Urteil des LG Freiburg vom 24.07.2003

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LG Freiburg Beschluß vom 24.7.2003, 4 T 49/03
Wohnungseigentümergemeinschaft: Zweckbestimmung von Teileigentum durch Bezeichnung als "gewerbliche Raumeinheit" in der
Teilungserklärung
Leitsätze
In Teileigentum, das in der Teilungserklärung als "gewerbliche Raumeinheit" bezeichnet ist, darf eine psychosoziale Beratungs- und
Behandlungsstelle für Alkohol- und Drogenprobleme betrieben werden.
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Freiburg vom 14.02.2003 (13 UR II 15/02 WEG) wird als
unbegründet zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen sowie die der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren entstandenen
außergerichtlichen Auslagen.
3. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird festgesetzt auf EUR 15.000,00.
Gründe
I.
1
Die Beteiligten sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Antragsgegnerin hat im Jahre 2001 das im wesentlichen im ersten
Obergeschoss des Anwesens liegende Teileigentum an die psychosoziale Beratungs- und Behandlungsstelle für Alkohol- und Drogenprobleme,
Fachstelle für Suchtprävention und Gesundheitsförderung der Stadt Freiburg und des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald vermietet. Die
Antragstellerin verlangt von der Antragsgegnerin, dies zukünftig zu unterlassen.
2
Die Antragsgegnerin hat als (damalige) Eigentümerin am 07.08.1998 vor Notar P. S. (UR 2000/98) das Eigentum an dem Grundstück gemäß § 8
WEG aufgeteilt, insgesamt in 37 Wohnungen, 5 gewerbliche Raumeinheiten sowie 32 Tiefgaragenstellplätzen (16 Doppelparker) und 7
Garagenstellplätze im Erdgeschoss. Die Antragstellerin ist Eigentümer der Einheit Nr. 35 (Wohnung mit Loggia im Haus B im zweiten
Obergeschoss und Keller Nr. 35 im Untergeschoss), die Antragsgegnerin, soweit es um die streitgegenständlichen Räume geht, Eigentümerin
der ursprünglich im Aufteilungsplan mit Nr. G 28 bezeichneten gewerblichen Raumeinheit im Haus B im Erdgeschoss und ersten Obergeschoss
sowie des mit Nr. G 28 bezeichneten Abstellraums im Haus B im Untergeschoss.
3
In § 4 der Teilungserklärung ist eine Gebrauchsregelung nach § 15 WEG vorgesehen. Nach Absatz 1 der Bestimmung hat jeder
Wohnungseigentümer das Recht der alleinigen Nutzung seines Sondereigentums, soweit sich nicht Beschränkungen aus dem Gesetz oder aus
dieser Erklärung ergeben. Nach Absatz 3 sind Wohnungen immer in einer Weise zu nutzen, die gehobenen Wohnansprüchen nicht
entgegensteht. Die Ausübung eines Gewerbes oder Berufes in den Erdgeschosswohnungen oder die Änderung der bei einem einzelnen
Sondereigentum angegebenen Nutzungsart im Erdgeschoss ist zulässig, falls eine entsprechende behördliche Genehmigung vorliegt.
4
§ 4 Abs. 4 bestimmt, dass in diesen Fällen die Zustimmung des Verwalters einzuholen ist. Diese kann nur aus wichtigem Grunde verweigert
werden. Sie kann auch mit Auflagen und Bedingungen verbunden sein.
5
Mit Urkunde vom 15.01.2001 hat die Antragsgegnerin einen Nachtrag zur Teilungserklärung erklärt, wobei sie zugleich als Bevollmächtigte für
die Wohnungseigentümer, unter anderem auch die Antragstellerin aufgetreten ist. Hierin wurden verschiedene Änderungen hinsichtlich
Aufteilung und Größe von Sondereigentum bzw. Teileigentum vorgenommen, die Antragstellerin und Antragsgegnerin betreffend lediglich
bezüglich des mit G 28 bezeichneten Kellerraums im Untergeschoss (vgl. AS 437). Am 26.03.2002 hat die Antragsgegnerin einen zweiten
Nachtrag zur Teilungserklärung erklärt und ihre im Teileigentumsgrundbuch von Freiburg Blatt 62726 eingetragene gewerbliche Raumeinheit Nr.
G 28 auf dem Grundstück R. 17 / K. Straße 2a, Flst.-Nr. ..... in zwei neue Gewerbeeinheiten aufgeteilt:
6
a) 713/10.000stel Miteigentumsanteil an dem vorgenannten Grundstück, verbunden mit dem Sondereigentum an der im beigefügten
Aufteilungsplan mit Nr. G 28 bezeichneten gewerblichen Raumeinheit im 1. Obergeschoss und dem Archivraum im Nr. G 28 im
Erdgeschoss.
7
b) 340/10.000stel Miteigentumsanteil an dem vorgenannten Grundstück, verbunden mit dem Sondereigentum an der im beigefügten
Aufteilungsplan mit Nr. G 29 bezeichneten gewerblichen Raumeinheit im Erdgeschoss.
8
Die Antragstellerin beruft sich auf § 11 des am 03.11.1999 mit der Antragsgegnerin abgeschlossenen "Kauf"vertrages (Notariat L. 5 UR 2662/99),
wonach der Verkäufer zusichert, dass in den Gewerberäumen keine Gastronomie, Disco bzw. Sex-Shop ansässig wird. Außerdem ist sie der
Auffassung, die Vermietung der Einheit G 28 als psychosoziale Beratungs- und Behandlungsstelle für Alkohol- und Drogenprobleme verstoße
gegen die in § 4 Abs. 3 Satz 2 der Teilungserklärung geregelte „Ausübung eines Gewerbes oder Berufes“. Im Unterschied zu einem Gewerbe sei
die Nutzung als Beratungsstelle für Suchtkranke ein nicht gedeckter Nutzungszweck. Die Unterschiede ergäben sich in erster Linie aus der
Klientel. Das Patientenaufkommen sei nicht mit einem klassischen zu vergleichen. Es sei unstreitig, "dass sich Drogen- und Alkoholkranke zum
größten Teil aus Straftätern, Obdachlosen, Arbeitslosen etc. rekrutierten".
9
Die Benutzung durch die Mieterin der Antragsgegnerin sei intensiver als gewerbliche Nutzung durch beispielsweise Ärzte, Steuerberater,
Massagepraxen oder einen Verlag. Seitens der psychosozialen Beratungsstelle seien nämlich Wochenendveranstaltungen, Samstagmorgens
Selbsthilfegruppen sowie an den Wochenenden Fortbildung für Ärzte bzw. zwei- bis dreimal im Jahr Informationen für Schulklassen geplant.
10 Auch wenn es auf das konkrete Vorliegen von Störungen nicht ankomme, werde hilfsweise folgendes ausgeführt: Am 01.03.2002 habe gegen
10:00 Uhr ein Patient zwischen die Lifttür gegriffen, um im Lift mitzufahren. Der Patient habe ohne Grund die zu Tode erschrockene
Antragstellerin angefasst, die auf Grund des Sachverhaltes einen Hörsturz erlitten habe. Am 28.01.2002 habe ein Patient aus einer kleinen
Flasche eine Flüssigkeit zu sich genommen, der Mann sei zum Eingangsbereich und mit anderen Patienten in die Räume des ersten
Obergeschosses gegangen. Am 18.03.2002 hätten 22 Patienten (17 Männer und 5 Frauen) ohne Zugangskontrolle sich in die Räume des ersten
Obergeschosses begeben. Ein ca. 40 Jahre alter bärtiger Mann, gekleidet mit roter Jacke und einem roten Rucksack sei alkoholisiert gewesen.
Um 19:30 Uhr seien von der Beratungsstelle 23 Personen gekommen, die zum Teil sofort Zigaretten angezündet, laut geredet und gelacht hätten.
Am 19.03.2002 hätten 7 zur Beratungsstelle gehende Frauen die Haupttür offen gelassen. Auch hier sei sofortiges Rauchen erfolgt. Am
20.03.2002 sei eine blonde Frau mit einem Einkaufskarren gekommen, den sie im Erdgeschoss habe stehen lassen.
11 Die Antragstellerin trägt vor, die Antragsgegnerin habe im Erdgeschoss einen Archivraum mitvermietet, der im gemeinschaftlichen Eigentum
stehe. Bereits hieraus ergebe sich die Unstatthaftigkeit der Vermietung an die psychosoziale Beratungsstelle.
12 Die Antragsgegnerin bestreitet Störungen.
13 Hinsichtlich des von ihr genutzten Abstellraumes im Erdgeschoss sei unklar, um was es hier gehe. Vom Erdgeschoss gehöre zu der
streitgegenständlichen Sondereigentumseinheit lediglich ein Raum, bezeichnet als "G 28 Archiv". Im Gegensatz zum Vortrag der Antragstellerin
handle es sich hierbei nicht um gemeinschaftliches Eigentum, sie habe diesen Raum also nicht widerrechtlich mitvermietet.
14 Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Amtsgericht Haupt- und Hilfsantrag der Antragstellerin zurückgewiesen. Auf die
Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
15 Hiergegen hat die Antragstellerin rechtzeitig sofortige Beschwerde eingelegt, mit welcher sie den erstinstanzlichen Vortrag vertieft und neu
vorbringt, die Unzulässigkeit der Vermietung ergebe sich auch daraus, dass infolge der Aufteilung in 2 Sondereigentumseinheiten ein neuer
Zugang zu dem streitgegenständlichen Sondereigentum geschaffen worden sei. Hierbei handele es sich um eine bauliche Veränderung, die der
Zustimmung aller Wohnungseigentümer bedürfe.
16 Die Antragstellerin stellt folgende Anträge:
17
1. Der Beschluss des Amtsgerichts Freiburg vom 14.02.2002 (13 UR II 15/02 WEG) wird aufgehoben.
18
2. Der Antragsgegnerin wird bei Meidung eines Zwangsgeldes, ersatzweise im Falle der Uneinbringlichkeit einer Zwangshaft für jeden
Fall der Zuwiderhandlung verboten, selbst oder durch Dritte in ihrer mit der laufenden Nummer 26 lt. Aufteilungsplan sowie Änderung
vom 25.01.2001 bezeichneten gewerblichen Raumeinheit im 1. OG des Anwesens K. Straße 2a, 7..... F., vorgetragen im Grundbuch
Freiburg Blätter ......., eine psychosoziale Beratungs- und Behandlungsstelle für Alkohol- und Drogenprobleme zu betreiben oder
betreiben zu lassen.
19 Hilfsweise stellt sie folgenden Antrag:
20 Der Antragsgegnerin wird bei Meidung eines Zwangsgeldes, ersatzweise im Falle der Uneinbringlichkeit einer Zwangshaft für jeden Fall der
Zuwiderhandlung verboten, selbst oder durch Dritte in seiner mit der lfd. Nr. 26 in der Teilungserklärung vom 07.08.1998 sowie Änderung vom
25.01.2001 bezeichneten gewerblichen Raumeinheit im 1. Obergeschoss des Anwesens bzw. im nicht eingetragenen Archivraum G 28 im
Erdgeschoss des Anwesens K. Straße 2a, 7... F., vorgetragen im Grundbuch F. Blätter...., eine psychosoziale Beratungs- und Behandlungsstelle
für Alkohol- und Drogenprobleme zu betreiben oder betreiben zu lassen.
21 Außerdem stellt sie hilfsweise den bereits vor dem Amtsgericht als Hilfsantrag gestellten Antrag (AS 283). Insoweit wird auf die Darstellung im
Tatbestand der amtsgerichtlichen Entscheidung Bezug genommen.
22 Die Antragsgegnerin beantragt die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde.
23 Die Kammer hat die Beteiligten durch den beauftragten Richter angehört. Ihnen wurde mitgeteilt, dass nicht beabsichtigt sei, vor der vollbesetzten
Kammer mündlich zu verhandeln. Einwände hiergegen wurden nicht erhoben.
24 II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, jedoch - auch mit den Hilfsanträgen - nicht begründet.
25 1. Im Folgenden ist zu unterscheiden zwischen den Rechten, die die Antragstellerin aus ihrer Stellung als Wohnungseigentümerin geltend
machen kann (dazu II.) sowie den Rechten, die die Antragstellerin aus dem „Kauf“vertrag vom 03.11.1999 ableitet (dazu unter III.).
26 2. Dass die Antragsgegnerin die streitgegenständliche gewerbliche Einheit vermietet hat, ist unschädlich. Sie beruft sich auch gar nicht darauf,
zur Abhilfe nicht in der Lage zu sein (vgl. im Übrigen BGHZ 144, 200).
27 3. Nach § 15 WEG können die Wohnungseigentümer den Gebrauch des Sondereigentums und des gemeinschaftlichen Eigentums durch
Vereinbarung regeln. Dabei stehen Regelungen in der Teilungserklärung oder der Gemeinschaftsordnung einer Vereinbarung gleich (§§ 5 Abs.
4, 8 Abs. 2 WEG). Ist in der Teilungserklärung das Teileigentum mit einer näheren Bezeichnung verbunden, so ist dies in der Regel als eine
entsprechende Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter aufzufassen (vgl. BayObLG WuM 1985, 238). Vorliegend ist das
streitgegenständliche Sondereigentum als „gewerbliche Raumeinheit“ bezeichnet. Dies stellt eine derartige Zweckbestimmung mit
Vereinbarungscharakter dar (vgl. BayObLG NJW-RR 1994, 1038; NJW 192, 919; KG FGPrax 1999, 93). Bei der Auslegung der
Zweckbestimmung, hier gewerbliche Raumeinheit, ist auf Wortlaut und Sinn der Teilungserklärung abzustellen, wie er sich für einen
unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergibt (BayObLG NJW 1992, 919). Der Begriff der „gewerblichen
Raumeinheit“ ist seinem sprachlichen Inhalt vergleichbar mit dem Begriff des „Geschäftsraumes“. Für Geschäftsräume ist anerkannt, dass er sich
hierbei um einen weit gefassten Oberbegriff handelt (vgl. KG, Beschluss vom 16.09.1988 - 24 W 1240/88), unter den selbst Gaststätten zu fassen
sind (vgl. BayObLG MDR 1982, 496; WuM 1985, 238; vgl. auch OLG Zweibrücken, Der Wohnungseigentümer 1987, 54 - mit Leitsätzen in Juris
dokumentiert).
28 Entsprechend einer derartigen Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter darf das Teileigentum grundsätzlich zu keinem anderen Zweck
genutzt werden. Zulässig ist jedoch eine mit dem Wortlaut der Zweckbestimmung nicht übereinstimmende Nutzung, sofern dadurch kein anderer
Wohnungseigentümer mehr gestört oder beeinträchtigt wird als durch eine Nutzung entsprechend der Zweckbestimmung (vgl. BayObLG NJW
1992, 919).
29 Die Nutzung der streitgegenständlichen Sondereigentumseinheit zum Betrieb einer psychosozialen Beratungs- und Behandlungsstelle für
Alkohol- und Drogenprobleme widerspricht der Teilungserklärung nicht, da sie erheblich weniger störend wirkt, als die dort zugelassenen
Benutzungsarten.
30 Dabei muss nicht geklärt werden, ob der bestrittene Vortrag der Antragstellerin zutrifft, wonach zusätzlich zu den im Jahresbericht 2000
angegebenen Öffnungs- und Sprechzeiten von täglich 8:00 Uhr bis 12:00 Uhr und 13:00 Uhr bis 16:00 Uhr (Sekretariat) und offenen
Sprechzeiten von Montag 16:00 Uhr bis 18:00 Uhr und Donnerstag 16:00 Uhr bis 18:00 Uhr jeden Abend bis 22:00 Uhr Gruppensitzungen
stattfinden (vgl. Schreiben der Beratungsstelle vom 20.12.2001 an die Hausbewohner, Anlage K 2 = AS 17) und auch an Wochenenden
Fortbildungsveranstaltungen und andere Veranstaltungen stattfinden. Der damit verbundene Publikumsverkehr ist sowohl hinsichtlich der Anzahl
der Personen, die den Verein aufsuchen wie auch hinsichtlich der vorgetragenen zeitlichen Ausdehnung bei weitem nicht vergleichbar selbst mit
einer gutbürgerlichen Gaststätte, die lediglich begrenzt durch die allgemeinen Sperrzeiten bis tief in die Nacht von einem im vorhinein nicht
näher definierbaren Personenkreis aufgesucht werden kann mit den entsprechenden Geräuschimmissionen. Auch verursacht die
Beratungsstelle, abgesehen von dem Umstand, dass die Antragstellerin vorträgt, die Besucher würden rauchen, keine mit einer Gaststätte
vergleichbaren Geruchsimmissionen. Der Kreis der Besucher einer Beratungsstelle ist eher kleiner und klarer umschrieben als derjenige der
Besucher einer Gaststätte. Auch insoweit ist die beanstandete Nutzung also weniger beeinträchtigend und störend als eine der ausdrücklich
zugelassenen Nutzungen.
31 4. Die Ausführungen der Antragstellerin zum Klientel der psychosozialen Beratungsstelle sind abstrakt und nicht geeignet, auch bei abstrakt
typisierender Betrachtungsweise die tatsächliche Nutzung als im Vergleich zur gewerblichen Nutzung beispielsweise durch eine Gaststätte oder
ein Café stärker belastend zu qualifizieren. Für die rechtliche Bedeutung im Rahmen der Beurteilung, ob die Benutzung des Sondereigentums
zum Betreiben einer psychosozialen Beratungsstelle statthaft ist, ist ohne Bedeutung, ob Suchtkranke grundsätzlich heilbar sind oder nicht.
Soweit die Antragstellerin sich in der Beschwerdebegründung im wesentlichen mit Drogenabhängigen befasst, obwohl die Beratungsstelle auch
für alkoholkranke Personen zuständig ist, folgt die Kammer nicht der Wertung der Antragstellerin, dass solche Drogenabhängige auf Grund ihrer
grundsätzlich lebenslangen Sucht „sich zum größten Teil aus Straftätern (Beschaffungskriminalität, Obdachlose sowie Arbeitslose)“ rekrutieren.
Dass Drogenabhängige, sofern sie überhaupt strafbar werden, im Bereich der Beratungsstelle Straftaten verüben, ist nicht mehr oder weniger
wahrscheinlich als an anderen ggf. geeigneten Orten. Der Antragsgegnerin kann dies nicht angelastet werden. Etwaige Straftaten haben auch
nichts mit der Vermietung der Räumlichkeiten an die psychosoziale Beratungsstelle zu tun, sondern sind Folge eines allgemeinen Lebensrisikos,
das sich überall in vergleichbarer Weise realisieren kann. Weder Obdachlosigkeit noch Arbeitslosigkeit ist strafbar. Die von der Antragstellerin
angeführte Suizidgefahr ist ohne rechtliche Bedeutung für den hier zu entscheidenden Fall. Die Behauptung, Drogensüchtige wiesen im
Unterschied zu den klassischen Besuchern eines Gewerbebetriebes erhöhte Gefahren auf „(Ausbruch von Aggressivität, Kurzschlusshandlung,
mangelndes Konfliktverhalten etc.) bis hin zu Straftaten wie Körperverletzung, Raub, Brandstiftung etc.“ ist unsubstantiiert und in der
unsubstantiierten Form einer Beweisnahme nicht zugänglich. Im Übrigen nimmt die Kammer insoweit billigend Bezug auf die Darlegungen in der
angefochtenen Entscheidung.
32 5. Die Antragstellerin beruft sich ohne Erfolg auf die vorgelegte Baugenehmigung (Anlage K 1 = AS 15), wonach es bei dem Bauvorhaben um ein
Wohn- und Geschäftshaus mit 21 Stundenappartements, 16 Wohnungen, 5 Büroeinheiten und Tiefgarage geht. Maßgeblich für das
Rechtsverhältnis der Wohnungseigentümer ist nämlich nicht die Baugenehmigung, sondern die auch aus dem Grundbuch ersichtliche
Teilungserklärung. Ohne Bedeutung ist auch, wie das Baugebiet, in welchem die Wohnungseigentumsanlage gelegen ist, bauplanungsrechtlich
zu qualifizieren ist. Für das Verhältnis der Wohnungseigentümer sind nämlich nicht die - ggf. auch variablen - bauplanungsrechtlichen
Gegebenheiten maßgeblich, sondern die aus dem Grundbuch ersichtlichen Vereinbarungen (§§ 10 Abs. 2, 15 WEG).
33 Die Antragstellerin beruft sich für ihre Rechtsauffassung zu Unrecht auf § 4 der Teilungserklärung. Soweit sich § 4 Abs. 3 Satz 2 mit der
Ausübung eines Gewerbes oder Berufes befasst, geht es um die Erdgeschosswohnungen, nicht aber um sonstiges Teileigentum i. S. v. § 1 Abs.
3 WEG. Die hier streitgegenständliche gewerbliche Raumeinheit ist in § 4 Abs. 3 Satz 2 der Teilungserklärung nur insoweit angesprochen, als es
um die Änderung der bei einem einzelnen Sondereigentum angegebenen Nutzungsart im Erdgeschoss geht. Vorliegend kann offen bleiben, ob
sich diese Bestimmung überhaupt auf das von der Beratungsstelle angemietete Sondereigentum bezieht, welches nämlich auch nach dem
Vortrag der Antragstellerin nicht im Erdgeschoss, sondern im ersten Obergeschoss liegt. Auf jeden Fall ist die in jener Vorschrift angesprochene
behördliche Genehmigung hinfällig, weil eine etwaige genehmigungsbedürftige Nutzungsänderung nicht vorliegt (Schriftsatz der Antragstellerin
vom 07.03.2003, Seite 5 = AS 303).
34 Ob die Zustimmung des Verwalters vorliegt, und ob diese erforderlich ist, was von der dargestellten Problematik abhängt, ob es sich um
Sondereigentum im Erdgeschoss handelt oder nicht, kann offen bleiben, da die Antragsgegnerin ggf. einen Anspruch auf Erteilung der
Genehmigung hätte. Letzteres reicht aus.
35 6. Die Antragstellerin meint, die behauptete rechtswidrige Vermietung von Gemeinschaftseigentum (ein Raum im Erdgeschoss) rechtfertige die
gestellten Unterlassungsanträge. Ob dem gefolgt werden könnte, kann offen bleiben, weil das streitgegenständliche Sondereigentum vor der
durch den zweiten Nachtrag zur Teilungserklärung vom 26.03.2002 erfolgten Teilung in zwei neue Gewerbeeinheiten, nämlich G 28 und G 29,
als Nr. 28 im Alleineigentum der Antragsgegnerin stand und Erdgeschoss wie auch erstes Obergeschoss sowie einen nicht
streitgegenständlichen Abstellraum im Untergeschoss mit umfasste. Aus dem von der Antragsgegnerin vorgelegten Auszug des
Aufteilungsplanes hinsichtlich des Erdgeschosses (AS 241) ergibt sich, dass der dort als G 28 Archiv bezeichnete Raum zu dieser
Teileigentumseinheit gehörte. Ob die spätere Teilung wirksam ist, was die Antragstellerin wegen des von ihr zwischenzeitlich erklärten Widerrufs
der von ihr erteilten Vollmacht meint, ist somit ohne Bedeutung. Anhaltspunkte dafür, dass nicht entsprechend den vorhandenen Plänen gebaut
worden ist und hierdurch Gemeinschaftseigentum entstanden ist, welches die Antragsgegnerin zu Unrecht vermietet hätte, sind nicht ersichtlich
und von der Antragstellerin auch nicht konkret vorgetragen.
36 7. Soweit die Antragstellerin Vorgänge angesprochen hat, aus welchen sie Belästigungen abzuleiten vermeint, handelt es sich um vereinzelte
Vorgänge, die, was hier jedoch nicht zu entscheiden ist, ggf. zu Unterlassungsansprüchen hinsichtlich des Vorgangs führen könnten, nicht
jedoch zu einem Verbot der Vermietung an die psychosoziale Beratungsstelle.
III.
37 1. Die Antragstellerin leitet ihre Rechte auch aus dem vor dem Notariat Lörrach am 03.11.1999 abgeschlossenen „Kauf“vertrag ab. Hierüber hat
das Amtsgericht entschieden, auch wenn es sich in den Entscheidungsgründen mit diesem Anspruch nicht befasst hat. Die Antragstellerin stützt
auch im Beschwerdeverfahren ihren Anspruch auf die genannte Anspruchsgrundlage. Ansprüche aus dem Kaufvertrag sind somit auch
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.
38 Dass es hierbei um Ansprüche handelt, die vor die ordentliche Gerichte gehören (§ 13 GVG) ist ohne Bedeutung (§ 17a Abs. 5 GVG). Die
Antragsgegnerin hat nämlich erstinstanzlich keine Rüge erhoben, dass der beschrittene Rechtsweg unzulässig sei (vgl. insgesamt zur
Problematik BGHZ 130 ,159; BGH WM 1996, 1198).
39 Die Antragsgegnerin hat in § 11 des Vertrages der Antragstellerin zugesichert, dass in den Gewerberäumen keine Gastronomie, Disco bzw. Sex-
Shop ansässig werde. Dieser Bestimmung kann die Verpflichtung entnommen werden, auch zukünftig eine derartige Nutzung, insbesondere
durch Vermietung in eigener Person an derartige Betriebe, zu unterbinden. Allerdings handelt es sich vorliegend nicht um ein Vorhaben, welches
unter die Bestimmung des § 11 des Kaufvertrages fällt. Dass es sich vorliegend nicht um eine Disco bzw. einen Sex-Shop handelt, versteht sich
von selbst. Der Betrieb einer psychosozialen Beratungsstelle ist, wie bereits dargelegt, auch nicht mit den mit Gastronomie verbundenen
Einwirkungen auf die Mitbewohner vergleichbar.
40 2. Der in erster Linie gestellte Hilfsantrag ist unbegründet, weil der in diesen Antrag neu aufgenommene Archivraum nicht
Gemeinschaftseigentum ist, wie bereits dargelegt worden ist.
41 3. Der in zweiter Linie gestellte Hilfsantrag ist nicht begründet, weil die Antragstellerin sich zwar nach § 11 des mit der Antragsgegnerin
geschlossenen Vertrages gegen Gastronomie, Discos bzw. Sex-Shops wehren kann, nicht jedoch andere gewerbliche Nutzungen, die
keineswegs an die dargestellten Zeiten werktäglicher Benutzung - mit Ausnahme der auch gar nicht streitgegenständlichen Samstage -
gebunden sind. Beispielsweise werden Büros, sei es von Behörden - beispielsweise Feuerwehr, Polizei - sei es von privater Seite durchaus
außerhalb der genannten Zeiten benutzt. Gleiches gilt von ärztlichen (Notfall)Praxen und anderen Diensten, die der hilfesuchenden Bevölkerung
ständig zur Verfügung stehen. Auch Geschäfte dürfen heute wesentlich länger zum allgemeinen Publikumsverkehr geöffnet sein, als die
Antragstellerin der Antragsgegnerin zubilligen will.
42 4. Soweit die Antragstellerin Rechte daraus ableiten will, dass die Antragsgegnerin eine bauliche Veränderung ohne Zustimmung der
Wohnungseigentümer vorgenommen habe, kann dem nicht gefolgt werden, weil die Vermietung durch die Antragsgegnerin an die psychosoziale
Beratungsstelle mit der etwaig unzulässigen baulichen Veränderung nichts zu tun hat. Es ist auch nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen,
dass bei dem von der Antragstellerin offensichtlich angestrebten Rückbau in den ursprünglichen Zustand die Vermietung nicht möglich wäre
oder zu ordnungswidrigen Zuständen führen würde.
43 5. Die Entscheidung beruht im Übrigen auf § 47 WEG. Die Kammer hält es, nachdem das Amtsgericht in abgewogener und gut begründeter
Weise die Ansprüche der Antragstellerin zurückgewiesen hat, für billig, die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens sowie die der
Antragsgegnerin entstandenen außergerichtlichen Auslagen der Antragstellerin aufzuerlegen.
44 Rechtsmittelbelehrung
45 Gegen diese Entscheidung ist das Rechtsmittel der sofortigen weiteren Beschwerde zum Oberlandesgericht Karlsruhe - Zivilsenate in Freiburg -
statthaft. Sie ist einzulegen binnen einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses beim erstinstanzlichen Gericht, beim
Landgericht Freiburg oder beim Oberlandesgericht Karlsruhe oder dessen Zivilsenaten in Freiburg. Sie kann zu Protokoll der Geschäftsstelle
eines dieser Gerichte erklärt werden.
46 Erfolgt die Einlegung durch Einreichung einer Beschwerdeschrift, so muss diese von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
47 Die weitere Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruht.