Urteil des LG Freiburg vom 12.01.2006

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LG Freiburg Urteil vom 12.1.2006, 3 S 196/05
Schadensersatz bei Kfz-Unfall: Anmietung des Ersatzwagens zum Unfallersatztarif; Abrechnung auf der
Basis der dreifachen Nutzungsausfallentschädigung
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Freiburg vom 02.06.2005 – 11 C 684/05 – im
Kostenpunkt aufgehoben und im übrigen wie folgt abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
1
Die Berufung des Beklagten, mit der er die Abweisung der Klage begehrt, ist zulässig und begründet.
Demgegenüber musste der Anschlussberufung des Klägers, mit der er die Freistellung hinsichtlich eines
weiteren Betrages von Euro 133,40 begehrt, der Erfolg versagt bleiben.
II.
2
Hinsichtlich der Aktivlegitimation des Klägers bestehen keine Bedenken. Wie sich aus der
Sicherungsabtretungserklärung vom 08.11.2004 ergibt, war der Zedent - der Kläger berechtigt, seine
Schadensersatzansprüche selbst im eigenen Namen geltend zu machen.
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Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Freistellung in Höhe der ihm von der
Mietwagenfirma ... in Rechnung gestellten gesamten Mietwagenkosten. Diese belaufen sich auf brutto Euro
939,60 und entsprechen neben Kosten für die Vollkaskoversicherung und Zustellkosten dem
Unfallersatztarif. Über die von dem Beklagten vorgerichtlich regulierten Euro 392,24 hinaus stehen dem
Kläger indessen keine weiteren Ansprüche zu, da vorliegend die diesen Betrag übersteigenden
Mietwagenkosten auf der Basis des Unfallersatztarifs nicht den zur Schadensbehebung erforderlichen
Aufwand darstellen und damit nicht erstattungsfähig sind. Daneben kommt aber auch eine Abrechnung unter
Zugrundelegung des 3-fachen Satzes der Nutzungsausfalltabelle von Sanden/Danner/Küppersbusch nicht in
Betracht, da dafür die erforderlichen Voraussetzungen fehlen.
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1. In seiner jüngsten Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof erneut darauf hingewiesen, dass der
Geschädigte als Herstellungsaufwand nur den Ersatz der erforderlichen Mietwagenkosten verlangen
kann, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für
zweckmäßig und notwendig halten darf, und dass der Geschädigte dabei nach dem
Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten ist, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den
wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen (BGH NJW 2005, 135).
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Das Gebot der Wirtschaftlichkeit, dem der Geschädigte unterliegt, führt dazu, dass aus
schadensrechtlicher Sicht der zur Herstellung erforderliche Geldbetrag nicht ohne weiteres mit
einem besonderen Tarif für Mietwagen nach Unfällen gleichgesetzt werden kann. Dies kann nur
insoweit der Fall sein, als die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation
(etwa Vorhaltekosten, die Vorfinanzierung durch das Mietwagenunternehmen, das Risiko eines
Ausfalls mit der Ersatzforderung wegen falscher Bewertung der Anteile am Unfallgeschehen durch
den Kunden oder das Mietwagenunternehmen) einen gegenüber dem Normaltarif höheren Preis aus
betriebswirtschaftlicher Sicht rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die
durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolge dessen zur Schadensbehebung nach §
249 BGB erforderlich sind. Ob dies der Fall ist, hat nach Auffassung des Bundesgerichtshofs der
Tatrichter aufgrund des Vortrages des Geschädigten – gegebenenfalls nach Beratung durch einen
Sachverständigen – gemäß § 287 Abs. 1 ZPO zu schätzen. Die Darlegungs- und Beweislast für die
Berechtigung einer Erhöhung gegenüber dem Normaltarif obliegt dabei dem Geschädigten bzw.
seinem Rechtsnachfolger (BGH NJW 2005, 1933). Vorliegend hat der Kläger ausgeführt, dass er –
verständlicherweise – nicht in der Lage ist, der Darlegungslast zu genügen und die
betriebswirtschaftlichen Grundlagen für die Kalkulation des Unfallersatztarifs seitens der
Mietwagenfirma vorzutragen. Im Lichte der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hätte dies zur
Konsequenz, dass der geltend gemachte Unfallersatztarif nicht den erforderlichen
Herstellungsaufwand darstellt. Ob die Überbürdung der Darlegungs- und Beweislast auf den
Geschädigten überhaupt praktikabel ist oder ob damit dem Geschädigten etwas Unmögliches
auferlegt wird, indem er verpflichtet wird, die ihm in der Regel nicht zugänglichen
Kalkulationsgrundlagen und damit Betriebsgeheimnisse des Mietwagenunternehmens vorzutragen,
bedarf hier indessen keiner weiteren Untersuchung.
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2. Denn auch wenn ein Unfallersatztarif mit Rücksicht auf die Unfallsituation nach den oben genannten
Kriterien nicht im geltend gemachten Umfang zur Herstellung erforderlich war, kann nämlich der
Geschädigte den übersteigenden Betrag ersetzt verlangen, wenn ihm ein günstigerer Normaltarif nicht
zugänglich war (subjektbezogene Schadensbetrachtung; BGH NJW 2005, 1041). Hierfür hat der
Geschädigte darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass ihm unter Berücksichtigung seiner
individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden
Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten
Markt kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich war (BGH NJW 2005, 1933). Angesichts der
gebotenen subjektbezogenen Schadensbetrachtung und unter Berücksichtigung des Gebotes der
Wirtschaftlichkeit, dem der Geschädigte unterliegt, ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass
dem Kläger der günstigere Normaltarif der Autovermietung D bei Anmietung des Ersatzwagens zur
Verfügung stand. Dem Kläger wurde bei Abschluss des Mietvertrages ein Merkblatt zu Mietwagentarifen
vorgelegt, in dem ausdrücklich auf die Tarifspaltung zwischen Unfallersatztarif und Pauschal- und
Normaltarif hingewiesen wurde. Mit seiner Unterschrift hat der Kläger bestätigt, dass die
entsprechenden Vertragsbedingungen ihm mitgeteilt worden seien und ihm auch die entsprechende
Anmietungsart und die Tarifstruktur erläutert worden seien. Ausweislich des Merkblattes wurde der
Kläger darüber unterrichtet, dass der Normaltarif günstiger als der Unfallersatztarif ist und dass der
Vertragsabschluss zum Normaltarif lediglich eine Sicherheitsleistung – etwa durch Zahlung mit der
Kreditkarte – voraussetzt. Trotz dieser Hinweise hat sich der Kläger für den Unfallersatztarif
entschieden. Damit hat sich der Kläger für einen Aufwand entschieden, den ein verständiger,
wirtschaftlich denkender Mensch nicht mehr für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Die Frage, ob
der Geschädigte in derartigen Fällen zum Einsatz seiner Kreditkarte verpflichtet ist, kann nicht
einheitlich beantwortet werden. Danach kommt es darauf an, ob dem Geschädigten die
Schadensminderung durch Einsatz einer Kreditkarte möglich und zuzumuten ist (BGH NJW 2005, 1933,
1935). Dies kann angesichts der heutigen wirtschaftlichen Gepflogenheiten nicht generell
ausgeschlossen werden. Vielmehr hängt dies von den Gegebenheiten des Einzelfalls ab, wobei sich für
den im Rahmen des § 254 BGB zunächst nicht darlegungs- und beweispflichtigen Kläger entsprechend
dem Inhalt des Beklagtenvortrags eine sekundäre Darlegungs- und Beweislast ergibt. Auch nachdem
der Beklagte in der Berufungsbegründung ausdrücklich darauf abgehoben hatte, der Kläger hätte
lediglich Sicherheit – etwa per Kreditkarte – leisten müssen, um in den Genuss des Normaltarifs zu
gelangen, hat der Kläger lediglich dargelegt, er habe keine Sicherheitsleistung bezahlen wollen
(Berufungsanschlussschrift) und ausweislich des Merkblattes sei er nicht in der Lage und nicht bereit
gewesen, eine Sicherheit zu leisten. Dieser Vortrag genügt zu leisten. Dieser Vortrag genügt nicht, unter
Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebots die Leistung einer Sicherheit etwa durch Einsatz der
Kreditkarte als unzumutbar erscheinen zu lassen.
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3. Da dem Kläger somit der von der Autovermietung ... angebotene günstigere Normal- und
Standardtarif zugänglich war, war die Beklagte auch nur verpflichtet, die Mietwagenkosten auf dieser
Grundlage zu regulieren. Ebenso kam eine Abrechnung auf der Basis des 3-fachen Satzes der
Nutzungsausfalltabelle von Sanden/Danner/Küppersbusch nicht in Betracht, da dieser
Abrechnungsmodus nach der Rechtsprechung des Landgerichts Freiburg nur in den Fällen zur
Anwendung kommt, wenn den Geschädigten ein Verstoß gegen die Erkundigungspflicht trifft und
deshalb der erforderliche Aufwand auf der Grundlage der üblichen Mietwagenkosten zu ermitteln ist.
III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 91 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige
Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10 ZPO.
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Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.