Urteil des LG Frankfurt (Oder) vom 02.04.2017

LG Frankfurt(oder ): anzeige, einstweilige verfügung, veröffentlichung, erlass, anweisung, verleger, wiederholungsgefahr, nahrung, verkehr, glaubhaftmachung

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Gericht:
LG Frankfurt (Oder) 2.
Kammer für
Handelssachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
32 O 6/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 3 UWG, § 4 Nr 11 UWG, § 5 Abs
1 UWG, § 5 Abs 2 Nr 1 UWG, §
11 Abs 1 Nr 1 LFGB
Wettbewerbsverstoß durch irreführende Zeitungswerbung:
Bewerbung der schlankmachenden Wirkung eines
Lebensmittels; Störerhaftung des Presseunternehmens
Tenor
1. Der Verfügungsbeklagten wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der
künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,00 Euro,
ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen
an dem Geschäftsführer, untersagt, im geschäftlichen Verkehr in periodisch
erscheinenden Druckwerken die nachstehend als Anlage dem Urteil beigefügte Anzeige
für das Mittel „TL„ „So habe ich mühelos 20 kg abgenommen„, erschienen im „M. S.„
Nr. 2/2007 vom 14. Januar 2007 auf Seite 6, zu veröffentlichen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Verfügungsbeklagte.
Tatbestand
Der Verfügungskläger nimmt die Verfügungsbeklagte auf Unterlassung unlauteren
Wettbewerbs in Anspruch.
Der Verfügungskläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen
Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, insbesondere die
Achtung darauf gehört, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten werden.
Der Verfügungskläger ist gemäß § 13 Abs. 5 Nr. 2 Unterlassungsklagegesetz (UklaG)
festgestellt.
Die Verfügungsbeklagte gibt die Anzeigenzeitung „Märkischer Sonntag„ heraus.
Die Verfügungsbeklagte veröffentlichte im „M. S.„ vom 19. März 2006 eine Anzeige für
ein Schlankheitsmittel der B. GmbH, welches laut Anzeigentext zur Gewichtsabnahme
ohne eine Änderung der Ernährungs- und Lebensgewohnheiten führe. Hierauf nahm der
Verfügungskläger die Verfügungsbeklagte auf Unterlassung wegen Verstoßes gegen den
lauteren Wettbewerb in Anspruch. Das zuständige Gericht erließ am 13. April 2006 eine
einstweilige Verfügung, in der sie dem Unterlassungsanspruch des Verfügungsklägers
stattgab. Am 13. Juli 2006 erkannte die Verfügungsbeklagte den Wettbewerbsverstoß an
und gab eine Unterlassungserklärung bezüglich der streitgegenständlichen Anzeige ab.
Auf den Widerspruch der Verfügungsbeklagten hob das Landgericht Frankfurt (Oder) mit
Urteil vom 10. August 2006, Az. 32 O 22/06, die einstweilige Verfügung auf und wies den
Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung wegen fehlender Wiederholungsgefahr
zurück.
Am 14. Januar 2007 veröffentlichte die Verfügungsbeklagte erneut eine Anzeige der B.
GmbH für ein weiteres Schlankheitsmittel im „M. S.„. Hierbei handelte es sich um eine
ganzseitige Anzeige mit der Überschrift „So habe ich mühelos 20 kg abgenommen!„ für
das Serum „TL„, welches innerhalb kurzer Zeit zur Gewichtsabnahme führe. Das Serum
verbrenne mehr Kalorien, als dem Organismus über die Nahrung zugeführt würden. Eine
Änderung der Ernährungs- und Lebensgewohnheiten sei nicht notwendig. Die Anzeige
enthielt im oberen Teil der Seite einen Erfahrungsbericht von Frau G., welche angab,
durch Einnahme des Serums innerhalb von 3 Wochen 11 Kilo abgenommen und auch
nach über einem Jahr nicht wieder zugenommen zu haben. Im unteren Drittel der
Anzeige befanden sich, farblich abgesetzt und bebildert, Informationen zu
Zusammensetzung und Wirkungsweise des Serums. Ebenfalls waren hier die
Bestelladresse und Preise für die erhältlichen Anwendungen angegeben. Wegen des
genauen Inhalts und Erscheinungsbildes wird auf die diesem Urteil beigefügte Anlage
verwiesen.
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Der Verfügungskläger mahnte die Verfügungsbeklagte am 22. Januar 2007 schriftlich ab
und forderte sie zur Abgabe einer Unterlassungserklärung bezüglich der beschriebenen
Anzeige auf. Dies lehnte die Verfügungsbeklagte am 26. Januar 2007 ab.
Der Verfügungskläger ist der Ansicht, die Verfügungsbeklagte verstoße gegen den
lauteren Wettbewerb. Die veröffentlichte Werbung sei grob irreführend und verstoße
außerdem gegen gesetzliche Vorschriften, die dem Schutz der Verbraucher dienten.
Der Verfügungskläger beantragt,
der Verfügungsbeklagten bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der
künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,00 Euro,
ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen
an dem Geschäftsführer, zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr in periodisch
erscheinenden Druckwerken die als Anlage dem Urteil beigefügte Anzeige zu
veröffentlichen.
Die Verfügungsbeklagte beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, die Anzeige stelle keinen offensichtlichen Verstoß gegen den lauteren
Wettbewerb dar. Die Verfügungsbeklagte habe die ihr obliegende Prüfungspflicht für den
Anzeigenteil nicht verletzt und hafte daher nicht als Störerin.
Sie behauptet, der Auftrag zur Veröffentlichung dieser Anzeige sei durch die
Werbeagentur a. GmbH per Fax vom 18. Dezember 2006 erteilt worden. Zur
Glaubhaftmachung hat die Verfügungsbeklagte in der mündlichen Verhandlung eine
Kopie dieses Faxes zur Akte gereicht. Wegen des Wortlautes wird im Übrigen auf diese
Abschrift verwiesen. Die Verfügungsbeklagte behauptet außerdem, im Anschluss an ihr
Schreiben vom 26. Januar 2007 Anweisung an alle Anzeigenredakteure zur
gewissenhaften Überprüfung von Anzeigen der B. GmbH erteilt zu haben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der wechselseitig zur Akte
gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Antrag des Verfügungsklägers auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist gem. §§
935 ff ZPO gerechtfertigt.
I.
Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist zulässig. Insbesondere ist der
Verfügungskläger nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 und Abs. 5 UWG i.V.m. § 13 UklaG klagebefugt.
Der Feststellung eines gesonderten Verfügungsgrundes bedarf es gem. § 12 Abs. 2 UWG
nicht.
II.
Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist begründet.
Der Verfügungskläger hat einen Anspruch auf Unterlassung der
Anzeigenveröffentlichung gemäß § 8 Abs. 1 UWG.
Die Anzeige verstößt gegen den lauteren Wettbewerb. Sie wirbt mit der schlank
machenden Wirkung von Lebensmitteln und ist damit irreführend, §§ 3, 4 Nr. 11, 5 Abs. 1
und 2 Nr. 1 UWG i.V.m. § 11 Abs. 1 Nr. 1, 2 LFGB, § 6 Abs. 1
NährwertkennzeichnungsVO. Danach ist es irreführend, wenn zur Täuschung geeignete
Angaben über Eigenschaften von Lebensmitteln gemacht werden oder einem
Lebensmittel Wirkungen beigelegt werden, die jedenfalls wissenschaftlich nicht
hinreichend gesichert sind. Das hier beworbene Produkt soll durch eine
Wirkstoffkombination unter anderem aus Ananasenzymen und
Pampelmusenbitterstoffen dazu führen, dass im Köper mehr Kalorien verbrannt werden,
als dem Organismus durch die Nahrung zugeführt werden. Dadurch soll eine rapide
Gewichtsreduzierung eintreten, ohne dass vermehrt Sport betrieben oder eine strenge
Diät eingehalten werden müsste. Eine Gewichtsabnahme allein durch Einnahme eines
Mittels ohne irgendwelche weiteren Veränderungen in der Lebensweise, insbesondere
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Mittels ohne irgendwelche weiteren Veränderungen in der Lebensweise, insbesondere
ohne eine Reduzierung der Fettaufnahme oder erhöhte Fettverbrennung durch
Bewegung, widerspricht indes gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis (vgl. OLG
Karlsruhe, Urteil vom 23.10.2002, Az.: 6 U 74/02).
Die Veröffentlichung der Anzeige stellt einen Wettbewerbsverstoß dar, für den die
Verfügungsbeklagte als Störerin haftet. Grundsätzlich haften Presseunternehmen für die
Veröffentlichung wettbewerbswidriger Anzeigen Dritter dann als Störer, wenn sie ihrer
Pflicht, die Anzeigen auf Gesetzesverletzungen zu überprüfen, nicht nachgekommen
sind. Diese Prüfpflicht ist jedoch wegen des verfassungsrechtlich verankerten Schutzes
der freien Presse nach Art. 5 Abs. 1 GG auf grobe und eindeutige, von Redakteur oder
Verleger unschwer zu erkennende Wettbewerbsverstöße beschränkt. Die Pressefreiheit
gebietet es dabei, dass an Verleger oder Redakteur keine unzumutbaren Anforderungen
bezüglich der Prüfung von Anzeigen gestellt werden dürfen, da diese unter dem Gebot
der raschen Entscheidung steht. Die tatsächliche Feststellung, dass die Anzeige
irreführend ist, verlangt daher grundsätzlich gewisse Kenntnisse über den Stand der
ernährungswissenschaftlichen Forschung, über die Verleger oder Redakteure in aller
Regel nicht verfügen.
Im Streitfall liegt ein der Verfügungsbeklagten erkennbarer, grober und eindeutiger
Wettbewerbsverstoß vor. Zwar ist die in der Anzeige beschriebene schlank machende
Wirkung von „TL„ nicht von vornherein mit der wissenschaftlichen Erkenntnis
unvereinbar, dass eine nachhaltige Gewichtsabnahme nur durch eine erhöhte
körpereigene Fettverbrennung oder durch eine Reduzierung der Fettzufuhr in der
Nahrung erreicht werden kann (vgl. BGH AfP 2006, 242, 243f.). Jedoch richtet sich das
wegen Art. 5 Abs. 1 GG gebotene Haftungsprivileg der Presse nicht nach rein objektiven,
sondern auch nach subjektiven Maßstäben (OLG Frankfurt (Main), Urteil vom
05.09.2002, Az.: 6 U 105/02). So ist die Prüfpflicht eines Anzeigenredakteurs bei einer
ganzseitigen, farblich auffällig gestalteten und damit teureren Anzeige bereits höher
anzusetzen als bei einer „normalen„ kleinen Anzeige (OLG Schleswig, Beschluss vom
28.03.2002, Az.: 6 W 41/01).
Jedenfalls bei der vorliegenden ganzseitigen Anzeige, die wie ein Zeitungsartikel
aufgemacht ist und sich vor allem durch den unteren Informationsteil einen
wissenschaftlichen Anstrich gibt, musste die Wettbewerbswidrigkeit dem angemessen
informierten Anzeigenredakteur der Verfügungsbeklagten auffallen. Denn die
Besonderheit des Streitfalls liegt gerade in der der Verfügungsbeklagten durch das erste
gerichtliche Verfahren bekannten wettbewerbsrechtlichen Problematik der
Werbeanzeigen der Firma B. GmbH. Weniger als ein Jahr vor Veröffentlichung der hier
streitgegenständlichen Anzeige führten die Parteien einen Rechtsstreit betreffend einer
vergleichbaren Anzeige dieses Unternehmens, die ebenfalls mit der schlank machenden
Wirkung eines Lebensmittels warb. Zwar gelangte die Kammer in dem damaligen
Verfahren zu der Ansicht des Fehlens der Wiederholungsgefahr und hob die zunächst
erlassene einstweilige Verfügung auf. Jedoch stellte es auch dort den eindeutigen
Wettbewerbsverstoß der Anzeige fest. Die Verfügungsbeklagte selbst erkannte in der
damaligen mündlichen Verhandlung den Wettbewerbsverstoß der Anzeige an und gab
eine Unterlassungserklärung ab. Ein Verlag aber, der aufgrund seiner Vorbefassung mit
der Materie hinlänglich mit einem Rechtsproblem vertraut gemacht worden ist, muss
sich diesbezüglich auch mit schwieriger zu beurteilenden Rechtsfragen
auseinandersetzen (OLG Frankfurt (Main), a.a.O.). Dies gilt vorliegend umso mehr, als
beide Anzeigen äußerst ähnlich aufgemacht waren, beide für Schlankheitsmittel warben
und noch dazu von demselben Anbieter stammten. Der Verleger kann sich dann nicht
mehr darauf berufen, zur Erkennung des Wettbewerbsverstoßes seien tiefere
wissenschaftlichere Erkenntnisse notwendig, welche einzuholen dem Anzeigenredakteur
nicht zugemutet werden könne.
Die erhöhte Prüfpflicht hinsichtlich dieser Anzeige stellt an die zuständigen
Anzeigenredakteure keine unzumutbaren Anforderungen und beeinträchtigt den
Anzeigenbetrieb auch nicht in einer gegen Art. 5 Abs. 1 GG verstoßender Weise. Der
Name des Anbieters ist gut erkennbar auf dem Anzeigenauftrag enthalten. Insofern
hätte eine Anweisung, die Anzeigen von Schlankheitsmitteln der B. GmbH sorgfältiger zu
prüfen, auch unter dem Gebot der raschen Entscheidung nicht in unzulässiger Weise in
den Betrieb der Verfügungsbeklagten eingegriffen. Insbesondere hätte durch Anweisung
der zuständigen Mitarbeiter gewährleistet werden können, entgegen der - seitens der
Verfügungsbeklagten behaupteten – Praxis jedenfalls bei von der Werbeagentur
beauftragten Anzeigen der B. GmbH auf die Einhaltung des jeweiligen
Druckunterlagenschlusstermins zu drängen. Eine angemessene Prüfungsfrist wäre
hierdurch ermöglicht. Im Streitfall nämlich erfolgte der Auftrag nach dem eigenen
Vortrag der Verfügungsbeklagten bereits unter dem 18. Dezember 2006 und mithin
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Vortrag der Verfügungsbeklagten bereits unter dem 18. Dezember 2006 und mithin
einen knappen Monat vor Erscheinen der Anzeige. Weitere Nachforschungen auf dem
Gebiet der Ernährungswissenschaften wären damit nicht verbunden gewesen. Im
Übrigen hat die Verfügungsbeklagte in der mündlichen Verhandlung selbst behauptet,
jedenfalls nunmehr ihre Mitarbeiter zur gewissenhaften Überprüfung der Anzeigen der B.
GmbH auf deren wettbewerbsmäßige Zulässigkeit angewiesen zu haben. Zumindest
diese Verhaltensweise wäre bereits aus Anlass des Vorprozesses ohne weiteres möglich
und angezeigt gewesen.
Es besteht die auf objektiven Tatsachen gründende Besorgnis weitere Störungen und
damit die Gefahr der Wiederholung der wettbewerbswidrigen Veröffentlichung der
Anzeige. Der vorangegangene Wettbewerbsverstoß, für den die Verfügungsbeklagte
haftet, begründet eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr, an deren
Widerlegung durch den Störer hohe Anforderungen zu stellen sind. Die hier von der
Verfügungsbeklagten behauptete Anweisung an sämtliche Anzeigenredakteure,
Anzeigen der B. GmbH nur mehr nach gewissenhafter Überprüfung auf
wettbewerbsmäßige Zulässigkeit zu veröffentlichen, genügt diesen Anforderungen
bereits deshalb nicht, weil es an deren Glaubhaftmachung fehlt. Eine strafbewehrte
Unterlassungserklärung hat die Verfügungsbeklagte nicht abgegeben.
III.
Die Androhung der Ordnungsmittel erfolgt gem. § 890 Abs. 2 ZPO.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
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Der Gebührenstreitwert für die erste Instanz wird auf 20.000,00 € festgesetzt.
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