Urteil des LG Frankfurt am Main vom 14.03.2017

LG Frankfurt: gegendarstellung, einstweilige verfügung, verweigerung der leistung, unverzüglich, zuleitung, vertreter, erlass, veröffentlichung, presserecht, kongruenz

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Gericht:
LG Frankfurt 3.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2-03 O 343/08,
2/03 O 343/08, 2-3
O 343/08, 2/3 O
343/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 10 Abs 2 S 3 PresseG HE, §
920 ZPO, § 936 ZPO
Hessisches Presserecht: Anforderungen an die Form einer
Gegendarstellung; Gegendarstellungsverlangen durch
Antrag auf Erlass einer Gegendarstellungsverfügung;
rechtzeitiger Zugang einer formell berichtigten
Gegendarstellung; fehlender Hinweis des Verpflichteten
auf einen Formfehler der Berechtigten
Tenor
Die einstweilige Verfügung – Beschluss – vom 28.07.2008 wird aufgehoben,
soweit dem Verfügungsbeklagten zu 4 die Veröffentlichung einer Gegendarstellung
aufgegeben wurde. Insoweit wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Verfügung zurückgewiesen.
In Abänderung des Beschlusses vom 28.07.2008 hat die Kosten des
einstweiligen Verfügungsverfahrens die Verfügungsklägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Verfügungsklägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der
Verfügungsbeklagte zu 4 vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des
jeweils zu vollstreckenden Betrages erbringt.
Tatbestand
Die Verfügungsklägerin (Klägerin), ein Verlag, verlangt die Veröffentlichung einer
Gegendarstellung, die sich auf eine Ausstrahlung des Verfügungsbeklagten zu 4
(Beklagter) in der Fernsehsendung "..., ..." bezieht. Der Berichtstitel der
angegriffenen Sendung lautete "..." und wurde am ... um ... Uhr (Wiederholung am
... Uhr) gezeigt. Eine Autorin, ..., die bei der Klägerin ein Buch veröffentlicht hat,
und ein Rechtsanwalt, ..., der den Verband deutscher Schriftsteller berät, wurden
für die Sendung interviewt. Im Rahmen der Interviews kam es zu negativen
Äußerungen über die Klägerin. Die Sendung war auch auf der Internetseite des
Beklagten unter der Domain ... als Videodownload abrufbar. Die Sendung hatte
Sommerpause und wurde am 24.08.2008 fortgesetzt, jeweils ... mit Wiederholung
am ....
Mit Schreiben vom 13.06.2008 forderte der Anwalt der Klägerin in deren Namen
die Veröffentlichung einer Gegendarstellung durch den Beklagten. Das Schreiben
war von dem Rechtsanwalt der Klägerin unterschrieben und enthielt die verlangte
Gegendarstellung, auf deren Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 20 ff d.A.). Eine
durch den alleinvertretungsberechtigten Vorstand der Klägerin unterschriebene
Vollmacht für den Anwalt war beigefügt. Die verlangte Gegendarstellung war
umfangreicher als der Antrag auf Gegendarstellung im hiesigen Verfahren. Mit
Schreiben vom 18.06.2008 verweigerte die Beklagte die Gegendarstellung mit der
Begründung, die Gegendarstellung greife eine Vielzahl von Werturteilen an, es
fehle eine Kongruenz zwischen Erstmitteilung und Entgegnungserklärung und die
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fehle eine Kongruenz zwischen Erstmitteilung und Entgegnungserklärung und die
Gegendarstellung sei unangemessen lang.
Am 28.07.2008 hat die Kammer eine einstweilige Verfügung erlassen, mit der dem
Beklagten aufgegeben wurde, die Gegendarstellung antragsgemäß zu
veröffentlichen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Beschlusses wird auf Bl. 84 ff
Bezug genommen. Mit Schriftsatz vom 21.08.2008 hat der Beklagte Widerspruch
eingelegt.
Am Ende der mündlichen Verhandlung vom 25.09.2008 hat der Vertreter der
Klägerin der Kammer und dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten eine
undatierte, von dem Vorstand der Klägerin unterzeichnete Gegendarstellung
übergeben, auf deren Inhalt unter Blatt 131 d.A. Bezug genommen wird.
Die Klägerin ist der Ansicht, der Anspruch auf Gegendarstellung in der nächsten
Ausgabe der Sendung und auf der Internetseite an gleicher Stelle wie der
Videodownload sei gerechtfertigt, da der Beklagte falsche Tatsachen verbreitet
habe. Die begehrte Gegendarstellung besitze auch die notwendige
Übereinstimmung zwischen Erstmitteilung und Entgegnungserklärung und sei
hinsichtlich des Umfangs und der Ausstrahlungsdauer angemessen. Da der
Beklagte das Gegendarstellungsverlangen abgelehnt habe und auch nicht den
Einwand erhoben habe, die Gegendarstellung stamme nicht von der Klägerin,
komme es auf eine Unterschrift der Gegendarstellung durch die Klägerin nicht
mehr an. Außerdem sei die Gegendarstellung von dem von der Klägerin
bevollmächtigten Anwalt unterzeichnet. Da die Gegendarstellung in Ton und Bild
vorzunehmen sei, komme es auf die insoweit nicht sichtbare Unterschrift auch
nicht an. Das umfangreichere vorprozessuale Gegendarstellungsverlangen
umfasse den hiesigen Gegendarstellungsantrag. Wegen der Sommerpause habe
das Verfügungsbegehren nicht früher durchgesetzt werden können.
Die Klägerin beantragt,
die einstweilige Verfügung des Landgerichts Frankfurt am Main vom
28.07.2008 zu bestätigen.
Der Beklagte beantragt,
unter Aufhebung der einstweiligen Verfügung vom 28.07.2008 den Antrag der
Klägerin auf Erlass derselben vom 30.06.2008 zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, die Gegendarstellung sei nicht wirksam verlangt
worden, da sie vom Anwalt und nicht von den gesetzlichen Vertretern der Klägerin
unterschrieben worden sei. Da das Gegendarstellungsverlangen sich vom Wortlaut
des Verfügungsantrages unterscheide und der Verfügungsantrag mit dem jetzigen
Gegendarstellungsverlangen dem Beklagten erst mit der Zustellung des
Beschlusses über die einstweilige Verfügung zugegangen sei, liege ein wirksames
Gegendarstellungsverlangen nicht vor. Der Gegendarstellungstext enthalte
Werturteile, es fehle die Kongruenz zwischen Erstmitteilung und Gegenäußerung
und die Gegendarstellung sei auch unangemessen lang.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch aus § 3 Nr. 9 HR-Gesetz i.V.m. § 10 Hess
PresseG auf Veröffentlichung der Gegendarstellung gegen die Beklagte, da die
Gegendarstellung nicht wirksam verlangt wurde.
Das Gegendarstellungsverlangen im Schreiben vom 13.06.2008, welches auch die
Gegendarstellung an sich enthielt, war formal unwirksam, da eine handschriftliche
Unterschrift der Gegendarstellung von dem Betroffenen fehlte. Die
Gegendarstellung innerhalb dieses Schreibens war zwar räumlich getrennt von
dem restlichen Schreiben. Das Schreiben war aber ausschließlich von dem Anwalt
der Klägerin unterschrieben. Eine zusätzliche Unterschrift der Gegendarstellung
verlangen
von einem Bevollmächtigten unterschrieben sein. Gemäß § 10 Abs. 2 Satz 3 Hess.
Gegendarstellung an sich
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Gegendarstellung an sich
bzw. seinem gesetzlichen Vertreter unterzeichnet sein. Nach heute herrschender
Meinung muss es sich hierbei um eine handschriftliche Unterschrift handeln (OLG
Frankfurt OLGR 2003, 480; Löffler/Sedelmeier, Presserecht, 5. Auflage, § 11 LPG
Rn. 145 m.w.N.); eine Stellvertretung bei der Unterschrift ist nicht möglich
(Löffler/Sedelmeier, a.a.O., Rn. 146).
Darüber hinaus ist die Gegendarstellung aus dem Schreiben vom 13.06.2008
umfangreicher als die im hiesigen Verfahren verlangte Gegendarstellung, so dass
es sich um einen anderen Streitgegenstand handelt (Löffler/Sedelmeier, a.a.O.,
Rn. 153). Der im hiesigen Verfahren geltend gemachte
Gegendarstellungsanspruch bezieht sich auf 4 Punkte. Erstens wehrt die Klägerin
sich gegen die Aussage, es würde dem Autor vorgegaukelt, dass das Buch in
jedem Buchhandel ausliege und bestellt werde könne. Zweitens wird die Aussage
angegriffen, der Autor erhalte nach Zahlung nur noch kostenpflichtige Angebote,
wie man weiter Werbung machen könne. Drittens wendet sich die Klägerin gegen
die Behauptung, das Buch werde, von Ausnahmefällen abgesehen, nicht
beworben. Viertens sei unwahr, dass die Bücher letztendlich im Lager verkommen
würden. Die im Schreiben vom 13.06.2008 verlangte Gegendarstellung enthält
zum ersten Punkt mehrere und andere Richtigstellungen als im Antrag auf Erlass
der einstweiligen Verfügung. Die zweite im hiesigen Verfahren angegriffene
Äußerung findet sich zwar sinngemäß, aber nicht in der Wortwahl im Schreiben
vom 13.06.2008, das die erste Gegendarstellung enthält, wieder. Die erste
Gegendarstellung umfasst mehrere und andere Gesichtspunkte. Die dritte im
Eilverfahren angegriffene Äußerung lässt sich im Schreiben vom 13.06.2008
wiederfinden. Die vierte angegriffene Äußerung wird mit unterschiedlichen
Aussagen richtig gestellt. Das Gegendarstellungsverlangen vom 13.06.2008
enthält zudem noch einen weiteren angegriffenen Punkt, der vom Eilverfahren
nicht umfasst ist, nämlich dass die Klägerin versuchen würde, Existenzen zu
vernichten und Kritiker einzuschüchtern.
Es ist unbeachtlich, dass der Beklagte sich in seinem Schreiben, mit welchem er
die Gegendarstellung ablehnt, nicht auf die fehlende Unterschrift berufen hat, da
es nicht Aufgabe des Verpflichteten ist, den Betroffenen auf seine Formfehler
aufmerksam zu machen. Der Einwand der Klägerin, ein erneutes
Gegendarstellungsverlangen sei entbehrlich gewesen, da der Beklagte die
Gegendarstellung bereits abgelehnt habe, geht fehl, da der Rechtsgedanke etwa
des § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB, der Entbehrlichkeit der Mahnung bei ernsthafter und
endgültiger Verweigerung der Leistung, nicht anwendbar ist. Die Mahnung erfolgt
nach Entstehung des Anspruches. Der konkrete Gegendarstellungsanspruch ist
aber erst gar nicht entstanden, da hierzu die unverzügliche Zuleitung einer
schriftlichen Gegendarstellung, die von dem Betroffenen oder seinem gesetzlichen
Vertreter handschriftlich unterzeichnet sein muss, Voraussetzung ist
(Löffler/Sedelmeier, a.a.O. Rn. 219).
Auch in dem Antrag im einstweiligen Verfügungsverfahren kann ein wirksames
Verlangen der Gegendarstellung nicht gesehen werden. Mit Zustellung des
Beschlusses ging dem Beklagten erstmals die Gegendarstellung in Form des
Antrags zu. Aber auch hier scheitert ein wirksames Gegendarstellungsverlangen
an der fehlenden eigenhändigen Unterschrift des gesetzlichen Vertreters der
Klägerin.
Die am Ende der mündlichen Verhandlung überreichte Gegendarstellung kann das
klägerische Begehren ebenfalls nicht rechtfertigen, da diese Gegendarstellung
nicht unverzüglich verlangt wurde.
Die Gegendarstellung ist von dem gesetzlichen Vertreter der Klägerin
unterschrieben und undatiert. Für die formelle Wirksamkeit einer Gegendarstellung
ist die Angabe von Ort und Zeit aber nicht notwendig (Löffler/Sedelmeier, a.a.O.,
Rn. 143). Bereits die Zuleitung der Gegendarstellung erscheint zweifelhaft, da die
Zuleitung an den Prozessbevollmächtigten nicht möglich ist (Löffler/Sedelmeier,
a.a.O., Rn. 219). Der Prozessbevollmächtigte oder auch der anwesende Mitarbeiter
der Rechtsabteilung hätten aber als Empfangsboten fungieren können mit der
Folge, dass die Gegendarstellung in dem Zeitpunkt zugegangen wäre, in dem
nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge die Weiterleitung an den Adressaten zu
erwarten gewesen wäre. Diese Frage kann aber dahinstehen, da die
Gegendarstellung auch unter der Annahme, dass sie in der mündlichen
Verhandlung hätte zugeleitet werden können, nicht unverzüglich verlangt worden
ist.
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In der Rechtsprechung ist sehr umstritten, ob die ursprünglich unverzüglich
zugegangene fehlerhafte Gegendarstellung später geändert werden kann, so dass
mit rechtzeitiger Zuleitung der ersten Fassung die Frist gewahrt ist. Dieser Streit
betrifft aber nur inhaltliche Änderungen der Gegendarstellung. Änderungen, die die
Gegendarstellung erst formal zulässig machen, führen dazu, dass die geänderte
Fassung nicht mehr in der ursprünglich fristgemäß geforderten Gegendarstellung
als sachliches Minus enthalten ist (Löffler/Sedelmeier, a.a.O., Rn. 158). Ein
konkreter Gegendarstellungsanspruch ist durch die zwar fristgemäße Zuleitung
der aber formunwirksamen ersten Gegendarstellung erst gar nicht entstanden
(Löffler/Sedelmeier, a.a.O., Rn. 219). Die Unverzüglichkeit kann demnach nicht
durch das Schreiben vom 13.06.2008 als gewahrt angesehen werden. Die
geänderte Gegendarstellung muss selbst die presserechtlichen Anforderungen
erfüllen, insbesondere fristgemäß zugestellt sein (Löffler/Sedelmeier, a.a.O.,).
§ 10 Hess PresseG sieht keine Frist vor, sondern verlangt nur, dass das
Gegendarstellungsverlangen ohne schuldhaftes Zögern erfolgt sein muss. Die
angegriffenen Äußerungen wurden in einer Sendung des Beklagten am ...
ausgestrahlt.
Das erste wirksame Gegendarstellungsverlangen erfolgte – wenn man die
Zuleitung an den Prozessbevollmächtigen für zulässig hält – in der mündlichen
Verhandlung vom 25.09.2008, also fast vier Monate nach der Sendung. Dies ist
nicht mehr als unverzüglich anzusehen. Der Begriff ist im Hess PresseG nicht
näher definiert. Selbst wenn man auf die Landespressegesetze anderer Länder
zurückgreifen würde, die einen Zeitraum von 3 Monaten nach der in Frage
stehenden Erstveröffentlichung vorsehen, wäre die Gegendarstellung verspätet.
Allerdings kann der Klägerin Fristversäumung nicht vorgeworfen werden, wenn sie
in Erkenntnis der Mangelhaftigkeit ihrer Gegendarstellung in der Form, alle
erforderlichen Maßnahmen für eine Abänderung unverzüglich ergreift
(Löffler/Sedelmeier, a.a.O., Rn. 158). Unverzüglich bedeutet nach der
Legaldefinition des § 121 Abs. 1 BGB "ohne schuldhaftes Zögern". Da das
Landgericht Frankfurt am Main die einstweilige Verfügung zunächst erlassen hat,
ist die dadurch entstandene Verzögerung der Klägerin nicht anzulasten.
Spätestens aber mit dem Schriftsatz des Beklagten vom 21.08.2008, bei der
Klägerin eingegangen am 26.08.2008, der unter Zitierung von Rechtsprechung,
insbesondere der Entscheidung des OLG Frankfurt am Main (AfP 2003, 459), auf
das unverzichtbare Formerfordernis der eigenhändigen Unterschrift hinweist, ist
Kenntnis des Formmangels der Gegendarstellung zu unterstellen. Auch die
Tatsache, dass die Klägervertreter zur mündlichen Verhandlung eine bereits durch
den nicht anwesenden Vertreter der Klägerin unterschriebene Version der
Gegendarstellung vorlegten, spricht dafür, dass die Klägerin sich vorbereitet und
also Kenntnis hatte. Dennoch erfolgte die Vorlage der unterschriebenen Fassung
erst am 25.09.2008, also mehr als 4 Wochen später. Mit einzubeziehen ist auch,
dass die Gegendarstellung noch ihren Zweck erreichen muss (Löffler/Sedelmeier,
a.a.O., Rn. 159). Unter Berücksichtigung, dass die angegriffene Ausstrahlung
bereits am ... erfolgte und bei der Gegendarstellung auch auf das Bewusstsein des
Zuschauers abzustellen ist, kann von Unverzüglichkeit des
Gegendarstellungsverlangens mehr als 4 Wochen nach Kenntnis von der formalen
Unwirksamkeit und mehr als 4 Monaten nach der Erstausstrahlung nicht mehr
ausgegangen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 6, 711
ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.