Urteil des LG Frankfurt (Oder) vom 29.12.2009

LG Frankfurt(oder ): notwendiger verteidiger, faires verfahren, pflichtverteidiger, anhörung, strafverfahren, vollmacht, gewährleistung, link, quelle, kontaktaufnahme

1
2
3
4
Gericht:
LG Frankfurt (Oder) 1.
Strafkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
21 Qs 18/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 140 Abs 1 Nr 4 StPO, § 141
Abs 3 S 4 StPO, § 142 Abs 1
StPO
Pflichtverteidigung: Anhörung und Belehrung des Beschuldigten
vor Beiordnung eines Pflichtverteidigers nach Inhaftierung
Tenor
Auf die Beschwerde des Beschuldigten vom 26. Januar 2010 wird der Beschluss des
Amtsgerichts Frankfurt (Oder) vom 29. Dezember 2009 - Az: 4.5 Gs 163/09, 220 Js
3757/07 – insoweit aufgehoben, als dem Beschuldigten Rechtsanwalt B. aus … als
notwendiger Verteidiger bestellt worden ist.
Gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO wird dem Beschuldigten Rechtsanwalt K. aus … als
notwendiger Verteidiger bestellt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der insoweit entstandenen
notwendigen Auslagen des Beschuldigten fallen der Landeskasse zur Last.
Gründe
I.
Dem Beschuldigten wurde am 17. Dezember 2009 durch den Ermittlungsrichter des
Amtsgerichts Kempten der Haftbefehl des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) vom 18. Mai
2009 verkündet. Im Zuge seiner richterlichen Vernehmung stellte er den Antrag auf
Beiordnung eines Pflichtverteidigers. In der Folgezeit wurde er von der JVA Kempten über
die JVA Frankfurt (Oder) in die JVA Cottbus-Dissenchen verschubt. Mit Beschluss vom 29.
Dezember 2009 bestellte das Amtsgericht Frankfurt (Oder) –Az: 4.5 Gs 163 /09- nach
vorheriger Anhörung der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) dem Beschuldigten
Rechtsanwalt B. gemäß § 140 Abs. 2 StPO zum Pflichtverteidiger. Am 21. Januar 2010
teilte Rechtsanwalt K. gegenüber dem Amtsgericht mit, dass ihn der Beschuldigte über
einen Mitgefangenen gebeten habe, ihn als Pflichtverteidiger zu vertreten und er stellte
den Antrag ihn als Pflichtverteidiger für den Beschuldigten beizuordnen. Zugleich
beantragte er die Erteilung einer Besuchserlaubnis, um dem Gericht eine schriftliche
Vollmacht des Beschuldigten vorlegen zu können. Mit Schriftsatz vom 26. Januar 2010
legte Rechtsanwalt K. unter Vorlage der Vollmacht des Beschuldigten Beschwerde gegen
den Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) vom 29. Dezember 2009 ein und
beantragte zugleich seine Beiordnung als Pflichtverteidiger für den Beschuldigten.
Der Beschwerde des Beschuldigten hat das Amtsgericht Frankfurt (Oder) mit Beschluss
vom 05. Februar 2010 nicht abgeholfen und die Sache der Beschwerdekammer zur
Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Beschwerde des Beschuldigten ist gemäß § 304 Abs. 1 StPO zulässig und hat auch
in der Sache Erfolg.
Dem Beschuldigten soll gemäß § 142 Abs. 1 StPO möglichst der von ihm als Anwalt
seines Vertrauens benannte Rechtsanwalt als Verteidiger beigeordnet werden. Ihm ist
deshalb Gelegenheit zu geben, innerhalb einer zu bestimmenden Frist einen Anwalt zu
benennen. Dies hat ihm der Vorsitzende unmissverständlich mitzuteilen (vgl. Meyer-
Goßner, 51. Aufl., Rdnr. 10 zu § 142 StPO). Die Vorschriften der Strafprozessordnung
über die notwendige Mitwirkung und die Bestellung eines Verteidigers im Strafverfahren
(§§ 140 ff. StPO) sind insoweit Ausdruck des grundgesetzlich geschützten Anspruchs auf
ein faires Verfahren. In dem vorliegenden Verfahren konnte nicht allein aus der
Tatsache, dass der Beschuldigte anlässlich seiner Anhörung im Zuge der
Haftbefehlsverkündung durch das Amtsgericht Kempten einen Antrag auf Beiordnung
eines Pflichtverteidigers gestellt hat, geschlossen werden, er werde keinen Vorschlag
unterbreiten, was seine Anhörung insoweit entbehrlich gemacht hätte. Es musste
5
6
unterbreiten, was seine Anhörung insoweit entbehrlich gemacht hätte. Es musste
vielmehr davon ausgegangen werden, dass dem Beschuldigten sein Recht aus § 142
Abs. 1 Satz 1 StPO auf Beiordnung eines Verteidigers für das Strafverfahren nicht
bekannt war, zumal er Ausländer ist. Einer vorherigen Anhörung des Beschuldigten
stand auch nicht eine erhebliche Verfahrensverzögerung entgegen, bzw. hat auch die
Verfahrenslage die Bestellung eines Verteidigers nicht so dringlich gemacht, dass der
Eintritt einer nur geringen Verzögerung unvertretbar gewesen wäre. Die Beiordnung des
Rechtsanwalts B. als Pflichtverteidiger war somit verfahrensfehlerhaft und ist auf die
Beschwerde des Beschuldigten, wie geschehen, aufzuheben. Ergänzend hierzu war noch
festzustellen, dass auch nicht etwa eine Heilung der unterlassenen Anhörung dadurch
erfolgt ist, dass der Beschuldigte diese widerspruchslos angenommen und über einen
längeren Zeitraum vertrauensvoll mit dem für ihn bestellten Pflichtverteidiger
zusammengearbeitet hat. Der Beschuldigte ist nach seiner richterlichen Vernehmung
durch das Amtsgericht Kempten zunächst über die JVA Kempten und Frankfurt (Oder) in
die JVA Cottbus-Dissenchen verlegt worden und hat von hier aus Rechtsanwalt K. mit
seiner Verteidigung beauftragt. Dieser hat dann auch zeitnah im Auftrag des
Beschuldigten Beschwerde gegen die Bestellung von Rechtsanwalt B. eingelegt und
dabei insbesondere auf die unterbliebene Anhörung verwiesen. Eine Kontaktaufnahme
des Beschuldigten mit Rechtsanwalt B. ist nach der derzeitigen Aktenlage nicht
ersichtlich.
Wichtige Gründe im Sinn des § 142 Abs. 1 Satz 3 StPO, die der Bestellung des von dem
Beschuldigten benannten Wahlverteidigers Rechtsanwalt K. als Pflichtverteidiger
entgegenstehen, sind nicht ersichtlich. Vor diesem Hintergrund war zur Gewährleistung
eines fairen Verfahrens der Beschwerde des Beschuldigten stattzugeben und unter
Aufhebung der Bestellung von Rechtsanwalt B., Rechtsanwalt K. als notwendiger
Verteidiger des Beschuldigten zu bestellen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der insoweit entstandenen
notwendigen Auslagen des Angeschuldigten fallen der Landeskasse zur Last, da kein
anderer Kostenschuldner hierfür haftet.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum