Urteil des LG Frankfurt (Oder) vom 26.05.2006

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Gericht:
LG Frankfurt (Oder)
6a. Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6a T 40/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Tenor
Auf die Beschwerde der Beklagten wegen Untätigkeit wird das Amtsgericht xxx
angewiesen, den Zivilrechtsstreit xxx beschleunigt fortzuführen und zum Abschluss zu
bringen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind Teil der Kosten des Hauptsacheverfahrens.
Gründe
I.
Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche aus einem Gebrauchtwagenkaufvertrag.
Die Klage ging am 26.5.2006 beim Amtsgericht xxx ein. Nach Durchführung der
Beweisaufnahme wurde schließlich in der mündlichen Verhandlung vom 2.7.2009 ein
Verkündungstermin bestimmt auf den 20.8.2009. Dieser Termin wurde aus dienstlichen
Gründen zunächst fünfmal verlegt (vom 20.8. auf den 3.9., den 17.9., den 1.10., den
15.10. und dann auf den 17.11.2009) und schließlich aus dienstlichen Gründen
aufgehoben. Die Parteien stimmten sodann der Anregung des Gerichts auf
Durchführung des schriftlichen Verfahrens gemäß § 128 Abs. 2 ZPO zweimal zu (zuletzt
mit Schriftsätzen vom 27.11.2009 und vom 5.3.2010), ohne dass ein solches Verfahren
vom Gericht durchgeführt worden wäre.
Nachdem das Gericht auf Sachstandanfragen nicht mehr reagierte, hat die Beklagte
Untätigkeitsbeschwerde erhoben.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
a)
Die Untätigkeitsbeschwerde ist analog §§ 567 ff. ZPO als außerordentlicher Rechtsbehelf
zulässig, um einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG und gegen Art.
13 EMRK zu vermeiden (OLG Schleswig, Beschluss vom 20.5.2009 – 15 WF 140/09 - ;
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 5. März 2009 – I-23 W 99/08 - ; Brandenburgisches OLG,
Beschluss vom 22. Januar 2009 – 10 WF 253/08 -, jeweils zitiert nach juris und jeweils mit
m. w. N.).
Zwar ist das Rechtsmittelsystem der ZPO so ausgestaltet, dass ein Rechtsmittel eine
Entscheidung voraussetzt, die mit ihm angegriffen wird. An einer rechtsmittelfähigen
Entscheidung des Amtsgerichts fehlt es bisher; richterliche Verfügungen und Hinweise
sind als verfahrensleitende Anordnungen von untergeordneter Bedeutung nicht isoliert,
sondern allenfalls gemeinsam mit der das Verfahren im ersten Rechtszug beendenden
Entscheidung anfechtbar (vgl. Zöller-Geimer/Vollkommer, 27. Auflage, Rn. 1, 44 ff. zu §
329 ZPO i. V. m. Zöller-Heßler, a. a. O., Rn. 30 ff. zu § 567 ZPO).
Es ist allerdings (auch) die Aufgabe der Rechtsprechung, im Rahmen ihrer Ressourcen
dafür zu sorgen, dass die Rechtsgewährung ohne unzumutbare Verzögerung erfolgt
(BVerfG NJW 2008, 503; FamRZ 2008, 2258). Das rechtfertigt es, in derartigen Fällen
eine Beschwerde zu eröffnen, sofern der Rechtszug gegen die ergangene Entscheidung,
deren Erlass unzumutbar verzögert wird, eröffnet wäre (Zöller-Heßler, a. a. O., Rn. 21 m.
w. N.).
Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Untätigkeitsbeschwerde ist es, dass eine über
das Normalmaß hinausgehende, den Parteien unzumutbare Verzögerung dargetan wird,
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das Normalmaß hinausgehende, den Parteien unzumutbare Verzögerung dargetan wird,
die auf eine Rechtsverweigerung hinausläuft (vgl. BVerfG NJW 2008, 503 – Die
Entscheidung lässt im Anschluss an die Plenarentscheidung BVerfGE 107, 395 im
Hinblick auf das Gebot der Rechtsmittelklarheit offen, ob eine Untätigkeitsbeschwerde
aus dem geltenden Rechtsmittelsystem ableitbar ist; vgl. ferner BVerfG FamRZ 2008,
2258, das zwar die Auffassung des Instanzgerichts teilt, dass das Gesetz eine
Untätigkeitsbeschwerde nicht eröffne, aber für den Fall einer anderen Auslegung des
Verfahrensrechts die Instanzgerichte für verpflichtet hält einzuschreiten, wenn ein Fall
völlig unzumutbarer und auf Rechtsverweigerung hinauslaufender Verzögerung vorliegt).
Die Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen vor. Die Beklagte macht geltend, dass über die
Klage bzw. ihren Klageabweisungsantrag bis heute in der Sache nicht entschieden ist
und dieses vor dem Hintergrund des seit mehr als einem Jahr entscheidungsreifen
Rechtsstreits nicht hinzunehmen ist
b)
Das erstinstanzliche Verfahren steht mit dem für Zivilverfahren geforderten normalen
Verfahrensgang nicht in Einklang, ist für die Parteien unzumutbar und läuft auf eine
Rechtsverweigerung hinaus. Das Gericht verletzt den Justizgewährungsanspruch der
Parteien gemäß Art. 19 Abs. 4 GG, indem es das entscheidungsreife Verfahren nicht
weiter betreibt und eine abschließende Entscheidung verweigert.
Gemäß § 310 Abs. 1 ZPO wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche
Verhandlung geschlossen wird, oder in einem sofort anzuberaumenden Termin
verkündet. Dieser wird nur dann über drei Wochen hinaus angesetzt, wenn wichtige
Gründe, insbesondere der Umfang oder die Schwierigkeit der Sache dies erfordern.
Das Gericht hat diese gesetzliche Regelung mehrfach in eklatanter Weise verletzt.
Bereits die erste Bestimmung des Verkündungstermins auf den 20.8.2009 verletzt diese
Vorschrift, da der Verkündungstermin sieben Wochen nach der mündlichen Verhandlung
bestimmt wurde. Es ist nicht ersichtlich, dass der Umfang oder die Schwierigkeit der
Sache die Überschreitung der 3-Wochen-Frist um vier Wochen rechfertigen könnten.
Noch weniger ist begründbar, dass der Verkündungstermin anschließend stufenweise
um weitere drei Monate verzögert wurde und das Gericht über einen Zeitraum von
sieben Monaten die Durchführung des schriftlichen Verfahrens gemäß § 128 Abs. 2 ZPO
trotz Zustimmung der Parteien verweigerte. Dienstliche Gründe vermögen eine solche
Verzögerung nicht ansatzweise zu rechtfertigen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgen der Kostenentscheidung in der
Hauptsache, weil das Beschwerdeverfahren dazu dient, das Hauptsacheverfahren zu
fördern (OLG Schleswig a.a.O.).
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