Urteil des LG Frankfurt am Main vom 16.02.2009

LG Frankfurt Main: entstehung, vergütung, quelle, zivilprozessrecht, immaterialgüterrecht, verwaltungsrecht, dokumentation, post, kündigung, rechtsgrundlage

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Gericht:
OLG Frankfurt 18.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
18 W 355/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 2 Abs 2 S 1 Anl 1 Teil 3
Vorbem 3 Abs 4 RVG, Nr 2300
RVG-VV, Nr 3100 RVG-VV
Kostenerstattung: Anrechnung der Geschäftsgebühr auf
die Verfahrensgebühr bei einer Vergütungsvereinbarung
für die vorgerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts
Tenor
Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Beschwerdewert beträgt € 219,70.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Nachdem der Prozessbevollmächtigte der Beklagten für diese auf Grund einer
Vergütungsvereinbarung, der zufolge er nach Stundenaufwand abrechnet,
vorgerichtlich tätig geworden war, führten die Parteien vor dem Landgericht
Frankfurt am Main einen Rechtsstreit, in welchem das Landgericht mit Urteil vom
27.05.2008 (Bl. 170 bis 173 d. A.) die Klage abwies und dem Kläger auferlegte, die
Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Mit Beschluss vom 24.07.2008 (Bl. 195 d. A.)
setzte das Landgericht den Gebührenstreitwert auf € 5.124,- fest.
Auf Antrag der Beklagten vom 29.04.2008 (Bl. 167 d. A.), hat das Landgericht mit
Beschluss vom 11.07.2008 (Bl. 192 d. A.) zu Gunsten der Beklagten Kosten in
Höhe von € 966,40 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 27.05.2008 gegen den Kläger festgesetzt. Dieser
Beschluss ist dem Verfahrensbevollmächtigten des Klägers am 15.07.2008
zugegangen (Bl. 194 d. A.). Mit am 24.07.2008 per Telefax bei Gericht
eingegangenem Schriftsatz vom selben Tage (Bl. 198, 199 d. A.) hat der Kläger
sofortige Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss eingelegt und sein
Rechtsmittel gegen die Festsetzung einer 1,3 Verfahrensgebühr aus einem
Streitwert von € 5.124,- in Höhe von € 439,40 gerichtet. Der Kläger, der die
Beschwerde mit Schriftsätzen vom 26.08.2008 (Bl. 214 bis 218 d. A.) und vom
06.11.2008 (Bl. 234 bis 236 d. A.) weiter begründet hat, ist der Auffassung, die
Verfahrensgebühr sei um die Hälfte auf 0,65, entsprechend € 219,70 zu kürzen,
weil vorgerichtlich eine Geschäftsgebühr angefallen sei. Die
Vergütungsvereinbarung zwischen den Beklagten und ihrem
Prozessbevollmächtigten ändere nichts an der Entstehung der Geschäftsgebühr.
Die Beklagten sind der Beschwerde mit Schriftsätzen vom 05.08.2008 (Bl. 206 d.
A.), vom 07.08.2008 (Bl. 211, 21229 d. A.), vom 07.11.2008 (Bl. 223 bis 225 d. A.)
und vom 20.11.2008 (Bl. 245, 246 d. A.) entgegen getreten und der Ansicht,
wegen der Vergütungsvereinbarung sei eine Geschäftsgebühr nicht angefallen.
Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Bl. 228 d. A.)
II. Die gemäß §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO statthafte sofortige
Beschwerde ist zulässig; insbesondere ist die in § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO normierte
Frist zu ihrer Einlegung gewahrt.
Die Beschwerde hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Zu Recht hat das Landgericht eine 1,3 Verfahrensgebühr aus einem Streitwert von
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Zu Recht hat das Landgericht eine 1,3 Verfahrensgebühr aus einem Streitwert von
€ 5.124,- in Höhe von € 439,40 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz seit dem 27.05.2008 gegen den Kläger festgesetzt.
Diese Verfahrensgebühr ist gemäß Nr. 3100 VV RVG zu einem Satz von 1,3
angefallen. Sie ist nicht gemäß Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG um die
Hälfte vermindert. Dies wäre nur der Fall, wenn wegen des
verfahrensgegenständlich gewesenen Streites eine Geschäftsgebühr nach den
Nummern 2300 bis 2303 entstanden wäre. Eine solche Gebühr gelangte
vorliegend jedoch nicht zur Entstehung. Denn die Vergütung, die der
Prozessbevollmächtigte der Beklagten für seine vorgerichtliche Tätigkeit
beanspruchen kann, findet ihre Rechtsgrundlage in der Vergütungsvereinbarung,
die er mit den Beklagten getroffen hat, und nicht in den Vorschriften des
Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz. Das in einer
Vergütungsvereinbarung vereinbarte Honorar ist keine Geschäftsgebühr (vgl.
Gerold / Schmidt – Madert, 2300, 2301 VV RVG, Rdnr. 39 a. E.).
Vorliegend ist vom Bestehen einer Vergütungsvereinbarung, der zufolge der
Prozessbevollmächtigte der Beklagten seine vorgerichtliche Tätigkeit nach
Stundenaufwand abrechnet, auszugehen, weil diese Tatsache unstreitig ist. Der
Kläger hat das Bestehen der Vergütungsvereinbarung mit Schriftsatz vom
26.08.2008 eingeräumt (Bl. 218 d. A.) und diese Tatsache auch nicht durch
Vorlage des Schreibens des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom
22.10.2006 (Bl. 237, 238 d. A.) bestritten. Zwar haben die Beklagten den Kläger in
diesem Schreiben aufgefordert, ihnen die Kosten für die Befassung ihres
Prozessbevollmächtigten mit einer fristlosen Kündigung vom 16.10.2006 zu
erstatten und deren Höhe nach einer 1,3 Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV
RVG nebst der Erhöhung nach Nr. 1008 VVG und der Pauschale für Entgelte für
Post- und Telekommunikationsdienstleistungen gemäß Nr. 7002 VV RVG zuzüglich
Umsatzsteuer bestimmt. Damit haben sie indes nur einen, ihnen nach ihrer
Auffassung zustehenden Schadensersatzanspruch aus § 280 BGB geltend
gemacht, auf Grund dessen sie die Erstattung der Kosten für das vorgerichtliche
Tätigwerden ihres Prozessbevollmächtigten allenfalls bis zur Höhe der gesetzlichen
Vergütung beanspruchen konnten, auch wenn sie auf Grund der
Vergütungsvereinbarung gegenüber ihrem Prozessbevollmächtigten zur Zahlung
eines höheren Honorars verpflichtet waren. Die am Ende des Schreibens vom
22.10.2006 zu findende Berechnung dient daher nur der Berechnung des geltend
gemachten Schadensersatzanspruchs. Den Schluss, es habe keine
Vergütungsvereinbarung vorgelegen, lässt sie nicht zu. Damit kommt es auf die
zwischen den Parteien streitige Frage, ob das Schreiben der Beklagten vom
22.10.2006 den selben Gegenstand im Sinne von Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV
RVG betraf, nicht an.
Dass in Fällen, in denen ein späterer Prozessbevollmächtigter auf Grund einer
Vergütungsvereinbarung vorgerichtlich tätig geworden ist, eine Anrechung nach
Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG in Höhe einer Geschäftsgebühr vorzunehmen ist,
ergibt sich auch nicht aus den Ausführungen des Bundesgerichtshofs in dessen
Beschluss vom 22.02.2008, VIII ZB 57/07 (NJW 2008, 1323-1325 – zitiert nach
juris), denen zufolge es für die in Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG vorgesehene
Anrechnung ohne Bedeutung ist, ob die Geschäftsgebühr auf materiellrechtlicher
Grundlage zu erstatten und ob sie unstreitig, geltend gemacht, tituliert oder sogar
beglichen ist. Aus dieser Feststellung kann nicht geschlossen werden, auch im
Falle einer Gebührenvereinbarung, auf Grund deren die gesetzliche
Gebührenregelung im Verhältnis zwischen Mandant und Rechtsanwalt nicht
anwendbar ist, habe eine Anrechnung stattzufinden (so aber das
Oberlandesgericht Stuttgart, Beschluss vom 03.09.2008, 8 W 348/08, AGS 2008,
511-512 – zitiert nach juris). Denn die mit der Feststellung des Bundesgerichtshofs
angesprochenen Fälle betreffen sämtlich die Durchsetzung der auf der schon
entstandenen Geschäftsgebühr basierenden Forderung und nicht die hier einzig
maßgebliche Frage der Entstehung der Geschäftsgebühr. So heißt es in der oben
genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs dann auch weiter: „Für die
Anrechnung und damit die von selbst einsetzende Kürzung ist nach dieser
Vorschrift vielmehr entscheidend, ob und in welcher Höhe eine Geschäftsgebühr
bei vorausgesetzter Identität des Streitgegenstandes entstanden ist,…“ (Rdnr.
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Wie schon dargelegt, entsteht die Geschäftsgebühr in einem Fall wie dem
vorliegenden gerade nicht. Die vom Oberlandgericht Stuttgart vertretene
Auslegung der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG führt zur Anrechnung einer fiktiven
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Auslegung der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG führt zur Anrechnung einer fiktiven
Geschäftsgebühr.
Ob eine Partei, die mit ihrem Prozessbevollmächtigten eine
Vergütungsvereinbarung gerade zu dem Zweck abschließt, eine Anrechnung der
Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr zu vermeiden, rechtsmissbräuchlich
handelt, so dass die Verfahrensgebühr analog Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG zu
vermindern ist, kann dahinstehen. Es sind keine Anhaltspunkte für die Annahme
ersichtlich, dass vorliegend ein solcher Fall gegeben sein könnte. Durch die
Zurückweisung der sofortigen Beschwerde fällt eine Gerichtsgebühr gemäß Nr.
1812 VV GKG an. Diese hat der Kläger ebenso wie die außergerichtlichen Kosten
des Beschwerdeverfahrens zu tragen, weil sein Rechtsmittel keinen Erfolg hat, § 97
Abs. 1 ZPO. Der Beschwerdewert bemisst sich nach dem Betrag der 0,65
Verfahrensgebühr aus einem Streitwert von € 5.124,-, deren Absetzung der Kläger
mit seinem Rechtsmittel begehrt hat, § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, weil die Sache von grundsätzlicher
Bedeutung ist. Überdies erfordert die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung in Anbetracht der vorstehend zitierten Entscheidung des
Oberlandesgerichts Stuttgart eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts, §
574 Abs. 2 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.