 1 Abs. 2 StVO nicht mit abgeurteilt wurde, ändert
nichts daran, dass die Herausnahme des Schuldspruchs aus dem
Berufungsumfang wirksam war. Insofern handelt es sich nämlich lediglich um eine
unvollständige Subsumierung; die getroffene Subsumierung wird von den
Feststellungen getragen. Ein Widerspruch zwischen dem Schuldspruch und den
Feststellungen besteht nicht.
14 (…)
VI.
15 Für die Ahndung der Ordnungswidrigkeit war ein Bußgeld in Höhe von 500,- EUR
festzusetzen. (…)
16 Weiter war gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat gem. § 25 Abs. 1 S. 2 StVG
zu verhängen. Zwar liegt der Vorfall bereits etwas mehr als ein Jahr zurück. Das
Fahrverbot kann seinen erzieherischen Zweck dennoch weiterhin erfüllen. (…)
VII.
17 Eine Abänderung der Kostenentscheidung des erstinstanzlichen Urteils war der
Berufungsstrafkammer bereits deshalb verwehrt, weil gegen die
Kostenentscheidung keine sofortige Beschwerde nach § 464 Abs. 3 S. 1 StPO
eingelegt wurde. Es kann daher dahinstehen, ob die Kammer, wäre sie mit der
Frage befasst worden, die Kostenentscheidung geändert hätte.
18 1. Der Verteidiger hat am 25.03.2015 „gegen das Urteil des AG Freiburg vom
18.03.2015 Rechtsmittel“ eingelegt. Dieses Rechtsmittel ist als Berufung
auszulegen.
19 a. Es liegt fern anzunehmen, dass der Verteidiger mit dem „Rechtsmittel“ eine
sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung meinte. Zum einen hat er
dies nämlich nicht kenntlich gemacht, zum anderen hat er auch nach Vorlage der
Akten an die Berufungsstrafkammer und einer schriftlichen Anfrage derselben im
Juni 2015 nach dem Berufungsziel nicht vorgetragen, keine Berufung bzw.
Revision, sondern eine sofortige Beschwerde vorgelegt zu haben. Es ist gerichts-
und anwaltsbekannt, dass die vom Verteidiger verwendete Formulierung üblich ist,
um den Schuld- oder Strafausspruch des Urteils, nicht aber um seine
Kostenentscheidung anzufechten.
20 b. Innerhalb der gesetzlichen Frist ging keine Revisionsbegründung ein. Daher ist
das Rechtsmittel als Berufung zu behandeln.
21 c. Das „Rechtsmittel“ kann auch nicht gem. § 300 StPO dahin ausgelegt werden,
dass mit ihm nicht nur die Berufung, sondern auch die sofortige Beschwerde nach
§ 464 Abs. 3 S. 1 StPO eingelegt werden sollte. Ein unbestimmtes Rechtsmittel
schließt die sofortige Beschwerde nicht ein, Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 2015, §
464 Rn. 21 m. w. N.; vgl. OLG Stuttgart, Justiz 2003, 451. Es kann auch nicht als
solche ausgelegt werden, Die erweiternde Auslegung eines unbestimmt
eingelegten Rechtsmittels dahin, dass es auch eine sofortige Beschwerde
beinhalte, ist im Interesse der Rechtsklarheit auch deshalb unzulässig, weil
andernfalls die gesetzlichen Notfristen für die Einlegung der verschiedenen
Rechtsbehelfe unterlaufen werden könnten (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 2015, §
300, Rn. 3 a. E.; Jesse in: Löwe-Rosenberg, StPO, 2014, § 300, Rn. 8).
22 2. Die fristgerechte Einlegung einer sofortigen Beschwerde wäre – entgegen der
Auffassung des Verteidigers – Voraussetzung dafür gewesen, die
Kostenentscheidung des Amtsgerichts einer Überprüfung zuzuführen.
23 Die Kostenentscheidung des Amtsgericht muss grundsätzlich gesondert mit der
sofortigen Beschwerde angefochten werden, § 464 Abs. 3 S. 1 StPO. Eine
Ausnahme hiervon gilt nach der zutreffenden neueren Rspr. und h. M. (vgl. Hilger
in Löwe-Rosenberg, StPO, 2010, § 464, Rn. 42 f., m. w. N.) nur, wenn die
Hauptsacheentscheidung so geändert wird, dass sie der erstinstanzlichen
Kostenentscheidung widerspricht (Grundsatz der unlösbaren Verknüpfung der
Sach- mit der Kostenentscheidung). Dies ist hier nicht der Fall und war auch von
vornherein mit dem Rechtsmittel nicht angestrebt. Der Angeklagte hatte die vom
Amtsgericht abgeurteilte Ordnungswidrigkeit nämlich gestanden. Es ging ihm mit
dem Rechtsmittel darum, dass das Fahrverbot – der Rechtslage entsprechend –
mit der Vollstreckungsflexibilität des § 25 Abs. 2 a StVG ausgestattet sein sollte.
24 Dem Angeklagten war auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur
Einlegung der sofortigen Beschwerde zu bewilligen. Zum einen hat er dies nicht
beantragt und auch die sofortige Beschwerde nicht nachgeholt. Zum anderen
wäre eine Wiedereinsetzung, auch von Amts wegen, schon deshalb
ausgeschieden, weil der Verteidiger die Einlegung der sofortigen Beschwerde
versäumt hat. Im Bereich des Kostenrechts wird dem Angeklagten das
Verschulden seines Anwalts ebenso zugerechnet wie im Zivilprozess, vgl. Meyer-
Goßner/Schmitt, StPO, 2015, § 464/21 m. w. N.; BGHSt 26, 126; OLG Düsseldorf,
OLGSt StPO § 464 Nr. 5.
VIII.
25 Die Entscheidung über die Kosten im Berufungsverfahren beruht auf § 473 Abs. 1,
4 StPO. (…)