Urteil des LG Frankfurt am Main vom 19.02.2009

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Gericht:
LG Frankfurt 24.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2-24 S 189/08,
2/24 S 189/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 278 BGB, § 651c Abs 1 BGB,
§ 651d Abs 1 BGB, § 651f Abs
1 BGB, § 651g Abs 1 BGB
Pauschalreisevertrag: Namentliche Bezeichnung der Stelle
für die Anspruchsanmeldung in den ARB; Information über
Pass- und Visumerfordernisse
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 07.08.2008 verkündete Urteil des
Amtsgerichts Frankfurt am Main, Az. 29 C 797/08 (81), wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Von einer Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 II, 313 a I S. 1 ZPO
abgesehen.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete
Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Kläger hat weder einen Anspruch gegen die Beklagte auf Rückzahlung des
Reisepreises infolge einer Kündigung des Reisevertrages gem. § 651 e I, III BGB
bzw. wegen eines Reisemangels gem. §§ 651 c I, 651 d I, 638 III und IV BGB (100%
Minderung) noch einen Anspruch auf Schadensersatz gem. § 651 f I BGB.
1.
Vorliegend dürfte die Anspruchsanmeldung gegenüber dem Reisebüro
ausreichend und fristwahrend gewesen sein.
Zwar gilt nach § 651 g I BGB, dass die Anspruchsanmeldung gegenüber dem
Reiseveranstalter anzubringen ist. Jedoch ist der Kläger wohl nicht ausreichend
über den Adressaten der Anspruchsanmeldung gem. § 6 II Nr. 8, IV BGB-InfoV
aufgeklärt worden.
Zwar kann die "Stelle" für die Anspruchsanmeldung grundsätzlich in den AGB des
Reiseveranstalters bestimmt werden.
Jedoch reicht dies allein nicht aus. Der Reiseveranstalter ist nämlich gem. § 6 II Nr.
8 BGB-InfoV gehalten, die Stelle namentlich zu bezeichnen.
Eine solche Bezeichnung ist in der vorgelegten Buchungsbestätigung des
Reisebüros nicht enthalten. Eine eigenständige Reisebestätigung der Beklagten als
Reiseveranstalter ist nicht vorgelegt worden. Zwar genügt im Falle des § 6 II Nr. 8
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Reiseveranstalter ist nicht vorgelegt worden. Zwar genügt im Falle des § 6 II Nr. 8
BGB-InfoV auch eine Verweisung im Sinne von § 6 IV BGB-InfoV (hinsichtlich der
diesbezüglichen Anforderungen siehe auch BGH, NJW 2007, 2549 ff.). Die
vorgelegte Buchungsbestätigung enthält überhaupt keine Bezugnahme.
Danach dürfte vorliegend ein Verstoß gegen § 6 II Nr. 8, IV BGB-InfoV gegeben
sein, so dass die Beklagte sich im Ergebnis nicht erfolgreich darauf berufen kann,
dass in ihren AGB, ungeachtet der Frage, ob diese vorliegend überhaupt
Vertragsinhalt geworden sind, die Stelle für die Anspruchsanmeldung bezeichnet
worden ist.
Da die Beklagte entgegen ihrer Verpflichtung gem. § 6 II Nr. 8, IV BGB-InfoV die
Stelle, an die die Anmeldung zu richten ist, nicht ausdrücklich namentlich benannt
haben dürfte, konnte der Kläger die Erklärung auch bei dem vermittelnden
Reisebüro fristwahrend einreichen.
Danach dürfte von einer fristwahrenden Anspruchsanmeldung auszugehen sein.
Dies kann jedoch im Ergebnis offen bleiben, da letztlich eine Pflichtverletzung der
Beklagten nicht vorgelegen hat.
2.
Eine Pflichtverletzung der Beklagten bzw. ein Reisemangel liegt nicht vor.
Der Kläger buchte Mitte Februar 2008 über ein Reisebüro eine Reise nach Ägypten.
Der Kläger verfügte über einen noch bis Ende Februar 2008 gültigen
Personalausweis. Notwendig war jedoch ein Ausweis mit einer weiteren Gültigkeit
von drei Monaten. Dem Kläger wurde deshalb am Abreisetag die Mitnahme nach
Ägypten verweigert.
Der Kläger behauptet, der Mitarbeiter des Reisebüros habe dem Kläger vor der
Buchung mitgeteilt, dass der noch bis Ende Februar 2008 gültige Personalausweis
ausreichend sei. Insoweit ist der Kläger der Auffassung, dass die Beklagte sich
diese Falschauskunft des Reisebüros zurechnen lassen müsse.
In der vom Reisebüro erstellten und dem Kläger ausgehändigten zweiseitigen
Buchungsbestätigung findet sich jedoch auf Seite 2 ein deutlicher und zutreffender
Hinweis auf die gültigen Einreisebestimmungen nach Ägypten.
Nach einer Gesamtwürdigung der Umstände ist nicht von einer
Informationspflichtverletzung durch die Beklagte auszugehen. Insoweit kann auch
dahinstehen, ob der Mitarbeiter des Reisebüros tatsächlich eine mündliche
Falschauskunft bzgl. der Einreisebestimmungen nach Ägypten erteilt hat. Selbst
wenn dies der Fall gewesen sein sollte, führt dies vorliegend nicht zu einer Haftung
der Beklagten.
Hinsichtlich der Verantwortlichkeiten zwischen Reisebüro und Reiseveranstalter gilt
nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. NJW 2006, 2321 ff.), dass nach getroffener
Auswahlentscheidung des Reisekunden das Reisebüro bei den Informationen über
die Durchführung der konkreten gewählten Reise jedenfalls nur noch als
Erfüllungsgehilfe des Reiseveranstalters tätig wird.
Insbesondere die Information über die Pass- und Visumerfordernisse gehört in der
Regel nicht zu der möglicherweise vom Reisebüro geschuldeten Auswahlberatung,
sondern ist allein Pflicht des Reiseveranstalters bei den Verhandlungen über den
gewählten Reisevertrag (§§ 4 I Nr. 6, 5 Nr. 1 BGB-InfoV). Sofern sich der
Reiseveranstalter zur Erfüllung dieser Pflicht des Reisebüros bedient, haftet er für
dessen Verschulden (§ 278 BGB).
Vorliegend ist nicht davon auszugehen, dass die Beklagte selbst wirksam und
ausreichend über die Pass- und Visumerfordernisse aufgeklärt hat. Zum einen
sind die vorgelegten AGB der Beklagten insoweit widersprüchlich, als in der einen
Version Hinweise zu den Einreisebestimmungen enthalten sind und in der anderen
Version nicht. Danach lässt sich nicht feststellen, welche AGB, wenn überhaupt,
Vertragsinhalt geworden sind. Zum anderen ist ein Hinweis über die Pass- und
Visumerfordernisse in den AGB des Reiseveranstalters nicht ausreichend, um den
Hinweispflichten des Reiseveranstalters gem. §§ 4 I Nr. 6, 5 Nr. 1 BGB-InfoV zu
genügen. Die AGB sind nämlich nicht der geeignete Ort, um über solche wichtigen
Umstände wie die Pass- und Visumerfordernisse zu informieren.
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Vorliegend hat jedoch das Reisebüro über die Pass- und Visumerfordernisse
informiert und ist somit als Erfüllungsgehilfe der Beklagten (§ 278 BGB) tätig
geworden. Insoweit ist vorliegend davon auszugehen, dass die Informationen
seitens des Reisebüros nach der Auswahlentscheidung erteilt worden sind.
Selbst wenn eine fehlerhafte mündliche Auskunft des Reisebüromitarbeiters
vorgelegen hat, führt dies im Ergebnis nicht zu einer Informationspflichtverletzung.
Es ist nämlich davon auszugehen, dass das "Reisebüro" die unterstellte mündliche
Falschinformation über die Einreisebestimmungen durch den entsprechenden
Mitarbeiter durch die schriftliche Buchungsbestätigung (Bl. 7 f. d. A., konkret Bl. 8
d. A.) korrigiert hat. In der Buchungsbestätigung des Reisebüros werden deutlich
sichtbar klar und eindeutig die maßgeblichen Einreisebestimmungen
wiedergegeben. Es kann von einem Reisenden auch erwartet werden, dass er sich
die Buchungsbestätigung, insbesondere wenn sie lediglich aus zwei Seiten
besteht, durchzulesen, um sie auf deren Richtigkeit zu überprüfen. Ein Reisender
ist nämlich gehalten, die ihm übergebenen Dokumente zur Kenntnis zu nehmen,
da er davon ausgehen muss, dass die schriftlichen Angaben in der Reise- bzw.
Buchungsbestätigung bedeutsam sind. Dies gilt insbesondere für übersichtlich
gestaltete Schriftstücke. Der maßgebliche Absatz ist hier auch mit einer
deutlichen und nicht zu übersehenden eingängigen Überschrift überschrieben.
Zwar liegen (unterstellt) objektiv zwei widersprüchliche Aussagen des Reisebüros
zu den Einreisebestimmungen vor. Jedoch geht die spätere schriftliche Erklärung
der ersten mündlichen Erklärung vor, da grundsätzlich im Zweifel davon
auszugehen ist, dass die aktuelle schriftliche Auskunft auch die zutreffende
Auskunft ist. Der Reisende kann sich bei widersprüchlichen schriftlichen Angaben
zu einer mündlichen Äußerung gerade nicht darauf verlassen, dass die mündliche
Äußerung besser ist. Jedenfalls muss er nachfragen. Der Reisende kann sich nicht
erfolgreich darauf berufen, dass er die schriftlichen Informationen nicht zur
Kenntnis genommen hat, denn hierzu ist er verpflichtet. Insoweit ist mit der
schriftlichen Information des Reisebüros die ursprünglich falsche korrigiert worden.
Insoweit fällt es in den Risikobereich des Klägers, wenn er diese deutlich
wahrnehmbare schriftliche Information in der Buchungsbestätigung nicht zur
Kenntnis nimmt. Insbesondere kann er sich dann nicht erfolgreich darauf berufen,
dass er sich einzig und allein auf die mündliche Information verlassen durfte.
Nach all dem ist nicht von einer Falschauskunft des Reisebüros, die der Beklagten
gem. § 278 BGB zuzurechnen wäre, auszugehen, da jedenfalls eine rechtzeitige
Korrektur vorgelegen hat.
Mangels Falschinformation liegt auch kein Reisemangel vor, so dass
reisevertragliche Gewährleistungsansprüche gegen die Beklagte ausscheiden.
Nach all dem ist die Berufung unbegründet und war entsprechend zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 II ZPO nicht
vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die
Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine
Entscheidung des Bundesgerichtshofes als Revisionsgericht.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713
ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.