Urteil des LG Frankfurt am Main vom 14.03.2017

LG Frankfurt: bibliothek, teleologische auslegung, werken, forschung, beschränkung, lese, schranke, verfügung, begriff, ausnahme

Gericht:
LG Frankfurt 6.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2-06 O 378/10,
2/06 O 378/10, 2-6
O 378/10, 2/6 O
378/10
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 52b UrhG, § 97 UrhG, Art 5
Abs 2c EGRL 29/2001
Urheberrechtliche Probleme im Zusammenhang mit
elektronischen Leseplätzen in Bibliotheken
Leitsatz
1. § 52 b UrhG enthält als Annexkompetenz auch das Recht, ein digitales
Vervielfältigungsstück herzutstellen.
2. Der Anwendung von § 52b UrhG steht nur ein geschlossener Vertrag, nicht hingegen
ein bloßes Vertragsangebot des Rechtehinhabers entgegen.
3. Eine teleologische Auslegung von § 52b UrhG ergbit, dass nur eine öffentliche
Zugänglichmachung erlaubt ist, die Anschlussnutzungen wie das Ausdrucken oder das
Speichern auf USB-Sticks ausschließt.
Tenor
1.) Der Beklagten wird bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu EUR 250.000,
an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft von bis zu 6
Monaten tritt, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten für jeden einzelnen Fall der
Zuwiderhandlung verboten, Nutzern der Universitäts- und Landesbibliothek D. zu
ermöglichen, digitale Versionen der Werke, die im Verlag der Klägerin veröffentlicht
sind, insbesondere die „Einführung in die N.“ von S., an elektronischen
Leseplätzen der Bibliothek ganz oder teilweise auszudrucken und/oder auf USB-
Sticks oder andere Träger für digitalisierte Werke zu vervielfältigen und/oder solche
Vervielfältigungen aus den Räumen der Bibliothek mitzunehmen.
2.) Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin über sämtliche in Antrag 1 genannten
Handlungen Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen. Insbesondere sind
anzugeben:
wie viele Vervielfältigungsvorgänge in welchem Umfang hinsichtlich des jeweiligen
Werkes aus dem Verlag der Klägerin an elektronischen Leseplätzen ihrer Bibliothek
stattgefunden haben, und zwar aufgeschlüsselt nach Ausdrucken und
elektronischen Vervielfältigungen;
3.) Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeglichen
Schaden zu ersetzen, welcher Letztere durch die in Antrag 1 genannte Handlung
entstanden ist oder noch entstehen wird.
4.) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5.) Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
6.) Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 55.000 € vorläufig
vollstreckbar.
7.) Der Streitwert wird auf 100.000,-- € festgesetzt.
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Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit der von der Beklagten in ihrer
Bibliothek zur Verfügung gestellten elektronischen Leseplätze.
Die Klägerin ist ein Verlag, der in seinem Verlagsportfolio hauptsächlich
wissenschaftliche Literatur führt. Zu dem Verlagsprogramm der Klägerin zählen
diverse Lehrbücher zu den Fächern Geowissenschaft, Biologie,
Umweltingenieurwissenschaft und Geschichte. Unter anderem verlegt die Klägerin
auch das streitgegenständliche Werk „Einführung in die N.” von S., welches derzeit
in der 4. Aufl. am Markt erhältlich ist. Die Klägerin unterbreitete mit Schreiben vom
19.1.2009 (Anlage K 4) der Beklagten ein Angebot zur Nutzung ihres E-Book-
Programms an. Auf das Angebot der Klägerin reagiert die Beklagte nicht.
Die Beklagte ist als Universität des Landes Hessen eine rechtsfähige Körperschaft
des öffentlichen Rechts. Ihre Zentralbibliothek ist die Universitäts- und
Landesbibliothek (ULB). Die Beklagte hält in ihrem Bestand sieben Exemplare des
streitgegenständlichen Buchs „Einführung in die neuere Geschichte” von S.. Im
Januar 2009 wurde dieses Werk zum Zweck der Bereitstellung an elektronischen
Leseplätzen digitalisiert. Hierbei wurden die einzelnen Kapitel als PDF-Dateien
gespeichert und Anfang Februar 2009 in die Datenbank eingepflegt, welche den
elektronischen Leseplätzen zu Grunde liegt. Die Klägerin stellt zum Abruf für den
Benutzer einen PDF-Reader der Fa. zur Verfügung. Die einzelnen Dateien
sind Grafikdateien, die einer modernen Textverarbeitung nicht zugänglich sind. Der
Aufruf der fraglichen PDF-Dateien ist über die in den Räumlichkeiten der Klägerin
zur Verfügung gestellten elektronischen Leseplätze möglich, nicht hingegen über
Netzwerkeinwahl von außerhalb. Simultan können jeweils nur so viele identische
PDF-Dateien aufgerufen werden, wie Printexemplare im Bibliotheksbestand
vorhanden sind. Die fraglichen Dateien können in technischer Hinsicht am
elektronischen Leseplatz eingesehen werden.
Die Beklagte hat die Nutzung dieser Leseplätze zunächst so ausgestaltet, dass
jeder Nutzer ohne Kontrolle und ohne Vorlage eines Benutzerausweises die
Leseplätze nutzen konnte. Weiterhin waren der unbeschränkte Ausdruck sowie die
Speicherung der Dateien auf einen USB-Stick möglich. An den Leseplätzen hat die
Klägerin zunächst folgenden Hinweis erteilt: „Die digilehrbücher können aus
rechtlichen Gründen nur in den Räumen der ULB angeboten werden, unter
Einhaltung bestimmter Bedingungen (mehr …). Die ULB sorgt durch technische
und organisatorische Maßnahmen für die Einhaltung dieser Bestimmungen. Wir
machen darauf aufmerksam, dass ein Vervielfältigen oder Weiterleiten der
digilehrbücher verboten ist.”
Hinter dem als Link ausgestalteten Textbestandteil „(mehr…)” folgte eine
detaillierte Erläuterung zu den Vorgaben des § 52b UrhG.
Nach einer Abmahnung durch die Klägerin machte die Beklagte die Nutzung der
Plätze vom Vorhandensein eines Benutzerausweises abhängig, der nach den
Nutzungsbedingungen (Anlage K 9) jede Person ab 16 Jahren mit Wohnsitz in
Deutschland beantragen konnte.
Im Verlauf des einstweiligen Verfügungsverfahrens in dieser Sache konkretisierte
die Beklagte den Urheberhinweis wie folgt: „Wir machen darauf aufmerksam, dass
die Benutzung des elektronischen Leseplatzes nur zur Forschung und für private
Studien gestattet ist. Ein Vervielfältigen (Ausdrucken/Speichern) ist nur statthaft,
soweit der Nutzer nach § 53 UrhG (privater und sonstiger Gebrauch) privilegiert ist.
Jede Weiterverbreitung ist untersagt.”
Weitergehende Kontrollen gab und gibt es für die Nutzer der Bibliothek weder beim
Betreten noch beim Verlassen der Bibliothek.
Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stehe ein Unterlassungsanspruch nach § 97 UrhG
zu, da sowohl die Digitalisierung des streitgegenständlichen Buches als auch die
öffentliche Zugänglichmachung rechtswidrig seien. Die Digitalisierung des Buches
sei nicht nach § 52b UrhG privilegiert. Aus dem Wortlaut von § 52b UrhG ergebe
sich keine Vervielfältigungsbefugnis. Hierin unterscheide sich § 52b UrhG von § 52
a Abs. 3 UrhG, der auch die zur öffentlichen Zugänglichmachung erforderlichen
Vervielfältigungen ausdrücklich regele und gestatte. Gleiches gelte für § 50 Abs. 1
UrhG. Werde dort das Vervielfältigungsrecht ausdrücklich geregelt, müsse im
Umkehrschluss davon ausgegangen werden, der Gesetzgeber habe bei § 52 b
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Umkehrschluss davon ausgegangen werden, der Gesetzgeber habe bei § 52 b
UrhG bewusst keine Vervielfältigungskompetenz regeln wollen, zumal ihm bekannt
war, dass eine Vervielfältigungskompetenz hätte geregelt werden müssen, wenn
er sie hätte vorsehen wollen. Es fehle daher auch schon an der für eine Analogie
notwendigen Regelungslücke. Zudem komme die Schranke des § 52b UrhG nur
zum Zuge, soweit dem keine vertraglichen Regelungen entgegen stünden. Diese
Einschränkung beziehe auch Vertragsangebote wie das von der Klägerin
abgegebene ein. Dies ergebe sich auch aus der Regelung zugrunde liegenden
Richtlinie 2010/29/EG, hier insbesondere aus Art. 5 Abs. 3 n Info-RL.
beantragt
1.) der Beklagten wird bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu Euro
250.000, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft bis zu
6 Monaten tritt, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten für jeden einzelnen Fall der
Zuwiderhandlung verboten,
a) Lehrbücher oder andere Werke aus dem Verlag der Klägerin, insbesondere
die „Einführung in die neuere Geschichte“ von S., zu digitalisieren oder
digitalisieren zu lassen und/oder in digitalisierter Form für öffentliche Wiedergabe
insbesondere an elektronischen Leseplätzen der Universität und Landesbibliothek
D. zu benutzen, wenn nicht die Beklagte zuvor mit der Klägerin geklärt hat, ob die
Klägerin für die digitale Nutzung einen angemessenen Lizenzvertrag anbietet, oder
wenn die Klägerin einen angemessenen Lizenzvertrag anbietet;
b) wie erkannt.
2.) Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin über sämtliche in Antrag 1
genannten Handlungen Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen. Insbesondere
sind anzugeben:
a) Titel, Auflage und Erscheinungsjahr sämtlicher Werke (Lehrbücher,
Zeitschriften etc.), die im Verlag der Klägerin veröffentlicht wurden und in der
Universitäts- und Landesbibliothek D. in digitalisierter Form an elektronischen
Leseplätzen zugänglich gemacht werden oder zugänglich gemacht wurden;
b) seit wann Werke aus dem Verlag der Klägerin an elektronischen Leseplätzen
ihrer Bibliothek zugänglich gemacht werden oder zugänglich gemacht wurden;
c) wie viel Nutzern ihrer Bibliothek das jeweilige Werk aus dem Verlag der
Klägerin an wie vielen elektronischen Leseplätzen zugänglich gemacht worden ist;
d) wie viele Vervielfältigungsvorgänge in welchem Umfang hinsichtlich des
jeweiligen Werkes aus dem Verlag der Klägerin an elektronischen Leseplätzen ihrer
Bibliothek stattgefunden haben, und zwar aufgeschlüsselt nach Ausdrucken und
elektronischen Vervielfältigungen;
e) die vollständigen Namen und Anschriften derjenigen Personen oder
Institutionen, die eine Digitalisierung der Werke aus dem Verlag der Klägerin
mitgewirkt haben oder von denen die Universitäts- und Landesbibliothek D. die
digitalisierte Version des betreffenden Werkes bezogen hat.
3.) Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeglichen
Schaden zu ersetzen, welcher Letztere durch die in Antrag 1 genannte Handlung
entstanden ist oder noch entstehen wird.
Die Beklagte wird verurteilt, sämtliche digitalisierten Fassungen der Werke aus
dem Verlag der Klägerin, insbesondere das Digitalisat des Buches „Einführung in
die N.“ von S., durch Herausgabe an einen zur Vernichtung bereiten
Gerichtsvollzieher auf ihre Kosten zu vernichten.
beantragt
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht § 52b UrhG begründe eine Annex-Kompetenz zur Digitalisierung
der Bestandswerke, da ansonsten die Vorschrift weitgehend leerliefe. Die
Vorschrift des § 52b UrhG schränke durch „entgegenstehende vertragliche
Regelungen“ den Anwendungsbereich nur insoweit ein, als bereits bestehende
Lizenzverträge betroffen seien. Vertragsangebote wie sie die Klägerin abgegeben
habe, seien hierfür nicht ausreichend.
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Im Hinblick auf die Vervielfältigungsmöglichkeiten sind die Beklagten der Ansicht, §
52b UrhG keine Beschränkung auf einen reinen „Lese“-Platz enthalte. Die
Beklagte hafte auch nicht als Störerin, da eine privilegierte Nutzung der Nutzer der
Bibliothek nach § 53 UrhG vorliege. Im Übrigen habe die Beklagte durch adäquate
Warnhinweise ihren Pflichten genügt.
Zur Vervollständigung des Tatbestandes wird auf sämtliche zwischen den Parteien
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen
Verhandlung vom 02.02.2011 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage erweist sich im Hinblick auf den Antrag 1a) samt
Folgeanträgen als unbegründet (A.); sie war daher abzuweisen. Im Übrigen hatte
die Klage Erfolg (B.).
A.
Im Hinblick auf den Antrag 1a) sowie die hieran anknüpfenden Folgeanträge war
die Klage abzuweisen, weil der in der Herstellung einer digitalen Kopie des
streitgegenständlichen Werkes liegende Eingriff in das Vervielfältigungsrecht der
Klägerin durch die Schrankenregelung des § 52b UrhG gerechtfertigt ist.
I.
Der Anwendung von § 52b UrhG – dessen Tatbestandsvoraussetzungen im
Übrigen unstreitig erfüllt sind - steht keine vertragliche Regelung entgegen.
1.) Ob mit der Tatbestandsvoraussetzung der „entgegenstehenden vertraglichen
Regelungen“ lediglich bestehende vertragliche Regelungen gemeint sind oder
auch Vertragsangebote erfasst werden sollen, wird unterschiedlich bewertet (vgl.
etwa zum Streitstand , UrhG, 3. Aufl. [2008], § 52b Rdnr. 12;
, MMR 2007, 617; , NJW 2008, 13; in: ,
UrhR, 2. Aufl. [2006], § 52b Rdnr. 27; , in: , UrhG,
10. Aufl. [2008], § 52b Rdnr. 11).
Nach Auffassung der Kammer wird die Anwendung des § 52 b UrhG nicht bereits
durch das Vorliegen eines Vertragsangebots ausgeschlossen, wie dies die Klägerin
meint.
Nach sowohl dem Wortlaut, dem systematischen Zusammenhang als auch dem
den Gesetzgebungsmaterialien entnehmbaren Willen des Gesetzgebers soll § 52 b
UrhG vielmehr lediglich durch bestehende vertragliche Regelungen
ausgeschlossen werden. Zunächst stellt der Wortlaut von § 52 b UrhG in dem hier
maßgeblichen Zusammenhang auf „vertragliche Regelungen” ab. Bereits dieser
Begriff ist seinem originären Wortverständnis nach - anders als die Klägerin meint -
nur schwer mit einem Vertragsangebot vereinbar. Denn ein Angebot bleibt
einseitig und kann deswegen eine „Regelung”, also eine beidseitig bindende
Vereinbarung nicht begründen. Dieses originäre Wortverständnis entspricht auch
dem systematischen Zusammenhang der Regelung. Insbesondere differenziert
das Gesetz in § 53a Abs. 1 S. 3 UrhG, in dem es bereits auf das „Ermöglichen”
einer vertraglichen Regelung abstellt, klar in seinem Wortlaut, wenn bereits ein
Vertragsangebot genügen soll.
Dass es sich hierbei auch nicht um ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers
handelt, belegen die Gesetzgebungsmaterialien und die Gesetzgebungshistorie.
Die vorstehend dargestellte Differenzierung findet sich bereits in dem
Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 15. 6. 2006 (BT-Dr 16/1828). Hier wird
ausdrücklich zwischen vertraglichen Regelungen i.S. des § 52b UrhG, die
(BT-Dr 16/1828, S. 26), und Angeboten i.S. des § 53a UrhG (BT-Dr
16/1828, S. 27) unterschieden. Da der Entwurf in der hier entscheidenden Passage
trotz Kritik (vgl. etwa die Stellung des Sachverständigen im Rechtsausschuss
vom 20. 11. 2006, S. 9; Formulierungsvorschlag des Deutschen
Bibliothekenverbandes des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels vom 23. 3.
2007) im Gesetzestext fortgeführt wurde, ist ein Redaktionsversehen des
Gesetzgebers auszuschließen.
An dieser, bereits im Eilverfahren zugrunde gelegten und durch das
Oberlandesgericht Frankfurt bestätigten Auffassung hält die Kammer weiterhin
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Oberlandesgericht Frankfurt bestätigten Auffassung hält die Kammer weiterhin
fest.
2.) Dieses Auslegungsergebnis steht auch nicht im Widerspruch zu der Regelung
des Art. 5 III lit. n der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 22. 5. 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des
Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft
(Info-RL ABlEG Nr. L 167 v. 22. 6. 2001, S. 10), deren Umsetzung § 52 b UrhG
dient.
Der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt hat in seinem Urteil vom
24.11.2009 im gleichgelagerten einstweiligen Verfügungsverfahren (11 U 40/09;
GRUR-RR 2010, 1) ausgeführt: „Nach Art. 5 III lit. n Info-RL können die
Mitgliedstaaten Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf die in den Art. 2
und 3 Info-RL vorgesehenen Rechte vorsehen für die Nutzung von Werken und
sonstigen Schutzgegenständen, für die keine Regelungen über Verkauf und
Lizenzen gelten und die sich in den Sammlungen der Einrichtungen gem. Art. 5 II
lit. c Info-RL befinden, durch ihre Wiedergabe oder Zugänglichmachung für einzelne
Mitglieder der Öffentlichkeit zu Zwecken der Forschung und privater Studien auf
eigens hierfür eingerichteten Terminals in den Räumlichkeiten der genannten
Einrichtungen.
Dieser Wortlaut der deutschen Fassung der Richtlinie wird unterschiedlich
interpretiert. Er wird von einem Teil des Schrifttums so verstanden, dass die Werke
weder käuflich noch zu Lizenzbedingungen erhältlich sein dürften, weshalb die
Möglichkeit eines Vertragsabschlusses genüge, um die Privilegierung zu beseitigen
(so , GRUR 2007, 754 - 759; , Europ. UrheberR, 2001, Kap. 5 Rdnr.
135). Naheliegender erscheint es jedoch, als maßgeblich anzusehen, dass keine
Regelungen , also kein Vertrag tatsächlich geschlossen sei (so in:
HK-UrhR, § 52b Rdnr. 12). Bei der Auslegung des Gemeinschaftsrechts muss dem
Umstand Rechnung getragen werden, dass die gemeinschaftsrechtlichen Normen
in mehreren Sprachen abgefasst werden und die verschiedenen sprachlichen
Fassungen gleichermaßen verbindlich sind. Hieraus und aus dem Grundsatz der
einheitlichen Auslegung ergibt sich, dass eine einzelne Sprachfassung nicht für
sich allein ausgelegt werden darf, sondern dass die Sprachfassungen der übrigen
Mitgliedstaaten in die Auslegung einbezogen werden müssen (vgl. , Urt. v. 6.
10. 1982 C-283/81, BeckRS 2004, 72919 CILFIT, Rdnr. 18; EuZW 2004, 505, Rdnrn.
22ff. ).
Die englische Sprachfassung der maßgeblichen Passage des deutschen
Richtlinientextes („Werken und sonstigen Schutzgegenständen, für die keine
Regelungen über Verkauf und Lizenzen gelten”) lautet: „works and other subject-
matter not subject to purchase or licensing terms.” Die Kl. will „subjekt to” mit
„vorbehaltlich” übersetzen. Dies ist jedoch nur eine Möglichkeit. Die andere, hier
näherliegende Möglichkeit ist die Übersetzung mit „unterworfen” bzw.
„unterliegend”. Danach wäre zu übersetzen: „die nicht dem Kauf oder
Lizenzbedingungen unterworfen sind.” Die englische Sprachfassung spricht
danach noch deutlicher als die deutsche Sprachfassung dagegen, ein bloßes
Vertragsangebot als ausreichend anzusehen.
Die französische Sprachfassung der maßgeblichen Passage lautet: „d'oeuvres et
autres objets protégés … qui ne sont pas soumis à des conditions en matière
d'achat ou de licence”. „soumettre” bedeutet ebenfalls „unterwerfen”. Die im
Perfekt Passiv konjugierte Passage „qui ne sont pas soumis” wäre danach zu
übersetzen mit „die nicht unterworfen sind”. Auch die französische Sprachfassung
spricht danach dagegen, dass ein bloßes Vertragsangebot genügt (ebenso
in: HK-UrheberR, § 52b Rdnr. 12).
Die Gegenmeinung will aus den Begriffen „licensing terms” bzw. „matière de
licence” ableiten, die Möglichkeit einer Lizenzierung sei ausreichend (so ,
in: Festschr.f. Loewenheim, S. 287 [289]; , in: , § 52b Rdnr.
12). Dem steht jedoch entgegen, dass der Wortlaut der englischen und
französischen Sprachfassung eher dafür spricht, dass die Werke und sonstigen
Schutzgegenstände, bereits Lizenzbedingen unterworfen sein müssen. Der Text
der Richtlinie spricht danach nicht dafür, dass die Möglichkeit eines
Vertragsangebots ausreichend sein soll.
Bei der Auslegung einer Gemeinschaftsvorschrift sind neben ihrem Wortlaut auch
der Regelungszusammenhang, in dem sie steht, sowie die mit der Regelung
verfolgten Ziele zu berücksichtigen (vgl. GRUR 2007, 871, 874 Rdnr. 33
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verfolgten Ziele zu berücksichtigen (vgl. GRUR 2007, 871, 874 Rdnr. 33
Wagenfeld-Leuchte). Damit sind bei der Auslegung einer Richtlinie auch deren
Erwägungsgründe zu berücksichtigen.
Nach dem Erwägungsgrund 45 sollen die in Art. 5 II, III und IV vorgesehenen
Ausnahmen und Beschränkungen vertraglichen Beziehungen zur Sicherstellung
eines gerechten Ausgleichs für die Rechtsinhaber nicht entgegenstehen, soweit
dies nach innerstaatlichem Recht zulässig ist. Dies lässt sich ohne Weiteres im
Sinne eines Vorrangs tatsächlich bestehender Vertragsbeziehungen verstehen (so
, in: HK-UrheberR, § 52b Rdnr. 12). Teilweise wird die Ansicht vertreten, die
Sicherstellung eines gerechten Ausgleichs erfordere, dass auch die Möglichkeit
vertraglicher Regelungen die Anwendung der Schrankenbestimmung ausschließen
müsse, weil es anderenfalls in der Hand der Bibliotheken liege, durch die
Ablehnung eines Vertragsschlusses die Anwendung des § 52 b UrhG zu erreichen (
, ZUM 2009, 665, 666). Mit Recht wird jedoch darauf hingewiesen,
dass es umgekehrt zu erheblichen praktischen Schwierigkeiten führen dürfte,
wollte man ein angemessenes Lizenzangebot ausreichen lassen ( , in: HK-
UrheberR, § 52b Rdnr. 12). Die Anwendung der Schrankenregelung des § 52 b
UrhG hinge dann nämlich jeweils davon ab, ob die (gerichtliche) Prüfung des
Angebots ergibt, dass es als angemessen einzustufen ist. Die damit verbundene
Rechtsunsicherheit könnte dazu führen, dass die Bibliotheken von der im
öffentlichen Interesse liegenden Schrankenregelung des § 52 b UrhG keinen
Gebrauch machen.
Der Erwägungsgrund 52 fordert für Beschränkungen im Hinblick auf
Vervielfältigungen zum privaten Gebrauch ausdrücklich, die Anwendung freiwilliger
Maßnahmen zu fördern, mit denen dafür Sorge getragen wird, dass die Ziele
derartiger Ausnahmen oder Beschränkungen erreicht werden können. Einen
Rückschluss auf einen Vorrang erst noch zu schließender vertraglicher Regelungen
im Rahmen des § 52 b UrhG erlaubt dies nicht.
Laut Erwägungsgrund 40 S. 1 können die Mitgliedstaaten eine Ausnahme oder
Beschränkung zu Gunsten bestimmter nicht kommerzieller Einrichtungen, wie der
Öffentlichkeit zugängliche Bibliotheken und ähnliche Einrichtungen sowie Archive,
vorsehen. Nach S. 5 dieses Erwägungsgrundes sollen spezifische Verträge und
Lizenzen, die diesen Einrichtungen und ihrer Zweckbestimmung zur Verbreitung
der Kultur in ausgewogener Weise zu Gute kommen, unterstützt werden. Auch
daraus lässt sich ein Vorrang erst noch zu schließender vertraglicher Regelungen
im Rahmen des § 52 b UrhG nicht herleiten. Es werden im Gegenteil die Aufgaben
und Interessen der Bibliotheken in den Vordergrund gestellt.
Das Auslegungsergebnis, dass bloße Vertragsangebote nicht ausreichen, um die
Befugnisse aus § 52 b UrhG zu beseitigen, hält auch einer Überprüfung an Hand
des so genannten Drei-Stufen-Tests stand. Nach Art. 5 V Info-RL dürfen die in den
Abs. 1, 2, 3 und 4 genannten Ausnahmen und Beschränkungen nur in bestimmten
Sonderfällen angewandt werden (Stufe 1), in denen die normale Verwertung des
Werkes oder des sonstigen Schutzgegenstands nicht beeinträchtigt wird (Stufe 2)
und die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers nicht ungebührlich verletzt
werden (Stufe 3).
Insoweit wurden im Schrifttum Bedenken geäußert, § 52 b UrhG könnte mit der
zweiten Stufe des Drei-Stufen-Tests nicht in Einklang stehen, wonach eine
Schrankenbestimmung die normale Werkverwertung nicht beeinträchtigen darf
(, GRUR 2007, 754, 760). Soweit diese Bedenken damit begründet wurden,
die Bibliotheken könnten sich auf den Erwerb eines Werkexemplars beschränken,
zugleich aber den Nutzern eine unbeschränkte Zugriffsmöglichkeit einräumen, ist
der Einwand durch die in das Gesetz aufgenommene Bestandsakzessorietät (§ 52
b S. 2 UrhG) überholt. Dass der Absatzmarkt für Fachbücher durch die
Schrankenregelung über Gebühr beeinträchtigt wird, erscheint nicht ausreichend
belegt. Gerade im Universitätsbereich dürften die finanziellen Möglichkeiten der
Studierenden in der Mehrzahl der Fälle ohnedies nicht ausreichen, um
Fachliteratur käuflich zu erwerben. Die Regelung des § 52 b UrhG erscheint auch
dann nicht unverhältnismäßig, wenn man die Vorschrift dahingehend auslegt, dass
die Bibliotheken eine angebotene Lizenzvereinbarung nicht wahrnehmen müssen.
Die berechtigten Interessen der Rechtsinhaber erscheinen durch die
Bestandsakzessorietät und durch die Einschränkung auf die Nutzung zur
Forschung und für private Studien in ausreichendem Maß gewahrt. Aus diesem
Grund bestehen auch keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken
gegen die Schrankenregelung des § 52 b UrhG.
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Nach alledem genügt auch auf der Grundlage einer richtlinienkonformen
Auslegung und unter Berücksichtigung der Anforderungen des Art. 5 V Info-RL und
des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die bloße Möglichkeit einer
Lizenzvereinbarung nicht für die Beseitigung der Schrankenbestimmung des § 52
b UrhG.“
Dem schließt sich die Kammer vollumfänglich an. Im Übrigen ist unter
verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten darauf hinzuweisen, dass der Urheber mit
der Zugänglichmachung nach § 52 b UrhG einen Vergütungsanspruch erhält, der
über eine Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden kann. Er erhält damit
einen Ausgleich für die ihm möglicherweise erschwerte Verwertung seines Werkes.
III.
Nach ganz überwiegender Auffassung in der Literatur, die die Kammer teilt,
begründet § 52b UrhG eine Annex-Berechtigung zur Digitalisierung des Werkes,
weil die Bestimmung anderenfalls weitgehend leerliefe. Denn um die
Zugänglichmachung zu ermöglichen, müssen die privilegierten Einrichtungen in
aller Regel ein dazu erforderliches digitales Vervielfältigungsstück herstellen (OLG
Frankfurt, GRUR-RR 2010, 1; vgl. in: , § 52b Rdnr. 14;
in: HK-UrheberR, § 52b 13; , in: , § 52b Rdnr. 14;
, in: , UrhG, § 52b Rdnr. 10; BT-Dr 16/1828, S. 26 und BT-Dr
16/5939, S. 44; , GRUR 2007, 754, 756; , NJW 2008, 13; , K & R
2009, 514 [515]; a.A. , K & R 2008, 284 [287], der allerdings über eine
analoge Anwendung von § 52a III UrhG zum selben Ergebnis kommt). Ansonsten
würde die Bestimmung weitgehend leerlaufen; um die Zugänglichmachung zu
ermöglichen, müssen die privilegierten Einrichtungen in aller Regel ein dazu
erforderliches digitales Vervielfältigungsstück herstellen.
B.
Der Klägerin steht der begehrte Unterlassungsanspruch gem. Ziff. 1b) des Tenors
aus § 97 Abs. 1 UrhG zu, da die Ermöglichung des Ausdrucks und der digitalen
Vervielfältigung des streitgegenständlichen Werks in das Vervielfältigungsrecht der
Klägerin nach 16 UrhG eingreift, ohne dass dieser Eingriff durch die
Schrankenregelung des § 52b UrhG gerechtfertigt ist. Eine Auslegung von § 52b
UrhG ergibt, dass die Schrankenregelung nur eine (örtlich und umfänglich)
eingeschränkte öffentliche Zugänglichmachung erlaubt; hierbei ist die Eröffnung
von Vervielfältigungsmöglichkeiten nicht erlaubt.
I.
Es kann dahinstehen, ob bereits der Wortlaut dazu führt, eine
Vervielfältigungsmöglichkeit als nicht erfasst anzusehen. Zwar spricht § 52b UrhG
von elektronischen plätzen; indes ist es schon begrifflich nicht zwingend,
einen „Lese“platz als „Nur-Lese“-Platz aufzufassen. Es handelt es sich nach dem
allgemeinen Sprachgebrauch um einen tradierten Begriff aus der Bibliothekswelt,
der lediglich bezeichnet, dass ein Nutzer einer Bibliothek zum Zwecke des
Studiums der von ihm ausgewählten Literatur einen Platz zur Verfügung hat. Dies
folgt bereits daraus, dass die Schranke nicht auf bestimmte Werkgattungen
beschränkt ist, sondern die Zugänglichmachung sämtlicher Werke im Sinne des §
2 UrhG erlaubt. Der Bestand einer Bibliothek umfasst neben Büchern auch nicht
lesbare Musik- oder Filmwerke. Solche Werke darf der Nutzer an den
„Leseplätzen“ hören und betrachten, so dass der Begriff des Leseplatzes nicht im
engen wörtlichen Sinne zu verstehen ist und eine inhaltliche Aussage über die
Reichweite der Schrankenregelung damit wohl nicht verbunden ist (Steinbeck, NJW
2010, 2852, 2854; Pfeifer, GRUR-Prax 200960; Jani in: Wandtke/Bullinger, UrhR, 3.
Aufl., § 52b, Rnr. 12).
Hinzu kommt, dass sich auch aus der Richtlinie 2001/29/EG, deren Umsetzung die
Regelung des § 52b UrhG dient, eine derartige Beschränkung aus dem Wortlaut
nicht ergibt. Art. 5 Abs. 3n der Richtlinie gibt vor, dass nur die Nutzung auf „hierfür
eingerichteten Terminals“ in den Räumen der Bibliothek privilegiert ist. In der
englischen Version lautet der Text „dedicated terminals“. Auch aus dem Wortlaut
der Richtlinie kann sich daher eine Beschränkung nicht ergeben.
II.
Allerdings ergibt eine teleologische Auslegung der Norm, dass die Schranke des §
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Allerdings ergibt eine teleologische Auslegung der Norm, dass die Schranke des §
52 b UrhG nur eine Einrichtung von Terminals erlaubt, die einen Ausdruck (1.)
und/oder eine Speicherung des Werkes auf USB-Stick (2.) ausschließen.
1.) Nach dem Willen des Gesetzgebers soll der geschaffene § 52 b UrhG eine
Nutzung ermöglichen, die der analogen Nutzung vergleichbar ist (BT-DS 16/1828,
S. 26). Da das Angebot hier im Wesentlichen auf wissenschaftliche Arbeit mit
Texten gerichtet ist, umfasst dies – abstrakt gesehen – grundsätzlich auch die
Möglichkeit einer Vervielfältigung durch Ausdruck. Nach Auffassung der Kammer
liegt jedoch in der Möglichkeit des Ausdrucks an Leseplätzen, wie es die Beklagte
ermöglicht, ein im Vergleich zur herkömmlichen Vervielfältigung erheblicher
qualitativer Unterschied. Geht die Vervielfältigung eines gedruckten Werkes mit
einem erheblichen Aufwand einher, kann die Vervielfältigung einer digitalen
Version grundsätzlich „auf Knopfdruck“ als Ausdruck ohne weitere Anstrengung
erfolgen. Insofern würde eine Auslegung von § 52b UrhG, der eine Vervielfältigung
durch Ausdruck ermöglicht, über das Ziel des Gesetzgebers hinausgehen, eine der
analogen Nutzung „vergleichbare“ Nutzung zu ermöglichen; sie würde vielmehr
qualitativ hierüber deutlich hinausgehen.
2.) Im Hinblick auf die Vervielfältigung auf USB-Stick gelten die Ausführungen zu
1.) noch verstärkt. Hinzu kommt, dass nach dem eindeutigen Wortlaut des § 52b
UrhG sich das Angebot auf eine Nutzung in den Räumen der Bibliothek
beschränken muss. Ließe man die Speicherung und Mitnahme der Digitalisate
selbst zu, würde – anders als bei der Mitnahme eines Ausdrucks – eine Nutzung
des geschaffenen Angebots auch außerhalb der Räumlichkeiten der Bibliothek
ermöglicht. Dies ist durch die Regelung des § 52 b UrhG nicht mehr gedeckt.
III.
Die Auslegung der Kammer wird auch den europarechtlichen Vorgaben gerecht.
1.) Nach Art. 5 Abs. 3 n Info-RL ist die Ausnahme beschränkt auf Zwecke der
Forschung und private Studien auf eigens hierfür eingerichteten Terminals in den
Räumlichkeiten der genannten Einrichtungen. Nach Erwägungsgrund 40 der
Richtlinie sollte eine Online-Lieferung von geschützten Werken nicht unter die
Ausnahme fallen. Diesen beiden Teilen der Richtlinie ist der Wille des europäischen
Gesetzgebers zu entnehmen, den Gefahren der Digitalisierung von Werken zu
begegnen. Sowohl die Begrenzung auf Räumlichkeiten der Bibliothek als auch das
Verbot der Online-Lieferung z.B. zum Nutzer nach Hause sollen verhindern, dass
digitale Versionen der Werke durch Verlassen des kontrollierbaren Bereichs der
Bibliothek unkontrolliert und – bei digitalisierten Werken für den Urheber
besonderen einschneidend – ohne Qualitätsverlust weiterkopiert werden können,
ohne dass der Urheber dies verhindern kann.
2.) Die Kammer ist der Auffassung, dass eine Auslegung, die einen Ausdruck und
einen Vervielfältigung durch Speicherung auf USB-Sticks erlauben würde, mit Art.
5 Abs. 5 der Richtlinie (Drei-Stufen-Test) unvereinbar wäre. Es ist schon fraglich, ob
hier nicht bereits auf der zweiten Stufe eine normale Verwertung des Werkes
beeinträchtigt wäre. Für die Speicherung kompletter Werke auf USB-Sticks liegt für
die Kammer auf der Hand, dass die damit ermöglichte unbegrenzte Zirkulierung
des Werkes ohne Qualitätsverlust im Internet, in Tauschbörsen, aber auch durch
Weitergabe der Datei von Hand zu Hand die normale Verwertung des Werkes
beeinträchtigt. Auch für den Ausdruck von Teilen eines Buches oder eines ganzen
Buches ist die Kammer indes der Auffassung, dass eine Ermöglichung desselben
allgemein, aber insbesondere bei preissensiblen Nutzern, Substituierungen im
Hinblick auf einen möglichen Kauf zur Folge haben kann.
Dies gilt jedenfalls in der Gesamtschau der Schranke des § 52b UrhG, die dem
Rechteinhaber – nach der Auslegung der Kammer in A.) des Urteils – einen
wichtigen Absatzmarkt dadurch entzieht, dass sie eine Digitalisierung von Werken
ohne Zustimmung als Annexkompetenz ermöglicht. Jedenfalls in der
Zusammenschau mit der Ermöglichung einer einfachen
Vervielfältigungsmöglichkeit durch Ausdruck und Speicherung würde dies die
normale Nutzung des Werkes beeinträchtigen.
Jedenfalls aber würden die berechtigten Interessen der Klägerin in diesem Fall
ungebührlich verletzt.
IV.
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65
Dies führt dazu, dass es auf die Frage, ob die Nutzer des Leseplatzes ihrerseits
berechtigt eine Vervielfältigungshandlung - etwa im Rahmen von § 53 Abs. 2 Nr. 1
UrhG – vornehmen (sog. Schrankenkettenproblematik, hierzu: Berger, GRUR 2007,
754), im Ergebnis nicht ankommt, da § 52b UrhG nur eine solche öffentliche
Zugänglichmachung erlaubt, die eine Vervielfältigung durch Ausdruck oder eine
Vervielfältigung durch Speicherung auf USB-Sticks ausschließt.
C.
In Ausübung des ihr nach Art. 267 AEUV zustehenden Ermessens hat die Kammer
eine Aussetzung des Verfahrens zwecks Vorlage an den Europäischen Gerichtshof
zur Auslegung von Art. 5 Abs. 3 n der Richtlinie nicht vorgenommen, da aus ihrer
Sicht keine vernünftigen Zweifel an der Auslegung der Richtlinie bestehen und es
somit an der nach Art. 267 AEUV notwendigen Erforderlichkeit einer
Vorabentscheidung durch den EuGH fehlt.
D.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §
709 ZPO.
Die Streitwertentscheidung folgt aus § 3 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.