Urteil des LG Frankfurt am Main vom 18.08.2010

LG Frankfurt: abmahnung, hotel, eingriff, urheberrechtsverletzung, störer, zugang, funk, inhaber, internet, adresse

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Gericht:
LG Frankfurt 6.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2-06 S 19/09, 2/06
S 19/09, 2-6 S
19/09, 2/6 S 19/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 823 Abs 1 BGB
Leitsatz
1.) Ein Hotelbetreiber haftet jedenfalls dann nicht als Störer für eine von einem Gast
begangene Urheberrechtsverletzung, wenn er seine Gäste vorher auf die Einhaltung
gesetzlicher Vorgaben hingewiesen hat.
2.) Mahnt ein Rechteinhaber einen Hotelbetreiber in Kenntnis der Tatsache, dass der
Anschlus für ein Hotel genutzt wird, den Hotelbetreiber ab, stellt dies einen Eingriff in
den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Hotelbetreibers dar, da dem
Rechteinhaber bekannt ist, dass in einer derartigen Fallkonstellation der
Anschlussinhaber nicht per se für Rechtsverletzungen seiner Gäste haftet.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers hin wird das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am
Main vom 25.09.2009 – Az.: 31 C 2667/08-16 – abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 1.049,- nebst 5 Prozentpunkten
Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 05.09.2008 zu zahlen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat die Klage auf Zahlung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von
€ 1.049,- nebst Zinsen mit der Begründung abgewiesen, dass die Beklagte durch
ihre Abmahnung des Klägers, der ein Hotel betreibt, vom 6. August 2008 jedenfalls
nicht schuldhaft in dessen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
eingegriffen hat. Hinsichtlich der Tätigkeit der Bevollmächtigten des Klägers nach
Zurückweisung der Abmahnung und Aufrechterhaltung der geltend gemachten
Ansprüche durch die Beklagte mit Schreiben vom 10.09.2008 fehlte es jedenfalls,
so das Amtsgericht, an einem Schaden des Klägers. Auf die zwischen den Parteien
(ebenfalls) streitige Frage, ob überhaupt ein (rechtswidriger) Eingriff in den
eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb vorliege, ist das Amtsgericht
infolgedessen nicht eingegangen. Es hat festgestellt, dass der Kläger seinen
Gästen einen Internet-Zugang über ein drahtloses, unstreitig sicherheitsaktiviertes
und verschlüsseltes Netzwerk anbietet und diese zuvor auf die Einhaltung der
gesetzlichen Vorschriften hinweist. Der streitbegründende upload eines Werkes der
Beklagten ist unstreitig weder durch den Kläger selbst noch durch dessen
Angestellte erfolgt. Die von der Beklagten ausgesprochene Abmahnung war an
das Hotel gerichtet, dessen Inhaber der Kläger ist. Dieser Abmahnung hat der
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das Hotel gerichtet, dessen Inhaber der Kläger ist. Dieser Abmahnung hat der
Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 27.08.2008 widersprochen und die
Beklagte unter Fristsetzung bis zum 04.09.2008 zum Ersatz der damit
verbundenen Kosten aufgefordert. Hinsichtlich der weiteren tatsächlichen
Feststellungen wird Bezug genommen auf das angefochtene Urteil des
Amtsgericht Frankfurt am Main vom 25.09.2009 (Bl. 71 ff. d.A.).
Der Kläger wendet sich in erster Linie gegen die Verneinung eines schuldhaften
Handelns der Beklagten durch das Amtsgericht. Die Beklagte habe vor ihrer
Abmahnung Kenntnis gehabt, dass es sich bei dem Anschlussinhaber um einen
Hotelbetrieb gehandelt hat und habe die ihr zumindest deshalb obliegenden, einer
rechtmäßigen Abmahnung vorgelagerten Prüfpflichten verletzt. Zudem sei ein
Hotel gemäß § 8 TMG haftungsprivilegiert und hafte schon deshalb – für die
Beklagte erkennbar – nicht. Unabhängig von dem Betrieb eines Hotels hafte der
Kläger auch nicht als Störer, so dass die ausgesprochene Abmahnung in jedem
Fall von Anfang an nicht rechtmäßig gewesen sei, was die Beklagte jedenfalls hätte
erkennen müssen. Letztlich hält der Kläger das amtsgerichtliche Urteil für
widerspruchsbehaftet, da dies ausgeführt habe, dass ein Verschulden des Klägers
keinesfalls vorliege, obgleich die Abmahnung in jedem Fall zumindest teilweise,
nämlich jedenfalls hinsichtlich des geltend gemachten Schadensersatzes,
unbegründet gewesen sei.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Amtsgericht Frankfurt vom 25.09.2009 den
Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 1.049,00 zuzüglich 8 % Zinsen über dem
Basiszinssatz seit 04.09.2008 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Die Beklagte macht sich die Ausführungen des Amtsgerichts Frankfurt
überwiegend zu Eigen. Sie meint insbesondere, dass ein rechtsfreier Raum
geschaffen würde, wenn der Kläger in keiner Weise für über seinen
Internetanschluss begangene Rechtsverstöße verantwortlich wäre.
II.
Das Rechtsmittel des Klägers ist an sich statthaft (§§ 511, 511 a ZPO) und
zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§
518, 519 ZPO). Es hat in der Sache Erfolg. Dem Kläger steht gegen die Beklagte
ein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 1 BGB zu. Die Beklagte hat durch
die Abmahnung des Klägers schuldhaft in dessen eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetrieb eingegriffen. Im Einzelnen:
1. Die Abmahnung des Klägers durch die Beklagte wegen einer vermeintlichen
Urheberrechtsverletzung erfolgte zu Unrecht.
a. Eine Haftung des Klägers als Täter oder Teilnehmer kommt schon deshalb nicht
in Betracht, weil unstreitig weder der Kläger noch dessen Angestellte ein Werk der
Beklagten auf einem Computer zum Abruf durch andere Teilnehmer einer
Tauschbörse bereitgestellt und damit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht noch
solches unterstützt haben.
b. Auch eine Haftung des Klägers als Störer kommt vorliegend nicht in Betracht:
Hinsichtlich seiner Gäste, denen er den Zugang zu dem verschlüsselten
Funknetzwerk vermittelt hat, ergibt sich dies daraus, dass er diese zuvor auf die
Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben hingewiesen hat. Eine weitergehende
Prüfungspflicht vor einer ersten Rechtsverletzung besteht für den Kläger –
unabhängig von der Frage, ob sein Geschäftsmodell durch die Auferlegung
präventiver Prüfungspflichten nicht ohnehin gefährdet wäre (vgl. BGHZ 158, 236,
251 f.) – auf Grund der Verschlüsselung nicht (BGH, GRUR 2010, 633, 635; OLG
Frankfurt am Main, GRUR-RR 2008, 279 ff.).
Hinsichtlich Dritter ergibt sich dies ebenfalls auf Grund der unstreitig erfolgten
marktüblichen Verschlüsselung des Funk-Netzwerkes, mit dem dieses ausreichend
(BGH, GRUR 2010, 633, 635) gegen Urheberrechtsverletzungen durch Dritte
gesichert war.
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2. Durch die unbegründete Abmahnung wegen vermeintlicher
Schutzrechtsverletzung hat die Beklagte rechtswidrig (vgl. BGH NJW 2005, 3141) in
das Recht des Klägers am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
eingegriffen. Dieser Eingriff erfolgte auch schuldhaft i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB, da die
Beklagte jedenfalls fahrlässig handelte. Sie hat ohne die von ihr vorliegend zu
erwartende Prüfung der Rechts- und insbesondere der Sachlage den Kläger
abmahnen lassen:
Nach ganz einhelliger Rechtssprechung (vgl. BGH GRUR 2010, 633 ff.; OLG
Frankfurt am Main, GRUR-RR 2008, 279 ff.; LG Düsseldorf vom 26.08.2009 zu Az.
12 O 594/07, zitiert nach JURIS; Rechtssprechungsüberblick bei Mühlberger, GRUR
2009, 1022 ff.) kommt einer IP-Adresse keine mit einem eBay-Konto vergleichbare
Identifikationsfunktion zu. Anders als letzteres ist sie keinem konkreten Nutzer,
sondern nur einem Anschlussinhaber zugeordnet, der grundsätzlich dazu
berechtigt ist, beliebigen Dritten Zugriff auf seinen Internetanschluss zu gestatten.
Die IP-Adresse gibt deshalb bestimmungsgemäß keine zuverlässige Auskunft über
die Person, die zu einem konkreten Zeitpunkt einen bestimmten Internetanschluss
nutzt. Damit fehlt die Grundlage dafür, den Anschluss-Inhaber im Wege einer
unwiderleglichen Vermutung so zu behandeln, als habe er selbst gehandelt (BGH,
aaO). Da der Kläger nach einhelliger Rechtssprechung (vgl. oben) auch nicht per
se für Rechtsverletzungen durch seine Gäste oder sonstige Dritte haftet, kann
ohne nähere Kenntnis der Sachlage im konkreten Fall der Anschlussinhaber
gerade nicht einer Urheberrechtsverletzung bezichtigt werden, ohne dass sich der
Bezichtigende zumindest Nachlässigkeit vorwerfen lassen müsste. Dies gilt
jedenfalls dann, wenn es sich bei dem Bezichtigten wie vorliegend um einen
Betrieb (hier: Hotel) handelt, zu dessen Serviceleistungen es unproblematisch
erkennbar gehört, Dritten (hier: Hotelgäste) den Zugang zum Internet via Funk-
Netzwerk zu ermöglichen. In einem solchen Fall hätte die Beklagte als
Rechtsinhaberin vor Abmahnung erst sichere Kenntnis der Sachlage verschaffen
müssen und können. Es wäre ihr bspw. unproblematisch möglich gewesen, unter
Hinweis auf ihr an dem Werk „D. z. Nr. 14“ zustehende Urheberrechte und den
vermeintlichen Veröffentlichungstatbestand den Kläger zur Äußerung bzw. zur
konkreten Darlegung seiner Berechtigung zur Vornahme der angegriffenen
Handlung aufzufordern („Berechtigungsanfrage“). So hätte sie ohne Eingriff in den
eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (vgl. BGH GRUR 1997, 896, 897)
die starke Unsicherheit über den Verletzungstatbestand beseitigen oder – falls
sich der Kläger als vermeintlicher Rechtsverletzer nicht geäußert hätte – danach
unverschuldet eine Abmahnung aussprechen können.
3. Der dem Kläger dem Grunde nach zustehende Schadensersatz erstreckt sich
auf die mit der Abwehr der Abmahnung verbundenen Kosten eines Rechtsanwalts
(vgl. BGH NJW 2006, 1065; Palandt / Grüneberg, § 249 BGB, Rz. 56 f.), deren
geltend gemachte Höhe nicht zu beanstanden ist.
4. Dieser Zahlungsanspruch ist gemäß § 288 Abs. 1 BGB mit 5 Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Die weitergehende Zinsforderung ist
unbegründet, weil es sich bei dem Anspruch auf Kostenerstattung um keine
„Entgeltforderung“ im Sinn des § 288 Abs. 2 BGB handelt (vgl. Palandt /
Grüneberg, § 288 Rn. 8, § 286 Rn. 27; OLG Celle NJW-RR 2007, 393).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10,
713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche
Bedeutung aufweist noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.