Urteil des LG Frankfurt am Main vom 07.11.2008

LG Frankfurt: geographische herkunftsangabe, verkehr, geschäftsführer, verwirkung, abmahnung, weiterverkauf, unternehmen, verjährung, markenrecht, unterlassen

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Gericht:
LG Frankfurt 12.
Kammer für
Handelssachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3/12 O 55/08, 3-12
O 55/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 126 MarkenG, § 127 Abs 1
MarkenG, § 128 Abs 1
MarkenG, § 5 UWG, § 8 Abs 3
Nr 2 UWG
Wettbewerbs- und Markenrecht: Aufschrift "Germany" auf
einem in Fernost hergestellten Messer
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung von Ordnungsgeld bis zu Euro
250.000,–, ersatzweise Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zu sechs
Monaten, zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, für jeden Fall der
Zuwiderhandlung zu unterlassen,
im Wettbewerb handelnd
Messer, die mit der Bezeichnung "Germany" versehen sind, zu bewerben und/oder
bewerben zu lassen und/oder zu vertreiben und/oder vertreiben zu lassen,
wenn dies geschieht wie nachstehend eingelichtet
2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin Euro 189,– nebst Zinsen
in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7.4.2008 zu
zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, hinsichtlich Ziffer 1 des Urteilstenors gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von Euro 15.000,–, im Übrigen gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e. V..
Die Beklagte hat ihren Sitz in .... Sie bewirbt und vertreibt Angelgeräte und
Zubehör. Hierzu gehören auch Messer, insbesondere Angel-, Jagd-, Klapp-, Filetier-
und Universalmesser. Das Sortiment ist aus dem Katalog 2008 ersichtlich
(Anlagen K 1/B 1). Auf den Seiten 188/189 bewirbt die Beklagte Messer mit dem
Aufdruck
"... ... Rostfrei
GERMANY"
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Die Beklagte bewirbt die Messer auch im Internet (Anlage K 2).
Mit der Behauptung, dieser Aufdruck sei irreführend, mahnte die Klägerin die
Beklagte mit Schreiben vom 15.10.2007 (Anlage K 6) erfolglos ab.
Die Klägerin führt aus, bei der von der Beklagten verwendeten Bezeichnung
"GERMANY" handele es sich um eine unmittelbare Herkunftsangabe i. S. von § 126
Abs. 1 MarkG. Sie werde von den angesprochenen Verkehrskreisen, welche die
Katalog- und Internetwerbung der Beklagten zur Kenntnis nähmen und die Messer
erwürben, als Herkunftsangabe in der Weise verstanden, die Messer der Beklagten
seien in Deutschland hergestellt worden. Da dies nicht der Fall sei, dürfe die
Beklagte die Bezeichnung "GERMANY" nicht für ihre Messer verwenden. Hilfsweise
werde der Unterlassungsanspruch auf die Vorschriften der §§ 3, 5 UWG gestützt.
Die Voraussetzungen der Verwirkung und Verjährung lägen nicht vor.
Die Beklagte sei verpflichtet, ihr – der Klägerin – die Kosten der Aufwendungen für
die Abmahnung anteilig zu erstatten.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte kostenpflichtig und vorläufig vollstreckbar zu verurteilen,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen
Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu Euro 250.000,–, ersatzweise Ordnungshaft,
oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, zu
unterlassen,
im Wettbewerb handelnd
Messer, die mit der Bezeichnung "Germany" versehen sind, zu bewerben und/oder
bewerben zu lassen und/oder zu vertreiben und/oder vertreiben zu lassen,
wenn die geschieht wie nachstehend eingelichtet
– es folgen im Klageantrag die Abbildungen,
die im Urteilstenor unter 1 wiedergegeben
sind (Anmerkung der Kammer) –
2. an die Klägerin Euro 189,– nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage kostenpflichtig abzuweisen,
hilfsweise,
ihr Vollstreckungsschutz zu gewähren.
Die Beklagte bestreitet den Irreführungstatbestand. Sie macht geltend, sie liefere
nicht an Letztverbraucher, sondern nur an gewerbliche Abnehmer
(Anglerbedarfsgeschäfte, Sportartikeleinzelhändler und andere gewerbliche
Abnehmer). Die von der Klägerin beanstandeten Anglermesser würden in Fernost
in Lohnfertigung hergestellt. Dortige Herstellerin sei also auch sie, die Beklagte.
Die Abnehmer verstünden die angegriffene Bezeichnung so, dass ein deutscher
Hersteller (= ein in Deutschland ansässiges Unternehmen) diese Produkte selbst
produziere und im Inland zum Verkauf bzw. Weiterverkauf anbiete. Das sei
zutreffend. Mit den Worten '...' werde keine Qualitätsbezeichnung i. S. V. "deutsche
Wertarbeit" behauptet. Die Bezeichnung "GERMANY" sei keine geografische
Herkunftsangabe, sondern eine betriebliche Angabe, die darauf hinweise, dass ein
inländischer Händler Waren anbiete.
Die Ansprüche der Klägerin seien verjährt, verwirkt und unterlägen dem Einwand
des Rechtsmissbrauchs. Auf dem Hintergrund des Vorgangs "Rosenkaimer" müsse
die Klägerin sich so behandeln lassen, als habe sie bereits im Jahr 2006 Kenntnis
von der (angeblichen) Verletzungshandlung erlangt.
Da die Abmahnung durch die Klägerin zu Unrecht erfolgt sei, stehe ihr der
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Da die Abmahnung durch die Klägerin zu Unrecht erfolgt sei, stehe ihr der
Kostenerstattungsanspruch nicht zu.
Wegen aller Einzelheiten des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt
der gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu den Akten gereichten Anlagen
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach den §§ 126,
127 Abs. 1, 128 Abs. 1 MarkG, 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG zu. Geographische
Herkunftsangaben im Sinne des MarkG sind die Namen von Ländern, die im
geschäftlichen Verkehr zur Kennzeichnung der geographischen Herkunft von
Waren (Anglermesser) benutzt werden, § 126 Abs. 1 MarkG. Sie dürfen im
geschäftlichen Verkehr nicht für Waren benutzt werden, die nicht aus dem Land
stammen, das durch die geographische Herkunftsangabe bezeichnet wird, wenn
bei der Benutzung solcher Namen für Waren anderer Herkunft eine Gefahr der
Irreführung über die geographische Herkunft besteht, § 127 Abs. 1 MarkG.
Streitgegenständlich sind die Kennzeichnungen, die Bestandteil der
Unterlassungsantrags sind. Auf der Klinge befindet sich in der oberen Zeile der
Firmenname ..., das Logo des ... und die Eigenschaftsangabe "Rostfrei", darunter
der Aufdruck "GERMANY". Abzustellen ist auf das Verständnis des Groß- und
Einzelhandels, aber auch auf das des Verbrauchers für Angelbedarf, denn dieser
sieht das Messer beim Kaufvorgang und bewertet den Aufdruck aus seiner Sicht.
Nicht nahe liegend ist die Vorstellung der Verkehrskreise, es handele sich bei der
Aufschrift "GERMANY" lediglich um eine betriebliche Angabe in dem Sinne, ein in
Deutschland ansässiges Unternehmen (...) biete im Inland die Waren zum Verkauf
bzw. zum Weiterverkauf an. Die Vorstellung geht weiter, nämlich in die Richtung
einer geographischen Herkunftsangabe. Die geographische Herkunftsangabe
"Made in Germany" ist den Verkehrskreisen aktuell präsent und wird zu der in der
Unterzeile allein stehenden Angabe "GERMANY" dahin assoziiert, damit werde
deklariert, dass Deutschland das Herstellerland sei. Dazu hat der Verkehr eine
besondere Veranlassung, weil in Deutschland Messerklingen – schon wegen
"Solingen" – als Qualitätsprodukte gelten und die Annahme nahe liegt, die
Beklagte wolle auf das Herkunfts- und Herstellungsland ("GERMANY") hinweisen.
Unstreitig werden die streitgegenständlichen Anglermesser nicht in Deutschland
hergestellt, sondern außerhalb Deutschlands im Wege der Lohnherstellung. Der
Verkehr erwartet aber, dass der Fertigungsbetrieb in Deutschland liegt und die
Entwicklungs- und Fertigungsstufen hier kontrolliert und überwacht werden. An
dieser Voraussetzung fehlt es bei der Lohnherstellung im Ausland.
Verjährung ist nicht eingetreten, §§ 20 MarkG, 195 BGB. Die Voraussetzungen der
Verwirkung (§§ 21 Abs. 4 MarkG, 242 BGB) liegen nicht vor, selbst wenn die
Klägerin seit Dezember 2006 Kenntnis von der Verletzungshandlung gehabt haben
sollte (was sie bestreitet). Der von der Beklagten behauptete Vorgang
"Rosenkaimer" – seine Richtigkeit unterstellt – rechtfertigt weder die Annahme der
Verwirkung noch die des Rechtsmissbrauchs.
Der Zahlungsanspruch der Klägerin ist nach den Grundsätzen der Geschäftsführer
ohne Auftrag (§§ 677, 683, 670 BGB) begründet. Der Zinsanspruch ergibt sich aus
den §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.
Da die Beklagte unterliegt, hat sie die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, § 91
Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr.
11, 709 Satz 1, Satz 2 ZPO.
Dem Vollstreckungsschutzantrag der Beklagten, den die Kammer als einen
solchen nach § 712 Abs. 1 ZPO auffasst, ist nicht stattzugeben, weil die hierzu
erforderlichen Voraussetzungen nicht vorgetragen und nicht glaubhaft gemacht
sind.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.