Urteil des LG Frankfurt (Oder) vom 01.04.2010

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Gericht:
LG Frankfurt (Oder) 5.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
15 S 49/10
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 249 Abs 2 S 1 BGB, § 251 Abs
2 BGB
Schadenersatz bei Verkehrsunfall:
Nutzungsausfallentschädigung für ein Altfahrzeug mit hoher
Laufleistung
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Fürstenwalde
vom 1.4.2010, 12 C 311/09, abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Die Parteien streiten darüber, für welchen Zeitraum der Klägerin eine
Nutzungsausfallentschädigung für ihren PKW zusteht. Zwischen den Parteien ist
unstreitig, dass die Beklagte für den durch den Verkehrsunfall in Fürstenwalde auf der
XXXXXXXXXXXXXX am 2.3.2009 gegen 16.15 Uhr am PKW Renault der Klägerin mit dem
amtlichen Kennzeichen XXXXXXXXXX entstandenen Schaden dem Grunde nach voll
einstandspflichtig ist.
Streit besteht zwischen den Parteien darüber, ob der Klägerin eine
Nutzungsausfallentschädigung während der Dauer für die Anschaffung eines
Neufahrzeugs über die von der Beklagten bereits erstatteten 14 Tage hinaus zusteht.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen
Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Das Amtsgericht hat der Klage in der Hauptsache vollumfänglich stattgegeben und zur
Begründung ausgeführt, dass die Klägerin Anspruch auf Erstattung einer
Nutzungsentschädigung und nicht nur der Vorhaltekosten habe, da letztere allenfalls bei
mehr als 10 Jahre alten KFZ in Ansatz zu bringen seien. Ihren Nutzungswillen habe die
Beklagte nicht substantiiert bestritten. Dieser ergebe sich bereits aus der Anschaffung
eines Ersatzfahrzeugs. Durch die Bestellung eines Neuwagens habe die Klägerin auch
nicht gegen Schadensminderungspflichten verstoßen, da auf dem
Gebrauchtwagenmarkt kein Fahrzeug erhältlich sei, das den individuellen Wünschen
eines Käufers entspreche. Dass dieser hiervon Abstriche mache, könne der Schädiger
nicht verlangen. Zur Anschaffung eines Interimsfahrzeugs sei die Klägerin als
Privatperson nicht verpflichtet gewesen. Auch habe bei der Bemessung des Schaden die
von der Klägerin erzielte Abwrackprämie außer Betracht zu bleiben, da nicht der
Schädiger davon profitieren solle, dass der Geschädigte einen Nutzen aus einer zeitlich
begrenzten Ausnahmesituation gezogen habe.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie ihr erstinstanzliches
Vorbringen wiederholt und vertieft.
Die Beklagte beantragt,
die Klage unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Fürstenwalde vom
1.4.2010, 12 C 311/09, abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.
II.
Die zulässige Berufung hat Erfolg. Der Klägerin stehen über die bereits geleisteten
Beträge hinaus keine Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte mehr zur Seite.
Die Beklagte hat den der Klägerin zustehenden Anspruch auf Nutzungsentschädigung
für die Dauer der Ersatzbeschaffung des bei dem Unfallereignis fahruntüchtig
beschädigten Klägerfahrzeugs mit der Zahlung eines auf 14 Tage bemessenen
Geldbetrags hinreichend abgegolten. Der Sachverständige der DEKRA hat die Dauer der
Wiederbeschaffung für ein vergleichbares Fahrzeug - von den Parteien unbestritten - auf
9 Werktage geschätzt. Für den durch die Beschaffung eines Neufahrzeugs verstrichenen
Zeitraum von weiteren 98 Tagen ist die Beklagte nicht einstandspflichtig.
Zwar trifft die Auffassung der Klägerin, wonach sie sich die erhaltene Abwrackprämie
nicht schadensmindernd anrechnen lassen muss, zu. Denn sie ist weder beim Restwert
des verunfallten PKW zu berücksichtigen, da sie nur durch eine überobligatorische
Anstrengung - den Erwerb eines Neufahrzeugs - realisiert werden kann (Voit/Geck, NJW
2010, 117 mit weiteren Nachweisen). Auch liegt ein berücksichtigungsfähiger
Vorteilsausgleich nicht vor, da ansonsten ihr Zuwendungszweck als Maßnahme der
Konjunkturförderung vereitelt würde (Voit/Geck aaO mit weiteren Nachweisen).
Im Ergebnis kommt es hierauf jedoch nicht an, da die Zahlung eines Nutzungsausfalls
von mehr als 14 Tagen vorliegend nicht erforderlich ist. Dem Eigentümer eines privat
genutzten PKW, der durch einen Schaden die Möglichkeit zur Nutzung verliert, steht
grundsätzlich ein Anspruch auf Ersatz für seinen Nutzungsausfall zu, wenn er zur
Nutzung willens und fähig gewesen wäre (BGHZ 45, 212; BGH NJW 2008, 915). Seine
Grenze findet der Ersatzanspruch am Merkmal der Erforderlichkeit nach § 249 Abs. 2
Satz 1 BGB sowie an der Verhältnismäßigkeitsschranke des § 251 Abs. 2 BGB (BGH NJW
2008 aaO). Im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung ist auch zu berücksichtigen, dass
der Geschädigte unter mehreren möglichen Wegen des Schadensausgleichs im Rahmen
des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg zu wählen hat. Das gilt nicht nur für die
eigentlichen Reparatur- oder Wiederbeschaffungskosten, sondern gleichermaßen für die
Mietwagenkosten und ebenso für die Nutzungsausfallentschädigung (BGH NJW 2008 aaO
mit weiteren Nachweisen.). Deshalb hat der Schädiger grundsätzlich Nutzungsersatz nur
für den Zeitraum zu leisten, der zur Wiederherstellung des vor dem Unfall bestehenden
Zustandes erforderlich ist (vgl. BGH NJW 2008; KG Urt. v. 16.12.1996, 12 U 268/96, zit. n.
Juris; OLG Hamm, VersR 1993, 766, 767; Hentschel/König, StraßenverkehrsR, 40. Aufl. §
12 StVG Rn. 43).
Hierbei hat der Geschädigte von mehreren zumutbaren Möglichkeiten des
Schadenausgleichs den wirtschaftlicheren Weg zu wählen.
Nutzungsausfallentschädigung ist deshalb grundsätzlich nur für den Zeitraum zu leisten,
der zur Wiederherstellung eines Zustandes erforderlich ist, welcher wirtschaftlich
gesehen der hypothetischen Lage ohne das Schadenereignis entspricht. Abzustellen ist
auf das Vorgehen eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage
des Geschädigten (BGH NJW 2008 aaO).
Der Schädiger hat hiernach für die Zeit Ersatz zu leisten, der erforderlich ist, ein
gleichwertiges Ersatzfahrzeug zu beschaffen (vgl. KG, Urteil vom 16.12.1996 - 12 U
268/96). Dies war vorliegend, wie sich aus dem Gutachten XXXXXXXXXXX ergibt und
zwischen den Parteien auch nicht in Streit steht, der Zeitraum von 9 Werktagen. Soweit
die Ersatzbeschaffung eines Neufahrzeugs länger angedauert hat, geht dies zu Lasten
der Klägerin. Denn der Erwerb eines Neufahrzeugs stellt nicht die Wiederherstellung des
vor dem Unfall bestehenden Zustands dar. Es fehlt es an der Gleichwertigkeit des
Neufahrzeugs zum verunfallten Fahrzeug (vgl. BGH NJW 2008 aaO). Nicht zu
berücksichtigen ist insoweit der Wunsch der Klägerin, stets ein Fahrzeug aus erster Hand
zu fahren. Da insoweit ein dem verunfallten Fahrzeug völlig vergleichbares, also 9 Jahre
altes mit einer Laufleistung von 133.000 km aber ohne Vorbesitzer am Markt nicht
erhältlich ist, muss sich die Klägerin - unter dem Gesichtspunkt der Anschaffungsdauer -
mit einem Fahrzeug begnügen, welches am ehesten als gleichwertiger Ersatz
angesehen werden kann. Dies ist jedoch nicht ein Neu- sondern ein Gebrauchtfahrzeug
mit jedenfalls einem Vorbesitzer.
Die Klägerin kann einen Anspruch auf Leistung einer weitergehenden
Nutzungsausfallentschädigung auch nicht damit begründen, dass sie die Beklagte auf
die Anschaffung eines Neufahrzeugs hingewiesen und diese darauf nicht reagiert hatte.
Schweigen als Zustimmung kommt im Rechtsverkehr nur in Betracht, wenn besondere
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Schweigen als Zustimmung kommt im Rechtsverkehr nur in Betracht, wenn besondere
Umstände, insbesondere ein zu Gunsten des anderen Teils entstandener
Vertrauenstatbestand, dies rechtfertigt. Allein die Aufforderung, eine Erklärung
abzugeben, begründet für die andere Seite jedoch noch keine Verpflichtung, einen
gegenteiligen Willen zum Ausdruck zu bringen. Dies ist nur der Fall, wenn nach Treu und
Glauben ein Widerspruch des Empfängers des Schreibens erforderlich gewesen wäre
(BGH NJW 2008 aaO mit weitern Nachweisen). Davon kann im Verhältnis zwischen
Geschädigtem und gegnerischer Haftpflichtversicherung in der Regel nicht ausgegangen
werden (BGH NJW 2008 aaO).
Auch der Anspruch der Klägerin auf Ersatz der außergerichtlich entstandenen Kosten
ihrer Rechtsverfolgung ist unter Einbeziehung des ohne Anerkennung einer rechtlichen
Verpflichtung gezahlten Schmerzensgeldes mit der Zahlung von insgesamt 359,60 Euro
abgegolten.
Es kann auch nicht festgestellt werden, dass sich der Rechtsstreit im ersten Rechtszug in
der Hauptsache in Höhe von 150,- Euro erledigt hat. Die Zahlung durch die Beklagte auf
den in Streit stehen den Sachverhalt erfolgte ohne Anerkennung einer rechtlichen
Verpflichtung, so dass die Beklagte sich nicht freiwillig in die Rolle der Unterlegenen
begeben hat. Die vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für einen Tag ist
ungeeignet, Beweis für die behaupteten anhaltenden Kopf- und Nackenschmerzen zu
erbringen.
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 91 ZPO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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