Urteil des LG Frankfurt am Main vom 06.12.2010

LG Frankfurt: strafbefehl, bad, gesamtstrafe, geldstrafe, auflage, zivilprozessrecht, immaterialgüterrecht, verwaltungsrecht, quelle, gebühr

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Gericht:
LG Frankfurt 26.
Strafkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5-26 Qs 37/10,
5/26 Qs 37/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 40 Abs 2 StGB, § 55 StGB, §
460 StPO
"Bei der nachträglichen Gesamtstrafenbildung gemäß §
460 StPO ist für die Bemessung der Tagessatzhöhe auf die
Vermögensverhältnisse zum Zeitpunkt der letzten
Verurteilung abzustellen und nicht auf den Zeitpunkt der
Nachtragsentscheidung."
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Verurteilten wird der Beschluss des
Amtsgerichts Frankfurt a.M. vom 26.10.2010 dahingehend geändert, dass eine
180 Tagessätzen zu je 30,- €
2. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen, wobei die
Gebühr um die Hälfte ermäßigt wird. Die notwendigen Auslagen der
Beschwerdeführerin fallen zur Hälfte der Staatskasse zur Last.
Gründe
1. Die Beschwerdeführerin wurde wie folgt rechtskräftig verurteilt:
- Durch Strafbefehl des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 19.02.2010 (Az.: 756
Js 7419/10) wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 120
Tagessätzen zu je 60 Euro. Die Tat wurden am 29.07.2009 begangen.
- Durch Strafbefehl des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 15.04.2010 (Az.: 756
Js 14101/10) ebenfalls wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von
120 Tagessätzen zu je 30 Euro. Die Tat wurden am 13.11.2009 begangen.
Mit Beschluss vom 25.10.2010, der Beschwerdeführerin zugestellt am 02.11.2010,
hat das Amtsgericht Frankfurt am Main die erkannten Strafen auf eine
Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 45,- € zurückgeführt.
Hiergegen hat die Beschwerdeführerin am 08.11.2010 durch ihrer Verteidiger
sofortige Beschwerde eingelegt.
Sie macht zum einen geltend, dass auch die Gesamtgeldstrafe von 150
Tagessätzen zu je 30,- € aus dem Strafbefehls des Amtsgericht Bad Homburg
vom 08.06.2010 wegen am 08.03.2010 und 22.04.2010 begangener Taten mit den
oben genannten Verurteilungen gesamtstrafenfähig sei.
Zum anderen trägt sie vor, derzeit nur über ein monatliches Nettoeinkommen von
463,26 € zu verfügen, weshalb die Höhe des Tagessatzes entsprechend zu
reduzieren sei.
2. Die zulässige - insbesondere fristgerecht eingelegte – sofortige Beschwerde hat
in der Sache teilweise Erfolg.
Die im Strafbefehl des Amtsgerichts Bad Homburg vom 08.06.2010 verhängte
Strafe ist - gegen der Auffassung nicht der Beschwerdeführerin - nicht in die mit
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Strafe ist - gegen der Auffassung nicht der Beschwerdeführerin - nicht in die mit
dem angefochtenen Beschluss gebildete nachträgliche Gesamtstrafe
einzubeziehen. Die nachträgliche Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe nach § 55
StGB ist dann ausgeschlossen, wenn der Richter, der früher entschieden hat, eine
Strafe, die in einer noch früheren Verurteilung ausgesprochen worden ist, in eine
Gesamtstrafenbildung hätte einbeziehen können. In diesem Fall geht von der
ersten Vorverurteilung eine Zäsurwirkung aus, die zur Folge hat, dass die Strafe
aus der späteren Vorverurteilung und die Strafe, die im anhängigen Verfahren für
eine Tat ausgesprochen wird, die zwischen den Vorverurteilungen begangen
worden ist, nicht mehr Gegenstand einer Gesamtstrafenbildung sein kann (vgl.
BGH, NStZ 2003, 200).
Da das Amtsgericht Frankfurt im Strafbefehl vom 15.04.2010 bereits die Strafe
aus dem Strafbefehl des Amtsgericht Frankfurt vom 19.02.2010 hätte einbeziehen
können (beide Taten wurden vor dem 19.02.2010 begangen), entfaltet die
Verurteilung vom 19.02.2010 Zäsurwirkung; danach begangene Taten (hier die
Taten vom 08.03.2010 und 22.04.2010 aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Bad
Homburg) können nicht mehr Gegenstand einer Gesamtstrafenbildung mit davor
begangenen Taten sein. Die Verurteilung hatte eine „Warnfunktion“ für die
Beschwerdeführerin. Begeht sie gleichwohl neu Straftaten, kann ihr der Vorteil der
Gesamtstrafenbildung nicht mehr zu Gute kommen.
Die Tagessatzhöhe war ihm Rahmen der Gesamtstrafenbildung entsprechend der
letzen einzubeziehenden Entscheidung vom 15.04.2010 auf 30,- € festzusetzen.
Eine weitergehende Reduzierung kommt nicht im Betracht. Bei der nach § 460
StPO vorzunehmenden Gesamtstrafenbildung ist die Tagessatzhöhe der letzten
einzubeziehenden Verurteilung zugrunde zu legen. Für die Bemessung der
Tagessatzhöhe ist auf die Vermögensverhältnisse zum Zeitpunkt der letzten
Verurteilung abzustellen, in welcher die Gesamtstrafe hätte gebildet werden
müssen, und nicht auf den Zeitpunkt der Nachtragsentscheidung (str., Beschluss
der Kammer vom 02.09.2010 Az: 5/26 Qs 34/10; LG Freiburg, NStZ 1991, 135; KK-
Fischer, 5. Auflage, § 460 Rn 30; LR-Graalmann-Scherer, StPO, § 460 Rz. 9; a.A. LG
Berlin, NStZ-RR 1996, 373; StV 2009, 145; LG Hildesheim NStZ 1991, 434). Hierfür
spricht der Sinn und Zweck der nachträglichen Gesamtstrafenbildung gemäß §
460 StPO. Danach soll der Verurteilte so gestellt werden, als sei die Gesamtstrafe
bereits vom letzten Tatrichter gebildet worden. Eine darüber hinausgehend
Besserstellung soll gerade nicht erfolgen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53.Auflage §
460 Rn.1). Hierbei ist die Kammer an die im Strafbefehl des Amtsgerichts
Frankfurt vom 15.04.2010 festgesetzt Tagessatzhöhe gebunden. Sollte diese den
damaligen tatsächlichen Verhältnissen nicht entsprochen haben, hätte die
Verurteilte gegen den Strafbefehl Rechtsmittel einlegen müssen.
Der Verurteilten steht es frei, aufgrund ihrer derzeitigen finanziellen Verhältnisse
Zahlungserleichterungen bei der Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde zu
beantragen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 IV StPO. Das Rechtsmittel der
Beschwerdeführerin hatte lediglich teilweise erfolg. Die Höhe des Tagessatzes
wurde von 45,- € auf 30,- € reduziert. Eine weitere Reduzierung gemäß den
derzeitigen Einkommensverhältnissen der Beschwerdeführerin (463,26 € ./. 30 =
15,44 €) kam dagegen eben so wenig in Betracht, wie eine Einbeziehung der
Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Bad Homburg vom 08.06.2010. Es
erscheint daher angemessen, dass die Beschwerdeführerin die Hälfte der Kosten
des Beschwerdeverfahrens und ihrer notwendigen Auslagen trägt.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.