Urteil des LG Frankfurt am Main vom 14.03.2017

LG Frankfurt: eintragung im handelsregister, internet service provider, niederlassung, rechtsverletzung, drucksache, adresse, auskunftserteilung, begriff, berechtigter, anschrift

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Gericht:
LG Frankfurt 6.
Zivilkammer
Entscheidungsname:
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2-06 O 534/08,
2/06 O 534/08, 2-6
O 534/08, 2/6 O
534/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 16 UrhG, § 17 UrhG, § 19a
UrhG, § 101 UrhG, § 105 Abs 2
UrhG
Anspruch auf richterliche Anordnung der
Auskunftserteilung über Verkehrsdaten nach dem
Urheberrechtsgesetz
Tenor
Der Beteiligten ... wird wegen Dringlichkeit ohne Anhörung der Beteiligter im Wege
der einstweiligen Anordnung unter Verwendung von Verkehrdaten der
Antragstellerin Auskunft zu erteilen über Namen und Anschrift derjenigen Nutzer,
denen zu den im folgenden aufgeführten Tatzeitpunkten die jeweilige IP-Adresse
zugewiesen war:
IP-Adresse Datum
Uhrzeit
Trackanzahl
...
08.09.2008 12:ll:14(MESZ) 1Album (13 Tracks)
gestattet.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Der Antrag ist zulässig. Das Landgericht Frankfurt am Main ist gem. § 101 Abs. 9
Satz 2, 105 Abs. 2 UrhG zuständig, da die Beteiligte ... im Zuständigkeitsbereich
der Kammer jedenfalls eine Niederlassung mit Sitz in ... unterhält. Der Begriff der
Niederlassung in § 101 Abs. 9 Satz 2 UrhG ist nach Auffassung der Kammer
anhand der zu § 21 ZPO entwickelten Grundsätze auszulegen. Entscheidend ist
demnach, ob die Beteiligte eine selbständige Niederlassung im Gerichtsbezirk
unterhält. Selbständigkeit liegt dann vor, wenn von der Niederlassung aufgrund
berechtigter eigener Entscheidung unmittelbar Geschäfte abgeschlossen werden,
wobei weder die Rechtsfähigkeit der Niederlassung noch deren Eintragung im
Handelsregister zwingende Voraussetzung ist. Entscheidend ist vielmehr der vom
Stammhaus zurechenbar veranlasste Rechtsschein (Stein/Jonas, ZPO, 22.A., § 21
Rz. 14; Zöller, ZPO, 26.A., § 21 Rz. 4; Musielak, ZPO, 6.A:, § 21 Rz. 5ff., jeweils mit
Beispielen). Diese Voraussetzung ist zur Überzeugung der Kammer im
vorliegenden Fall aufgrund des unter ASt 3 zur Akte gereichten
Telefonbucheintrags ausreichend dargetan. Auf die (wohl fehlende) Eintragung im
Handelsregister kommt es deswegen nicht an.
II.
Der Antrag ist auch begründet. Die Voraussetzungen einer Anordnung gem. § 101
Abs. 2, 9 UrhG sind gem. § 15 FGG glaubhaft gemacht.
1. Die Antragstellerin ist als Inhaberin des ausschließlichen Verwertungsrechts i.S.
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1. Die Antragstellerin ist als Inhaberin des ausschließlichen Verwertungsrechts i.S.
§§ 16, 17, 19a UrhG an dem Albumtonträger mit dem Titel "..." des Künstlers ...
aktiv-legitimiert.
2. Durch das unbefugte öffentliche Zugänglichmachen des geschützten Werks
über ein Fiiesharing-System im Internet liegt eine offensichtliche Rechtsverletzung
im Sinne § 19a UrhG vor.
a. Voraussetzung einer Drittauskunft im Sinne § 101 Abs. 9 UrhG ist, entgegen der
Auffassung der Antragstellerin, dass auch die Verletzungshandlung in
gewerblichem Ausmaß im Sinne § 101 Abs. 1 UrhG erfolgte. Dies belegen die
Gesetzgebungsmaterialien. Bereits in Erwägungsgrund 14 der Richtlinie 2004/48
EG v. 29.4.2004 wird auf dieses Erfordernis hingewiesen. Zwar ist der Richtlinie zu
entnehmen, dass es dem nationalen Gesetzgeber überlassen wurde, auch bei
anderen - also etwa auch bei nicht gewerblichen -Rechtsverletzungen
Drittauskunftsansprüche zu normieren. Von dieser Möglichkeit hat der
Gesetzgeber in Deutschland jedoch erkennbar keinen Gebrauch gemacht. Zwar
lässt der Wortlaut des § 101 Abs. 2 UrhG wohl grundsätzlich beide Auslegungen zu.
Bereits in dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 20.4.2007 (BT-
Drucksache 16, 5048, S. 49) wurde jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass
der Drittauskunftanspruch eine Verletzungshandlung im gewerblichen Ausmaß
voraussetze. Zwar hatte der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 9.3.2007 auf
die Mehrdeutigkeit des Wortlauts hingewiesen und das Erfordernis einer
Verletzungshandlung im gewerblichen Ausmaß kritisiert (BR-Drucksache 64/07, S.
16f.). Der Rechtsausschuss des Bundestages hat sich jedoch in seiner
Beschlussempfehlung 9.4.2008 (BT-Drucksache 16, 8783) dieser Anregung
erkennbar nicht angeschlossen. Der Wortlaut des Entwurfs i.S. § 101 Abs. 2 UrhG
wurde unverändert übernommen. Aus den Stellungnahmen der
Mehrheitsfraktionen lässt sich entnehmen, dass am Erfordernis einer
Rechtsverletzung im gewerblichen Ausmaß festgehalten wurde (BT-Drucksache 16,
8783, S. 44ff.). Für dieses Ergebnis spricht auch die Systematik der Regelung: Es
wäre nicht einzusehen, warum gegenüber Dritten Auskunft unter erleichterten
Voraussetzungen verlangt werden könnte, obwohl selbst der Auskunftsanspruch
gegen den Verletzer die qualifizierte Voraussetzung einer Rechtsverletzung im
gewerblichen Ausmaß hätte.
b. Vorliegend ist eine Verletzungshandlung im gewerblichen Ausmaß glaubhaft
gemacht. Aus der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages
vom 9.4.2008 (BT-Drucksache 16, 8783, S. 50) ist zu entnehmen, dass für das
Merkmal des "gewerblichen Ausmaßes" nach dem Willen des Gesetzgebers nicht
nur die Anzahl der Rechtsverletzungen entscheidend sein soll, sondern auch die
Schwere der Rechtsverletzung das Vorliegen dieses Merkmals begründen kann.
Letzteres könne insbesondere dann der Fall sein, wenn besonders umfangreiche
Dateien, wie etwa ein vollständiges Musikalbum, vor oder unmittelbar nach der
Veröffentlichung in Deutschland im Internet zugänglich gemacht würden.
So liegt der Fall hier. Das dem Antrag zugrunde liegende Musikalbum wurde, wie
glaubhaft gemacht, erst am 29.8.2008 (Ast 8) veröffentlicht. Die dem Antrag
zugrunde liegenden Verletzungshandlung wurden wenig später, nämlich am
8.9.2008, 12.11 Uhr begangen, so dass hier aufgrund der Schwere der
Rechtsverletzung eine Verletzung in gewerblichem Ausmaß vorliegt.
c. Die ... bietet als Internet-Service-Provider in gewerblichem Ausmaß als
Dienstleistung die Verschaffung des Zugangs zum Internet an.
d. Die zu erteilende Auskunft kann nur unter Verwendung von Verkehrsdaten im
Sinne § 3 Nr. 30 TKG erfolgen. Zwar bezieht sich die Auskunft selbst nur auf
Bestandsdaten. Um die Auskunft zu erfüllen, wird die ... jedoch auf eine
Verknüpfungen der Bestandsdaten mit gespeicherten IP-Adressen, mithin auf
Verkehrsdaten, zurückgreifen müssen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 101 Abs. 9 Satz 5 UrhG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.