Urteil des LG Frankfurt am Main vom 04.04.2011

LG Frankfurt: anpassung, wirtschaftlichkeit, markt, berechtigung, vertragsschluss, sicherheitsleistung, erdgas, betrug, substantiierungslast, käufer

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Gericht:
LG Frankfurt 5.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2-05 O 547/10, 2-5
O 547/10, 2/05 O
547/10, 2/5 O
547/10
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
BGB
Leitsatz
Knüpft eine Preisanpassungsklausel in einem Erdgaslieferungsvertrag an "vergleichbare
Lieferverhältnisse" an, so hat die Klägerin bei Berufung hierauf konkrete andere
Lieferverhältnisse so darzulegen, dass eine Überprüfung möglich ist. Die erfordert eine
genaue Darlegung der vertraglichen Merkmale sowie eine der Namen der
Vertragsparteien.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe 110 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Beklagte belieferte die Klägerin aufgrund eines am 30. November 2005
zwischen den Parteien abgeschlossenen Erdgasliefervertrages mit Erdgas. Nach §
4 des Erdgasliefervertrages bestand der von der Klägerin an die Beklagte zu
entrichtende Erdgaspreis auf einen Jahresleistungspreis (LP) und einem
Arbeitspreis (AP). Der jeweils zu bezahlende Arbeitspreis berechnete sich nach der
unter § 4 Ziffer 3 des Erdgasliefervertrages genannten Formel ausgehend von
dem Ausgangswert für den Arbeitspreis (AP
). Nach dem Erdgasliefervertrag
betrug der Ausgangswert für den Arbeitspreis bei Vertragsschluss 0,7060 Cent pro
kWh.
Mit Schreiben vom 26. März 2009 stellte die Klägerin ein
Preisanpassungsverlangen mit Wirkung zum 1. Oktober 2009 an die Beklagte. Bei
den daraufhin zwischen den Parteien geführten Verhandlungen konnte eine
Einigung über die Anpassung des Preises nicht erreicht werden.
Die die nach Abschluss des Erdgasliefervertrages auf dem Erdgasmarkt
eingetretenen Veränderungen, insbesondere der Energiehandel an Börsen, ein
Abrücken vom Abschluss langfristiger Lieferverträge haben zu einer allgemeinen
Absenkung der Marktpreise geführt.
Die Klägerin meint, nach der Anpassungsregelung des § 5 des
Erdgaslieferungsvertrages sei der Ausgangswert für den Arbeitspreis um 0,533
Cent pro kWh abzusenken.
Die Klägerin behauptet, der - unstreitig - von ihr mit einem Zweitlieferant
abgeschlossene Erdgasliefervertrag sei mit dem streitgegenständlichen Vertrag
vergleichbar.
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Dies gelte auch für am Markt nunmehr verstärkt aufgetretene potentielle
Lieferanten als Drittlieferanten.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, das Merkmal der Wirtschaftlichkeit sei schon
bei der Überprüfung des Preisniveaus des streitgegenständlichen
Lieferverhältnisses gegenüber vergleichbaren Lieferverhältnissen nach § 5 Ziffer 3
Satz 1 des Erdgasliefervertrages zu berücksichtigen.
beantragt
die Beklagte zu verpflichten, auf der Grundlage eines am 30. November 2005
zwischen den Parteien abgeschlossenen Erdgasliefervertrages über die Belieferung
der Klägerin für die Lieferjahre 2005/06 bis 2012/13 eine Anpassung des
Arbeitspreises durch Absenkung des Ausgangswertes für den Arbeitspreis um
0,533 Cent pro kWh auf 0,329 Cent pro kWh zum 1. Oktober 2009 zuzustimmen,
die Beklagte zu verpflichten, auf der Grundlage des am 30. November 2005
zwischen den Parteien abgeschlossenen Erdgasliefervertrages über die Belieferung
der Klägerin für die Lieferjahre 2005/06 bis 2012/13 der Anwendung durch die
Briefvereinbarung zum Erdgasliefervertrag vom 01.02./13.02.2008 sowie den
zweiten Nachtrag zum Erdgasliefervertrag vom 17.07./29.10.2008 vereinbarten
Arbeitspreisformel
AP = 0,8620 + 0,715 x 0,77 x 0,082 x (HEL - 19,94) + 0,285 x 0,0076 x (HSL -
108,61) in Cent/kWh
für das Gaswirtschaftsjahr 2009/2010 bei Anpassung des Arbeitspreises durch
Absenkung des Ausgangswertes für den Arbeitspreis von 0,8620 um 0,5330
Cent/kWh auf 0,33290 Cent/kWh zum 1. Oktober 2010 zuzustimmen.
beantragt
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Klägerin habe bereits zum „Ob“ einer
Anpassung nach § 5 Ziffer 3 des Erdgasliefervertrages nicht hinreichend
substantiiert vorgetragen. So habe die Klägerin keine vergleichbaren
Lieferverhältnisse im Sinne der Regelung vorgetragen.
Im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
I.
Die Klägerin kann weder gemäß ihrem Haupt- noch ihrem Hilfsantrag von der
Beklagten Zustimmung zu der jeweils beantragten Preisanpassung verlangen.
Die Voraussetzungen für eine Anpassung nach § 5 Ziffer 3 des
Erdgasliefervertrages liegen nicht vor. Zwar richtete die Klägerin ein
entsprechendes Preisanpassungsverlangen gemäß § 5 Ziffer 1 des
Erdgasliefervertrages mit dem als Anlage K 6 vorgelegten Schreiben an die
Beklagte.
Es kann offenbleiben, ob – wie die Klägerin meint – das Merkmal der
Wirtschaftlichkeit schon bei der Überprüfung des relativen Preisniveaus nach § 5
Ziffer 3 Satz 1 des Erdgasliefervertrages zu berücksichtigen ist. Denn die Klägerin
hat jedenfalls keine „vergleichbaren Lieferverhältnisse“ im Sinne der Regelung des
§ 5 Ziffer 3 des Erdgasliefervertrages dargelegt, die zu einer Überprüfung gemäß
der Vorschrift, ob sich das nach dem Vertrag ergebende Erdgaspreisniveau und/
oder die sich nach dem Vertrag ergebenden Preisanpassungsregelungen im
Verhältnis zu vergleichbaren Lieferverhältnissen verändert haben, ermöglicht.
Dazu hätte die Klägerin andere (vergleichbare) Erdgaslieferverhältnisse und deren
Merkmale, wie den Übergabepunkt, eine langfristige Vertragslaufzeit (mindestens
6 Jahre) Vertragsmengen (Jahresmengen von über 1 Milliarde Kilowattstunden/Jahr
und Benutzungsdauer von 4.000 bis 6.000 Bh/a) sowie die Flexibilität des
Erdgasbezuges (insbesondere Berechtigung zum Bezug von Minder- und
Mehrmengen) darlegen müssen.
Diesen Anforderungen ist die Klägerin nicht nachgekommen. Denn die Klägerin hat
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Diesen Anforderungen ist die Klägerin nicht nachgekommen. Denn die Klägerin hat
ihre pauschale Behauptung, dass Lieferverhältnis mit dem „Zweitlieferanten“,
dessen Namen die Klägerin nicht nennen mag, sei mit dem streitgegenständlichen
Lieferverhältnis vergleichbar, nach dem Bestreiten in der Klageerwiderung in ihrer
Replik nicht hinreichend substantiiert. So genügen die abstrakt-rechtlichen
Ausführungen in der Replik zur Auslegung der Vertragsregelungen der
Substantiierungslast nicht. Selbst wenn, oder gerade dann, wenn - wie in der Replik
ausgeführt - ein „völlig identisches Lieferverhältnis“ weder im Lieferanten Portfolio
der Klägerin noch im Käufer Portfolio der Beklagten zu finden sein wird, ist die
Darlegung der genannten Merkmale der Lieferverhältnisse für das Gericht zur
Beurteilung der Vergleichbarkeit der Lieferverhältnisse erforderlich. Insbesondere
aber der Vortrag in der Replik, das von der Klägerin abgeschlossene
Zweitlieferverhältnis sei dem streitgegenständlichen Lieferverhältnis „sehr ähnlich“
und habe eine „vergleichbare“ Benutzungsstruktur genügt den Merkmalen nicht.
Auch der Vortrag der Klägerin in der Replik zu den Drittlieferverhältnissen
beziehungsweise deren Vergleichbarkeit ist weiterhin unsubstantiiert. Zum einen
nennt die Klägerin keine Drittlieferanten, sondern bezeichnet diese als
Vertragspartner A - E. Auch konkrete Angaben zur Laufzeit werden keine gemacht.
Vielmehr trägt die Klägerin pauschal vor, dass es sich um einjährige
Lieferverhältnisse oder mehrjährige Lieferverhältnisse handele. Soweit die Klägerin
zur Flexibilität dabei nicht sogar eine „geringere Flexibilität“ angibt wird ausgeführt,
die Flexibilität sei wie bei dem streitgegenständlichen Vertrag. Auch dieser Vortrag
ermöglicht keine Beurteilung, ob eine Vergleichbarkeit im Sinne des § 5 Ziffer 3
des Erdgasliefervertrages vorliegt.
Bei dem zu den Behauptungen der Klägerin zur Vergleichbarkeit des
Zweitlieferverhältnisses und der Drittlieferverhältnisse mit dem
streitgegenständlichen Lieferverhältnis angebotenen Beweis
(Sachverständigengutachten) handelt es sich um einen Ausforschungsbeweis.
Denn ein Sachverständiger müsste sich – soweit ihm überhaupt möglich – die
erforderlichen Informationen über etwaige andere Lieferverhältnisse selbst
beschaffen, um ein entsprechendes Gutachten erstellen zu können. Dies obliegt
jedoch der Klägerin und nicht einem etwaigen Sachverständigen, der alleine die
Frage zu beantworten hätte, ob – bei entsprechendem klägerischen Vortrag –
bestimmte Lieferverhältnisse von einem Unternehmen an der Stelle der Klägerin
anstatt des streitgegenständlichen Liefervertrages unter wirtschaftlichen
Gesichtspunkten ebenso abgeschlossen werden könnten. Soweit die Klägerin als
„Beweis“ ein Wirtschaftsprüfertestat anbietet, handelt es sich schon um kein nach
der Zivilprozessordnung zulässiges Beweismittel.
II.
Die prozessuale Nebenentscheidung über die Kostentragung ergibt sich für die
unterlegene Klägerin aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die prozessuale Nebenentscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt
sich aus § 709 S. 1. u. 2 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.